Die Theorie der langen Wellen der Kon­junktur (I)

Am Sonntag (28. Mai 2023) spreche ich in meinem Podcast über lange Zyklen der Wirtschafts- und Gesellschaftsentwicklung. Zur Einstimmung gibt es ein paar Beiträge. Heute einen Auszug aus meiner Dissertation aus dem Jahr 1990. Es geht um die Kondratieff-Wellen und fasst den damaligen Wissensstand zusammen. Dieser ist aber nicht unbedingt veraltet, wird doch immer noch über das Phänomen diskutiert:

 

Grundlagen

Anfang der 70er Jahre erlebte die Theorie der langen Wellen der Konjunktur eine wahrhafte Wiedergeburt, nachdem sie  in den vorangegangenen Jahrzehnten stürmischen Wachstums in Vergessenheit geraten war. Seither wurden viele neuere Untersuchungen des Phänomens vorgenommen, und es gibt “(…) eine relativ grosse, an Zahl ständig wachsende Gruppe von Nationalökonomen, (…) für welche die Existenz von Wachstumswellen nicht nur feststeht, sondern auch deren immer wiederkehrende Periodizität.” Statistische Untersuchungen führen jedoch zu keiner eindeutigen Bestätigung der Existenz langer Konjunkturwellen.

Bereits in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts gab es erste Untersuchungen über die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften. Die bekannteste stammt von N.D. Kondratieff, nach dem die langen Wellen der Konjunktur noch heute benannt werden.

Bei der Analyse verschiedenster  Grössen, wie Preisniveau, Zinsen, Löhne, Produktion und Aussenhandel, gelang es  ihm, die Vermutung der Existenz derartiger Zyklen zu stützen. So spricht er von einer hohen Wahrscheinlichkeit des “(…) Vorhandensein(s) langer zyklischer Wellen der Konjunktur (…)”. Aufbauend auf diesen Ergebnissen entwickelte Schumpeter seine “Drei-Zyklen-Theorie”, die vom Vorhandensein eines etwa 3jährigen Kitchin-, eines 10jährigen Juglar- und eines 60jährigen Kondratieff-Zyklus ausgeht.

Der klassische Kondratieff-Zyklus ist eine lange Welle der ökonomischen Entwicklung, die in der Regel 50 bis 60 Jahre anhält und in vier Phasen zerfällt:

Phase 1: Der „Frühling“ basiert auf Innovationen und der Umsetzung neuer Technologien und ist eine Expansionsphase, die den allgemeinen Wohlstand steigert und schließlich eine Inflation produziert. Diese Phase dauert rund 25 Jahre.

Phase 2: Der „Sommer“ hält nur flüchtige fünf Jahre lang an. Die Expansion erreicht ihren Höhepunkt, dann entstehen Probleme. Überproduktion führt zu Engpässen bei den Ressourcen, was die Kosten treibt und die Gewinne sinken lässt. Das Wirtschaftswachstum verlangsamt sich.

Phase 3:  Der „Herbst“ währt rund zehn Jahre. In dieser Phase kommt es zur ersten Rezession des Kondratieff-Zyklus, danach tritt die Wirtschaft in eine Zeit mit stabilem, aber niedrigem Wachstum ein. In dieser Hochphase steigt dank niedriger Inflation und guter Wirtschaftsaussichten die Kreditaufnahme.

Phase 4: Der „Winter“ zieht sich im Schnitt über 18 Jahre hin. Er beginnt mit einem durch die hohe Verschuldung der Herbstphase ausgelösten langwierigen, rezessionsähnlichen Abschwung, der bis zu drei Jahren anhalten kann. Darauf folgt eine Periode von bis zu 15 Jahren mit niedrigen Wachstumsraten, bis der nächste Frühling kommt.

Quelle: IfW Kiel

 

2.2 Erklärungsansätze für die Existenz von Kondratieffzyklen

Von besonderem Interesse sind zweifellos die Ursachen, die zu zyklischen Schwankungen in der Entwicklung von Volkswirtschaften führen. Einige der bedeutendsten Theorien sollen im Folgenden kurz charakterisiert werden.

2.2.1 Innovationscluster als Auslöser der langen Wellen

Dieser Ansatz, der vor allem von Schumpeters “dynamischem Unternehmer” geprägt wurde, stellt die technologische Entwicklung in  den Mittelpunkt der Analyse. Basierend auf Schumpeter waren es vor allem Mensch, Marchetti, Kleinknecht und van Duijn, die die Bedeutung von Innovationen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und den Zusammenhang zwischen Kondratieffzyklen und Auftreten von Innovationen untersucht haben.

2.2.1.1 Der Ansatz von G. Mensch

2.2.1.1.1 Grundzüge

Im Zentrum der Untersuchungen von Mensch steht der Zusammenhang zwischen dem Auftreten von sog. Basisinnovationen und der langfristigen Entwicklung der Volkswirtschaft, wobei dieser nicht auf den Kapitalismus beschränkt, sondern auch im Sozialismus festzustellen ist.

Die bedeutendste Erkenntnis ist jene, dass Basisinnovationen, also Innovationen, die auf industrielles Neuland führen, gebündelt auftreten. So stellt sich die wirtschaftliche Entwicklung nach Mensch wie folgt dar:

Ein Bündel von Basisinnovationen führt zum Aufbau verschiedener neuer Industriezweige, die Nachfrage  auf sich ziehen und ständig Verbesserungsinnovationen vornehmen. Es kommen gleichzeitig verschiedene Wachstumszyklen in Gang, die weitgehend parallel verlaufen. In der Aufschwungsphase besteht ein Verkäufermarkt, es kommt zu Massenfertigung und Standardisierung. Mit zunehmendem Wachstum der neuen Industriezweige sinkt die Neigung zu Basisinnovationen, da diese risikoreicher sind als die Vornahme von Verbesserungsinnovationen. Dies führt dann zu einem Innovationsstau, da die Erfindungen (Inventionen) relativ gleichmässig im Zeitablauf auftreten. Der einsetzende Konzentrationsprozess verringert den Druck zur Durchführung von Verbesserungsinnovationen, die, wegen der mit ihnen verbundenen Produktionsumstellungen und der Erschwerung von Standardisierung und Massenfertigung, beim Management nicht beliebt sind. Auf der anderen Seite ist eine steigende Marktsättigung festzustellen, das Nachfragevolumen stagniert, und die in der Prosperitat aufgebauten Kapazitäten bleiben immer mehr unausgelastet.  In dieser Situation gesättigter Märkte in den wichtigsten Schlüsselindustrien, die Mensch als “technologisches Patt” bezeichnet, haben sich die industrialisierten Länder bis “aufs Engste angeglichen”, was Produktionstechnik, Lebensstandard und Lebensweise betrifft.

