Der Crash kam und er ist noch nicht vorbei (I)

 

Vor zehn Jahren erschien das Buch “Der Crash kommt” von Max Otte. Er bat mich, das Buch anlässlich des Jubiläums für eine Publikation aus seinem Hause zu besprechen. Gelesen hatte ich es bis dato nicht. Hier nun meine Einordnung des Buches und auch mein Fazit nach nunmehr fast 40 Jahren Beschäftigung mit dieser Thematik. Angesichts der Länge des Beitrages in zwei Folgen. Eine heute, die andere morgen. 

Erfolgreiche Crash-Gurus brauchen eine saubere Analyse, die Fähigkeit, komplizierte Sachverhalte einfach und breitenwirksam zu erklären und vor allem Glück. Max Otte hat mit “Der Crash kommt” im Jahre 2006 alle drei Voraussetzungen erfüllt und dürfte deshalb zu Recht der erfolgreichste deutsche Crash-Guru aller Zeiten sein. Dem Crash-Guru der 1980er-Jahre, Paul C. Martin, blieb trotz seiner höchst erfolgreichen Bücherreihe das finale „Erfolgserlebnis“ verwehrt. Zwar kam es 1987 zu einem spektakulären Crash an der New Yorker Wall Street, doch erwies sich dieser nur als ein kleiner Stolperer auf dem Weg zum größten Bullenmarkt aller Zeiten, der erst im Jahr 2000 sein Ende fand. Da waren die Thesen von Martin schon lange vergessen.

Timing ist alles

Schon der englische Nationalökonom John Maynard Kenyes hat früh erkannt, dass das Timing von Vorhersagen so ein Problem ist: „Markets can remain irrational a lot longer than you and I can remain solvent.” Märkte können also viel länger irrational sein, als die finanziellen Mittel des dagegen spekulierenden Investors reichen. Die Geschichte ist voll von diesen Beispielen.

So sprach der Präsident der US-Notenbank, Alan Greenspan, im Dezember 1996 mit Blick auf das Bewertungsniveau der US-Börse von „irrationalem Überschwang“. Dennoch dauerte der Börsenboom noch weitere drei Jahre an. War die Analyse von Greenspan damit falsch? Keineswegs. Bereits im Jahre 1996 notierten die Aktien rund 20 Prozent über dem langfristig gerechtfertigten Niveau. Ein Jahr später war die Bewertung der amerikanischen Börse so hoch, wie seit 1929 nicht mehr. Doch die Party dauerte an. Die „Bären“ – also jene, die auf fallende Kurse setzten – verloren immer mehr Geld und mussten aufgeben. Die Crash-Propheten wurden verlacht. Alle waren überzeugt, dass der Internetboom die Wirtschaft fundamental ändern und einen neuen inflationsfreien Boom auslösen würde. Dies würde die Aktienkurse mehr als rechtfertigen. This time it`s different. Sie war es dann doch nicht, wie der Crash der Jahre 2000 und 2001 zeigte.

Max Otte lag mit seinem Timing perfekt. Schon im Jahr 2007 begann die größte Finanz- und Wirtschaftskrise seit der großen Depression der 1930er-Jahre. Er hat die Grundursachen sauber analysiert, sich die Mühe gemacht, seine Thesen allgemein verständlich zu formulieren, Empfehlungen zum Vermögensschutz gegeben und das Ganze in Buchform pünktlich veröffentlicht.

Obwohl er mit seiner Prognose richtig lag, blieb ihm später das Schicksal der anderen Crash-Gurus aber doch nicht erspart. Nachdem eine erneute große Depression ausblieb und der Euro nicht zusammenbrach, lästerte das Handelsblatt im Sommer 2014 über „Das Scheitern der Crash-Propheten“. Darin wurde Max Otte neben Europessimisten wie Nouriel Roubini, Paul Krugman und Alan Greenspan sowie Crash-Gurus wie Marc Faber und dem Begründer der Eiszeit-These Albert Edwards als gescheiterter Miesmacher beschrieben.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man mit negativen Prognosen, die nicht eingetreten sind, besonders gerne aufgezogen wird. Meine früheren Kollegen bei The Boston Consulting Group haben mir auch immer wieder vorgehalten, sieben der letzten drei Krisen vorhergesagt zu haben. Ich nehme es ihnen nicht übel. Dabei muss man allerdings ein paar Punkte im Hinterkopf haben:

  • Eine Prognose abzugeben ist mutiger, als keine abzugeben.
  • Die vielen positiven Prognosen, die nicht eingetreten sind (siehe Wirtschaftswachstum in Europa und in den USA!), werden gerne vergessen. Die negativen Prognosen sind seltener und damit einprägsamer.
  • Die Menschen sind erleichtert, wenn die negative Prognose nicht eintritt. Dies gibt einen weiteren Anreiz, sich über die unnötigen Sorgen lustig zu machen.

