Machen wir es anfassbar: ein Beispiel

In der letzten Woche habe ich im Podcast, in den begleitenden Beiträgen auf bto und in anderen Medien über geeignete Gegenmaßnahmen gesprochen. Dabei schlug ich vor, den Selbstständigen und Unternehmen vonseiten des Finanzamtes pauschal eine monatliche Umsatzausfall-Ersatzzahlung zu leisten, die dann im kommenden Jahr mit der Steuererklärung korrigiert wird. Diese Idee hat viel Zuspruch gefunden und ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass es der effizienteste, fairste und schnellste Weg wäre, die akute Krise zu überwinden.

Kritik kam aus zwei Richtungen:

  • Zum einen kam der berechtigte Einwand, dass Handelsunternehmen dieses Instrument missbrauchen könnten, indem sie den garantierten Umsatz vom Staat annehmen, aber keine Ware einkaufen und so fast alles als Gewinn ausweisen. Dieser Einwand ist sehr ernst zu nehmen, wissen wir doch aus Anreizsystemen, dass es immer wieder findige Köpfe gibt, die solche Lücken ausnutzen. Deshalb müsste man folgende Ergänzung an dem Gesetz vornehmen: Wenn ein Unternehmen einen Teil oder den gesamten Umsatzausfallzuschuss des Staates behält, darf der Gewinn sich wie der Umsatz nur auf dem Niveau des Vergleichsjahres bewegen. Erzielt ein Unternehmen einen höheren Gewinn, so wird die Differenz zu 100 Prozent besteuert. Damit gibt es auch einen Anreiz, Mitarbeiter nicht zu entlassen.
  • Die zweite Kritik kam aus einer anderen Richtung: Es wäre doch wohl nicht zu vertreten, den Unternehmen auch noch den Gewinn zu garantieren. Dieser Einwand kam von Nicht-Unternehmern, die meist keine Vorstellung davon haben, wie gering die Margen und Gewinne der meisten Unternehmer sind.

Aus diesem Grund will ich heute an einem echten Beispiel aufzeigen, wovon ich spreche. Es handelt sich um ein Kaffee/Restaurant in Berlin, dessen Geschäftsführerin Sandra auch in der neuesten Podcast-Ausgabe zu Wort kommt. Gemeinsam mit ihrem Geschäftspartner betreibt sie das Geschäft seit 2007. Im Jahr erzielen sie mit ihren 13 Mitarbeitern einen Umsatz von rund 500.000 Euro. Nach Steuern bleiben den beiden Geschäftsführern jeweils rund 25.000 Euro. Davon bestreiten sie ihren Lebensunterhalt und müssen für das Alter vorsorgen. Angesichts der persönlichen Risiken – u. a. Bürgschaft für die Miete – und den Arbeitszeiten weit jenseits von 35 Stunden pro Woche sicherlich kein übermäßig großer „Gewinn“.

Beginnen wir mit einem einfachen Blick auf die Umsätze und Kosten, bezogen auf den Monat März:

Abb. 1: Umsatz und Kosten vor/nach Corona

Quelle: Buchhaltungsdaten

Seit dem Appell von Angela Merkel am 18.03.2020, sich an die Regeln des Umgangs während der Corona-Epidemie zu halten, ist der Umsatz um ca. 50 Prozent eingebrochen. Das Restaurant ist geschlossen, allen Mitarbeitern wurde gekündigt. Es gibt noch den Verkauf außer Haus, weshalb immer noch Umsatz erzielt wird. Die Personalkosten sind gesunken, aber nicht völlig wegen der Kündigungsfristen. Während einige Mitarbeiter sich nach der Kündigung krankschreiben ließen, kommen einige noch zur Arbeit. Die Kündigungsfrist führt zu einem steigenden Personalkostenanteil, obwohl der Umsatz fällt.

