Die physi­ka­lischen Grenzen der Energie­wende

In meinem morgigen Podcast geht es erneut um das Thema Energiewende. Angesichts des Feedbacks zu meinem Versuch vor einigen Wochen habe ich mir diesmal einen Ingenieur als Gesprächspartner gesucht, mit dem ich das Thema unter rein technischen Gesichtspunkten diskutiere. Physik pur also.

Professor Holger Watter war so freundlich, seine Antworten auf seiner Homepage zu veröffentlichen
PROF. DR.-ING. HOLGER WATTER  und den folgenden Text hier → Die physikalischen Grenzen der Energiewende

Und er gestattete mir, dies auch auf bto zu tun. Hier also seine Antworten auf meine Fragen:

Stimmt es, dass die Kosten von Erneuerbaren Energien unter jenen aus fossilen Brennstoffen und Atomkraft liegen?

Vor 20 Jahren war der Slogan eindeutig: “Sonne und Wind schreiben keine Rechnung”, was natürlich äußerst fragwürdig war, weil man die Investitionskosten von den Betriebskosten unterscheiden muss. Deutschland hat in Europa heute die höchsten Strompreise, insofern beweist die Praxis, dass da etwas nicht stimmen kann.

Aus Sicht eines Ingenieurs könnte man versuchen, die Frage vielleicht mit einer Analogie zu beantworten: Wenn ich privat oder beruflich dringend ein Fahrrad brauche, und es steht nur zeitweilig zur Verfügung (weil der Ehepartner es auch mal braucht), dann mache ich mir Gedanken über ein zweites Fahrrad oder andere Alternativen.

Eine ähnliche Situation haben wir z. B. bei den Photovoltaikanlagen. Nachts ist es dunkel, es kann kein Beitrag erwartet werden. Über Mittag scheint die Sonne am intensivsten. Es kommt zu einem Überangebot, der Preis sinkt, es entstehen sogar negative Preise. Wir bezahlen jemanden anderen, damit dieser Überschuss abgenommen wird. Wenn auf der einen Seite aber gesetzlich dem Betreiber der Solaranlage ein Preis garantiert wird, muss jemand die Differenzen bezahlen. Deutschland hat deshalb die höchsten Energiepreise und das fragilste Netz.

Je mehr Photovoltaikanlagen aufgestellt werden, desto früher muss (gerade im Sommer) abgeregelt werden oder ein “Energievernichter” für seine Dienstleistung bezahlt werden. Im statistischen Mittel dominiert jedoch eher Nicht-Verfügbarkeit.

Abb. 1: Lastgang Deutschland, tagesaktuelle Daten unter https://www.energy-charts.de/power_de.htm

Ähnliche Wirkungen ergeben sich bei den Windkraftanlagen. Je mehr Anlagen aufgestellt werden, desto früher wird abgeregelt und desto höher der Subventionsaufwand. Das “Entlohnungssystem” treibt die Vergütung “der Windmüller” für die Bürger und die Industrie hoch. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit leidet. Die CO2-Ziele werden erreicht durch Deindustrialisierung und Arbeitslosigkeit einer Industrienation mit “versteckten Kosten”.

Trotz der deutlich erkennbaren Abnahme der bundesdeutschen CO2-Emissionen stellt sich die Frage, ob es nicht auch noch intelligentere Lösungen mit “größeren Hebeln” und sinnvollerer Schwerpunktsetzung gibt, z. B. durch energiepolitische Kooperationen mit Afrika [11, 12]. Hier werden insbesondere sowohl für Solarstrom als auch für die Wasserstofferzeugung und Lösung des Transportproblems (durch Methanisierung, Ammoniak o. Ä.) durchaus Potenziale gesehen [13]. In der Nähe z. B. der großen Meere kann aus Seewasser mittels Umkehrosmose technisch problemlos aufbereitetes und konditioniertes Wasser in ausreichenden Mengen zur Verfügung gestellt werden. Dies erhöht aber die Wasserbedarfe nochmals um den Faktor 3, um Ablagerungen (“Scaling”) in den Membranen zu vermeiden (d. h. pro Kilogramm Wasserstoff wären ca. 9 x 3 = 27 Kilogramm Seewasser zu entnehmen, damit 9 Kilogramm Wasser für den Wandlungsprozess zur Verfügung gestellt werden kann. Die Differenz von 18 Kilogramm wird als “aufkonzentrierte Lauge” in die See zurückgegeben).

