Das Sondierungs­programm gibt wenig Anlass zur Hoffnung

Zurzeit verhandeln SPD, Grüne und FDP über die Bildung einer sogenannten Ampelkoalition im Bund. Diese Verhandlungen sind mit großen Hoffnungen und Versprechungen verbunden. Am kommenden Mittwoch, dem 10.11.2021, um 18:00 Uhr sollen die einzelnen Verhandlungsteams ihre Positionspapiere zu ihren jeweiligen Themenbereichen vorlegen.
Grund genug, mich in meinem Podcast vom 7. November 2021 mit den Inhalten zu beschäftigen. Für jene, die lieber oder zusätzlich gerne lesen, hier meine Einschätzung:

Für mich geht es vor allem um die Sicherung des Wohlstands. Denn dieser ist Grundvoraussetzung für alles – vom Sozialstaat bis zum Klimaschutz. Wir müssen es uns leisten können, es muss hier erwirtschaftet werden. Politiker kümmern sich bekanntlich mehr um das Ausgeben und Verteilen und das schon viel zu lange. Deshalb betrachte ich die sich abzeichnenden Kompromisslinien anhand genau dieses Kriteriums: Sichert es Wohlstand und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit?

Problem erkannt?

Wir stehen vor folgender Lage:

  • Die Erwerbsbevölkerung beginnt in diesem Jahr zu schrumpfen.
  • Wir sehen es bereits an den sich häufenden Meldungen zum Fachkräftemangel.
  • Das bedeutet zum einen weniger Wachstum (und damit weniger Finanzierungsspielräume für alles, was man so will)
  • und zum anderen deutlich höhere Kosten für die alternde Bevölkerung: Renten, Pensionen, aber auch Gesundheitsleistungen.
  • Man könnte das kompensieren durch eine sichtbar wachsende Produktivität. Genau das tun wir aber nicht. Seit Jahren gehen die Produktivitätsfortschritte zurück. Das liegt an unzureichenden Investitionen, Innovationen und den Problemen des Bildungssystems.
  • Wir könnten es auch mit mehr Zuwanderung von qualifizierten Menschen lösen – auch das tun wir nicht. Im Gegenteil – wir belasten uns zusätzlich mit der Zuwanderung gering Qualifizierter.

Hier gilt es zu handeln durch ein umfassendes Programm, das die Zahl der geleisteten Jahresarbeitsstunden möglichst weit oben hält – Wochen-, Jahres-, Lebensarbeitszeit, Erwerbsbeteiligung – und die Produktivität steigert. Hinzu kommt, dass wir dringend handeln müssen, um die Bürger vermögender zu machen und sie vor der unvermeidlichen Inflation in den kommenden Jahren schützen.

Es gibt genug zu tun für die neue Regierung. Wird sie es auch tun? 

Im Sondierungspapier steht zu lesen:

„SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FREIE DEMOKRATEN sehen, dass Deutschland einen Aufbruch braucht. Wir fühlen uns gemeinsam dem Fortschritt verpflichtet. Uns eint, dass wir Chancen in der Veränderung sehen. (…) Es geht um unser Land, nicht um die Profilierung einzelner Akteure.“

Das ist zunächst mal nett. Und es wäre zu wünschen, dass dieses Bekenntnis zum Land nicht nur ein politik-typisches Lippenbekenntnis ist.

Unser Land professionell managen 

In meinem Buch diskutiere ich einige Ansatzpunkte. Dazu gehören:

  • Ordentliche Rechnungslegung – doppelte Buchführung auch für den Staat, Grundrente/Pensionen.
  • Vernetztes Denken – Beispiel Flugverkehr/Wohnung.
  • Von anderen lernen – Dänemark in Digitalisierung.
  • Sauberes Rechnen – Preisschilder an alle Gesetze: Mein Vorschlag war die Aufwertung des Bundesrechnungshofes.
  • Aber auch eine Verkleinerung des Bundestages, Amtszeitbeschränkungen und generell Maßnahmen, um die praktischen Erfahrungen der Volksvertreter außerhalb des politischen Betriebs zu stärken.

Im Sondierungspapier findet sich dazu Folgendes:

„Um Deutschland zügig zu modernisieren sind schnelle Verwaltungs-, Planungs- und Genehmigungsverfahren zentrale Voraussetzung. Daher sollen im ersten Jahr der Regierung alle notwendigen Entscheidungen getroffen und durchgesetzt werden, um private wie staatliche Investitionen schnell, effizient und zielsicher umsetzen zu können. Unser Ziel ist es, die Verfahrensdauer mindestens zu halbieren.
Die Verwaltung soll agiler und digitaler werden. Wir werden sie konsequent von der Bürgerin und dem Bürger her denken. Digitale Anwendungen werden jeweils mitgedacht und realisiert. Dazu wollen wir Gesetze einem Digitalisierungscheck unterziehen. Die digitalpolitische Strategie der Bundesregierung wird neu aufgesetzt.“ 

Auch das klingt zunächst gut. Was hätte ich mir noch gewünscht aus den Wahlprogrammen der Parteien? Nun, das hier von den GRÜNEN:

Durch die Gestaltung des Bundeshaushaltes nach den Grundsätzen der doppelten Buchführung machen wir ihn transparenter und generationengerechter.

  • Bekanntlich habe ich die GRÜNEN an dieser Stelle bei der Besprechung ihres Wahlprogrammes gelobt. Aber auch auf die Gefahr hingewiesen, dass mit einer solchen Berechnung auch Schindluder getrieben werden kann, indem man bestimmte Investitionen schönrechnet oder eigentlichen Konsum als Asset verbucht.
  • Jetzt wo die FDP mit an Bord ist, wäre die Gefahr allerdings geringer. Deshalb: Bitte machen!
  • Und: die Sozialversicherungen mit einbeziehen!

Von der FDP würde ich mir noch diesen Punkt im Koalitionsvertrag wünschen:

„Wir wollen die Legislaturperiode des Deutschen Bundestages von vier auf fünf Jahre verlängern. Die Wahltermine der Länder sollen stärker gebündelt werden. (…) Angesichts der Komplexität vieler Gesetze ist es sinnvoll, die Legislaturperiode und damit auch die Regierungszeit zu verlängern. Zugleich würden weniger Wahltermine den Dauerwahlkampf verhindern.“

Die SPD hatte dazu übrigens nichts Brauchbares im Programm, wie überhaupt das Programm der SPD eines der dünnsten war, was allerdings GRÜNEN und FDP die Chance gibt, das inhaltliche Vakuum zu füllen.

Fazit: Die Ampel-Koalitionäre spielen die Klaviatur der Sehnsucht nach Modernisierung. Dank der Beteiligung von GRÜNEN und FDP ist das auch etwas glaubwürdig, was angesichts der inhaltlich nicht sonderlich innovativen SPD hilft. Bleibt abzuwarten, was dann daraus wird.

Wohlstand sichern/erhöhen

Kommen wir zum wichtigen Thema der Wohlstandssicherung oder gar Mehrung.

In meinem Buch diskutiere ich Themen wie:

  • Stabilisierung der Erwerbsbevölkerung: also Maßnahmen, um die Erwerbsbeteiligung zu erhöhen, die Arbeitszeit zu erhöhen (Jahres-/Lebensarbeitszeit), intelligente Zuwanderung zu organisieren. Aber auch Migranten besser zu integrieren.
  • Die Produktivität der Wirtschaft zu steigern: besseres Bildungsniveau, mehr Investitionen von Privaten (Standort) und Staat.
  • Energiekosten senken
  • und viele mehr.