Weitgehend variable Kosten sind Strom, Wasser, Gas und Reinigung. Die Kosten des Wareneinkaufs gehen wegen geringerer Abnahmemengen und dem allgemeinen Umfeld – alle haben mit den Folgen des Corona-Schocks zu kämpfen – leicht nach oben. Die anderen Kostenpositionen – Miete, Versicherung, Kfz-Steuer, Müllentsorgung, Betriebsbedarf etc. sind fix.

Es ist offensichtlich, dass schon jetzt Verluste erwirtschaftet werden. Kommt es zu noch größeren Einschränkungen und sinkt der Umsatz weiter, gibt es praktisch für die Geschäftsführer keine Hebel mehr, gegenzusteuern. Der Verlust wird größer.

Die nachfolgende Abbildung zeigt dies auf eine andere Weise:

Abb. 2: Umsatz- und Kostenverlauf

Quelle: Buchhaltungsdaten

„BEP“ steht für “Break-even-Point“ – das Umsatzniveau, ab dem ein Überschuss erwirtschaftet wird. Wir sehen zunächst, dass weniger Umsatz auch schnell einen Verlust bedeutet. Hier gemessen am sogenannten „EBIT“ – den Earnings before Interest and Taxes – also dem Gewinn vor Zinszahlungen und Steuern. Zum anderen sehen wir, dass die gestiegenen Kosten des Wareneinsatzes die Kostenkurve leicht nach oben verschieben.

Bevor man jetzt denkt, die Unternehmer hätten auf die Entlassungen verzichten sollen: Sollte die Krise länger andauern, sinken die Personalkosten und damit der Verlust. Deshalb ist es wirtschaftlich der richtige Entscheid, obwohl es kurzfristig wenig bringt.

Kommen wir zur staatlichen Hilfe. Ich habe die Finanzierung mit einem Darlehen simuliert:

Abb. 3: Kredit verzögert Insolvenz, verhindert diese aber nicht

Quelle: Buchhaltungsdaten

Modelliert wurde hier ein Kredit in Höhe von 40.000 Euro zu 15 Prozent Zinsen. Dabei macht es keinen großen Unterschied, ob der Kredit bei 40.000 Euro oder 30.000 Euro liegt. Die Insolvenz tritt einen Monat später ein. Wie man sieht, kann sich das Unternehmen ohne Kredit noch bis Ende Mai retten. Mit Kredit kann Insolvenz bis Februar 2022 verzögert werden. Grund ist, dass jährlich nicht genügend Cashflow erwirtschaftet wird, um die Schuldenraten zurückzuzahlen. Derzeit verfügt das Unternehmen noch über ein Liquiditätspolster von 15.000 Euro.

Oder um es einfacher zu sagen: Pro Jahr können maximal 5.000 Euro für Zinsen und Tilgung erwirtschaftet werden, da die Geschäftsführer auch etwas zum Leben brauchen. Dann dauert es zwischen sechs und acht Jahren, bis der Kredit abgebaut ist.

Klarer kann man nicht zeigen, dass Kredite nicht helfen.

Hinzu kommen die ganz praktischen Probleme, einen Antrag für Hilfe zu stellen. Die Internetseite der Investitionsbank Berlin, wo die Anträge zu stellen sind, bricht unter dem Ansturm der Anfragen zusammen. Die Unsicherheit über die Höhe, die Art und den Zeitpunkt der Unterstützung sind weitere Belastungsfaktoren. Kein Wunder, dass Sandra mich in unserem Gespräch fragte: Lohnt sich das überhaupt noch oder sollen wir nicht einfach aufgeben?

Natürlich habe ich geraten, genau das nicht zu tun und das Gespräch mit dem Vermieter zu suchen. Hier liegt ein wichtiger Hebel. Wobei ich allerdings anmerken muss, dass die Regelung der Regierung, einfach die Lasten auf die Vermieter abzuwälzen, auch nicht durchdacht ist, haben doch auch Vermieter Plichten wie Zinsen und Tilgung. Deshalb ja die Idee des künstlichen Komas, intelligent umgesetzt.