Abb. 2: Elektrolysegrundlagen

Die konkrete Antwort lautet also: Die Preise an der Leipziger Strombörse, wie man sie z. B. täglich über die Plattform EEX TRANSPARENCY einsehen kann, sind also nicht repräsentativ. Es fehlen die Stand-by-Kosten und Redundanzen. Um auf die Frage zurückzukommen: Als Ingenieur tue ich mich schwer, eine Antwort zu geben. Fakt bleibt, hier werden oft “Äpfel mit Birnen verglichen und unlautere Methoden eingesetzt”. Das nun auch GRETA THUNBERG die Atomkraft als mögliche sinnvolle Option propagiert, erfordert ggf. eine Neubewertung der Folgenabschätzung und Risikobewertung der unterschiedlichen Systeme.  

Zusammenfassend: Ein offensichtlicher Nachteil der sogenannten “Erneuerbaren” ist es, dass die fehlende Verfügbarkeit und das fluktuierende Angebot “Back-up”-Lösungen und Speicher erforderlich machen, die die Energiekosten erhöhen, die Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit aber weiter reduziert. Aufgrund der physikalischen Grenzen ist m. E. auch weitgehend anerkannt, dass die Bundesrepublik nie autark sein kann und daher internationale Lösungen erforderlich werden.

Worin liegen die Hauptherausforderungen bei der Umstellung auf Erneuerbare Energien?

Die Hauptherausforderung besteht in der gesellschaftlichen Diskussionsfähigkeit, weil breite Schichten der Bevölkerung und ein Großteil der vermeintlichen Experten nicht zwischen “kW” und “kWh” unterscheiden können und die Herausforderungen grob fahrlässig vereinfachen. Dies ermöglicht politische und wirtschaftliche Geschäftsmodelle, die Lobbyinteressen vertreten, Gewinne privatisieren, Risiken sozialisieren und nicht zur Problemlösung beitragen.

So wird beispielhaft mit der installierten Leistung argumentiert, obwohl die mittlere Verfügbarkeit einer Photovoltaikanlage bei ca. 10 Prozent liegt (also zu ca. 90 Prozent nicht verfügbar ist) oder eine Onshore-Windkraftanlage selbst an guten Standorten nur eine Verfügbarkeit von 25 Prozent hat. Dies wird versteckt hinter verklausulierten Formulierungen, die keiner versteht (Volllaststunden, Kapazitätsfaktor, …). Von der installierten Leistung sind “im Mittel” nur 25 Prozent verfügbar bei fehlendem Wind noch weniger … bis zu 0 Prozent.

Hier fordern Lobbyvertreter dann gewöhnlich mehr Forschung und mehr Förderung für Speicher, obwohl hier zahlreiche Forschungsergebnisse und Erfahrungen aus Pilotanlagen vorliegen. Wir müssen diese Erkenntnisse nur ehrlich interpretieren: Speichern ist teuer und ineffizient erhöht also den Produktionsbedarf und die Kosten nochmals, obwohl jetzt schon nachweisbar ist, dass die Bedarfe einer Industrienation mit den sogenannten “Erneuerbaren Energien” nicht darstellbar sind.

Die ständige Wiederholung der These, die “Erneuerbaren” würden ausreichen, macht sie nicht richtiger. Hier kann auf zahlreiche Studien z. B. der DENA oder von KALTSCHMITT verwiesen werden. Wir werden als Industrienation weiterhin Energie importieren müssen. Vor sogenannten Studien der Lobbyverbände (z. B. dem Bundesverband Windenergie oder GREENPEACE) kann in Anlehnung an ein CHURCHILL-Zitat an dieser Stelle nur gewarnt werden: Traue keiner Webseite, die Du nicht selbst gefälscht hast.

Die Frage ist wegen der fehlenden Energiedichte, der fehlenden Verlässlichkeit und fehlenden Verfügbarkeit komplexer als oft dargestellt. Hier vielleicht ein Bibelzitat: “Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.”