Erfreulicherweise finden sich wenigstens einige Ansatzpunkte in diese Richtung:

„Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland als Grundlage für nachhaltiges Wachstum, Wohlstand und hohe Beschäftigung in einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft erhöhen.“ 

„Wohlstand“ wird erwähnt und es wird auf den GRÜNEN-Zusatz „klimaverträglich“ verzichtet. Es soll also wirklich der Wohlstand erhöht werden.

Wie das gelingen soll?

Die 2020erJahre wollen wir zu einem Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen machen. Wir verfolgen dazu eine Politik, die die Investitionen – privat, wie öffentlich – deutlich erhöht.
Wir werden im Rahmen der grundgesetzlichen Schuldenbremse die nötigen Zukunftsinvestitionen gewährleisten, insbesondere in Klimaschutz, Digitalisierung, Bildung und Forschung sowie die Infrastruktur. 

So weit, so gut. Es wird auch angedeutet, wie das trotz der Schuldenbremse gelingen soll:

Wir wollen mehr privates Kapital für Transformationsprojekte aktivieren. Dazu prüfen wir auch, welche Beiträge öffentliche Förderbanken zur Risikoabsicherung leisten können. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) soll stärker als Innovations- und Investitionsagentur wirken.

Der Charme der Auslagerung an die KfW ist mehrfach: keine direkte politische Einflussnahme, ökonomische Kriterien werden nicht völlig ausgeblendet, es gibt nicht den großen Schluck aus Pulle. Prinzipiell gut ist auch dieser Ansatz:

Der Konjunktur wollen wir einen Schub durch Superabschreibungen geben für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung. Wir wollen Steuerbürokratie spürbar verringern, beispielsweise durch höhere Schwellenwerte und volldigitalisierte Verfahren. 

Das wäre doch was. Vor allem bringt es mehr Wirkung als eine alleinige Senkung der Steuern. Auch das gefällt mir:

„Wir wollen den Anteil der gesamtstaatlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf 3,5 Prozent des BIP erhöhen.“

Ebenfalls richtig und wichtig sind diese Überlegungen: 

„Hürden, die eine Aufnahme versicherungspflichtiger Beschäftigung erschweren, wollen wir abbauen. Wir erhöhen die Midijob-Grenze auf 1.600 Euro. Künftig orientiert sich die Minijob-Grenze an einer Wochenarbeitszeit von 10 Stunden zu Mindestlohnbedingungen. Sie wird dementsprechend mit Anhebung des Mindestlohns auf 520 Euro erhöht.“ 

Andererseits haben es auch Aspekte in das Sondierungspapier geschafft, die für einen weiterhin stark intervenierenden Staat sprechen. So die Idee von „Transformationsclustern“, die nichts anderes als Subventionsversprechen sind: 

„Die Industrie steht vor einer weitreichenden Transformation, dabei werden wir sie unterstützen. Wir fördern regionale Transformationscluster und werden strukturschwache Regionen unterstützen.“ 

Und die Weigerung, sich den veränderten Anforderungen der Arbeitswelt zu stellen: 

„Im Rahmen einer befristeten Regelung mit Evaluationsklausel werden wir es ermöglichen, dass im Rahmen von Tarifverträgen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen und in einzuhaltenden Fristen ihre Arbeitszeit flexibler gestalten können. Außerdem wollen wir eine begrenzte Möglichkeit zur Abweichung von den derzeit bestehenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes hinsichtlich der Tageshöchstarbeitszeit schaffen, wenn Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen dies vorsehen.“

„Befristet – bestimmte Voraussetzungen – einzuhaltende Fristen – begrenzte Möglichkeiten.“ Tja, da haben sich die Besitzstandswahrer durchgesetzt, was angesichts der dringenden Notwenigkeit Erwerbsbeteiligung und Arbeitszeiten zu erhöhen mehr als bedauerlich ist.

Was fehlt? Nun auch hier nichts von der SPD, die dazu im Programm auch keine nennenswerten positiven Vorschläge hatte (was nach 18 Jahren Regierungsbeteiligung seit 1998 nicht wundern sollte). Hier, was es noch in den Koalitionsvertrag schaffen sollte.

Die GRÜNEN hätten noch das beizusteuern:

Der Arbeits- und Fachkräftemangel wird sich verstärken. Dem wollen wir entgegenwirken. Dafür investieren wir mehr in berufliche und berufsbegleitende Bildung. Die duale Berufsausbildung soll durch eine Weiterentwicklung und Modernisierung ins- besondere der Lehrinhalte und der Ausstattung aufgewertet werden.

Auch diese Forderung der GRÜNEN würde es verdienen, aufgenommen zu werden:

Dem Trend, dass eine wachsende Zahl von Schüler*innen ohne Abschluss die Schule verlässt, wollen wir entgegenwirken.

Allerdings hatten die GRÜNEN in ihrem Programm keine Idee, wie das geschehen soll. Vielleicht ist es deshalb nicht im Sondierungspapier zu finden. Aber es würde sich lohnen, wenn die neue Regierung sich dem Thema annimmt und dies ohne ideologische Scheuklappen. Anfangen sollten wir mit einer systematischen Analyse des soziodemografischen Hintergrunds von Schul-, aber auch Ausbildungsabbrechern, verbunden mit einer ebenso unideologischen Schlussfolgerung daraus.

Hierzu würde dieser Aspekt aus dem FDP-Programm gut passen:

Wir fordern, einen Prozentpunkt des bestehenden Mehrwertsteueraufkommens zusätzlich in Bildung zu investieren. Dazu sollen sich Bund und Länder unter Einbeziehung der Kommunen in einem Staatsvertrag verpflichten. Das ermöglicht zusätzliche Investitionen von rund 2,5 Milliarden Euro in den Bildungssektor. Diese zusätzlichen Investitionen sind für die umfassende Modernisierung unseres Bildungssystems dringend notwendig, um Deutschland in die TOP-5 der OECD-Staaten zu bringen.

Nur mit Bildung haben wir überhaupt die Chance den Wohlstand zu erhalten.

Die FDP war außerdem konkreter, was das gesamtwirtschaftliche Investitionsniveau betrifft. Dieses Ziel sollte die neue Koalition übernehmen:

INVEST IN GERMANY – 25 Prozent vom BIP Wir wollen, dass im Jahr 2025 in Deutschland 25 Prozent des BIP investiert werden – und zwar vor allem privat und nicht vorrangig vom Staat! Dafür wollen wir die nötigen Rahmenbedingungen schaffen. Der Staat muss seine Investitionen sowie die sonstigen steuer- und wirtschaftspolitischen Instrumente so einsetzen, dass auch private Unternehmen gern in Deutschland investieren.

Das ist eine sehr wichtige Zielmarke. Ähnliches habe ich in meinem Buch auch gefordert. Zur Einordnung ein paar Zahlen: Heute liegen wir bei 21,8 Prozent, also deutlich darunter. Viele Staaten liegen vor uns:

 

Schauen wir auf den Privatsektor, erkennen wir, dass wir auch nur im unteren Mittelfeld liegen. Dies widerspiegelt die bereits in den vorangegangenen Kapiteln angesprochene Schwäche bei den Investitionen der Unternehmen im Inland. Hier sind die Aussichten und Rahmenbedingungen nicht ansprechend genug, um Investitionen anzuregen.

