Geld ist privat – Vollgeld Monopol und Privateigentum vereinbar?

In Eigentumsökonomik III haben wir erklärt, wie es von Schulden zu Geld kam. Geld ist folglich nichts anderes als umlauffähig gemachte Schulden. Nun könnte man meinen, dies sei Gemeingut. Doch weit gefehlt. Sogar der FT war es einen Beitrag wert (Anmeldung erforderlich) zu erklären, dass Geld eben nicht dem Tausch dient oder sich nur auf das offizielle von den Notenbanken zur Verfügung gestellte Geld beschränkt. Im Gegenteil: Das „offizielle Geld“ macht nur einen Bruchteil der gesamten Geldmenge aus. Ist es doch wesensimmanent, dass alle jene, die beleihbares Eigentum haben, in Kreditbeziehungen treten können und damit zu jedem Zeitpunkt Geld schöpfen.
Edward Chancellor vom Fondsmanager GMO (den wir schon mehrmals zitiert haben, unter anderem mit einer exzellenten Analyse der Überbewertung des US-Aktienmarktes) fasst die Kernpunkte unter Bezugnahme auf ein neues Buch (Money: The Unauthorized Biography von Felix Martin) zusammen:

  • Der eigentliche Kaufkontrakt ist ein Tausch von einem Gut in eine Kreditbeziehung.
  • Selbst wenn das „Geld“ mit einem Metall wie Gold verbunden ist, ergibt sich der Wert nicht aus dem Gold als solchem, sondern aus dem dahinter liegenden Kredit. „Selbst ein wertloser Papierschnipsel kann Geld sein, solange der Empfänger weiß, was dahinter steht.” Gemeint ist, welcher Schuldner mit welcher Sicherheit dahinter steht.
  • Geld dokumentiert damit Kreditkontrakte.
  • Die Notenbanken schauen somit auf die falsche Größe. Das Schattenbankensystem schafft ständig Geld. Bestes Beispiel ist der Vorlauf der Krise: Die Verbriefung und Verpfändung von Krediten hat zu einem enormen Anstieg der Geldmenge geführt. Faktisch haben die (Schatten-) Banken selber Geld geschaffen (genau wie in der Eigentumsökonomik beschrieben).
  • Alle Bemühungen, jetzt die Beleihbarkeit von Assets einzuschränken, führen letztlich zu einer Reduktion der Schulden-/Geldmenge und wirken damit deflationär.
  • Auch in China kommt das Schattenkreditsystem unter Druck. Jeder Versuch der Zentralbank, dass System der „Wealth Management Products“ – wie die Anlagefonds genannt werden – einzuschränken, verstärkt den deflationären Druck. Folge: starker Zinsanstieg und Flucht in „Liquidität“, also Zentralbankgeld.

Wir finden es bedenklich, dass dieses Wissen über die Wirkung von Schulden, Zins und Geld nicht die Basis für die Wirtschaftspolitik legt, sondern stattdessen veraltete Konzepte von Tauschgeld und Fokussierung auf einen Bruchteil des echten Geldes.

Das führt nochmal zum Thema des Vollgeldes, welches wir vor einiger Zeit diskutiert haben. Bei Vollgeld liegt die Annahme zugrunde, die Schaffung von Geld ließe sich staatlich monopolisieren. Offensichtlich ist das aber in einer auf Eigentumsrechten basierenden Wirtschaft nicht möglich. Freie Eigentümer werden immer einen Weg finden, Kreditkontrakte einzugehen und damit „Geld“ zu schaffen. Dies mag dann nicht in Form des Zentralbankgeldes sein, sondern in Form von virtuellen Währungen oder anderen Formen der Dokumentation von Kreditkontrakten. Und dann hätte Friedrich von Hajek doch recht: Besser ein Wettbewerb von Geld, bei dem sich Qualität über Zeit durchsetzt, als ein schlechtes und inhärent instabiles Monopol. Die Diskussion darüber muss geführt werden.