Die einsetzende Stagnation ist Ausdruck eines Mangels an grundlegenden Innovationen, jedoch ist das technologische Patt nur eine Umbruchsphase, die zu einer Weltwirtschaftskrise führen kann, nicht muss. Verschiedene Branchen erreichen gleichzeitig einen Sättigungsgrad, was sich über Multiplikatoreffekte in der ganzen Wirtschaft auswirkt.

Stagnation ist in diesem Modell die originäre Kraft, “Innovation und Stagnation induzieren einander.” Dieses Modell entspricht nach Auffassung von Mensch eher der Realität, da diese keine Sinuskurve, sondern aufeinanderfolgende Wachstumstrends zeigt. Zudem ist der fehlende Determinismus vorteilhaft, kann doch aus der Stagnation heraus ein Kollaps, ein langsamer Nieder- oder ein fliessender Übergang in einen neuen Wachstumsschub resultieren. Auch lässt sich anhand einzelner Unternehmen und Branchen eine Analyse durchführen, was dazu beiträgt, die einseitige “Black-Box”-Betrachtung des Phänomens der langen Wellen zu überwinden.

2.2.1.1.2 Zusammenhang zwischen Invention und Innovation

Innovationsarmut und -reichtum wechseln einander ab, wobei der Trendwechsel im technologischen Patt erfolgt. Anhand von historischen Daten der letzten drei Kondratieff-Zyklen analysiert Mensch den Zusammenhang zwischen Invention und Innovation, wobei er feststellt, dass

  • Invention und Innovation nicht dicht beieinander liegen
  • das Auftreten von Basisinnovationen zwischen 1740 und 1955 heftigen Schwankungen unterlag
  • in Prosperitätsphasen geringe Neigung zu Basisinnovationen bestand
  • in Krisen große Neigung zu Basisinnovationen bestand
  • diese Ergebnisse mit dem Metamorphose-Modell im Einklang stehen.

Bei Analyse der Ursachen für das zyklische Verhalten von Basisinnovationen stellt er fest, dass es keine ähnlichen Schwankungen bei den Inventionen gibt. Vor jeder Krise gab es einen aufgestauten Wissensstock, da die Investoren erst in der Krise ihre Risikoaversion überwinden und sich auf die Möglichkeiten der Basisinnovationen besinnen.

Der heutige Eindruck des sich beschleunigenden technischen Wandels beruht auf Verbesserungs- und Scheininnovationen in traditionellen Bereichen, während es bei Basisinnovationen eher zu einer Verlangsamung gekommen ist.

Die Zeitspanne, die zwischen Basisinventionen und -innovationen vergeht, wird innerhalb eines Zyklus kleiner, was an der Leitfunktion der Vorläufer liegt. Diese erleichtern die Durchführung von Folgeinnovationen, die deshalb weniger Zeit in Anspruch nehmen. Ausgangspunkt bildet meist: ein grundlegender Paradigmawechsel, der in verschiedenen Wissensgebieten völlig neue Forschungsmöglichkeiten eröffnet.

Gerade wenn die Verkürzung der Innovationszeiten am deutlichsten ist, werden jene völlig neuen Ansätze welche Basis für die neue Kondratieff-Welle bilden jedoch verzögert. Erst im Zuge einer Depression erfolgt deren Umsetzung.

So lässt sich zusammenfassend sagen, dass:

  • Stagnation die Folge von fehlenden Innovationen ist
  • diese Situation des technologischen Patts zu tiefgreifenden Krisen führen kann
  • der Innovationsmangel auf Fehler der Wirtschaftsführung zurückzuführen ist
  • nur Basisinnovationen einen neuen Aufwärtstrend auslösen können.

2.2.1.1.3 Kritik am Ansatz von Mensch

Folgende Kritik wird an dem Ansatz von Mensch zumeist geübt:

  • “systematische Häufungen von Basisinnovationen, deren Identifikation ohnehin nie frei von Willkür ist -” sind bisher noch nicht hinreichend belegt worden.
  • Vernachlässigung des Diffusionsprozesses.
  • Zweifel an der Reliabilität von Menschs empirischen Beobachtungen.
  • Zweifel an der theoretischen Erklärung: Innovationen werden von Gewinnerwartungen ausgelöst. Diese sind in expandierenden Märkten besser als in Depressionen, weshalb eine Zunahme der Innovationen im Aufschwung/Boom vorliegen müsste.
  • Fehlen eines eindeutigen Abgrenzungskriteriums zwischen Basis- und Verbesserungsinnovationen.

2.2.1.2 Der Ansatz von J. van Duijn

Ebenso wie bei Mensch steht auch bei van Duijn die Bündelung von Basisinnovationen als Hauptursache für die zyklische Wirtschaftsentwicklung fest. Sie begründen seiner Meinung nach neue Industriezweige, die sich entlang logistischer Kurven entwickeln. Dies führt zu Multiplikator- und Akzelleratoreffekten und so zum Aufbau von Überkapazitäten, die dann, über einen Rückgang der Investitionstätigkeit, die Depression auslösen. Erst ein erneuter Anstieg der Investitionen ermöglicht, über die damit verbundenen positiven Multiplikatoreffekte, die Wirtschaftskrise zu überwinden. Die volkswirtschaftliche Entwicklung basiert folglich auf den Lebenszyklen der Innovationen. Es gibt zwar Innovationen, deren Lebenszyklus sich über mehr als eine lange Welle erstreckt (z.B. US Automobil­ und Flugzeugindustrie), das Wachstum flacht jedoch mit jeder Welle ab. Im Gegensatz zu Mensch erwartet van Duijn den Innovationsboom nicht in der Depression, sondern im Laufe des Aufschwungs, da die Innovatoren davon überzeugt sein müssen, dass sie neue Märkte entwickeln. Diese Überzeugung tritt erst während einer Aufwärtsentwicklung ein. Ursache dieses erneuten Aufschwungs ist eine “technische Reaktion”, wenn die Oberkapazitäten beseitigt sind und die bestehende Infrastruktur einer Erneuerung bedarf.

2.2.1.3 Der Ansatz von A. Kleinknecht

Für Kleinknecht ist die von Mensch vorgenommene Analyse theoretisch richtig, da er von einer Konzentration auf Verbesserungsinnovationen in der Prosperität ausgeht: Weshalb sollte eine Unternehmung ein erhöhtes Risiko eingehen, wenn ihre vorhandenen Produkte leicht verkauft werden können? In Depressionszeiten hingegen erscheinen Investitionen in alten Industrien wenig attraktiv, zudem sie von größerem Risiko und Unsicherheit gezeichnet sind. “Thus, longer depression periods are favourable times for process innovazions (…), and for radical product innovations, giving the basis for new growth industries.” Seine empirischen und statistischen Untersuchungen bestätigen die These von Mensch, dass Innovationen konzentriert in Depressionen auftreten. Ausdrücklich verweist Kleinknecht auf die politischen Einflüsse, wie die forcierten Rüstungsanstrengungen in den 30er Jahren. Letztlich muss, um eine umfassende Theorie der Clusterungstendenzen zu entwickeln, der gesamte Komplex sozialer, politischer und wirtschaftlicher Veränderungen während der Krise betrachtet werden.