Besonders dramatisch sind die Zahlen für den Staatssektor. Nur in Irland, Italien und Portugal investiert der Staat so wenig wie im vermeintlich so reichen Deutschland. Die Unterschiede sehen klein aus, sind aber gigantisch. Wenn Frankreich beispielsweise 1,1 Prozentpunkte relativ zum BIP mehr investiert, bedeutet das auf uns übertragen 38 Milliarden staatliche Investments jährlich.

Ebenso wichtig wäre aus meiner Sicht diese Idee der FDP:

Wir wollen eine Zahlungsmoral-Offensive der öffentlichen Hand. Zugleich fordern wir die Vergabeschwellenwerte für 2020 und 2021 erhöhen, damit Investitionen schneller umgesetzt werden. Investitionen der öffentlichen Hand haben in Krisenzeiten einen wichtigen Stabilisierungseffekt. Offene Rechnungen können Liquidität und Arbeitsplätze besonders im Mittelstand massiv gefährden. Das wollen wir verhindern.

Bei keinem Schuldner ist die Zahlungsmoral mieser als beim Staat, sagt der Bundesverband deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU). Handwerker oder Baubetriebe müssen ein halbes Jahr oder länger auf das Geld aus öffentlichen Aufträgen warten, während die Finanzämter jedoch sofort die Vorsteuer aus den Verträgen verlangten. 

Ein weiterer Punkt, der es verdient, im Koalitionsvertrag aufzutauchen, kommt von den GRÜNEN:

Wir wollen deshalb zurück zum „Boring Banking“. Banken sollen nicht spekulieren, sondern die Realwirtschaft finanzieren. Statt der immer undurchsichtigeren Regulierungsflut wollen wir einfache und harte Regeln. (…) Wir werden die Schuldenbremse (Leverage Ratio) für Banken verbindlich machen und schrittweise auf 10 Prozent erhöhen. Das riskante Investmentgeschäft muss vom Einlagen- und Kreditgeschäft getrennt werden (Trennbankensystem). (…) Es braucht eine starke Fusionskontrolle und zu große Banken sollen entflochten werden. Für kleine Banken, von denen kein Risiko für das Finanzsystem ausgeht, sollten hingegen einfachere Regeln gelten.

Immer wieder haben wir diskutiert, dass gerade Genossenschaftsbanken, Raiffeisenbanken und Sparkassen wichtig sind für den Standort und ein wesentliches Rückgrat für die Mittelschicht. Das war auch Thema der Diskussion mit Professor Werner im Podcast #50 vom November 2020.

Fazit: Immerhin tauchen Aspekte zur Wohlstandssicherung im Sondierungspapier auf. Die Ergänzungen, die ich aus den Programmen von GRÜNEN und FDP aufnehmen würde, sollten eigentlich kein Problem sein. Ob die Parteien insgesamt allerdings erkannt haben, wie dringend und umfangreich der Sanierungsbedarf des Landes ist, wage ich zu bezweifeln. Denn das sieht man an den anderen Bereichen des Sondierungspapiers.

Die Verteilung von Wohlstand

Angesichts von Rekordumverteilung, Abgabenlast und Sozialausgaben könnte man meinen, hier wäre Schluss. Aber weit gefehlt. Die SPD verweigert die Erkenntnis und setzt sich damit durch: 

„Wir werden die gesetzliche Rente stärken und das Mindestrentenniveau von 48 Prozent sichern. Es wird keine Rentenkürzungen und keine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters geben. (…) Die umlagefinanzierte Rente wollen wir durch die Erwerbsbeteiligung von Frauen und älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie die erwerbsbezogene und qualifizierte Einwanderung stärken.“

Sogar bekannt SPD-nahe Ökonomen wie Marcel Fratzscher können die Tatsache nicht leugnen, dass das nicht funktionieren kann. Es ist völlig unstrittig, dass die Finanzierung der Rentenkasse nicht auf tragfähigen Säulen steht.

Daran ändert auch nichts, dass von einigen politischen Seiten das Gegenteil behauptet wird. So von der LINKEN, die ja nur knapp nicht genug Stimmen hatten, um statt der FDP in der Regierung zu sitzen. So schrieb der rentenpolitische Sprecher der LINKEN, Matthias W. Birkwald, in einem Gastbeitrag in der F.A.Z., dass das mit der Rente gar kein Problem sei:

„Im Reden vom Kollaps und den hohen Kosten (…) geht jeglicher ökonomischer Vergleichsmaßstab verloren. Fragt man nach dem Anteil, den die Bundeszuschüsse zur gesetzlichen Rente an den Steuereinnahmen des Bundes ausmachen, so zeigt sich, dass dieser Anteil seit 2005 von 41 Prozent auf 30 Prozent (2019) zurückgegangen ist und nach der Finanzplanung des Bundes bis 2025 stabil bleiben wird. 

Wenn man das liest, könnte man in der Tat zu der Auffassung gelangen, dass es kein Problem sei. Doch schauen wir mal genauer hin:

  • In Bezug auf den Bundeshaushalt sieht es so aus. 2005 hat der Bund 30 Prozent des Haushalts für Rentenzuschüsse ausgegeben. 2019 waren es 30,6 Prozent – also mehr.
  • Dass es im Vergleich zu den Steuereinnahmen besser aussieht, liegt daran, dass die Steuereinnahmen schneller gewachsen sind, weil die Wirtschaft gut lief und zugleich die Steuer- und Abgabenquote um drei Prozentpunkte gestiegen ist, kann wohl nur schlecht als Begründung dafür herhalten, dass wir kein Problem haben. Stichwort: höchste Abgabenquote in der OECD.
  • In Wahrheit liegt es mehr daran, dass die Zinsausgaben sich verringerten, weshalb der Anteil an den Steuereinnahmen sank.
  • Nachhaltig ist das nicht und auch nicht wiederholbar.

Doch damit nicht genug. Auch für die Zukunft geben die Linken Entwarnung:

Das Gleiche gilt, wenn man die Rentenausgaben (…) ins Verhältnis zum erwirtschafteten Wohlstand setzt: Nach der Abgrenzung der Europäischen Union (liegt der Anteil der) Altersrentenausgaben des Staates stabil bei 21 Prozent. Auch ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt verharrt bei 9,7 Prozent.Wagt man den Blick in die Glaskugel, wie es die EU-Kommission regelmäßig in ihrem Aging-Report tut, so werden die gesamten Rentenausgaben trotz des demographischen Wandels bis 2045 nur moderat von 10 auf 12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen (…).

  • Die EU berechnet in der Tat die Finanzierungslücke basierend auf der Alterung und spricht in Deutschland von einem Wert von rund 2 Prozent vom BIP. Das wären auf heute bezogen übrigens 70 Milliarden Euro
  • und gar nicht so weit weg von den 100 Milliarden, die sonst im Raum stehen.
  • Jetzt können wir darüber streiten, ob 70 Milliarden viel oder wenig sind.
  • Relativ zum Bundeshaushalt sind es immerhin 20 Prozent
  • Der Bund würde also rund 50 Prozent des Haushalts auf die Rente verwenden.
  • Ein weiterer Gedanke noch zur Bedeutung der „nur 2-Prozent-Punkte“ vom BIP: Das BIP wird von immer weniger Menschen erwirtschaftet, dass bedeutet also, die Last pro Beitragszahler geht überproportional nach oben.
  • Indirekt sieht das auch die LINKE so, wenngleich es so viel netter klingt:

Beginnen wir jetzt endlich damit, die Mythen von der zu teuren gesetzlichen Rente hinter uns zu lassen und sie mit einem Dreiklang aus moderat steigenden Beitragssätzen, stabiler Steuerfinanzierung und einer Politik der guten Löhne und der guten Arbeit auf die Zukunft vorzubereiten? Ich plädiere dafür.