Kommentare (4) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. moneymind
    moneymind sagte:

    “Vollgeld” ist in einem solchen eigentumsbasierten Kreditsystem völlig unnötig.

    Wie Heinsohn und Steiger schreiben, hat in einem solchen kreditgeldbasierten System der stärkste Gläubiger die größte Macht zur Geldschöpfung und –Vernichtung (und damit zur monetären Steuerung der Gesamtwirtschaft). Es ist offensichtlich, daß dies der Staat ist – denn der hat über die Steuergewalt die Macht, jederzeit ins Vermögen ALLER seiner Bürger einzugreifen. Dies macht ihn nicht nur zum mächtigsten Gläubiger des Systems, sondern gleichzeitig auch zum kreditwürdigsten Schuldner. Saldenmechanisch entsprechen den Schulden des Staates (im Modell einer geschlossenen Wirtschaft) dabei natürlich stets die finanziellen Guthaben des Privatsektors.

    Entscheidend ist, daß der Staat damit die jederzeitige Macht der Geldschöpfung und Geldvernichtnung hat, denn er kann sich qua Steuerhoheit jederzeit verschulden oder aber Steuern erhöhen. Damit ist die staatliche Budget- und Steuerpolitik das entscheidende Steuerungsinstrument der privaten Wirtschaft, ein Vollgeldsystem wird dafür überhaupt nicht benötigt. Es braucht lediglich das Durchbrechen der rein ideologisch begründeten neoliberalen Illusion, der Staat solle sich aus der privaten Wirtschaft heraushalten und sich dieser bestenfalls unterwerfen.

    Es wundert nun nicht, daß die Budget- und Steuerpolitik genau deshalb zum Gegenstand der gegensätzlichen Interessen unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen werden, die diese über als „Wirtschaftstheorie“ eingekleidete massive ideologische Propaganda in die Köpfe der Politiker und der Öffentlichkeit zu pressen versuchen. Daß eine deflationäre Budget- und Steuerpolitik (wie die neoliberale der letzten 30 Jahre) die Interessen des Finanzkapitals, eine inflationäre (wie die keynesianische der Nachkriegszeit bis Anfang der 70er) dagegen eher die Intessen des Realkapitals und der Gewerkschaften bedient, dürfte unmittelbar klar sein.

    Eine sinnvolle, d.h. antizyklisch beiden großen Interessen und der natürlichen Prozyklik des privaten Kreditsystems angemessen und differenziert entgegensteuernde und so das System stabilisierende Budget- und Fiskalpolitik würde makroökonomisch kompetente, unabhängig denkende Politiker voraussetzen. Diese sind aber weit und breit nirgends zu sehen, weil selbst die sogenannten “Wissenschaften” sich mehrheitlich nicht zur Magd der Interessengruppen machen lassen, sondern noch dazu bisher mehrheitlich völlig unfähig sind, den Kern des bestehenden Systems auch nur ansatzweise klar zu verstehen.

    Stattdessen praktizieren von Friedman/Hayek etc. monetaristisch indoktrinierte Politiker heute bedingungslose Konsolidierungspolitik, zwingen die Zentralbanken damit zu niedrigen Zinssätzen (ohne die sie ihr Inflationsziel gar nicht mehr erreichen können, das ihren gesamtwirtschaftlichen Auftrag entspricht) und ermöglichen es den deregulierten Finanzmärkten damit, mithilfe von durch billiges Zentralbankgeld finanzierter Spekulation eine Finanzmarktblase nach der anderen aufzublasen; gleichzeitig senken sie Unternehmenssteuern, sodaß der Unternehmenssektor heute nicht mehr verschuldet ist, sondern Nettosparer (!), womit er von jeglichem Innovationszwang befreit wurde. Die Unternehmen ihrerseits konzentrieren sich zur Vermögenssicherung nun nicht mehr auf die Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit durch Innovationen, sondern durch bloße Lohndrückerei und Steuersenkungslobbyismus (weil dies ja von der herrschenden neoliberalen Politik unterstützt wird). Bei all dem wundert man sich dann noch, wenn die Staatsschulden trotz gegenteiliger Intention permanten steigen müssen, was bei nettosparenden Unternehmen natürlich schlicht eine pure saldenmechanische Notwendigkeit darstellt (in den 50er und 60er Jahren war der Unternehmenssektor verschuldet, die privaten Haushalte Nettosparer, und der Staatshaushalt ausgeglichen).