2.2.1.4 Der Ansatz von c. Marchetti et al..

Auch Marchetti untersucht den Zusammenhang zwischen Invention und Innovation, wobei er sich auf das Datenmaterial von Mensch stützt. Dabei gelangt er zu folgenden Ergebnissen:

  • es kommt erst dann zu einem Wirtschaftsaufschwung, “(…) wenn ein beträchtlicher Teil der Innovationen nennenswerte Marktanteile erobert hat”.
  • von Zyklus zu Zyklus ergibt sich eine Beschleunigung sowohl von Inventionen als auch von Innovationen. Dies bedeutet, dass die benötigte Zeit um 80% der Inventionen/Innovationen (zwischen 10% und 90% der gesamten Inventionen/Innovationen) umzusetzen, immer kurzer wurde.
  • der Abstand zwischen den Zeitpunkten, bis zu denen 50% der Innovationen umgesetzt wurden, blieb mit etwa 57 Jahren konstant.

Die Hauptursache einer möglichen Krise liegt seiner Meinung nach in der Sättigung der wichtigsten Märkte, wobei er den Automobilmarkt als Paradebeispiel anführt.

Mit der von ihm angewandten Methode lässt sich der voraussichtliche Sättigungswert einzelner Märkte berechnen, was entsprechende Rückschlüsse auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung erlaubt.  Dabei stützt er sich auf Analogien der Marktentwicklung zu Prozessen in der Natur. Demzufolge ist von einem logistischen Wachstum von Industrien auszugehen, ähnlich der Besetzung von ökologischen Nischen durch Lebewesen. Die berechnete maximale Marktgröße entspricht der Größe der “Eco-Niche” für das betreffende Produkt. Es kann sein, dass dieser Wert nie erreicht oder aber deutlich überschritten wird, wobei es aber vorwiegend nur Schwankungen um einen Sättigungswert sind. Ob eine Vergrößerung der Nische, wie in der Biologie, mit zunehmendem Wachstum der Spezies möglich ist, kann gemäß Marchetti nicht beantwortet werden.

Wesentlich ist, dass Marchetti bewusst von finanziellen bzw. geldmäßigen Aspekten abstrahiert und nur die mengenmäßige Sättigung eines Marktes betrachtet. Diese soll hier als eine absolute definiert werden, im Unterschied zu einer kaufkraft­abhängigen relativen Sättigung. Absolute Sättigung versteht der Verfasser als die Ausschöpfung der mengenmäßigen Aufnahmefähigkeit eines Marktes, z.B. die Menge verzehrbaren Fleisches pro Kopf der Bevölkerung. Hat hingegen der überwiegende Teil der Privathaushalte seine finanziellen Möglichkeiten ausgeschöpft (inkl. Verschuldungskapazität), so sind praktisch alle Märkte gesättigt, weil keine weitere Nachfrage mehr möglich ist (relative Sättigung).

Interessant an diesem Ansatz ist m.E., dass es zu immer kürzeren Innovationsphasen bei erhöhter Geschwindigkeit kommt. Da aber die Distanz zwischen den einzelnen Zyklen gleichbleibt, lässt sich dies dahingehend interpretieren, dass zukünftig immer längere Phasen wirtschaftlicher Stagnation zu erwarten sind.

Angewendet auf einzelne Märkte weisen seine Prognosen eine erstaunliche Präzision auf. So erlebte der britische Kohlebergbau in den letzten Jahren einen Niedergang, der ziemlich genau mit den theoretisch ermittelten (logistischen) Abläufen übereinstimmt. Nur kurzzeitig gab es eine deutliche Abweichung, die auf Eingriffe der britischen Regierung zurückzuführen ist. Unterdessen ist deren Wirkung jedoch vergangen, und die tatsächliche Fördermenge gleicht sich der prognostizierten an. Ein Beispiel, welches die Unveränderlichkeit derartiger Prozesse und die Wirkungslosigkeit staatlicher Eingriffe aufzeigt.

Die wesentliche Ergänzung dieses Ansatzes zu jenem von Mensch liegt in der engen Verknüpfung des Strukturwandels mit der langfristigen Entwicklung der einzelnen Volkswirtschaften. So wird nachgewiesen, dass sich der Einsatz von neuen Technologien, aber auch von verschiedensten Energieträgern zyklisch entwickelt hat, wobei Innovationsschube jeweils zeitgleich mit der Einführung einer neuen Primarenergie auftreten. Diese Entwicklung stellt sich im historischen Ablauf als ein Prozess sukzessiver Substitutionen dar, denen ebenfalls eine Zeitdauer von ca. 55 Jahren zugrunde liegt. Letztlich ist es diese wiederholte Verdrängung alter durch neue Technologien, die die langen Wellen der Konjunktur auslöst. Welcher Mechanismus als “Taktgeber” hinter diesen Substitutionsprozessen steht, bleibt zu untersuchen. Marchetti betont die in einer Gesellschaft ablaufenden Lernprozesse, die den Transfer von Theorie in Praxis erst ermöglichen und deshalb Zeit benötigen.

2.2.1.5 Der Ansatz von c. Freeman et al.

Aufbauend auf einer Kritik an Menschs’ Theorie der Innovationscluster, entwickeln Freeman et al. einen eigenen Ansatz, der ebenfalls die Bedeutung von Innovationen in den Vordergrund stellt. Zentral ist dabei der Diffusionsprozess, da nur dieser Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung haben kann.

Basisinnovationen treten danach zufällig in jedem Stadium der langfristigen Entwicklung auf. Wann der Prozess der Diffusion von Innovationen einsetzt, hängt nicht nur von erfolgreichen Basisinnovationen ab, sondern auch von den übrigen Rahmenbedingungen. Mit Beginn der Verbreitung neuer Technologien werden Multiplikatoreffekte ausgelöst, was wiederum den Anreiz zur Umsetzung von Innovationen erhöht. “It is this combination of related and induced innovations which grives rise to expansionary effects in the economy as a whole.” Zudem müssen die einzelnen Diffusionsprozesse miteinander verknüpft sein, denn sonst ließe sich das gleichzeitige Auftreten von mehreren derartigen Abläufen nicht erklären. Folglich sprechen Freeman et al. auch von neuen “technologischen Systemen“.

