Corona-Bonds und Nachtrag zum Thema TARGET2

Morgen geht es in der neuesten Ausgabe meines Podcast erneut um das Thema Corona und die Folgen. Dabei baue ich auf den letzten Folgen auf und kommentiere, was sich neu ergeben hat.

Bundesregierung flickt weiter am Rettungsprogramm

Zunächst die Feststellung, dass die Bundesregierung weiter an der Hilfe herumdoktert. Nachdem, wenig verwunderlich, die Banken nicht alle Kredite gewährten wegen ihres zehnprozentigen Risikos, garantiert der Bund nun zu 100 Prozent für die Kredite. Logik? Mir ist das nicht klar, denn es unterstreicht nur, dass die Unternehmen nicht in der Lage sein werden, die Kredite zu bedienen. Denn könnten sie es, wären die Banken auch bereit, diese Kredite zu gewähren. Am Ende steht also der Schuldenerlass.

Besser – dabei bleibe ich – wäre die Umsatzausfall-Ersatzzahlung. Denn dann würden die Unternehmen nicht so radikal sparen, um den Kredit des Staates zu vermeiden, gering zu halten oder verzweifelt zu versuchen, ihn zu bedienen.
Das Programm der Regierung wirkt also nur bedingt, verlangsamt den Aufschwung und ist teurer und weniger effektiv.

Übrigens gäbe es bei dem Modell Umsatzausfall-Ersatzzahlung auch kein Problem mit Betrug. Das Finanzamt kennt seine „Kunden“.

Schuldensozialisierung kommt

Das passt in das Bild der Politik, die auch auf europäischer Ebene scheitert. Zwar konnte die Bundesregierung vorerst (dank der Holländer!) eine Vergemeinschaftung der Schulden verhindern. Aber sie bleibt auf dem Tisch, nun, um einen europäischen „Wiederaufbau-Fonds“ zu finanzieren. Der Unterschied wäre hier, dass es in der Tat auf der EU-Ebene passieren würde und nicht auf der Ebene der Eurozone. Dass Deutschland der Hauptschuldner ist, gilt so oder so.

Dabei ist die Erpressung des Südens bei dem Thema mehr als ärgerlich. Als würde eine Zinsersparnis von einer bis zehn Milliarden-Euro die Einführung von Corona-Bonds rechtfertigen. Darum geht es nicht. Es geht darum, wer tilgt. Und da ist klar, dass wenn beispielsweise 1.000 Milliarden Euro gemeinsam aufgenommen werden, Deutschland dafür mit mindestens 26 Prozent geradesteht (EZB-Kapitalanteil). Fällt ein Land wie Italien aus, steigt der Anteil Deutschlands an der Tilgungsverpflichtung entsprechend an und kann sich 50 Prozent nähern, wenn mehrere Länder nicht willens und fähig sind, ihren Anteil zu leisten.

Doch selbst bei den 26 Prozent bedeutet eine gemeinsame Anleihe von 1.000 Milliarden, die ausschließlich in Italien, Spanien, Portugal, Frankreich und Belgien (neben Griechenland die am höchsten verschuldeten Staaten) ausgegeben werden, dass Deutschland den anderen 260 Milliarden Euro schenkt. Das wird dann zwar nett verpackt, aber um nichts anderes geht es. Und es wird so gestaltet, dass es die Deutschen nicht merken.

Besorglich finde ich dann schon, dass wirklich fähige Ökonomen wie Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft vehement für Euro-/Corona-Bonds eintreten und in den Tagesthemen behaupten, dass es sich für uns nur um relativ kleine Beträge handelt. Ich kann das nur dahingehend interpretieren, dass er von seinen Kunden massiv Druck bekommt, alles zu tun, um den Euro zu erhalten.