    Es ist schon belämmernd, daß die Damen und Herren Theoretiker und Politiker offensichtlich ein erneutes Desaster wie das der 30er Jahre benötigen, nur um sich auf während und nach der Weltwirtschaftskrise längst gewonnene Erkenntnisse zu besinnen, während die Kritiker sich auf irrelevanten Neben-Scheinschauplältzen wie “Vollgeld”-Ideen herumtreiben, anstatt das Offensichtliche zu erkennen, während die richtigen Forderungen und Feststellungen z.B. seitens des IWF (Olivier Blanchard: Rethinking Macroeconomic Policy, 2010) oder der Bank of England (Money Creation in the Modern Economy, 2014) ungehört verhallen.

    Hier muß der Staat seine wirtschaftspolitische Strategie massiv ändern, die Finanzwirtschaft wieder (wie nach 1929ff.) strikt regulieren (u.a. durch ein stabiles internationales Währungssystem), für Nachfrage sorgen, die Realwirtschaft wieder höher besteuern, aber ein investitionsfreundliches Klima schaffen, um wieder realwirtschaftliche Verschuldungsbereitschaft und damit verbundenen Innovationsdruck zu erzeugen.

    In anderen Worten: wie nach 1929ff. muß die „finanzkapitalistische“ Spielanordnung wieder massiv zu einer „realkapitalistischen Spielanordnung umgebaut werden, in der realwirtschaftliche, verschuldunsbasierte Investitionen für die Unternehmen wieder attraktiv sind und zu dynamischer Beschäftigungssteigerung und der Möglichkeit zu profitablem Umsetzen von Innovationen führen.

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  2. Michael Stöcker
    Michael Stöcker sagte:

    Vollgeld liegt die Annahme zugrunde, die Schaffung von Geld ließe sich staatlich monopolisieren. Offensichtlich ist das aber in einer auf Eigentumsrechten basierenden Wirtschaft nicht möglich.

    Das ist schon möglich, nur muss sich der Staat/Zentralbank dabei an die Spielregeln halten. Der Vorteil wäre ein bessere Steuerung der Geldmenge im Hinblick auf frühere Geldmengenziele (4,5%, die sich aus 2,5 % gewünschtem Wachstum sowie 2 % gewünschter Inflation zusammensetzten) und somit die Eindämmung von typischen Boom-Bust-Zyklen durch eine kontinuierlichere Kreditvergabe. Solche Ziele könnte man aber auch mit dem aus der Mode gekommenen Mindestreservesatz erreichen sowie mit höheren/niedrigeren Eigenkapitalanforderungen bei der Kreditvergabe.

    Die Ideen von Hayek zum Geld sind schon sinnvoll, aber nicht im privatrechtlichen Sinn. Die Banken haben in der Vergangenheit doch immer wieder bewiesen, dass sie bei Kredit-/Vertrauenskrisen immer wieder auf das staatliche Gewaltmonopol zurückgreifen mussten. Dies ist ja gerade der Grund, weshalb es zur Gründung von Zentralbanken kam. Nur der Staat mit seinem steuerlichen Gewaltmonopol (notwendige Bedingung) kann eine Währung auf Dauer garantieren. Aber auch Zentralbanken dürfen die Regeln für eine stabile Währung nicht unterlaufen. Wenn doch, dann kommt es eben aufgrund des Wettbewerbs zu Ausweichreaktionen und Verträge werden in anderen Währungen geschlossen (freier Kapitalverkehr vorausgesetzt).