Depressionen erscheinen nicht als Auslöser für konzentriert auftretende Basisinnovationen, jedoch können sie Veränderungen der politischen und sozialen Rahmenbedingungen herbeiführen, die sich in der Aufschwungsphase positiv auf die Umsetzung von Neuerungen auswirken. Mit zunehmender Entwicklung der neuen Industriezweige sinkt die Innovationsneigung, bis sie sich nur noch auf geringfügige Verbesserungen von Produkt und Produktionstechnik beschränkt. Ziel ist es dann, durch Standardisierung und Rationalisierung Kosten zu senken. Die Konzentration auf arbeitseinsatzsparende Innovationen in der Spätphase des Aufschwungs ist die Reaktion auf steigende Lohnkosten und Arbeitskräftemangel, die sich in sinkenden Gewinnen niederschlagen. Dennoch sind die Produktivitätszuwächse im Vergleich zu den Vorjahren gering, da keine Economies of Scale mehr genutzt werden können. Schließlich führt diese Ausrichtung auf Einsparungen und Standardisierung, gepaart mit Sättigungserscheinungen, zur Depression. Erst die erneute Verbesserung der Profiterwartungen ermöglicht einen neuen Aufschwung.

2.2.1.6 Würdigung der Innovations-Ansätze

Für den hier interessierenden Zusammenhang ist es m.E. unerheblich, ob die auf Basisinnovationen beruhenden neuen Industriezweige bereits in der Depression auftreten und die Trendwende herbeiführen oder aber erst im Aufschwung. Wesentlich erscheint der Zusammenhang zwischen Wirtschaftsentwicklung und Innovationen, wobei die Frage der Kausalität nicht eindeutig beantwortet werden kann. Empirische Untersuchungen stützen allerdings die These von Mensch, zeigen sie doch auf, dass Unternehmen in Zeiten der Krise eher bereit sind, Risiko auf sich zu nehmen, als in Prosperitätsphasen. Für die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft ist entscheidend, dass mit großer Wahrscheinlichkeit ein neuer Innovationszyklus bevorsteht, wobei die Gefahr einer tiefgreifenden Wirtschaftskrise nicht von der Hand zu weisen ist. Mit bewusster Beeinflussung der Innovationsaktivität könnte versucht werden, die Depression zu vermeiden oder zumindest ihre Dauer zu verringern. Selbst für den Fall, dass dies nicht die geeignete Strategie des Krisenmanagements ist, bleibt es immerhin ein ernstzunehmender Lösungsansatz.

Diese Erklärungsansätze zeigen deutlich, dass es wenig sinnvoll ist, veraltete Industriestrukturen zu erhalten, da deren Niedergang und Substitution ohnehin nicht auf Dauer verhindert werden kann. Folge derartiger den Strukturwandel behindernder staatlicher Interventionen ist letztlich nur eine höhere Staatsverschuldung bzw. höhere Steuern.

Die Politik sollte sich auf Beschleunigung und soziale Abfederung der Anpassungsprozesse beschränken. Aus heutiger Sicht stellt die “New-Deal”-Politik der USA in den 30er Jahren ein Beispiel für die Förderung veralteter Branchen dar. Sinnvoller und vermutlich auch erfolgreicher wäre eine Unterstützung junger Industrien gewesen.

MORGEN TEIL 2 

Kommentare (22) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. komol
    komol sagte:

    Wer hätte gedacht, dass man zumindest mal ein bisschen über das mechanisch-statische soziale Physik/ Newton-Anleihe Weltbild hinaus denken kann :-) Das ist doch schon mal ein Anfang in der intellektuellen Entwicklung. Darauf kann man aufbauen, aber: 1. Wirtschaft ist ein Teilbereich der Gesellschaft, nicht die Gesellschaft an sich – man muss also jetzt mal die Entwicklung der Gesamtgesellschaft beobachten: Da stehen wir auf der Schwelle zur 4ten Gesellschaft (nach Einführung der Sprache, dann Schrift, dann Buchdruck vor 500 Jahren (also Neuzeit und dadurch dann Moderne seit 300 Jahren) – warum: weil die Grundelemente der Gesellschaft Kommunikationen sind wie N. Luhmann zeigte (nicht Subjekte, Individuen oder Handlungen), welche uns wie Nutzobjekte nutzen um sich bzw. Anschlussmögl.keiten zu reproduzieren (deshalb besser in buddh. Ruhe gehen statt aufm Markt rumposaunen – macht glücklicher und bringt einem persönl. mehr – nur son Rat :-); 2. So gesehen brachte der 5te Kontratiev einen Strukturbruch der Gesellschaft (vgl. mit Buchdruck), weil er nicht nur (so wie andere Technologien (bspw. Dampfmaschine)) die Anschlussmöglk. von Kommunikation erhöht, sondern die basale Mglk. von Kommunikation an sich ausweitet (Luhmann nennt es “Verbreitungsmedium” für Kommunikation), der noch lange nicht vorbei ist (man bedenke: von der Neuzeit zur Moderne brauchte es 300 Jahre), und damit natürlich auch einen der Wirtschaft – somit: das Kontatiev-Ding aufnehmen und weiterdenken (sehr viel weiter) ist angesagt! (aber geht für Ökonomen schwer weil sie ja über keine echte bzw. haltbare Handlungstheorie verfügen (aber trotzdem ständig über die Entwicklung und Evolution ganzer Handlungssysteme (was eben sowieso quatsch ist) rumsinnieren wollen (und müssen – das ist ja deren Hauptgeschäft) :-))

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    • Richard Ott
      Richard Ott sagte:

      @komol

      ” warum: weil die Grundelemente der Gesellschaft Kommunikationen sind wie N. Luhmann zeigte (nicht Subjekte, Individuen oder Handlungen), welche uns wie Nutzobjekte nutzen um sich bzw. Anschlussmögl.keiten zu reproduzieren”

      Das klingt wie eine wissenschaftliche Erkenntnis, aber tatsächlich ist es bloß ein Glaubensbekenntnis.

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  2. Bauer
    Bauer sagte:

    >> bto: “Am Sonntag (28. Mai 2023) spreche ich in meinem Podcast über lange Zyklen der Wirtschafts- und Gesellschaftsentwicklung.”

    Damit spricht Dr. Stelter bereits den Gedanken aus, dass Zyklen nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch und besonders im täglichen Leben zu beobachten sind, die natürlich ihren eigenen Rhythmus haben. Mir fallen da spontan die Bartmode der Männer und die Rocklänge der Frauen ein. Aber einmal Spass beiseite, es liegt in der menschlichen Natur, unkodifizierte Bräuche innerhalb zwei bis drei Generationen zu vergessen und dann als neu wieder aufzunehmen, also situationsbedingt wieder zu erfinden.

    Am ehesten drückt das die Volksweisheit aus mit:

    “Sattheit macht träge” und “Not macht erfinderisch”

    Oder in der Wirtschaft: “Die erste Generation baut auf, die zweite erhält es und die dritte studiert Soziologie oder gender science” mit der Folge, dass die vierte wieder am Ausgangspunkt steht.