Hier bin ich sogar bei der LINKEN. Wir brauchen unbedingt gute Löhne, aber nicht einfach durch eine Erhöhung der Löhne, sondern durch mehr Produktivität. Und wir müssen uns dann der Frage stellen, wie wir das Aufkommen der Beitragszahler verteilen. Denn wenn die Renten mit den Löhnen steigen, dann bekommen die Rentner mehr, was erfreulich ist, aber wir haben keine Lösung des Problems: nämlich, dass immer weniger für immer mehr bezahlen.

Die Ampel-Koalitionäre drücken sich auch um das Problem. Wenn sie schreiben, dass eine höhere „Erwerbsbeteiligung von Frauen und älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie die erwerbsbezogene und qualifizierte Einwanderung“ die Finanzierung sichern soll, ist das pure Fantasie.

Auch dieser Aspekt ist nett, aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, wie ich schon vor zwei Wochen festgestellt habe: 

„Um diese Zusage generationengerecht abzusichern, werden wir zur langfristigen Stabilisierung von Rentenniveau und Rentenbeitragssatz in eine teilweise Kapitaldeckung der Gesetzlichen Rentenversicherung einsteigen. Dazu werden wir in einem ersten Schritt der Deutschen Rentenversicherung im Jahr 2022 aus Haushaltsmitteln einen Kapitalstock von 10 Milliarden Euro zuführen. Wir werden der Deutschen Rentenversicherung auch ermöglichen, ihre Reserven am Kapitalmarkt reguliert anzulegen.“ 

Selbst bei Anlage zu 8 Prozent, was der norwegische Staatsfonds erwirtschaftet, würden die 38 Milliarden nach über 10 Jahren nur auf den Betrag eines jährlichen Zuschusses anwachsen. Was soll das? 

Kommen wir zu weiteren Punkten. Zustimmen kann man hier:

Wir wollen das Fachkräfteeinwanderungsgesetz praktikabler ausgestalten. Wir wollen außerdem ein Punktesystem als zweite Säule zur Gewinnung von qualifizierten Fachkräften einführen.  Diejenigen, die gut in Deutschland integriert sind und für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgen, sollen schneller einen rechtssicheren Aufenthaltsstatus erhalten können. Wir wollen einen Spurwechsel ermöglichen und die Integrationsmöglichkeiten verbessern.

Das kann man machen, allerdings nur in Verbindung mit einer wirklichen Steuerung der Zuwanderung, also einer Unterbindung der illegalen Migration unter dem Deckmantel des Asylrechts. Denn sonst kann das die Sogwirkung nach Deutschland verstärken. Außerdem muss man hier ergänzen, dass es nicht genügt, dass die Menschen arbeiten. Sie müssen im Schnitt so viel arbeiten und verdienen wie die schon länger hier Lebenden, sonst ist es ein Zuschussgeschäft.

Ein weiterer Punkt klingt interessant und es bleibt abzuwarten, was konkret darunter zu verstehen ist:   

„Anstelle der bisherigen Grundsicherung (Hartz IV) werden wir ein Bürgergeld einführen. Das Bürgergeld soll die Würde des und der Einzelnen achten, zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen sowie digital und unkompliziert zugänglich sein. Es soll Hilfen zur Rückkehr in den Arbeitsmarkt in den Mittelpunkt stellen. (…) Die Zuverdienstmöglichkeiten wollen wir verbessern, mit dem Ziel, Anreize für Erwerbstätigkeit zu erhöhen.“ 

Die Zuverdienstmöglichkeiten sehe ich sehr positiv. Wir brauchen einen leichteren Übergang aus dem Sozialsystem in den Arbeitsmarkt.

Was hätte ich mir sonst im Sondierungspapier gewünscht? Nun wenig verwunderlich – diesen Punkt der FDP:

Wir wollen die Höhe der Sozialausgaben grundsätzlich bei 50 Prozent des Bundeshaushalts deckeln. Die Bundesregierung bindet mehr als die Hälfte des Haushaltes für Sozialausgaben. Investitionen in die Zukunft unseres Landes und originäre staatliche Kernaufgaben wie Bildung, innere Sicherheit oder die Bereitstellung einer modernen Infrastruktur werden dadurch immer mehr in den Hintergrund gedrängt.

Klar, das geht gegen den Markenkern der SPD. Richtig wäre es allemal.

Fazit

Wenig wirkliche Reformen, sondern eher ein beherztes Weiter-so. Das kann angesichts der Wahlprogramme nicht überraschen. Wobei ich nie verstehen werde, weshalb die GRÜNEN diesen Weg mitgehen, stehen sie doch nach eigenem geäußerten Verständnis für Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit. Aber das gilt wohl nur für das Thema „Klima“.

Klimaschutz

Womit wir zu dem ganz großen Thema des Wahlkampfes kommen: dem Klimaschutz.

Zweifellos stehen wir gerade bei dem Thema Klimaschutz vor gigantischen Ausgaben, die überwiegend Konsumcharakter haben, weil sie nicht zur Schaffung künftigen Wohlstands beitragen, sondern im Gegenteil zur Entwertung vorhandenen Vermögens führen.

Hier muss das Sondierungspapier den GRÜNEN was bieten.

So stammt die Einleitung fast wortgleich aus dem Programm der Partei:

„Der menschengemachte Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Wir müssen die Klimakrise gemeinsam bewältigen. Darin liegen auch große Chancen für unser Land und den Industriestandort Deutschland: Neue Geschäftsmodelle und Technologien können klimaneutralen Wohlstand und gute Arbeit schaffen. Wir sehen es als unsere zentrale gemeinsame Aufgabe, Deutschland auf den 1,5 Grad Pfad zu bringen, so wie es der Pariser Klimavertrag und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorgeben.

Da haben wir ihn, den „klimagerechten Wohlstand“, was eben auch bedeuten kann: weniger Wohlstand. Und auch die Beteuerung der Chancen aus dem Umbau kennen wir aus dem Programm der GRÜNEN und wissen, dass das mehr einer Beschwörung und Beruhigung dient und es an der Konkretisierung deutlich mangelt.

Auch hier ist eindeutig die GRÜNEN-Position zu sehen:

Wir machen es zu unserer gemeinsamen Mission, den Ausbau der Erneuerbaren Energien drastisch zu beschleunigen und alle Hürden und Hemmnisse aus dem Weg zu räumen. (…) Alle geeigneten Dachflächen sollen künftig für die Solarenergie genutzt werden. (…) Für die Windkraft an Land sollen zwei Prozent der Landesflächen ausgewiesen werden.

Das mit den 2 Prozent haben wir ja mit Blick auf das Tempelhofer Feld in Berlin diskutiert. Fakt ist jedoch, dass die Ausbauziele weit über dem liegen, was selbst in den besten Jahren jemals hinzugefügt wurde. Auch das ungelöste Problem der Speicherung für Phasen ohne Sonne und Wind wird nicht erwähnt. Hier halten alle drei Parteien an der Illusion fest, es würde schon funktionieren und natürlich auch ohne Atomkraft. Na ja, die importieren wir dann teuer aus dem Ausland – und Kohlestrom, denn Hauptsache, er wird nicht in Deutschland erzeugt.