    Aber auch ein Vollgeld löst nicht das viel grundsätzlichere Problem der Verschuldungs-/Investitionsbereitschaftbereitschaft in gesättigten Märkten mit hohem Ginikoeffizienten. Ich stimme mit Ihnen in sehr vielen Punkten überein, aber ein Vollgeld ist meines Erachtens keine geeignete Lösung für das avisierte Problem. Vor allem nicht mit den Ideen von Joseph Huber und seinen merkwürdigen Vorstellungen über die Seigniorage (siehe auch hier: http://soffisticated.wordpress.com/2013/04/07/das-vergangene-marchen-der-seigniorage/)

    Aber die Ideen von Huber haben mich selber weitergebracht im Verständnis der Ursachenanalyse sowie möglicher Lösungsstrategien. Meine eigenen Vorschläge zu einer Reform unseres Geldsystems können in letzter Konsequenz in der langen Frist zu einem Vollgeldsystem führen (http://zinsfehler.wordpress.com/).

    Vielen Dank für Ihre anregenden Beiträge
    Michael Stöcker

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  3. Gunnar Heinsohn
    Gunnar Heinsohn sagte:

    Frank Decker macht in einem für das “Journal of Institutional Economics” geschriebenen Aufsatz darauf aufmerksam, dass Römer schon seit der Republikzeit private Kontobücher (codex accepti et expensi) geführt haben (eingereicht 1/2014 als “On the economic importance and impact of ownership and security: claims to property as the foundation of monetary systems”). Schulden werden damals schon direkt im Kontobuch des Gläubigers durch den Schuldner beglaubigt. Vor Gericht zählen für Vollstreckungsentscheidungen in das Eigentum säumiger Schuldner solche individuellen Kreditbucheinträge genau so wie von Banken herausgereichte, dann aber nicht getilgte Cash-Kredite. Überhaupt dominieren in den längsten Zeiten der Eigentumsökonomie Buchungen und Gegenbuchungen, so dass erst zu Monats- oder gar Jahresende für das Ausgleichen womöglich verbliebener Differenzen Cash zum Einsatz kommt. Gunnar Heinsohn

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    • moneymind
      moneymind sagte:

      Ähnliches beschreibt Edward Cohen für das antike Athen (“Athenian Economy and Society: A Banking Perspective”).

      Markus A Denzel beschreibt dann fürs 13. und 14. Jahrhundert in Oberitalien den sich dort entwickelnden bargeldlosen Zahlungsverkehr über Wechsel (Inhaberforderungen) und deren multilaterale Verrechnung. Dies spielte sich dort und damals auf Messen ab, auf denen sich spontan Messegerichte bildeten.

      Alles Argumente, die für die Entwicklung von Kreditwirtschaft und Buchführung “von unten”, also seitens der “Bürger” sprechen und gegen eine Theorie, die die Geldentstehung “von oben”, per staatlicher Verschuldung, erklären will (wie etwa die “modern monetary theory”).

      Die geldpolitischen Möglichkeiten staatlicher Fiskal- und Verschuldungspolitik wurden de facto erst im 20. Jahrhundert im Zuge der Weltwirtschaftskrise explizit entdeckt. Wie sich ganz ähnlich auch das central banking aus dem private banking entwickelte, als die Bank of England entdeckte, daß sie in einer Finanzkrise als starke Bank die Funktion eines Lender of Last Resort übernehmen konnte. Daß die Möglichkeiten des Staates hier noch weitaus umfassender sind, wurde in der Praxis erst viel später, während der Weltwirtschaftskrise entdeckt – in Deutschland von Leuten wie L. Albert Hahn, Wilhelm Lautenbach, Hans Gestrich und anderen und in England von J.M. Keynes.

      Ihr Kollege Steiger war sich dessen übrigens klar bewußt (siehe seinen Aufsatz “Der Staat als Lender of Last Resort”).

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