    Natürlich ist der Kondratieff Zyklus nebenbei auch ein immerwährendes Thema für gescheite Doktorarbeiten. Honni soit qui mal y pense.

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    • Stoertebekker
      Stoertebekker sagte:

      @Bauer

      So ist es.

      Der alte Shakespeare hat 1611 in Cimbeline geschrieben: Plenty and peace breeds cowards, hardness ever of hardiness is mother.

      Könnte von heute sein.

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  3. JürgenP
    JürgenP sagte:

    @BTO Ihr Doktorvater, Herr Dr. Stelter, spricht nicht nur vom 60-jähigen Kontratieffzyklus, sondern darüber hinaus über einen zyklischen Transformationsprozess, der im Abstand mehrerer Jahrhunderte abläuft und an dessen Schwelle wir uns befinden (sollen). Danach soll die heutige Übergangsphase vergleichbar sein, mit der sog. kopernikanischen Wende bzw. der Abkehr vom geozentrischen Weltbild im 16.-17. Jahrhundert. Demnach geht es heute, zum Vergleich, nicht nur um den Wechsel vom Ochsenpflug zum dampfmaschinengetriebenen Traktor und den damit verbundenen technischen und organisatorischen Veränderungen vor allem des Wirtschaftens – sondern auch um eine Veränderung des bestehenden Weltbildes einschließlich damit verbundener religiöser Themen.

    Es wird spannend, welche “Reaktionen” durch das von Ihnen aufgeworfene Thema hier zu lesen sein werden. Von Quatsch/grüner Budenzauber bis zielführend/wegweisend wird sicher alles dabei sein.

    Antworten
    • Richard Ott
      Richard Ott sagte:

      @JürgenP

      “einen zyklischen Transformationsprozess, der im Abstand mehrerer Jahrhunderte abläuft und an dessen Schwelle wir uns befinden (sollen). Danach soll die heutige Übergangsphase vergleichbar sein, mit der sog. kopernikanischen Wende bzw. der Abkehr vom geozentrischen Weltbild”

      Sind Sie sich sicher, dass wir uns nicht sogar an der Schwelle zum Beginn eines mindestens tausendjährigen Reiches befinden, so wie das die ähnlich penetrant auftretenden Kollektivisten mit äußerst großem Sendungsbewusstsein (aber damals noch ohne Wärmepumpen…) vor ungefähr 90 Jahren glaubten? :D

      Antworten
      • Beobachter
        Beobachter sagte:

        Ja, das Sendungsbewusstsein ist ähnlich wie damals. Ich hoffe tatsächlich, dass es für diese Klientel genauso endet. Leider wird sie uns trotzdem mit herunterziehen. Man muss versuchen, möglichst unabhängig (finanziell und geistig) zu bleiben. Ist natürlich nicht jedem vergönnt.

      • JürgenP
        JürgenP sagte:

        @RO “Sind Sie sich sicher, dass …” > Nein, daher “(sollen)”.

      • Tom96
        Tom96 sagte:

        @ 1000 Jahre

        “Diese Orientierung prägte auch das etruskische Denken: 1000 Jahre und dann ist es vorbei, Lächeln im Einverständnis mit dem eigenen Ende. Dies war ein wesentliches Merkmal der etruskischen Weltprogrammierung im Medium der römischen Gesellschaft: dass man apokalyptisch denken muss, um die Kraft des Handelns zu haben. Luther hat das später mit den Worten »Und würde morgen die Welt untergehen, ich würde heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen« (6), populär gemacht. Augustinus hat es formuliert in der Vorgabe »Initium ut esset, creatus est homo« (De civitate, XII.20) – es möge das Prinzip des Anfangens geben, und damit der Anfang sei, ist die Welt, ist die Menschheit geschaffen worden, die die blindwütige Logik der Evolution durchbrechen kann, indem sie ein Ende postuliert, worauf ein jeweils radikaler neuer Anfang beginnen kann.”
        https://bazonbrock.de/werke/detail/max_bense__weltprogrammierung-3722.html?highlight=Etrusker

        Immer gut die Denker zu Wort kommen zu lassen …

      • Tom96
        Tom96 sagte:

        “3. Medien der Weltprogrammierung und die Rolle des kybernétes

        Aufbereitet wurde diese »neue Welt« des Aeneas von den Etruskern, indem sie sich die Römer, einen Stamm von weither von den Bergen, zum Medium der »Weltprogrammierung« heranbildeten. Die Etrusker setzten Rom systematisch mit der maniera etrusca, mit der Staatsreligion, auf die Schienen – man könnte von einer Weltprogrammierung im Medium der Gesellschaft sprechen – und stellten dann die ersten Könige für die Römer. An dieser Stelle ist es wichtig, festzustellen, dass das Medium der Gesellschaft nicht das einzige noch das erste Medium der Weltprogrammierung ist: Der Gesellschaft, der Sozialität geht die Mediatisierung kommunikativen Handelns voraus, die ja anthropologisch gesehen mit dem Lächeln als Zähmung der Muskulaturgruppen, die sonst Aggressivität nach außen signalisieren, entsteht. Die Umwandlung des Aggressionspotentials im mimischen Ausdruck in das Lächeln durch die Kontrolle von 72 verschiedenen Einheiten, die miteinander kooperieren müssen, um einen entsprechenden mimischen Ausdruck zu entwickeln, das ist der Vorgang, um den es bei der Programmierung der Welt und Menschenprogrammierung geht. Hier zeigt sich die Mimesis als Grundlagenprinzip. Nachahmung, Nachbauen, Rekonstruieren, Analogverfahren, das alles sind Vorgaben, die aus der Technikphilosophie entwickelt wurden. Bense hat sie ganz bewusst eingesetzt.”

  4. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    Es ist durchgehend von INNOVATIONEN die Rede.

    Dabei geht es durchweg um die BEDINGUNGEN, d. h. um den mit Konjunkturzyklen bestimmten ZUSTAND der Wirtschaft, in dem sie auftreten und als wirkmächtig erachtet werden.

    Über die ART der Innovationen wird nichts GRUNDSÄTZLICHES gesagt, lediglich der Satz

    >Die Konzentration auf ARBEITSEINSATZSPARENDE Innovationen in der Spätphase des Aufschwungs ist die Reaktion auf>

    verweist darauf, dass Innovation nicht gleich Innovation ist.