Im Kern bleibt es beim Problem des Timings. Stimmt die Analyse, ist es nur eine Frage der Zeit, bis es zu der vorhergesagten Entwicklung kommt.

Der Crash war kein Zufall

Hinterher ist es immer leichter, eine Entwicklung zu erklären. Vorher sind die meisten Beobachter so sehr von der allgemeinen Meinung gefangen, dass sie nicht sehen oder nicht sehen wollen, was schiefläuft. Deshalb ist es schwer, selbst bei der genauesten Analyse, den weiteren Verlauf präzise vorherzusagen. Blickt man auf das Jahr 2006 zurück, so lag Max Otte mit vielen seiner Analysen richtig.

Da ist zunächst die Feststellung, dass die Globalisierung nicht uneingeschränkt positiv zu sehen ist. Zwar hat sie – im Gegensatz zu Ottes Auffassung – Hunderte von Millionen Menschen in den Entwicklungsländern aus der Armut befreit, zugleich jedoch den Druck auf die Einkommen in den Industrieländern deutlich erhöht. Die Folge ist – wie von Otte beschrieben – eine Spreizung der Einkommen in den westlichen Ländern und zudem ein deutlicher deflationärer Druck. Wir wissen heute, dass der Eintritt Chinas und Osteuropas in den Weltmarkt ein erheblicher Angebotsschock war, der zu einem weltweiten deflationären Druck führt. Hunderte von Millionen Menschen waren und sind bereit, für deutlich geringere Löhne zu arbeiten, als wir in den Industrieländern. Diese Wirkung der Globalisierung dauert bis heute an und führt zunehmend zu einer politischen Gegenreaktion. Protektionistische Eingriffe haben seit 2007 weltweit deutlich zugenommen und die politische Unzufriedenheit zeigt sich in den Erfolgen von Protestparteien und Abstimmungen wie dem Votum für einen Brexit in Großbritannien.

Ebenso sichtbar und in ihrer Wirkung immer noch unterschätzt ist die demografische Entwicklung. Mit Blick auf Japan hielt Otte schon 2006 fest, dass alternde Gesellschaften weniger wachsen, weniger konsumieren und tendenziell mit fallenden Vermögenspreisen einhergehen. Eine ähnliche Entwicklung prognostizierte er für die westlichen Industrieländer, in denen der demografische Wandel ebenfalls mit voller Kraft zuschlägt. In der Tat zeigen sich die Folgen immer deutlicher. Die schwache wirtschaftliche Erholung nach der Krise 2008 hat auch mit der abnehmenden Erwerbsbevölkerung zu tun. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Überalterung der Gesellschaft wirklich dauerhaft in einer deflationären Tendenz niederschlägt oder ob es nicht doch zu einer deutlichen Inflation kommt und das vor allem bei den nicht handelbaren Dienstleistungen wie zum Beispiel Pflege. Hier dürfte sich die Arbeitskräfteknappheit am ehesten bemerkbar machen.

Auch mit Blick auf die überbürokratisierte und an demokratischer Legitimierung mangelnde Europäische Union zeigte sich Otte schon 2008 weitsichtig. Nicht nur, dass er einem europäischen Superstaat keine große Überlebenswahrscheinlichkeit gegeben hat, auch mit Blick auf den Euro war er klar in seiner Sicht. Auf Dauer hat das Konstrukt keine Zukunft. Wie richtig er damit lag, zeigt sich am heutigen Zustand der EU, die sich in einem anhaltenden Verteidigungskampf befindet, je länger sie ihr Wohlfahrtsversprechen nicht mehr erfüllt. Die Uneinigkeit in der Migrationskrise, das Votum der Engländer für einen Brexit und die zunehmenden Spannungen zwischen den Ländern unterstreichen diese Sicht, wenngleich es bis heute noch nicht zum Zerfall von Union und Euro gekommen ist. Aber damit sind wir wieder bei dem Thema des Timings. Es ist keine Frage des Ob, nur noch des Wann.