Beispiele: Wer z. B. bei einer Photovoltaikanlage am Monatsende den Zählerstand von Erzeugung und Verbrauch vergleicht und meint, autark zu sein, hat die Physik nicht verstanden. Vergleiche dazu:

  1. Zwei bis drei Müsliriegel (1000 kcal = 1,16 kWh) helfen nicht unbedingt beim Fahrradfahren (bei 20 km/h werden ca. 80 W = 0,08 kW Leistung verbraucht und benötigt). Da nützt es nichts, dass der theoretische Energiebedarf für 1,16 kWh/0,08 kW = 14,5 Std. vollständig gedeckt wäre.
  2. Das nachfolgende Beispiel zur Kaffeemaschine:
    Eine Photovoltaikanlage mit 1 kW-Peak kann vielleicht gerade über Mittag eine Kaffeemaschine antreiben. Der Ertrag in “kWh” ist dafür aber völlig irrelevant und provoziert falsche Schlussfolgerungen. Es nützt auch nichts, alle Dächer oder das ganze Land mit Photovoltaikanlagen “dicht zu pflastern”.
  3. Als gesellschaftliches Beispiel zur Fehlinterpretation mag die Diskussion des sogenannten „Überschussstroms“ in der Bundesrepublik Deutschland gelten:

Abb. 3: Abgeregelter Überschussstrom oder “ein Tropfen auf den heißen Stein”

Abb. 4: Austauschsaldo mit dem Ausland – auch hier “Überschüsse kaum erkennbar”

Der „abgeregelte Überschussstrom“ betrug in Deutschland in 2017 ca. 5.300 GWh [STATISTA]. Anmerkung: 1.000.000 kWh = 1000 MWh = 1 GWh; 1000 GWh = 1 TWh. Diese Energiemenge entspricht einer mittleren Leistung von 5.300 GWh/ 24 h x 365 d = 0,605 GW = 605 MW. Vergleicht man diesen Wert mit dem Tagesgang aus Abb. 1 (zwischen 60 bis 80 GW), so entspricht dieser im Mittel 0,605/70 = 0,8 Prozent des täglichen Leistungsbedarfes. Alternativ: 5300 GWh/70 GW = ca. 75 Std. d. h., die Überschussproduktion entspricht ca. 3 Tagen Volllast im nationalen Verbrauch.

Kann man das Problem der Verfügbarkeit nicht lösen?

Hier kommt die Diskussion um Speicher ins Gespräch. Um die Größenordnungen einmal deutlich zu machen, möge das Beispiel einer einfachen Kaffeemaschine herangezogen werden:

Die Leistungsaufnahme einer Kaffeemaschine beträgt nämlich ca. 1000 W oder 1 kW. Lässt man diese Kaffeemaschine eine Stunde lang laufen, wurde 1 kW x 1 Std. = 1 kWh Energie verbraucht – je nach persönlichem Tarif 20 bis 30 Cent pro kWh. Betreibt man diese Kaffeemaschine mit 100 W für 10 Stunden, so verbraucht man auch 1 kWh Energie, erhält unter normalen Bedingungen jedoch keinen Kaffee. MERKE: 1 kWh ist nicht gleich 1 kWh.

 

Abb. 5: Energie versus Leistung am Beispiel einer Kaffeemaschine

 

 

Abb. 6: Ist der Betrieb einer Kaffeemaschine mit 100 W sinnvoll?

Zurück zum Speicherproblem: Von Pumpspeicherkraftwerken oder Pendeluhren ist bekannt, dass man “durch Höherlegen” potenzielle Energie relativ verlustarm speichern kann. Insofern wäre zwecks Einordnungshilfe zu prüfen, wie hoch man z. B. 10 kg Wasser heben müsste, um 1 kWh Energie zu speichern. Für den Rechengang wird auf [1]verwiesen: Es ergibt sich eine Höhe von 36 km. Damit wird deutlich, dass die Speicheraufgabe nicht trivial ist, gegebenenfalls für größere Zeiträume nahezu aussichtslos wird.

Abb. 7: Wie hoch muss man 10 kg heben, um 1 kWh Energie zu speichern?

Zum Vergleich die gespeicherte chemische Energie in einem Kilogramm Kraftstoff und in einer Autobatterie (15 kg Gewicht!):

  • Benzin/Diesel ca. 10 kWh/kg
  • Autobatterie ca. 1 kWh/15 kg = 0,067 kWh/kg
  • 9V Ni-Cd-Akku ca. 1 Wh/40 g = 1 kWh/40 kg = 0,025 kWh/kg
  • Li-Ion-Akku ca. 12 Wh/60 g = 12 kWh/60 kg … 31 kWh/350 kg = 0,2 … 0,08 kWh/kg
Man beachte hier die Energiedichte der chemischen Speicher (Benzin/Diesel) z. B. auch im Vergleich zum Wasserstoff 33 kWh/kg. Wasserstoff ist ein sehr guter und energiereicher Speicher! Batteriespeicher sind dagegen quasi beliebig skalierbar, finden aber bei größeren Leistungen betriebswirtschaftliche Grenzen im Bereich von Stunden oder Tagen (vgl. dazu die nachfolgende Abb.).
Abb. 8: Speichertypen im Vergleich (schematisch).