Zur Einhaltung der Klimaschutzziele ist auch ein beschleunigter Ausstieg aus der Kohleverstromung nötig. Idealerweise gelingt das schon bis 2030. Das verlangt den von uns angestrebten massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Errichtung moderner Gaskraftwerke, um den im Laufe der nächsten Jahre steigenden Strom- und Energiebedarf zu wettbewerbsfähigen Preisen zu decken.

Na ja, ob das mit den wettbewerbsfähigen Preisen so funktioniert. In Frankreich kostet Strom einen Bruchteil. Und Gas erweist sich zumindest derzeit nicht als wirkliches Schnäppchen. All das kann nicht wundern, wenn die Welt politisch getrieben das Angebot an fossilen Brennstoffen früher senkt als die Nachfrage.

Auch spricht viel dafür, dass sich die Klima-Planwirtschaftler durchsetzen:

Alle Sektoren werden einen Beitrag leisten müssen: Verkehr, Bauen und Wohnen, Stromerzeugung, Industrie und Landwirtschaft. Die Einhaltung der Klimaziele werden wir anhand einer sektorübergreifenden und analog zum Pariser Klimaabkommen mehrjährigen Gesamtrechnung überprüfen.

Kommt drauf an, wie das gemacht wird. Wenn Gesamtziele genügen, geht es vielleicht gut. Die Gefahr ist allerdings, dass es zu einer übermäßigen Planung und Detailsteuerung kommt.

Was mir fehlt? Nun, diese zwei Forderungen der FDP (bei der SPD habe ich nichts gefunden und bei den GRÜNEN gibt es, wie ich in meinem Podcast zu deren Wahlprogramm erläuterte, einen hohen Anteil an Wiederholungen ohne zusätzlichen Erkenntnisgewinn):

Wir wollen die Möglichkeit nutzen, Projekte in anderen Staaten zu finanzieren und die entsprechenden Treibhausgasreduktionen auf die eigenen Ziele anzurechnen. Artikel 6 des Pariser Abkommens sieht das ausdrücklich vor. Bislang verzichtet die EU jedoch freiwillig auf die Nutzung dieser Möglichkeit. Da es für das Klima irrelevant ist, an welcher Stelle CO2 eingespart wird, wollen wir bei höheren Zielen künftig die Möglichkeit eröffnen, diese im Sinne einer ökonomisch effizienten Klimapolitik auch über Maßnahmen nach Artikel 6 des Pariser Abkommens zu erreichen.“

Das wäre kluge Klimapolitik, wie übrigens auch die Forderung, Anreize für Technologien zur CO2-Speicherung zu setzen.

Ebenfalls nicht fehlen darf aus meiner Sicht:

Kohle- und Atomausstieg und die zunehmende Einspeisung aus zeit- und wetterabhängig schwankender Wind- und Sonnenenergie stellen unser Energiesystem vor enorme Herausforderungen. Wir wollen ein regelmäßiges Monitoring (Stresstest) für Versorgungssicherheit mit Energie und dazu klare Kriterien gesetzlich festschreiben. Denn die sichere und zuverlässige Versorgung mit Strom, Wärme, Kälte und Kraftstoff zu jeder Zeit an jedem Ort hat für uns Priorität. Sie darf durch klima- und energiepolitische Maßnahmen nicht gefährdet werden.

Da sollte auch die SPD mitgehen können und die GRÜNEN sollten es aus eigenem Interesse.

Fazit

Es wird keinen echten Neustart der Klimapolitik geben, keinen Kassensturz, sondern ein beherztes Weiter-so. Das ist schade, werden wir so weder den Wohlstand erhalten noch das Klima „retten“. Wer das bezweifelt, dem empfehle ich, die Sendung von Anne Will vom 24. Oktober 2021 anzusehen. Der künftige – selbst ernannte – Klimakanzler hat da voll politisch und unzureichend naturwissenschaftlich klar die Koalitionslinie aufgezeigt.

Europa

Europa ist auch ein Thema im Sondierungspapier. Und dies mit einer – ich muss es leider so sagen – perspektivisch sehr naiven und damit teuren Haltung:

Wir werden deutsche Interessen im Lichte der europäischen Interessen definieren. 

Ich betone nochmals: Ich bin ein großer Befürworter der EU, sehe aber die Zukunft wie die Mehrheit der Bürger in den anderen Staaten nicht in den Vereinigten Staaten von Europa, sondern auf absehbare Zeit in einem Staatenbund. Deshalb muss man sich an den eigenen Interessen orientieren, vor allem dann, wenn es die anderen auch tun. Wir haben in den vergangenen Jahren beobachten können, wie in der EU Verträge gebrochen und immer mehr Vereinbarungen zu Lasten der deutschen Steuerzahler getroffen wurden. Dies soll nun also mit mehr Verve vorangebracht werden. Fein, wenn es denn wenigstens etwas zum Positiven verändern würde. Doch genau da ist Skepsis mehr als angebracht.

Die Situation ist so:

  • Die Schulden sind so weit auseinander und an ein „Sparen“ ist nicht zu denken – es muss eine Monetarisierung passieren.
  • Die Wettbewerbsfähigkeit ist so weit auseinander, dass es mit Transfers nicht zu lösen ist.
  • Transferunion kann nicht funktionieren und wäre angesichts der Vermögensverteilung nicht gerecht,
  • auf keinen Fall aber eine Schulden-Transferunion – siehe Bundesrechnungshof.
  • Und wir müssen über eine Neuordnung der Währungsunion sprechen.
  • Der größte Fehler, den wir machen können, ist in eine Haftungsgemeinschaft einzutreten, denn das kauft nur Zeit und vernichtet unser Vermögen.

SPD und GRÜNE haben das in ihren jeweiligen Programmen offen gefordert und die FDP wird sich dem nicht entgegenstellen können. Deshalb ist auch die Kritik an einem möglichen Finanzminister Lindner völlig unnötig. Aber dazu gleich mehr.

Die Sondierer halten die Tür für eine Transferunion weit offen, wenngleich es im Sondierungspapier ein Bekenntnis zum Stabilitäts- und Wachstumspakt gibt:  

Wir wollen dafür Sorge tragen, dass Europa auf der Grundlage solider und nachhaltiger Staatsfinanzen gemeinsam wirtschaftlich stark aus der Pandemie herauskommt, das Ziel der Klimaneutralität erreicht und den Green Deal konsequent umsetzt. Wir wollen Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit in allen EU-Mitgliedsstaaten unterstützen. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt hat seine Flexibilität bewiesen. Auf seiner Grundlage wollen wir Wachstum sicherstellen, die Schuldentragfähigkeit erhalten und für nachhaltige und klimafreundliche Investitionen sorgen. 

Es wird nicht möglich sein, diese Ziele zu erreichen. Die Staatsfinanzen in wichtigen Mitgliedsländern sind auf einem nicht nachhaltigen Kurs.

Frankreich ist der größte Problemfall!

  • Citigroup schätzt, dass das strukturelle Defizit des französischen Staates bei 5 Prozent des BIP liegt. Das bedeutet, dass die Staatsschulden dauerhaft schneller wachsen als die Wirtschaft.
  • Die französische Staatsschuldenquote wird bis Mitte der 2020er-Jahre weiter auf 118 Prozent steigen.
  • Die Verschuldung des Privatsektors ist ebenfalls eine der höchsten in der Eurozone und wächst schnell. Seit Euroeinführung hat sie sich von 120 auf über 240 Prozent des BIP verdoppelt.
  • Der französische Bankensektor ist übermäßig groß. Die Banken sind gerade auch in problematischen Ländern aktiv. Wenn hier Schieflage drohen, muss der Staat eingreifen – oder aber die von Frankreich, Italien und Co. geforderte europäische Bankenunion, also der deutsche Steuerzahler. Übrigens nicht zum ersten Mal: Auch bei der „Griechenland-Rettung“ haben wir vor allem französische Banken gerettet.