Der Kernpunkt von Ottes Analyse von 2006 war die überbordende Verschuldung der westlichen Welt. Obwohl sich Otte bei seiner Kommentierung vor allem auf die USA fokussiert, so ist unstrittig, dass die private und öffentliche Verschuldung die entscheidende Ursache für die nachfolgende Krise gewesen ist. Die Dimensionen sind in der Tat erheblich, wie Zahlen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich belegen. Im Zeitraum zwischen 1980 und 2010 haben sich demnach die Schulden in der westlichen Welt relativ zum Bruttoinlandsprodukt mehr als verdoppelt. Real. Also bereinigt um Inflation, stiegen die Schulden der Unternehmen um das Dreifache, die der Staaten um das Vierfache und die der privaten Haushalte um das Sechsfache. Für mein letztes Buch “Eiszeit in der Weltwirtschaft habe ich es so grafisch zusammengefasst:

Abb. 1: Zuwachs der Verschuldung von 1980 bis 2010

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Entscheidende Mitschuld an dieser Entwicklung dürfte die Deregulierung des Finanzsektors und die asymmetrische Politik der Notenbanken tragen, die auf jede Krise mit Zinssenkungen reagierten, ohne die Zinsen wieder ausreichend anzuheben. Damit wurde die Verschuldung zu Konsum und Spekulation befeuert. Das ist auch der entscheidende Grund für den deutlichen Anstieg der Vermögenspreise, der heute von vielen Seiten, besonders prominent von Thomas Piketty, kritisiert wird. Auch auf die unsägliche Rolle der Notenbanken hat Max Otte bereits in seinem Buch hingewiesen. Alan Greenspan wird richtig als jener beschrieben, der dafür Sorge trägt, dass die Finanzierung zu jeder Zeit funktioniert und die Wohlstandsillusion aufrechterhalten blieb. Ob nach dem Börsenkrach 1987, nach der Asienkrise, der Russlandkrise, der Schieflage von LTCM – jedes Mal hat die US-Notenbank unter seiner Leitung die Finanzmärkte gerettet. Blasen könne man immer erst im Nachhinein erkennen, meinte der Mann, der sie zutreffend schon erkannt hatte. Die Reaktion auf die geplatzte Dotcom-Blase und die Anschläge von 11. September war da nur konsequent: mit noch billigerem Geld die Verschuldungsmaschine eine Runde weiter zu bekommen. Mit Erfolg: Die Immobilienblase erreichte ungeahnte Ausmaße, bis sie – wie von Otte prognostiziert – letztlich platzte und das Weltfinanzsystem an den Rand des Zusammenbruchs führte.

Die Immobilienblase in den USA hatte nur deshalb eine solche weltbedrohende Wirkung, weil sie auf ein mit geringem Eigenkapital ausgestattetes Bankensystem traf, welches zudem über die Verbriefung der Schulden und darauf basierenden Wetten mit Derivaten ein viel zu großes, komplexes und intransparentes Eigenleben führte. Alle Aspekte wurden inDer Crash kommt bereits problematisiert. Bankenkrisen sind die Auslöser für Wirtschaftskrisen, hielt Otte damals schon treffend fest.

Den Hauptauslöser sah Otte in den heiß gelaufenen Immobilienmärkten, wobei er neben dem US-amerikanischen auch explizit den spanischen Immobilienmarkt erwähnt. Er erläutert an diesem Beispiel, wie die Einführung des Euro – und damit verbunden die deutlich tieferen Zinsen – zu einer schuldenfinanzierten Scheinblüte in den heutigen Krisenländern führte. Damit unterscheidet sich Otte erneut deutlich vor anderen Mahnern. Es gab nicht wenige, die vor der Blase im US-Immobilienmarkt warnten. Einige sind gar mit einer Spekulation auf den Crash reich geworden. Es gab auch nicht wenige, die vor den Folgen des Euro und der durch die Einführung des Euro ausgelösten Schuldenblasen warnten. Es gab aber wohl nur einen, der beide Crashs zeitgleich sah. Die Krise des Euro hätten wir auch ohne die US-Krise bekommen – und umgekehrt.