Beispiel: Der bekannteste und bis vor Kurzem größte Akkuspeicher der Welt ist der Hornsdale Power Reserve in Australien mit einer Kapazität von 194 MWh (für ca. 100 Mio. €). Nehmen wir an, dieser Speicher solle Deutschland durch eine windstille Nacht bringen, bei einer geringen Last von ca. 50 GW das würde bedeuten 194 MWh/50.000 MW = 3,88 x 10-3 Std. = 14 Sekunden!

Schlussfolgerung: Breite Anwendungen finden Akkus nur bei kleinen mobilen Geräten mit wenig Leistungsaufnahme (im Milliwattbereich) wobei wir beim nächsten Thema sind:

Wer kann den Unterschied zwischen “MW” und “mW” erklären?

Dazwischen liegt der Faktor von 109: 1 MW = 1000 kW = 1000 x 1000 W = 1000 x 1000 x 1000 mW!

Jetzt liegt die Hoffnung auf Wasserstoff? Kann es das sein? Wie läuft das technisch ab, was wären die Voraussetzungen?

Im Falle von Wasserstoff als Speichermedium liegen hier Fluch und Segen dicht beieinander, weil zur Erzeugung von 1 kg Wasserstoff ca. 55 kWh Energie und 9 kg aufbereitetes Wasser notwendig sind. Man beachte: Ein kleinerer Mittelklassewagen mit 55 kW (75 PS) muss ca. 1 Std. volle Leistung “fahren”, um mit einem Elektrolyseur ca. 1 kg Wasserstoff zu erzeugen. Der Energieinhalt liegt dann bei ca. 33 kWh, mit einer Brennstoffzelle oder einem Gasmotor kann dann ca. 15 kW genutzt werden. Die Wandlungsverluste sind nicht zu vernachlässigen und erhöhen damit den Primärenergiebedarf exorbitant in einem Land, das auf Energieimporte angewiesen ist und für das die Eigenproduktion nachweislich nicht ausreicht!

 

Abb. 9: Wandlungsverluste am Beispiel Elektrolyse – Methanisierung – Rückverstromung

Problematisch bleibt auch hier, dass der Wind nicht stetig bläst und die Sonne nicht stetig scheint. Die erforderlichen Volllaststunden für den Elektrolyseur fehlen. Hier zeigen die klassischen Methoden zur Wasserstofferzeugung mittels Dampfreformierung oder Pyrolyse aus Erdölprodukten deutliche Kostenvorteile (vgl. dazu die SHELL-Studie unter [5]). Alternativ hat es z. B. die französische Atomkraft hier deutlich leichter, “grünen Wasserstoff” zu erzeugen als die Wind- oder Solaranlage mit ihrer fluktuierenden Bereitstellung.

Auf die Umwandlungsverluste, deren Begründung und Begrenzungen gehe ich weiter unten noch einmal ein.

Aber international ginge es doch?

Propagiert man die Wasserstofferzeugung mittels Photovoltaik, z. B. in der Sahara, weil dort das Angebot von Sonnenenergie sehr hoch ist, darf der Wasserbedarf nicht unterschätzt werden: Pro kg Wasserstoff sind 9 kg aufbereitetes Wasser notwendig. Der Widerspruch “Wüste versus Wasser” sollte deutlich sein. Das Wasser muss noch aufbereitet werden, weil es sonst (wie bei der Kaffeemaschine) zu Ablagerungen und Beschädigungen kommt.

Abb. 10: Durchschnittliche Ertragsprognose einer Onshore-Windkraftanlage zur Elektrolyse.

Das o. g. Beispiel (mit gleicher Elektrolysetechnologie und französischem Atomstrom “grünen Wasserstoff” zu erzeugen) zeigt auch hier eindeutige Vorteile. Der Schwachpunkt liegt eindeutig bei der “schlechten Performance” der Wind- und Solaranlagen. Nimmt man die fehlende Leistung aus dem Netz, werden mit dem aktuellen bundesdeutschen Energiemix nur noch mehr Kohleverstromungen erforderlich und die Emissionen steigen (vgl. Lastgang). Die aktuellen Reallabore greifen genau auf diese Option zurück. Insofern ist der hier eingeschlagene Weg mit einem deutlichen Fragezeichen zu versehen.