Das ist der wahre Grund, warum Frankreich und Italien alles daran gesetzt haben, mit dem sogenannten Wiederaufbaufonds in eine Schulden- und Transferunion einzutreten. Mit erheblichen Risiken, wie der Bundesrechnungshof vorgerechnet hat. Das war ausführlich im Podcast 77 das Thema. Zur Erinnerung:

Der Bundesrechnungshof schrieb in seinem Bericht zu den “möglichen Auswirkungen der gemeinschaftlichen Kreditaufnahme der Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf den Bundeshaushalt” unter anderem:

Der Wiederaufbaufonds etabliert ein Haftungsregime, bei dem Mitgliedstaaten gegenseitig für ausstehende Verbindlichkeiten eintreten müssen, ohne dass es im haftungsauslösenden Moment einer erneuten Einwilligung ihrerseits bedarf. Sie haften dabei für die Schulden des Fonds über ihre künftigen Beiträge zum EU-Haushalt, und zwar nicht nur für die als Zuschüsse, sondern auch für die als Darlehen ausgereichten Mittel. Sollte ein Mitgliedstaat seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen können oder wollen, müssen die übrigen Mitgliedstaaten für dessen Anteil an den Schulden einstehen. Faktisch handelt es sich daher um eine Vergemeinschaftung von Schulden.
Hinzu kommt, dass der Wiederaufbaufonds – anders als der ESM – die finanziellen Hilfen weder mit strengen Reformauflagen verknüpft noch eine anteilige Finanzierung der geförderten Projekte durch eigene Mittel verlangt. Ob und inwieweit der Wiederaufbaufonds die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen kann, erscheint fraglich. Wenn die Mitgliedstaaten in einigen Jahren feststellen, dass Hunderte Milliarden Euro zwar ausgegeben, die strukturellen Defizite aber nicht beseitigt wurden, dürfte die Bereitschaft sinken, die offenen Rechnungen zu übernehmen.
Schwerer wiegen jedoch die langfristigen Risiken im Zusammenhang mit der gemeinschaftlichen Kreditaufnahme. Denn der Wiederaufbaufonds höhlt das Prinzip der Eigenverantwortung aus. Zudem eröffnet das bereits beschlossene enorme Garantievolumen den Mitgliedstaaten einen Weg, auf EU-Ebene – unter Umgehung der Fiskalregeln – Schulden aufzunehmen und sich diese Mittel über EU-Programme als Zuschüsse zuzuweisen. Hinzu tritt ein Haftungsregime, das national orientierte Politiken befördern könnte. Insgesamt besteht die Gefahr, dass mit dem Wiederaufbaufonds ein Weg eingeschlagen wird, der die Europäische Union als Rechts- und Solidargemeinschaft schwächen und damit langfristig den Wesenskern sowie die Stabilität der Wirtschafts- und Währungsunion gefährden könnte.“

Und jetzt fragen wir uns: Woher kommt der Druck gegen Christian Lindner?

  • Lindner hat sich in der Vergangenheit kritisch zur Umverteilung in der EU geäußert.
  • Er hat im Wahlkampf eine Rückkehr zur finanziellen Solidität in Deutschland und Europa angemahnt.
  • Er hat letztlich das gesagt, was der Bundesrechnungshof, der uns Bürgern dient, auch sagt.
  • Deshalb gab es aus Frankreich, Italien, Spanien und Brüssel kritische Stimmen zu Lindner als Finanzminister. Die offen ausgesprochene Sorge: Lindner könnte den Weg zu mehr Schulden und Umverteilung verhindern.
  • Deshalb war es auch kein Zufall, dass die ZEIT mit einem Anti-Lindner-Artikel nachlegte. Kein geringerer als der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz warnte darin vor einem Finanzminister Christian Lindner:

Das Problem ist nicht nur, dass Lindners Wirtschaftslehre – zur Schuldenbremse oder zu fiskalischen Regeln für Europa – eine Aneinanderreihung konservativer Klischees ist. Das Problem ist, dass es die Klischees einer vergangenen Ära sind: der 1990er Jahre.” (…)
“Die Welt, in der wir uns derzeit befinden, ist unklar. Was jedoch klar zu sein scheint, ist, dass umfangreiche öffentliche Investitionen der Schlüssel sind und dass die Wiederbelebung des 1992 ratifizierten Maastrichter Fiskalvertrags keine Lösung ist. 

Dazu lässt sich eine Menge sagen:

  • Zum einen, wenn wir eine neue Tradition begründen würden, die Eignung von Politikern für Ministerämter von externen Experten beurteilen zu lassen, wären viele Posten frei. Ich erinnere an den amtierenden Wirtschafts- , Verkehrs- und Außenminister. Nur mal so.
  • Wir müssten auch davon abstrahieren, dass Stiglitz in der Vergangenheit den venezolanischen Präsidenten und Linkspopulisten Hugo Chavez lobte. Er war begeistert von dessen angeblich effizienten Umverteilungspolitik. Ergebnis: Ein einstmals reiches Land wurde in Grund und Boden gewirtschaftet.
  • Stiglitz und Co. sehen also in noch mehr Schulden die Lösung für eine Krise, die durch zu viele Schulden ausgelöst wurde. Da sind sie ganz auf der Linie von Frankreich, Spanien und Italien.
  • Bekanntlich glaube ich auch nicht, dass es möglich sein wird, aus den Schulden herauszuwachsen.
  • Aber es kann nicht die Antwort sein, einfach nur mehr Schulden zu machen.
  • Vor allem nicht, wenn dies mit einer erheblichen Vermögensverschiebung einhergeht. Und genau das tut es. Es würde Vermögen aus Deutschland in die anderen Länder verschoben.
  • Und das ist nicht gerecht, weil wir keineswegs das reiche Land sind, welches sich das leisten kann.
  • Im Gegenteil müssen wir dringend mehr für den eigenen Wohlstand tun.

Wer also befürwortet eine Umverteilung zulasten Deutschlands?

  • Die Empfänger. Klar.
  • Ökonomen, die denken, dass man mit Umverteilung die Probleme lösen kann.
  • Politiker und Ökonomen in Deutschland, die das Projekt Europa über die deutschen Interessen stellen, weil sie denken, es wäre im deutschen Interesse und weil sie glauben, dass die anderen Staaten ähnliche übergeordnete Ziele verfolgen, was sie allerdings nicht tun.

Was zur Person des deutschen Finanzministers und seinen Aufgaben führt:

  • Sie/er muss natürlich deutsche Interessen vertreten
  • Sie/er muss daran mitwirken, Europa zu sanieren und voranzubringen, was er nicht kann, indem sie/er ein Weiter-so und einen Marsch in eine Transferunion begrüßt, wie hier gefordert wird.
  • Das kann sie/ er nur, wenn sie/er neue Wege einfordert und einschlägt.
  • Meine bevorzugte Vorgehensweise ist und bleibt eine Altschuldenunion auf EU-Ebene, bei der alle mitmachen und Schulden abladen (Schuldentilgungsfonds), verbunden mit klaren Regeln wie in den USA bezüglich No-Bail-out.
  • Wesentlicher Vorteil: Es gibt keine Umverteilung zwischen Ländern und auch wir können Schulden abbauen und haben dann den gewünschten Spielraum zur Verschuldung.
  • Möglich? Kritiker – darunter nicht wenige Politiker – fragen dann, wie ich eine Wiederholung ausschließen würde. Gegenfrage: Wenn sie dies bezweifeln, wieso glauben sie dann, dass eine Schulden- und Transferunion mit massiver Umverteilung und ohne jegliche Begrenzung besser funktioniert?