Der Kollaps von 2008/2009 war demzufolge kein Zufall. Es war eine Krise mit Ansage, als direkte Folge einer jahrzehntelangen verfehlten Politik, die zur kurzfristigen Dämpfung von Zyklen und als Antwort auf den erhöhten Wettbewerbsdruck der Globalisierung auf billiges Geld und immer mehr Schulden gesetzt hatte. Sie hätte schon 2006 beginnen können oder aber erst 2012. Sicher war nur, sie musste kommen.

Doch kein Systemkollaps

Wer eine Vorhersage über die Zukunft macht, kann sich irren. So erging es letztlich auch Max Otte, dessen Buch jetzt 10. Jubiläum feiert. So lag er mit seiner Einschätzung der künftigen Preisentwicklung für Rohstoffe deutlich daneben. Zwar hat die Globalisierung in der Tat dazu geführt, dass die Nachfrage nach Rohstoffen förmlich explodiert ist. Doch hat sich der Preisanstieg als ein weiteres Beispiel eines Booms in einem langfristig zyklischen Markt herausgestellt. In Erwartung eines ewigen von China getriebenen Booms haben die Anbieter von Rohstoffen die Kapazitäten deutlich ausgeweitet und diese Überkapazitäten drücken heute auf den Markt. China selbst hat mit einem historischen Konjunkturprogramm auf die Krise von 2009 reagiert und damit zu den Überkapazitäten beigetragen, die den deflationären Druck in der Welt heute noch weiter verschärfen.

Gerade bei dem Thema Rohstoffe zeigt sich eindrücklich, dass jeder, der Rohstoffe kauft, letztlich gegen den menschlichen Erfindergeist wettet. Real gerechnet sind Rohstoffe in über mehr als hundert Jahren billiger geworden und vieles spricht dafür, dass dies auch in den kommenden hundert Jahren der Fall sein wird. Aktuelles Beispiel ist der deutliche Verfall des Ölpreises. Je mehr alternative Technologien ohne Subventionierung wettbewerbsfähig werden, desto attraktiver ist es für die Ölproduzenten heute, zu jedem Preis zu verkaufen. Denn nichts ist so wertlos wie Öl, das niemand mehr braucht. Der saudische Ölminister brachte es auf den Punkt: Das Steinzeitalter ist auch nicht zu Ende gegangen, weil es keine Steine mehr gab.

Auch hat sich der US-Dollar in den letzten Jahren deutlich besser geschlagen, als von Otte erwartet. Statt eines Dollar-Crashs haben wir eine deutliche Aufwertung des Dollars gesehen, was aber eher eine Abwertung der anderen Währungen war. Dahinter steht jedoch weniger eine gestiegene Qualität des US-Dollars, sondern vielmehr eine Flucht in die vermeintliche Sicherheit. Die Währung der (noch) unbestrittenen Weltmacht, deren Notenbank zudem einen homogenen Währungsraum vertritt, wirkt auf viele Investoren doch relativ attraktiver. Womit nicht gesagt ist, dass dies auf Dauer so bleibt. Zu groß sind die wirtschaftlichen und finanziellen Probleme der USA, die in der öffentlichen Wahrnehmung davon profitieren, dass es mit Japan und der Eurozone noch zwei große Volkswirtschaften gibt, die noch deutlich schlechter dastehen.

Der größte Irrtum von Otte war jedoch sein Zweifel an der Handlungsfähigkeit von Politikern und Notenbanken und an der Akzeptanz von deren Maßnahmen. Wer hätte gedacht, dass die Notenbanken ihre Bilanzsummen vervielfachen und alle Grundsätze der Notenbankpolitik über Bord werfen, ohne dass es eine Vertrauenskrise in unser Geld gibt?