    Die Innovationen, die z. Z. als DOMINIEREND betrachtet werden, lassen zumindest vermuten, dass die Einschätzung, sie schafften „INDUSTRIEN“ konventioneller Art, falsch sein könnte. Wie auch am Blog bereits diskutiert, scheint nicht ausgeschlossen zu sein, dass von KI geprägte Innovationen nicht nur KEINE Industrien herkömmlicher Art schaffen, die in großer Zahl Arbeitskräfte erfordern, sondern auch MASSIVE VERÄNDERUNGEN in den Dienstleistungsbranchen hervorrufen werden. Beispielhaft dafür immer wieder im Gespräch

    Rechtsanwälte werden überflüssig, da nach Erarbeitung der Prämisse, d. h. Bestimmung der lebensweltlichen Sachverhalte, ein „intelligentes Programm“ anhand gültiger Gesetze und der ständigen Rechtsprechung die Entscheidung errechnen, also Urteile fällen könne – letztlich also SELBSTREFERENTIELL entscheiden würde, wenn überwiegend oder nur noch das Programm Urteile fällte.

    Kurzum:

    Ich will darauf verweisen, dass ein „Theorie der langen Wellen der Konjunktur“ infrage stellen MÜSSTE, OB und wenn so, INWIEWEIT das Konzept „Konjunktur“ die Referenz für die Bestimmung von Wirkmechanismen sein kann, wenn NICHTS über die immanente QUALITÄT von Innovationen gesagt wird.

    Antworten
    • Richard Ott
      Richard Ott sagte:

      @Herr Tischer

      “Rechtsanwälte werden überflüssig, da nach Erarbeitung der Prämisse, d. h. Bestimmung der lebensweltlichen Sachverhalte, ein ‘intelligentes Programm’ anhand gültiger Gesetze und der ständigen Rechtsprechung die Entscheidung errechnen, also Urteile fällen könne – letztlich also SELBSTREFERENTIELL entscheiden würde, wenn überwiegend oder nur noch das Programm Urteile fällte. ”

      Da würden selbst in Ihrer gruselig-naiven KI-Fantasie doch eher Richter als Rechtsanwälte überflüssig werden. Oder stellen Sie sich das so vor, dass dann der lustig im Verhandlungssaal vor sich hin blinkende Supercomputer “Judicator 3000” gleich alle Rollen im Gerichtsprozess übernimmt? ;)

      “Die Konzentration auf ARBEITSEINSATZSPARENDE Innovationen in der Spätphase des Aufschwungs…”

      Was glauben Sie eigentlich, wie viele Arbeitsplätze die Dampfmaschine, die Eisenbahn und die Elektrotechnik vernichtet haben?

      Extrem viele – aber die waren alle viel unproduktiver als die Arbeitsplätze, die durch Dampfmaschine, Eisenbahn und Elektrotechnik überhaupt erst *ermöglicht* wurden, und dadurch wiederum können wir heute viel mehr produzieren als vor 200 Jahren und haben einen viel höheren Lebensstandard.

      Wie viele “Innovationen” fallen Ihnen überhaupt ein, die keinen Arbeitskraft eingespart haben?

      Antworten
      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Richard Ott

        >Wie viele “Innovationen” fallen Ihnen überhaupt ein, die keinen Arbeitskraft eingespart haben?>

        Spontan keine, aber es wird eine VIELZAHL von Innovationen gegeben haben, die keine Arbeitskräfte eingespart haben, da sie TROTZ ihres Potentials, Arbeitskräfte und Kosten zu reduzieren, GESCHEITERT sind.

        Dies kann z. B. eine nicht hinreichende Finanzierung einer Innovation sein, so dass es nicht einmal zu einer INVESTITION kam, die schon bei der Produktion Arbeitskräfte einspart und/oder auch bei der Nutzung der produzierten Güter.

        Wie auch immer – dies ist neben der Sache.

        Denn hier wird über eine THEORIE geredet, die auch in ZUKUNFT gelten, d. h. diese erklären soll.

        Daher sind insbesondere auch GEGENWÄRTIGE Innovationen und deren VORAUSSICHTLICHE WIRKUNGEN einzubeziehen.

        Abgesehen davon:

        Richter werden NICHT eher als Rechtsanwälte überflüssig.

        Denn die GESELLSCHAFT verlangt – bisher jedenfalls und nicht erkenntlich, dass sich das ändern wird − nach einer LEGITIMIERTEN Verantwortlichkeit hoheitlicher Akte.

        Ein Urteil „im Namen des Volkes“ ist ein solcher Akt.

        Nur Richter sind dazu legitimiert, Urteile zu fällen.

        Ein durch KI geprägtes SW-Programm mag zwar fähig sein, Entscheidungen zu erarbeiten, ist aber NICHT legitimiert, daraufhin Urteile zu erlassen.

        Das Programm existiert lediglich, ist nützlich oder nicht.

        Man kann es KAUFEN und EINSETZEN – Ende.

        SELBSTVERSTÄNDLICH – und darauf MÜSSTEN Sie abheben – wird man in einem ZUKÜNFTIGEN „Rechtsstaat“ auch Programme MIT Urteilsbefähigung kaufen KÖNNEN.

        Sie müssen halt nur mal Ihre These vom rot-grünen Sozialismus zu Ende denken.

        Warum so zögerlich oder habe Sie nur keinen passenden Link gefunden?

        Übrigens:

        Ich glaube nicht, dass die Arbeit ausgeht.

        Die Frage ist allerdings, wer will oder muss wie für welche Entlohnung oder keine tätig werden.

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Herr Tischer

        “Spontan keine, aber es wird eine VIELZAHL von Innovationen gegeben haben, die keine Arbeitskräfte eingespart haben, da sie TROTZ ihres Potentials, Arbeitskräfte und Kosten zu reduzieren, GESCHEITERT sind. Dies kann z. B. eine nicht hinreichende Finanzierung einer Innovation sein (…)”

        Nach einer mittlerweile 15 Jahre andauernden Phase mit Nullzinsen oder sogar negativen Realzinsen ist das allerdings relativ unwahrscheinlich, nicht wahr?

        Für die Zwecke der Theorie der langen Konjunkturzyklen habe ich “die immanente Qualität von Innovationen” immer analog zum Konzept der “evolutionären Fitness” in der Evolutionstheorie verstanden. Was sich genau durchsetzt, sieht man erst hinterher – und das war dann die überlegene Anpassung beziehungsweise die wertschöpfungssteigernde Innovation.

        Wie unvorhersehbar das ex ante ist, sieht man ja an wissenschaftlichen Arbeiten von vor einigen Jahrzehnten, in denen über den Innovationsauslöser des nächsten Zyklus spekuliert wird…

        Oder glauben Sie, dass uns die Innovationen ganz ausgehen könnten und deshalb Stagnation bei der Produktivitätsentwicklung einsetzt?

        “SELBSTVERSTÄNDLICH – und darauf MÜSSTEN Sie abheben – wird man in einem ZUKÜNFTIGEN ‘Rechtsstaat’ auch Programme MIT Urteilsbefähigung kaufen KÖNNEN. Sie müssen halt nur mal Ihre These vom rot-grünen Sozialismus zu Ende denken. Warum so zögerlich oder habe Sie nur keinen passenden Link gefunden?”