Und hier sind wir dann bei einer interessanten Vermutung der Kritiker: Lindner sei unfähig, dies zu erkennen und sich an die Arbeit zu machen, die Eurokrise wirklich zu bereinigen, statt weiter auf Zeit zu spielen. Wirklich?

Was bleibt, ist der Eindruck, dass mit Habeck und dem als Staatssekretär gehandelten GRÜNEN-EU-Abgeordneten Sven Giegold Politiker im Finanzministerium das Sagen bekommen sollen, die Umverteilung und Schulden als Weg zu einer erfolgreichen EU sehen. Das Gegenteil wäre aber der Fall.

Fazit

Kommen wir zurück zum Sondierungspapier. Beim Thema Europa besteht die große Gefahr der falschen Opferung deutscher Interessen für ein höheres Ziel in völliger Verkennung, worum es wirklich geht.

Deutsche vermögender machen

Ein wichtiges Ziel sollte es angesichts der beklagten Ungleichheit im Lande sein, die Deutschen vermögender zu machen. Bekanntlich sind unsere Reichen nicht reicher als die Reichen in Italien, Frankreich, Spanien. Aber der Rest der Bevölkerung ist deutlich weniger vermögend oder besitzt gar nichts. Was zu tun ist, ist klar:

  • Abgaben- und Steuerentlastung
  • Förderung der kostengünstigen Aktienanlage
  • Förderung privates Wohneigentum
  • finanzielle Bildung.

Wir wissen, dass privates Vermögen zu höherer Zufriedenheit führt und dass es unabhängig vom Staat macht.

Nachdem es bei GRÜNEN und SPD im Wahlprogramm faktisch keine Rolle gespielt hat, können wir uns freuen, dass es wenigstens zwei Punkte in das Programm geschafft haben: 

„Wir werden das bisherige System der privaten Altersvorsorge grundlegend reformieren. Wir werden dazu das Angebot eines öffentlich verantworteten Fonds mit einem effektiven und kostengünstigen Angebot mit Abwahlmöglichkeit prüfen. Daneben werden wir die gesetzliche Anerkennung privater Anlageprodukte mit höheren Renditen als Riester prüfen. Eine Förderung soll Anreize für untere Einkommensgruppen bieten, diese Produkte in Anspruch zu nehmen. Den Sparerpauschbetrag wollen wir auf 1.000 Euro erhöhen.“ 

Ein Minimum, aber immerhin etwas, so wie auch dieser Punkt: 

Wir wollen den Ländern eine flexiblere Gestaltung der Grunderwerbsteuer ermöglichen, um den Erwerb selbst genutzten Wohneigentums zu erleichtern.

Damit werden Bayern und Schwaben mehr Vermögen bilden können, in Berlin dürfte die zweite Auflage der RGR-Regierung schon im Interesse der Wähler-Sicherung für die kommenden Jahre sicherlich nicht in diese Richtung gehen. Das wusste schon Margret Thatcher, die in einer großen Initiative die Mieter städtischer Wohnungen zu Eigentümern machte.

Fazit

Es fehlt so viel zu dem Thema, dass ich mir es erspare, die Ideen aus dem FDP-Programm, was von den Parteien das einzige war, welches mehr zu bieten hatte, zu zitieren.

Finanzierung des Staates

Kommen wir zum letzten Punkt: die Finanzierung des Staates. In meinem Buch schlage ich einen grundlegenden Umbau der Finanzierung des Staates vor. Vor allem:

  • Die Umverteilung in der breiten Mitte mindern. Hier sollte der Staat sich zurückhalten.
  • Die Anreize für Arbeitsaufnahmen steigern, also deutlich geringere Steuern und vor allem Abgaben im unteren Einkommensbereich, auch kombiniert mit der Idee einer negativen Einkommensteuer.
  • Insgesamt deutliche Steuer- und Abgabensenkung, vor allem deshalb auch, weil wir am europäischen Schuldentilgungsfonds partizipieren.
  • Im Gegenzug eine gerechtere Besteuerung von Vermögen und Kapitalgewinnen, jedoch dies durch eine Weiterung der erfassten Bereiche – Erbschaftssteuer/Wertzuwächse, Immobilien – aber tiefe Sätze.

In den Koalitionsverhandlungen wird vor allem auf diesem Gebiet gestritten werden. Das liegt auch an dieser Festlegung:

Wir werden keine neuen Substanzsteuern einführen und Steuern wie zum Beispiel die Einkommen-, Unternehmens- oder Mehrwertsteuer nicht erhöhen.

Was nicht bedeutet, dass es zu keiner höheren Steuer- und Abgabenlast kommt: 

Wir wollen zusätzliche Haushaltsspielräume dadurch gewinnen, dass wir den Haushalt auf überflüssige, unwirksame und umwelt- und klimaschädliche Subventionen und Ausgaben überprüfen. 

  • Das Umweltbundesamt (UBA) hat einer neuen Ampel-Koalition die Kürzung von klimaschädlichen Subventionen in zweistelliger Milliardenhöhe nahegelegt.
  • Fast die Hälfte der identifizierten klimaschädlichen Subventionen entfiel auf den Verkehrsbereich (47 Prozent), 39 Prozent auf den Energiebereich, 9 Prozent auf die Land- und Forstwirtschaft sowie 5 Prozent auf Bau- und Wohnungswesen.
  • Die Vergünstigungen für Diesel, Vorteile bei der Dienstwagensteuer oder Befreiungen von Energieabgaben für die Industrie summierten sich 2018 auf insgesamt rund 65 Milliarden Euro, errechnete das UBA. All diese Subventionen ließen sich auf nationaler Ebene abschaffen.
  • Was ist das eigentlich, „Subvention“? Meist handelt es sich um geringere Steuern. Wenn also diese 65 Milliarden wegfallen, steigt die Abgabenlast entsprechend. Konkret bedeutet dies eine Erhöhung der Steuer- und Abgabenlast in Deutschland um 2-Prozentpunkte vom BIP oder rund 5 Prozent der bestehenden Abgabenlast. Diese würde dann bezogen auf das BIP des Jahres 2019 von 38,8 Prozent des BIP auf 40,8 Prozent des BIP steigen. Nicht mehr viel hinter Italien und Schweden.
  • Kann man machen. Aber man muss sagen, was es ist: eine massive Mehrbelastung des Privatsektors. Hinzu kommt, dass weitere Steuererhöhungen nicht ausgeschlossen sind laut Sondierungspapier: Denkbar sind andere Erbschaftssteuern und eine Aufhebung der Spekulationsfrist bei Immobilien. Die Abgabenlast wird also deutlich steigen.
  • Ich tue mich sehr schwer damit. Nicht mit einer Vereinfachung des Steuerrechts aber damit, dass die Abgabenlast steigt, weil die Politik in den letzten Jahren sicherlich nicht unter einem Mangel an Geld gelitten hat. Ich erinnere an die rund 460 Milliarden, die allein der Bund in den Jahren 2009 – 18 zusätzlich zur Verfügung hatte.