Die Grundsätze solider Notenbankpolitik wurden schon 1873 von Walter Bagehot, Herausgeber des Economist und Bankenexperte aufgestellt. Demnach soll die Zentralbank im Krisenfall nur solventen Banken helfen, gegen die Hinterlegung von sehr guten Sicherheiten und zu einem hohen Strafzins. Mit diesen Regeln wollte er sicherstellen, dass die Banken vorsichtig agieren und ihre Geldschöpfungsfähigkeit nicht missbrauchen, um schlechten Schuldnern gegen unzureichende Sicherheiten Geld zu geben. Seit 2009 gelten diese Grundsätze nicht mehr. Die Notenbanken, allen voran die japanische und die EZB, gehen gänzlich anders vor: Eigentlich insolvente Banken können neue Gelder zu Nullzins beziehen, wenn sie zweifelhafte Sicherheiten hinterlegen. Dabei ist das Ziel der Notenbanken offensichtlich. Sie wollen den richtigen, finalen Crash um jeden Preis verhindern.

So haben wir seit 2009 eine Krise, die durch zu viele Schulden und zu billiges Geld ausgelöst wurde, durch noch mehr Schulden und noch billigeres Geld bekämpft. Nur durch noch mehr Schulden und noch tiefere Zinsen gelang es, eine große Depression wie in den 1930er-Jahren zu verhindern. Lediglich zu Tiefst- und Negativzinsen gelingt es den Notenbanken, den Schuldenturm vor dem Einsturz zu bewahren. Doch während das billige Geld dazu dient, das Fundament des Schuldenturms zu stabilisieren, setzen wir oben immer weitere Stockwerke drauf.

Fast überall liegt die Gesamtverschuldung von Staaten, Unternehmen und privaten Haushalten relativ zum BIP höher als 2007. Zahlen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich unterstreichen die Dynamik:

  • Die Industrieländer haben relativ zum BIP 36 Prozent mehr Schulden als 2007. Spitzenreiter sind Japan (77), Frankreich (72), Italien (53), Schweden (52) und Spanien (50 Prozent).
  • Die Schwellenländer haben im Schnitt ihre Verschuldung seit 2007 um immerhin 50 Prozent des BIP gesteigert: angeführt von China (82), Singapur (59), Korea (40), Thailand (37), Russland (33), Malaysia und Brasilien (32) und der Türkei (30 Prozent).

Auf die Realwirtschaft haben die Schulden indes immer weniger Wirkung. Ein immer größerer Teil der neuen Schulden dient dazu, die Illusion aufrechtzuerhalten, dass die vorhandenen Schulden bedient würden. Dort, wo die neuen Schulden in den letzten Jahren noch zum Wachstum beitrugen, sind massive Überkapazitäten die Folge. China und die Rohstoffexporteure haben gleichermaßen falsch investiert und der Versuch der Schuldner, Liquidität zu beschaffen, verstärkt den weltweiten deflationären Druck. Fallende Preise sind jedoch, wie wir seit Irving Fisher wissen, eine erhebliche Last für eine überschuldete Weltwirtschaft. Die Geldpolitik hat damit das befeuert, was sie eigentlich bekämpfen wollte.

Bis jetzt hält das Vertrauen der Menschen in die Notenbanken. Aber es mehren sich die Stimmen, die vor einem Schwinden des Vertrauens und den Folgen warnen. Dabei fokussieren sich die Sorgen vor allem auf die Frage, wie die Finanzmärkte reagieren könnten, würde sich die Erkenntnis durchsetzen, dass die Notenbanken die realen Probleme eben doch nicht lösen können. Ein Kollaps der Vermögenspreise wäre die Folge. Den alternativen Vertrauensverlust in unser Geld und damit in die Hyperinflation sehen die meisten Beobachter angesichts des deflationären Drucks von Überkapazitäten und Fehlinvestitionen noch nicht. Doch das könnte sich als Irrtum herausstellen, besitzt doch Geld nur deshalb einen Wert, weil wir daran glauben. Schwindet der Glaube, ist es mit dem Wert schnell zu Ende.

Gerade im Euroraum besteht diese reale Gefahr. Hat doch die EZB nicht nur den Finanzkollaps verhindert, sondern zeitgleich auch noch den Kollaps des Euro. Ohne die Ankündigung von EZB-Draghi „whatever it takes“ zu tun, um den Euro zu retten, wäre dieser schon lange Geschichte. Doch auch hier gilt: Es ist keine Lösung der eigentlichen Probleme, nur die Symptome werden bekämpft.