        Dafür müsste so eine “Software mit Urteilsbefähigung” erstmal entwickelt werden – und ich bezweifle grundsätzlich, dass das geht. Die Produktion von Texten per Algorithmus ist nicht das gleiche wie das Fällen eines juristischen Urteils. Und die aktuellen KI-Bots scheitern oft schon an viel simpleren Aufgabenstellungen. Ich lasse mich da gern überzeugen, aber im Moment ist die Software davon noch meilenweit entfernt.

        Was das mit dem rot-grünen Sozialismus zu tun hat, verstehe ich allerdings nicht. In einer Planwirtschaft ist es doch erst recht kein Automatismus, dass Produkte auch tatsächlich am Markt angeboten werden, selbst falls sie erfolgreich entwickelt worden sind.

        “Ich glaube nicht, dass die Arbeit ausgeht. Die Frage ist allerdings, wer will oder muss wie für welche Entlohnung oder keine tätig werden.”

        Das glaube ich auch nicht. Nur schwierig oder gar mit unserem Stand der Technik unmöglich automatisierbare Arbeit, die liegen bleibt, sieht man überall. Wollen Sie jetzt auf eine mögliche Arbeitspflicht im rot-grünen Sozialismus hinaus?

      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Richard Ott

        >Dafür müsste so eine “Software mit Urteilsbefähigung” erstmal entwickelt werden – und ich bezweifle grundsätzlich, dass das geht. Die Produktion von Texten per Algorithmus ist nicht das gleiche wie das Fällen eines juristischen Urteils.>

        Aber, aber Herr Ott – Sie enttäuschen mich.

        Es kommt doch nicht darauf an, ob die Produktion von Texten per Algorithmus das Gleiche ist wie das Fällen eines Urteils.

        Die Begründung für ein Urteil ist Text und das begründete Urteil ist ebenfalls Text.

        Es geht daher am Ende des Tages NUR um die Produktion von Text.

        Wenn konkurrierende Software zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt bezüglich der Begründung und des Urteils, dann muss eben eine Software entwickelt werden, die die beiden anderen bewerten kann, was nichts anderes heißt, als im Parteienstreit der Programme URTEILEN zu können.

        Jede Bleistift-Verwaltung kann so ein Programm entwickeln lassen und der Bundestag kann es nach Prüfung zum gesetzlichen „Richter-Programm“ bestimmen.

        Vertrauen Sie ruhig darauf, dass sich eine Demokratie in Zustände versetzen kann, über die wir HEUTE nur zur spekulieren vermögen.

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Herr Tischer

        “Die Begründung für ein Urteil ist Text und das begründete Urteil ist ebenfalls Text. Es geht daher am Ende des Tages NUR um die Produktion von Text. (…) Vertrauen Sie ruhig darauf, dass sich eine Demokratie in Zustände versetzen kann, über die wir HEUTE nur zur spekulieren vermögen.”

        Was Sie da beschreiben, ist dann allerdings keine Demokratie mehr – sondern eher eine neue “Deutsche Demokratische Republik” ohne Rechtsstaatsprinzip.

      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Richard Ott

        >Was Sie da beschreiben, ist dann allerdings keine Demokratie mehr – sondern eher eine neue “Deutsche Demokratische Republik” ohne Rechtsstaatsprinzip.>

        Es wäre die DIKTATUR der ALGORITHMEN.

        Muss nicht so kommen, ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass es so kommt.

        Daher habe ich gesagt:

        >…, dass sich eine Demokratie in Zustände versetzen kann …>

        Heißt:

        Auch in der Demokratie sind Veränderungen möglich, die dazu führen, dass die Demokratie keine mehr ist.

        Die Gefährdung liegt bei den Menschen, die aller Erfahrung nach WOLLEN, was das Leben einfach, komfortabel und billig macht.

        Wohin das führt, ist für die Allermeisten unbedeutend.

        Der ultimative Test, den ich mir vorstellen kann, ist die Abschaffung von Bargeld.

        Ich bin mir sicher, dass die Zustimmung dafür überwältigend sein wird, wenn es überhaupt eine braucht.

        “Bargeld ist geprägte Freiheit” wird eines Tages der belächelte Slogan hoffnungslos Zurückgebliebener sein.

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Herr Tischer

        “Es wäre die DIKTATUR der ALGORITHMEN.”

        Nein. Algorithmen sind bloß Werkzeuge. Es wäre die Diktatur derjenigen, die auswählen, mit welchen Texten und Daten die zum Richter gekürte Texterstellungs-KI trainiert wird.

        “Der ultimative Test, den ich mir vorstellen kann, ist die Abschaffung von Bargeld. Ich bin mir sicher, dass die Zustimmung dafür überwältigend sein wird, wenn es überhaupt eine braucht.”

        Die Bargeldfrage wird sicherlich ein entscheidender Konflikt werden.

        Ich bin nach den Erfahrungen der letzten Jahre sehr gespannt, einerseits werden viele Leute schon zu staatsgläubigen Autoritären, die jeden von oben verordneten Blödsinn mitmachen, wenn man ihnen ein bisschen Angst vor einer Virusinfektion macht. Aber andererseits haben vielleicht die persönlichen Erfahrungen mit dem angeblich so toll schützenden und angeblich “nebenwirkungsfreien” (Lauterbach) Impfstoff bei manchen Leuten zu einem Umdenken geführt. Aus Schmerz lernt man ja bekanntlich am besten.

      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Richard Ott

        Endlich einmal eine vernünftige Diskussion mit Ihnen.

        Sie liegen zwar RICHTIG mit folgender Aussage:

        >Algorithmen sind bloß Werkzeuge.>

        Sie liegen aber FALSCH mit der folgenden:

        Hier, warum so – HYPOTHETISCHER, aber dennoch als REALISTISCH möglich einschätzbarer Fall:

        In der Demokratie stellen Parteien vor der Wahl Programme auf.

        Es gibt eine „KEIN STREIT“-Partei geben, die den Bürgern verspricht:

        Dieses Algorithmen-Hin-und-Her der Verunsicherung muss aufhören. Wir werden dafür sorgen, dass nach Anhörung von Interessenvertretern aller im Rechtssystem Tätigen sowie ausgewiesenen Fachleuten eine von kompetenten Programmierern nach harten Kriterien geltender Gesetzgebung erstellte Software zur Urteilsfindung erarbeitet, umfangreich getestet und nach zufriedenstellender Bewertung für alle Rechtsstreitigkeiten als „Richter OHNE menschliche Schwächen“ verbindlich URTEILT.

