Grundeinkommen als Trojanisches Pferd

Laut Befragungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) aus vergangenen Jahren sympathisiert in Deutschland grundsätzlich die Hälfte der Bevölkerung mit dem Konzept eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE). Es gibt prominente Unterstützer wie Tim Höttges, Vorstandsvorsitzender der Telekom, die hierin eine Antwort auf die neue Welt sehen.

Die Argumente der Unterstützer sind knapp gefasst diese:

BGE fördert die Freiheit des Einzelnen, weil es allen gleichermaßen zugutekommt.

  • In der modernen Gesellschaft gilt der Grundsatz: Freiheit ist die beste Voraussetzung guter Dienstleistung. Wenn ich will, dass andere möglichst gut für mich arbeiten, dann habe ich dafür zu sorgen, dass sie dies aus freien Stücken tun können. Wer nicht arbeiten muss, der will arbeiten.
  • Anstrengung hat nichts mit Geld, sondern mit Sinn zu tun. Wir beginnen überhaupt erst, uns wirklich anzustrengen, wenn wir uns für eine Sache begeistern können.
  • Das Grundeinkommen ist nicht nur ein positiv besetzter Begriff, sondern eine wahlentscheidende Komponente.

Schauen wir mal auf die heutigen Sozialausgaben. Schon heute ist der Staat damit beschäftigt, umzuverteilen:

Abb.: Struktur der Staatsausgaben

Quelle: Der Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft (iwd), Statistisches Bundesamt, Zahlen für 2017, abrufbar unter: https://www.iwd.de/artikel/staatseinnahmen-und-staatsausgaben-deutschland-dick-im-plus-392332/

  • 786 Milliarden – immerhin mehr als 50 Prozent der Staatsausgaben entfielen auf monetäre und sachliche Sozialleistungen an private Haushalte, also Sozialhilfe, Wohn- und Erziehungsgeld, Gesundheitsfürsorge, Renten und Arbeitslosenhilfe. Insgesamt werden die Kosten des Sozialstaats auf 1000 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt
  • Die Verwaltungsausgaben für den Sozialstaat stiegen seit 1970 um 40 Prozent schneller als das BIP.[i] Dies ist nicht mit einem größeren Sozialstaat zu erklären, sondern deutet darauf hin, dass wir immer mehr Menschen beschäftigen, um die Umverteilung zu organisieren. Das dürfte nicht daran liegen, dass die Staatsdiener weniger arbeiten als früher. Vielmehr dürfte die Ursache daran liegen, dass die Gesetze immer komplizierter und umfangreicher wurden.
  • Was im Argen liegt, zeigen auch folgende Zahlen: Obwohl die Gesamtausgaben der Bundesagentur für Arbeit seit 2002 bis zur Corona-Krise um mehr als 41 Prozent gesunken sind – der guten Konjunktur sei Dank – stiegen die Verwaltungsausgaben um 81 Prozent. Jedes privatwirtschaftliche Unternehmen wäre da schon lange pleite!
  • Insgesamt arbeiten rund 370.000 Menschen für eine Sozialversicherung, allein für die gesetzlichen Krankenversicherungen 145.000 Mitarbeiter.
  • Deutschland leistet sich (Stand 2017) elf Allgemeine Ortskrankenkassen, 85 Betriebskrankenkassen und je sechs Ersatz- und Innungskassen. Ich selber bin zwar ein großer Freund von Wettbewerb, denke aber, dass der Wettbewerb in freiem Markt schon längst zu vier bis fünf starken und vor allem kosteneffizienten Anbietern geführt hätte. [ii]
  • Dass es geht, diesen Wildwuchs zu beschneiden, hat Österreich vorgemacht. Statt 21 Sozialversicherungsträgern hat man nunmehr fünf, neun regionale Krankenkassen wurden zu einer zusammengelegt. Verbunden damit war eine Reduktion der Aufsichtsgremien, ein bei Politikern besonders unbeliebter Punkt, fallen doch Versorgungsposten weg. Eigentlich schon deshalb sollten wir es tun.
  • Problem ist der politische Widerstand: Derzeit sind drei verschiedene Bundesministerien zuständig – das Arbeitsministerium für Hartz IV, das Familienministerium für den Kinderzuschlag, das Innenministerium für das Wohngeld. Für eine Reform müssten zwei der Ministerien darauf verzichten. Eine Familienministerin könnte sich dann künftig nicht mehr mit einem „Starke-Familien-Gesetz“ profilieren, ein Innenminister nicht mehr mit einem Wohngeldzuschlag. Auch für die Verwaltung müsste ebenfalls eine neue, einheitliche Lösung gefunden werden.
  • Trotzdem muss unsere Sozialgesetzgebung von Grund auf neugestaltet werden. Die Fortschreibung des Bestehenden führt angesichts der Tendenz der Politik, jeden Einzelfall spezifisch regeln zu wollen und dem Wunsch es bestimmten Interessengruppen recht zu machen, zu ineffizienten und teuren Lösungen.