Zusammenfassend: Die Forderung nach mehr Forschung für Speicher ist auch eine Lobbyforderung von Hochschulen und Forschungsinstituten, um die staatliche Forschungsförderung “in die Höhe oder in die ‘richtige’ Richtung” treiben zu können. Die Ergebnisse sind qualitativ und quantitativ bekannt. Die Warnung vor “den beruflichen Vereinfachern” muss nochmals wiederholt werden.

Warum glaubt man dennoch, in Deutschland das Wunder zu vollbringen?

Da kann ich leider keine Antwort geben bzw. nur die Antwort: weil die Physik nicht verstanden wird und Lobbyinteressen dadurch eine Chance haben, Gewinne zu privatisieren und Risiken zu sozialisieren.

Es wird dann argumentiert, man müsse sich die Entwicklungen in der digitalen Welt anschauen und hoffe auf ähnliche Effekte in den Energiewissenschaften. Hier werden grundsätzliche physikalische Grenzen ignoriert:

  • Bei der Photovoltaik “schlägt das Sonnenlicht ein Elektron aus der Bahn”, dabei wird ein festes Energiepotenzial frei. Das Ergebnis ist bekannt (1,1 eV), die Effektivität kann gesteigert werden, aber die physikalischen Grenzen können nicht überschritten werden.
  • Bei Windkraftanlagen ist seit ca. 100 Jahren der sogenannte BETZsche Faktor bekannt. Der Wirkungsgrad einer Windkraftanlage kann maximal 59,3 % betragen. Moderne Windkraftanlagen liegen dicht an diesen Grenzwerten. Weitere Steigerungen sind nicht zu erwarten.
  • Für thermische Prozesse (Erdwärme, solare Kraftwerke …) ist der Grenzwirkungsgrad als CARNOT-Faktor bekannt. Auch hier liegen moderne Motoren und Kraftwerke relativ dicht an dieser Grenzkurve, die Potenziale sind weitgehend ausgeschöpft.
  • Wasser ist ein sehr stabiles Element, dass sich “nicht gerne” in seine Bestandteile zerlegen lässt. Pro Kilogramm Wasserstoff sind theoretisch mindestens 33 kWh erforderlich – tatsächlich jedoch eher 55 kWh, weil (wie beim Beschleunigen eines Fahrzeuges) “die Trägheit” überwunden werden muss. Hier gibt es Verbesserungspotenziale, die aber nie die 100 Prozent erreichen werden (z. Zt. bei ca. 70 bis 80 %).

 Es fehlt hier eine Betrachtung mittels der Methode der grenzwertorientierten Kennzahlen nach SANKOL und VOLTA, wie sie in der DIN ISO 50.000 oder der VDI 4663 vorgesehen sind. D. h. wir schauen nicht auf das theoretische Potenzial, sondern auf das, was praktisch und unter Berücksichtigung der physikalischen Grenzen überhaupt möglich ist. Leider kennen wir die Grenzen, ignorieren sie aber aus Naivität, Unkenntnis oder Lobbyinteresse.

Unsere europäischen Nachbarn haben daher Schwierigkeiten, unsere Haltung zu verstehen – man spricht vom “German problem”, andererseits scheinen imperiale Tendenzen (“am deutschen Wesen soll die Welt genesen”) eine unerwartete und perspektivisch andersartige Renaissance zu erhalten.

Da wir beide die Gefahren des Klimawandels ja sehen, was würden Sie denn machen, um das Ziel einer CO2-Reduktion zu erreichen?

 Ich muss leider gestehen, DIE LÖSUNG kenne ich nicht und die gibt es wohl auch nicht. Jeder Beitrag der sogenannten “Erneuerbaren” ist richtig und wichtig, sie werden aber die Bedürfnisse einer Industrienation nicht bewältigen. Meine Aufgabe als Hochschullehrer ist es, auf die Gefahren und Fehlinterpretationen hinzuweisen, damit eine angemessene Risikobewertung stattfinden kann. Ich bedauere, dass viele Kollegen die wissenschaftliche “Suche nach der Wahrheit” mit einer eigenen Agenda oder einer eigenen Mission verwechseln.