Und die deutsche Politik versteht es nicht oder aber lügt uns an. Nehmen wir Franziska Brantner, die europapolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Deutschlandfunk diese Woche:

→ DLF: Interview mit Franziska Brantner

  • „Ich hoffe, dass es noch zu einer Einigung kommt. Ansonsten wäre es ein schlechtes Signal für uns in Europa (…) Wir brauchen Antworten auf die wirklich außergewöhnliche Notsituation, in der wir gerade sind. (…) Es geht übrigens nicht um Solidarität. Ich habe gerade versucht zu erklären, dass es in unserem ureigenen Interesse ist, jetzt zu helfen.“ – bto: und warum? Damit wir unsere Exporte sichern. Es geht also nicht um die anderen, es geht um uns.
  • „Einige Länder sind in diese Krise geraten mit höheren Schuldenstände als andere, wie zum Beispiel Italien, aber auch Belgien. Ihnen droht nun die Wahl, sich entweder zu überschulden oder nicht genügend Geld auszugeben. (…) Und im Fall, dass Italien sich überschuldet, droht sofort die Eurokrise. Und die wird sicher schlimmer als die von 2008.“ – bto: Wir haben es mit Ländern zu tun, die vor der Überschuldung stehen. Da haben wir Konsens. Doch ist es eine gute Idee, mit Pleitiers gemeinsame Schulden zu machen und gemeinsam zu haften?
  • „Herr Scholz hat jetzt vorgeschlagen, dass die Europäische Investitionsbank Kredite ausgibt. Kredite für Kurzarbeitergeld, das sind eben alles Kredite und erhöhen dadurch den nationalen Schuldenstand. Das heißt, wir verschärfen diese Problematik.“ – bto: Also möchte Frau Brantner, dass wir Geld verschenken. Das ist o. k., dann soll sie es aber auch sagen, statt so um den heißen Brei herumzureden.
  • „Deswegen brauchen wir jetzt einmal in dieser Notsituation gemeinsame Anleihen. Und das heißt, dass wir uns als Europäer das Geld in der Not zusammen einmal ausleihen, gemeinsam gegen diese Pandemie investieren und danach auch wieder gemeinsam zurückzahlen.“ – bto: Und das verstehe ich nicht. Wenn die anderen Länder überschuldet sind, wie sollen sie denn dann die Schulden gemeinsam wieder zurückzahlen. Dazu muss man kein Betriebswirt sein, um auszurechnen, dass ein Schuldner der zusätzliche Schulden nicht tragen kann, sie auch gemeinsam nicht trägt, sondern ein anderer.
  • „Das mit den Fehlanreizen halte ich für absurd. Die Italiener werden deswegen nicht anfangen, sich neues Coronavirus auszudenken. (Es) geht es überhaupt nicht um die Altschulden, die bleiben bei den Italienern. Das ist ihre Aufgabe, sondern es geht jetzt darum, dass wir uns als EU gemeinsam verschulden. Und da haften wir Deutsche eben nicht für italienische Schulden. Es wird auch nicht so sein, dass ein Gläubiger zu uns kommen wird. Es gibt keine Gesamtschuldner, sondern die Europäische Union steht da. (…) Es sind 27 Mitgliedsländer. Wir sind nicht alleine in der Haftung. Das heißt, wenn etwas schiefgeht, wenn ein Land ausfallen sollte, dann sind ja noch 25 andere.“ – bto: Das ist aus meiner Sicht einfach falsch. Corona-Bonds sollten nicht von der EU ausgegeben werden. Sie sollten – so die Idee, von den Ländern der Eurozone gemeinsam ausgegeben werden. Es war ja die Eurogruppe, die da verhandelt hat. Die EU haftet da eben nicht! In der Eurogruppe sind die nicht Euro-Mitglieder der EU nicht vertreten. Warum erzählt die Politikerin dann so etwas? Hinzu kommt, dass die EU das Geld ja auch von irgendjemanden bekommen muss. Also haftet man da sehr wohl. Und dann den Eindruck zu erwecken, wir würden ja nur für ein Sechsundzwanzigstel haften, ist natürlich auch besonders geschickt. Denn dass von den 25 faktisch nur Frankreich, Spanien, Italien und die Niederlande noch einen nennenswerten Beitrag leisten, wird unterschlagen. Fällt Italien aus, wird es nicht bei diesem Land bleiben. Frankreichs Schuldenberg ist nicht weit zurück.
  • „Und dann wird man das anteilig der Wirtschaftskraft zurückzahlen. Die Europäische Union kann übrigens auch eigene Einnahmen dafür generieren, kann zum Beispiel die Steuer einführen.“ – bto: Frau Brantner sagt hier, dass Deutschland den anderen Ländern 260 plus x Milliarden Euro schenken soll. Aber sie formuliert es so, dass es der Hörer des Deutschlandfunks nicht so versteht und sich gut fühlt.
  • „(…) wir wollen ja keinen Bail-out von irgendwelchen Ländern. Darum geht es eben explizit nicht.“ – bto: Worum  geht es dann? Es ist doch klar, dass es darum geht, künftige Schulden ohne Begrenzung zu übernehmen, weil die anderen Länder es in der Vergangenheit vorgezogen haben, mehr Schulden zu machen.