Ziel sollte sein, alle Sozialleistungen zu bündeln und durch pauschale Geldzahlungen zu ersetzen.

Jetzt könnte man meinen, ich bin für das BGE. Dem ist aber nicht so. Ich befürworte:

  • eine drastische Verkleinerung der Verwaltung des Sozialstaats
  • eine Vereinfachung der Unterstützung
  • eine Hilfe, die sich an den Schwachen orientiert.

Schauen wir uns die Argumente an, die gegen ein BGE sprechen:

  1. Ein bedingungsloses Grundeinkommen von 1000 Euro kostet fast eine Billion Euro pro Jahr (12.000*82 Millionen) Das entspricht den gesamten Staatsausgaben für Sozialleistungen.
  2. Um das zu finanzieren, müssten wir alle Sozialleistungen und Renten abschaffen – also die Rentner, die eingezahlt haben, enteignen. Es ist eine massive Umverteilung.
  3. Wenn man das nicht will, reden wir rasch von 1500 Milliarden im Jahr. Und entsprechender Umverteilung.
  4. Damit potenzieren wir den Unsinn, Abgaben von Bürgern zu erheben und dann in praktisch gleicher Höhe wieder an diese zurückzugeben. Genau das passiert nämlich heute. Die Mitte der Bevölkerung – Alleinstehende mit 33.480 Euro bzw. Familien mit zwei Kindern und 70.000 brutto im Jahr führen 14.995 Euro an den Staat ab (direkte, indirekte Steuern und Sozialabgaben) und erhalten auf verschiedenen Wegen 14.330 Euro zurück. Was bleibt, ist ein Minus bedingt durch die Kosten dieser Umverteilung.[iii]
  5. Besser wäre es, die Sozialleistungen auf das untere Drittel der Bevölkerung zu beschränken und durch das obere Drittel der Bevölkerung bezahlen zu lassen. Das geht aber nicht pauschal, sondern gezielt.
  6. Das zeigen auch Studien. So hat der Ökonom Ive Marx in den Niederlanden vorgerechnet, dass drei Viertel der 18- bis 64-Jährigen finanziell mit einem BGE schlechter gestellt wären, 30 Prozent würden mehr als zehn Prozent an verfügbarem Einkommen verlieren. Die Ungleichheit würde leicht zurückgehen, die Armut aber um drei Prozentpunkte zulegen. Länder mit gut ausgebauten Sozialsystemen verschlechtern die Lage nach dieser Studie, statt sie zu verbessern.[iv]
  7. In einer Message auf Twitter schrieb Marx, dass das BGE “is massively inefficient if one cares about the least well-off in society”.
  8. Pilotversuche von den USA bis Finnland zeigten, dass BGE nicht dazu führt, dass mehr Menschen arbeiten und es oft zu einer Reduktion der Arbeitszeit kam. Genau das brauchen wir angesichts des erheblichen demografischen Wandels nicht!
  9. Die Lebenshaltungskosten sind stark unterschiedlich – München versus Oranienburg. Deshalb auch da nicht gerecht.
  10. Wenn man BGE einkommensabhängig macht etc., dann hat es entsprechend bürokratische Folgen und der wesentliche Vorteil der Kostensenkung in der Verwaltung fällt weg.
  11. Jede Politik führt zu Gewinnern und Verlierern, da es um Verteilung von Ressourcen geht. Wenn behauptet wird, es gibt keine Verlierer, muss man aufpassen! Auch beim BGE muss es Verlierer geben.
  12. BGE gilt als Waffe gegen vieles: Armut, Stress, Kriminalität, mehr Unternehmertum, Unterdrückung von Frauen, die Folgen von künstlicher Intelligenz/Automatisierung/Digitalisierung und natürlich Klimawandel. Was nicht zusammenpasst. Wie soll es die Wirtschaft stabilisieren, indem die Konsumnachfrage gestärkt wird, zum anderen das Klima retten? Passt nicht zusammen. Außer man schreibt auch vor, was „sinnvoller/guter“ Konsum ist.
  13. Es ist eine Utopie. Und hier haben wir keine guten Erfahrungen. Mao und Lenin wollten auch eine bessere Welt. Das Gegenteil von “gut” ist bekanntlich “gut gemeint”. Und das ist immer so bei sozialistischen Träumen, die am Ende zu Albträumen werden.