Vielleicht ist es ein ehrlicher (!!??) Mix aus “Erneuerbarer” Energie, klimaneutraler Atomkraft, Import (in alternativen Formen) und Verzicht. “Sparen ist Konsumverzicht” und “nie gegen den Markt und nie gegen die Physik” erscheinen mir sinnvolle Leitlinien für diesen Prozess. Es ist Aufgabe der Wissenschaft, diesen Prozess kritisch und ohne “Scheuklappen” zu begleiten, frei nach HANNS-JOACHIM FRIEDRICHS: Einen guten Wissenschaftler erkennt man daran, dass er sich nicht gemeinmacht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten.

Schlussbemerkung 

Die Kollegen (m/w/d) der Fachwissenschaften mögen die eine oder andere Vereinfachung entschuldigen. Als Zwischenfazit wird vorgeschlagen:

  • Die Erneuerbaren Energien leisten einen wichtigen Beitrag zur CO2-Mininimierung, reichen allein jedoch für die Bedürfnisse einer Industrienation NICHT aus.
  • Aktuelle Thesen und Planungen zur Energiewende ignorieren wesentliche Randbedingungen und vorliegende Erfahrungen. Eine Zwischenbilanz im Sinne des Qualitätsmanagements bzw. des Energie- und Umweltmanagement nach gängigen Industrienormen wäre notwendig. “Bauchgefühl” und “Wunschdenken” verdrängen eine angemessene und belastbare Chancen-Risikoanalyse. Hilfreich und notwendig wären dazu mehr physikalischer Sachverstand, kritische Selbstreflexion und Qualitätskontrollen in der Energiewende!
  • Hochschulaufgabe bleibt: “Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.” – Immanuel Kant, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? 1784.
  1. Als Hochschullehrer fühle ich mich dieser “physikalischen Diskussionshygiene” verpflichtet. Sie scheint mir im Moment nicht gegeben die Diskussionskultur wirkt “toxisch vergiftet”. Meine Aufgabe ist es, vor den “Berufsvereinfachern” (m/w/d) zu warnen und eine belastbare Risikoanalyse einzufordern.
Für grundsätzliche Anmerkungen bin ich dankbar und stehe der Diskussion offen gegenüber!

Verweise

  1. Regenerative Energiesysteme – Grundlagen, Systemtechnik und Analysen ausgeführter Beispiele nachhaltiger
    Energiesysteme, vgl. https://holgerwatter.wordpress.com/2019/01/09/5-auflage-regenerative-energiesysteme/
  2. Energie der Zukunft, vgl. https://holgerwatter.wordpress.com/2016/08/29/energie-der-zukunft/
  3. Kompetenzzentrum Erneuerbare Energie, vgl. https://holgerwatter.wordpress.com/2018/04/23/kompetenzzentrum-erneuerbare-energien/
  4. Diskussionsqualität in der Energiewende, vgl. https://holgerwatter.wordpress.com/2019/10/15/diskussionsqualitaet-in-der-energiewende/
  5. Wasserstoff aus Windkraft, vgl. https://holgerwatter.wordpress.com/2019/09/12/wasserstoff-aus-wind/
  6. Basiswissen synthetische Kraftstoffe, vgl. https://holgerwatter.wordpress.com/2020/03/04/basiswissen-synthetische-kraftstoffe/
  7. Entwicklung einer Wasserstoffstrategie für den Kreis SL-FL, https://tarpkommunal.wordpress.com/2020/06/24/entwicklung-einer-wasserstoffstrategie-fuer-den-kreis-schleswig-flensburg/
  8. Kaltschmitt, Hartmann (Hrsg.): Energie aus Biomasse – Grundlagen, Technik und Verfahren, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, 2001.

  9. Kaltschmitt, Wiese, Streicher (Hrsg.): Erneuerbare Energien – Systemtechnik, Wirtschaftlichkeit, Umweltaspekte (3. Auflage), Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, 2003.

  10. DENA-Studie: Integrierte Energiewende, https://www.dena.de/fileadmin/dena/Dokumente/Pdf/9261_dena-Leitstudie_Integrierte_Energiewende_lang.pdf

  11. Centre for Business and Technology in Africa, vgl. https://www2.wi.fh-flensburg.de/africacentre/

  12. Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft, vgl. https://www.afrikaverein.de/markteintritt-afrika/marktstudien/

  13. Congo Hydrogen Plant Being Considered by European Turbine Makers, https://www.bloomberg.com/news/articles/2020-08-21/congo-hydrogen-plant-being-considered-by-european-turbine-makers