Und damit nicht genug. Natürlich werden die Akteure auch Wege finden, Schulden zu machen. Dazu folgende Gedanken: 

  • Deutschland hat eine im internationalen Vergleich sehr geringe Staatsverschuldung, während gleichzeitig die öffentliche Infrastruktur einen deutlichen Investitionsstau aufweist, das Land in der Digitalisierung einen der letzten Plätze in Europa aufweist, die deutsche Wirtschaft schon seit Jahren unzureichend im Inland investiert und die Bürger relativ zur Wirtschaftsleistung über deutlich weniger private Vermögen verfügen als jene von Italien, Spanien und Frankreich.
  • Deshalb ist nicht sinnvoll, an der Schuldenbremse festzuhalten. Dies auch, weil die Staaten, mit denen wir uns unsere Währung teilen, trotz deutlich höherer Verschuldung nicht daran denken, ihre Neuverschuldung zu reduzieren. Wir sind damit auf dem Weg in eine “italienisch” geprägte Währungsunion mit strukturell höheren Inflationsraten, vor allem weil die EZB noch mehr als bisher in die Staatsfinanzierung einsteigen wird. Dies auch unter dem Deckmantel der Unterstützung des Kampfs gegen den Klimawandel.
  • Wer hier auf “Sparen” setzt, agiert wie der Geisterfahrer auf der Autobahn.

Welche Kompromisslösung ist im Rahmen der Koalitionsverhandlungen also die am Ende wahrscheinlichste?

  • Ich bin kein Politiker. Ich denke an eine Kombination aus deutlich höherer Verschuldung im kommenden Jahr und der Auslagerung in Sondertöpfe in Nebenhaushalten und bei der KfW.
  • Meine Hauptsorge wäre, wenn die Politik sich auf einen Schlag viel Geld beschafft, dass der Kinder im Süßigkeiten-Laden-Effekt eintritt: Weil plötzlich viel Liquidität da ist, glaubt man, sich alles leisten zu können und verplempert das Geld mehr oder weniger sinnvoll. Eher Letzteres.
  • Schon bisher – also in den zehn Jahren vor Corona – hat es dem Staat und damit der Politik nicht an Geld gemangelt. Die Wirtschaft lief gut, die Kosten für Arbeitslosigkeit und Zinsen sanken enorm und die Abgabenbelastung stieg um gut 3 Prozentpunkte vom BIP unter Frau Merkel.
  • Ausgegeben wurde das Geld vor allem für mehr Transfers/Soziales, aber nicht für Investitionen in das Land (auch Schuldentilgung war faktisch kein Thema). Wir hatten also kein Problem mangelnden Geldes, sondern mangelnden politischen Willens.
  • Wenn nun die Politiker plötzlich eine Billion in der Kasse hätten, ist die große Gefahr, dass sie das Geld für politische Projekte ohne positiven Effekt auf unseren künftigen Wohlstand verwenden. Beispiel: die sich im Sondierungspapier fortführende Leugnung des Rentenproblems.

Wäre es ökonomisch sinnvoller, die Schuldenbremse gleich ganz abzuschaffen?

  • Das wäre aus den oben genannten Gründen sehr sinnvoll. Denn dann müsste man in jedem Jahr diskutieren, ob man und vor allem wofür man Schulden macht. So ist es ein großer “Schluck aus der Pulle„ und es wird der Politik ergehen wie vielen Privaten: Das plötzlich volle Konto verführt zu falschen Ausgaben.

Aber wie wahrscheinlich ist das?

  • Undenkbar, denn die Union wird sich – trotz der oben genannten Gründe – dagegen sperren, weil die Politik der “schwarzen Null” so populär in der Bevölkerung ist. Die Bürger verstehen nicht, dass diese a) keine Leistung ist (Zinsersparnis dank EZB, weniger Arbeitslosigkeit), b) eine Lüge ist (wenn man verdeckte Schulden für Rente, Pensionen etc. mitrechnet, sind die Schulden gestiegen), c) eine Dummheit ist (Verfall der Infrastruktur etc.).

Ist eine höhere Verschuldung für die Bundesrepublik ökonomisch langfristig überhaupt tragfähig?

  • So kann man die Frage nicht beantworten. Wir müssen die Gesamtverschuldung betrachten, die die verdeckten Verbindlichkeiten beinhaltet. Richtig wäre, diese verdeckten Schulden zu senken (Rentenreform etc.) und dafür die Schulden zu produktiven Zwecken zu erhöhen. Dies nicht zu machen und einfach nur mehr Schulden (für wiederum nicht so produktive Zwecke) draufzupacken, ist natürlich nicht tragfähig.
  • ABER: Weil es bei den anderen Eurostaaten noch deutlich schlechter aussieht, spielt es keine Rolle. Wir teilen die Währung und da gilt wie gesagt, wer spart ist der Dumme.
  • Wir brauchen eine Politik, die die das Land modernisiert und die Bürger so vermögend macht, dass sie vor Inflation geschützt sind.
  • Das ist die Aufgabe des neuen Finanzministers und da wünsche ich mir einen oder eine, der diese Herausforderung begreift!
  • Und diese Forderung ist eine ganz andere als jene von Stiglitz, Tooze oder auch Fricke bei SPIEGEL ONLINE, die auf Schulden- und Transferunion setzen, eher noch Steuern und Abgaben erhöhen wollen, um damit die EU und vor allem den Euro weiterzubringen – ungeachtet der Tatsache, dass wir schon heute eine der höchsten Steuer- und Abgabenlasten haben. 
Fazit

Die Gefahr ist groß, dass wir eine große Verschleierungsaktion erleben: Steuererhöhungen mit anderem Namen, Schulden in Schattenhaushalten und Nebentöpfen und dies für mehr oder eher weniger sinnvolle Projekte. Wenn man schon an Subventionen rangeht und an die Ausgaben, dann bitte richtig. Denn, an Geld mangelt es dem deutschen Staat keineswegs. Es fehlt an einer sinnvollen Verwendung!

Und hierein kommt nun folgendes Gerücht: Mangels der Möglichkeit, sich in Deutschland mehr zu verschulden, wollen die Koalitionäre in spe den Wiederaufbaufonds in Europa wiederholen, diesmal für die „historische Aufgabe“ Klimarettung. So Politico in der letzten Woche und Robert Habeck im DLF:

Das bedeutet:

  • Weil wir eine unsinnige Schuldenbremse haben,
  • machen wir es wie die anderen: Wir verschieben die Neuverschuldung nach Brüssel.
  • Die anderen machen es, weil sie a) schon hoch verschuldet sind und b) bei der Gelegenheit einen Teil ihrer Schulden auf uns verlagern wie diskutiert.
  • Genau dieser Schuldenunion sollten wir uns wie gezeigt verweigern.
  • Stattdessen werden wir dazu ermutigen, nur weil wir uns sonst nicht verschulden können
  • Im Ergebnis wird es uns noch schlechter ergehen, denn es ist klar, dass wir wie schon beim Wiederaufbaufonds 1.0 die Haftung übernehmen, aber deutlich weniger Geld aus dem Topf bekommen als die anderen.
  • In Paris knallen die Sektkorken und ich frage: Liebe Koalitionäre, wie stellt ihr sicher, dass es in diesem „Klimarettungsfonds“ NICHT zu einer weiteren Vermögensverschiebung aus Deutschland in die anderen Staaten kommt?
Fazit

In Kürze erfahren wir vielleicht schon mehr. Bleibt zu hoffen, dass die Verhandler einige der hier angesprochenen Punkte noch aufnehmen.