  14. Die Frage ist doch: Was passiert, wenn wir das BGE haben? Die Regierung wird nicht weniger, sondern mehr über uns wissen. Ein Blick nach China zeigt, was kommen kann: Das Social Credit System bedeutet die Überwachung und vor allem Belohnung/Bestrafung je nach Verhalten. Es wird am Ende ohne Kontrolle nicht gehen.
  15. Das BGE wird „bedingungslos“ beginnen. Aber man wird über Zeit feststellen, dass dies ziemlich teuer ist. Dann wird es zu Einschränkungen kommen. Zum Beispiel könnte man es für Kriminelle reduzieren. Oder für Menschen, die sich „asozial“ verhalten, heute z. B. keine Corona-Tracking-App laden. Einige werden das ablehnen, viele werden es aber für eine berechtigte Maßnahme halten. Genauso kann man anderes Verhalten sanktionieren – vom Müll auf die Straße werfen bis zu irgendwas. Warum sollte die Gesellschaft Leuten Geld geben, die sich nicht an die Regeln halten? Es dürfte sehr schnell normal sein, Menschen das BGE zu kürzen, dann aber aus anderen Gründen als heute Hartz IV – wegen nicht konformen Verhaltens. Und es ist naheliegend, solch gesellschaftsschädliches Verhalten auf ganz anderen Ebenen zu bestrafen, zum Beispiel für politisch unkorrekte Kommentare in sozialen Plattformen. Ich könnte mich zum Beispiel mit noch mehr Energie auf meinen Blog stürzen – doch wäre ich noch so frei oder würde mir das Grundeinkommen auch gekürzt? So wurde mir eine Anzeige wegen Volksverhetzung angedroht, weil ich in einem Artikel den britischen Telegraph zitiert habe, der vor den „grünen Taliban“ gewarnt hat.
  16. Und es wird Menschen geben, die Geld beziehen, aber eben keinen Beitrag zur Gesellschaft leisten. Da ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Regierungen anfangen zu bestimmen, was diese Menschen beitragen sollten. Damit wird das BGE zu einer Belohnung für „gutes Verhalten“ und was das ist, definiert die Regierung. Also z. B. Engagement in einer akzeptierten politischen Partei wird belohnt, Mitwirkung in einer anderen Partei wird bestraft.
  17. Bedeutet: Statt sich am Markt durchzusetzen, um ein Einkommen zu erzielen, muss man sich in politischen Zirkeln gut verhalten. Und es lohnt sich wieder, den Nachbarn zu bespitzeln, ob er sich auch wirklich an die Regeln hält.
  18. In China wird man im Social Credit System bestraft, wenn man “Fake News“ verbreitet. Doch was ist Fake? Das definiert die Regierung. Folge: BGE kann auch dazu führen, dass die Freiheit der Meinungsäußerung eingeschränkt werden kann. Das BGE kann schnell zu einer Waffe werden gegen jene, die unpopuläre/politisch nicht korrekte Meinungen vertreten.
  19. Damit wird das BGE das Einfallstor für totalitäre Systeme, um bestimmte Verhaltensweisen zu erzwingen.

Womit wir schon ahnen, wohin das bedingungslose Grundeinkommen führen muss. In eine Welt, wo es eben nicht mehr „bedingungslos“ ist. So die logische Konsequenz.

Fazit:

Das bedingungslose Grundeinkommen, ist

  • nicht gerecht
  • nicht finanzierbar
  • die Fortsetzung des Weges in den Fürsorgestaat und in Unfreiheit.

Besser wäre, es das bestehende System zu vereinfachen.


[i] IWD, „Etwas zu viel des Guten“, 8. November 2019, abrufbar unter: https://www.iwd.de/artikel/etwas-zu-viel-des-guten-448583/

[ii] IWD, „Etwas zu viel des Guten“, 8. November 2019, abrufbar unter: https://www.iwd.de/artikel/etwas-zu-viel-des-guten-448583/

[iii] F.A.Z. NET, „Staat unterstützt fast jeden Zweiten“, 11. Februar 2020, abrufbar unter: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/staat-unterstuetzt-fast-jeden-zweiten-steuerpolitik-16629210.html

[iv] Flanders Today, „Basic income doesn`t work, Antwerp research suggests”, 13. Juni 2018, abrufbar unter: http://www.flanderstoday.eu/basic-income-doesnt-work-antwerp-research-suggests