Bei beiden schwingt was anderes mit: die Sorge, dass die Staatsschuldenkrise wieder da ist. Zu Recht: Wir addieren mindestens 30 Prozent pro BIP Schulden in allen Ländern. Das ist für Italien, Portugal, Frankreich, Belgien und Spanien zu viel. Es ist unstrittig, dass wir damit in die Richtung von japanischen Schuldenständen kommen, die nicht nur die Gefahr anhaltender Stagnation verstärken, sondern auch nur tragbar sind, wenn die Notenbank zur ständigen Monetarisierung bereitsteht.
Europa hat eine akute Schuldenkrise und das Spiel der Lastenverteilung läuft auf vollen Touren. Es wäre besser, es würde offen gespielt werden, denn dann kämen bessere Lösungen heraus.

Zum TARGET2-Vorschlag von letzter Woche

Es gab zum Vorschlag, die TARGET2-Forderungen als Hilfe für den Süden zu fordern, auf diesen Seiten und auch per E-Mail viel Kritik. Ich werde das Thema nochmals ausführlicher aufgreifen. Für heute nur ein paar Klarstellungen:

  1. Jede Zahlung aus Deutschland nach Italien führt zu einer Reduktion der TARGET2-Forderung. Das ist einfach Folge der Buchhaltung.
  2. Wenn wir nun also den anderen Ländern Geld schenken sollen – siehe Vorschläge der Politik – dann sollten wir es so tun, dass es über die Bücher läuft.
  3. Jenen, die sagen, TARGET2 spielt keine Rolle, kann es egal sein. Jene, die denken, es spielt eine Rolle, freuen sich, dass wir im Zuge der Überweisung von Geld nach Italien und Co. entsprechend ein Risiko abbauen. Denn letztlich gibt es Konsens, dass die Position spätestens im Fall eines italienischen Austritts aus dem Euro verloren wäre.
  4. Sollen wir überhaupt Geld verschenken, wurde gefragt: Hans Albrecht, der Initiator der Idee betont, dass das Verschenken nicht seine Idee sein, sondern meine. Das stimmt. Ich bin mit der Idee vom Verschenken nicht allein. Das geistert ja Politik und Ökonomenszene. Sie sagen es halt nicht laut. Albrecht würde lieber Rettungskredite für angeschlagene italienische Unternehmen und Kapitalanteile finanzieren. Da hat er recht, ich denke nur, es wäre politisch schwer zu verkaufen, wenn wir anfangen würden, Italien aufzukaufen. Deshalb mein Vorschlag der Drittelung. Kann man besser politisch verkaufen.
  5. Außerdem wurde angemerkt, dass die deutsche Staatsverschuldung dadurch steigt. Stimmt. Das tut sie auch, wenn wir Italien und Co. über die gemeinsame Anleihe Geld schenken. Nun kann es sein, dass die Schulden auf EU-/Eurozonen-Gruppe nicht in die offiziellen Zahlen einfließen. Kann man aber auch im Modell mit dem Europäischen Solidarfonds machen, so wie die Spanier. Der spanische Bankenrettungsfonds SAREB ist mehrheitlich im Besitz von Banken/Versicherungen und deshalb nicht in die Staatsschuld konsolidiert. Ist das ein Trick? Ja. Auch bei uns zählen die Bürgschaften nicht zur offiziell ausgewiesenen Staatsschuld. Wenn wir es also genauso machen wie die Spanier und Banken und Versicherungen den Fonds gründen und der Staat nur eine Garantie abgibt, steigt die offizielle Staatsschuld nicht.
  6. Letztlich der Punkt, dass die Bundesbank doch gar nicht kaufen darf. – Direkt nicht, indirekt schon und das auch auf eigenen Entscheid hin, siehe Irland und Spanien. Die Bank of England gab Donnerstag bekannt, ab sofort den Staat direkt zu finanzieren.

Ich denke, wir stehen am Anfang massiver Monetarisierung. Ob das Buch Coronomics in dem Kontext die hohen Ansprüche dieses Forums erfüllt, vermag ich nicht zu sagen. Die Zielgruppe ist auch eine breitere. Frohes Osterfest!