        Diese Partei ist bei der Wahl zum Deutschen Bundestag so erfolgreich, dass sie in einer Koalition mitregieren und dem Koalitionsvertrag entsprechend dieses Wollen durchsetzen kann.

        Es wird REALITÄT, weil die DEMOKRATISCH gewählte Mehrheit es so beschließt.

        Wer von den Abgeordneten ist hier ein Diktator?

        Niemand.

        Ich spekuliere nicht darüber, was sein WIRD.

        Ich weise nur darauf hin, dass sich eine DEMOKRATIE mit einwandfreier LEGITIMATION auch abschaffen kann.

        Das ist keine wilde Behauptung, sondern ERFAHRUNG:

        Hitler kam demokratisch legitimiert an die Macht.

        Hier liegt der Fall natürlich den Umständen nach anders, aber uns heute als UNGEHEUERLICH Erscheinendes ist zukünftig durchaus möglich.

        Man soll die Demokratie nicht unterschätzen.

        Neuester Streich in Berlin:

        Demnächst sollen Eigentümerversammlungen dem geänderten Wohnungseigentumsgesetz nach NUR noch ONLINE stattfinden können.

        Es gibt demnach keine Präsenzveranstaltungen mehr.

        Die Oma oder der Opa, die mit der Technik überfordert sind, werden so GEZWUNGEN, den Verlust ihres Mitbestimmungsrechts am Wohnungseigentum als RECHTENS hinzunehmen.

        Hier mehr dazu:

        https://www.welt.de/finanzen/immobilien/plus245493972/Energiewende-Balkonkraftwerk-Privileg-kommt-der-Tabubruch-bei-Eigentuemerversammlungen.html

        So läuft’s GEWOLLT in unserer Demokratie bereits heute.

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Herr Tischer

        Gut, ich lasse mich auf Ihr Szenario ein, auch wenn ich bezweifle, dass die “juristischen Textproduktions-KIs” solche Fähigkeiten überhaupt jemals erreichen können.

        “Wir werden dafür sorgen, dass nach Anhörung von Interessenvertretern aller im Rechtssystem Tätigen sowie ausgewiesenen Fachleuten eine von kompetenten Programmierern nach harten Kriterien geltender Gesetzgebung erstellte Software zur Urteilsfindung erarbeitet, umfangreich getestet und nach zufriedenstellender Bewertung für alle Rechtsstreitigkeiten als „Richter OHNE menschliche Schwächen“ verbindlich URTEILT.”

        Die “Kein-Streit-Partei” wird bei der “Testung” und “Bewertung” dieser Software die gleichen Konflikte in ihrer Partei oder mit ihren Koalitionspartnern produzieren wie bei der Ernennung von menschlichen Richtern – nur mit dem Unterschied, dass der Konflikt darüber ausgetragen wird, mit welchen Texten die KI trainiert wird (und ob ihre Outputs hinterher noch irgendwie im Programm gefiltert oder zensiert werden, was aber nichts mehr mit Textproduktions-Algorithmen im eigentlichen Sinn zu tun hat). Soll man dafür welche von Susanne Baer oder welche von Carl Schmitt nehmen? Oder, ein aktuelles konkretes Beispiel, ist das Sich-Festkleben auf Straßen mit dem Ziel einer Verkehrsblockade Nötigung und kann damit legitim auch durch Zwangsmaßnahmen aus Notwehr beendet werden oder ist es keine Nötigung und durch andere Verkehrsteilnehmer besteht also keine legale Abhilfe dagegen? Wird die KI nötigenfalls ein bisschen lobotomiert und ihr eine Bewertung von Straßenklebern als “keine Nötigung” fest in den Programmcode geschrieben wenn die “Kein-Streit-Partei” ideologisch den Klimaklebern zugeneigt ist und sie aus politischen Gründen unbedingt unterstützen will?

        “Wer von den Abgeordneten ist hier ein Diktator? Niemand.”

        Nein. Alle Abgeordneten, die am Ende die Einführung so einer Richter-KI zustimmen, haben damit eine diktatorische Übernahme der Judikative durch ihre Partei und durch nach Parteistandards komplett programmierbare und damit kontrollierbare Richter herbeigeführt. Das wäre dann in unserem politischen System in Deutschland wahrscheinlich der Auftakt für eine Parteiendiktatur, aber nicht für eine personengebundene Diktatur.

        Es könnte natürlich auch sein, dass die Abgeordneten gar nicht begreifen, was sie da tun und das ganze “Testen” und “Bewerten” an irgendeine Softwarefirma auslagern – dann hätten sie aus eigener Dummheit einem IT-Konzern, der vermutlich im Ausland sitzen wird, die Kontrolle über unsere Judikative geschenkt.

        Zu Ihrem anderen Thema:

        “Demnächst sollen Eigentümerversammlungen dem geänderten Wohnungseigentumsgesetz nach NUR noch ONLINE stattfinden können.”

        Ja, aber die Betonung liegt auf *können*, und zwar nach entsprechendem einstimmigen Beschluss der Eigentümerversammlung. Dürfte also kein Problem für den Opa ohne Internet mit Eigentumswohnung sein – es sei denn, er hat sich in eine solche Nur-Onliner-Eigentümergemeinschaft neu reingekauft und die ist aus irgendeinem Grund nicht willens, wieder eine Präsenzveranstaltung abzuhalten. Ein eher unwahrscheinliches Szenario, so kann man natürlich einen extrem auf Krawall gebürsteten Eigentümer produzieren, der dann einen zur Vertretung bevollmächtigten Rechtsanwalt in die Online-Veranstaltung schickt, aber welche Eigentümergemeinschaft will das schon?

  5. foxxly
    foxxly sagte:

    natürlich ist der mensch für diese wirtschaftliche entwicklung verantwortlich.
    andere faktoren, wie zb. natur, spielen eher kurzzeitige rolle.

    der mensch neigt immer zu pro-zyklischen verhalten.
    was politisch fehlt ist ein anti-zyklische gegensteuerung.

    vielleicht kommt folgendes morgen?

    es fehlt der einfluss des kredit-schuld-induzierten wachstums; sowie die gesellschaftsveränderung, welche vom kapitalismus zum sozialismus und umgekehrt getrieben wird.

    aber möglicher weise ändert dies auch nicht viel am kondratieff-zyklus, außer, dass das schulgeld als beschleuniger fungiert im ausschlag, wirkung und kriegsgeschehen, großen einen einfluss hat.
    klar ist jedenfalls, dass mit zunehmenden menschheits-wissen, die übertreibungen und ausschläge zunehmen.

    wenn man bedenkt, wie (deutschland als vorreiter) diese aktuelle wirtschaftphase mit harten bandagen eingebremst werden soll. zb. klimawandel, plandemie`n und die us-sanktionen, welche den globalen handel spaltet und den welt-frieden gefährdet

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