Buchvorstellungen: “Merkel am Ende” – “Das Märchen vom reichen Land”

Am 5. November hatte ich das Vergnügen gemeinsam mit Ferdinand Knauß unsere Bücher in der Bundespressekonferenz vorzustellen. Es ging dabei um das Märchen vom reichen Land” und um Merkel am Ende”. Dabei haben wir unsere Bücher wechselseitig vorgestellt. Bevor ich unsere Notizen hier wiedergebe, ein kleiner Eindruck zur Atmosphäre:

Doch nun zu meinen Stichpunkten zum sehr interessanten Buch “Merkel am Ende” von Ferdinand Knauß:

Danke, lieber Herr Knauß, für die Vorstellung meines Buches. Die Beschreibung Deutschlands als eines Landes, in dem sich Medien, Politik und Öffentlichkeit in der Selbstillusion befinden, ein „reiches Land“ zu sein und es bei genauerem Hinsehen nicht sind.
  • Möglich ist diese Selbstillusionierung nur in einem Umfeld, in dem man glaubt, alle wichtigen Probleme schon gelöst zu haben. In einem Umfeld, in dem man sich als Bürger nicht mehr groß mit den Themen beschäftigen muss. Egal ob es sich um wirtschaftliche oder politische Dinge handelt.
  • Womit wir beim Buch von Ferdinand Knauß wären: Merkel am Ende”
  • Das Buch ist nicht über Merkel als Person: Wer nun denkt, „da hat der Herr Knauß aber Pech gehabt, dass Frau Merkel pünktlich zum Erscheinen des Buches ihren Teil-Rückzug angekündigt hat“, der irrt. Das Buch beschreibt ein System Merkel, welches nur möglich war in einem Umfeld, in dem viele dachten, alle Probleme seien gelöst. Es beschreibt einen Zustand der Gesellschaft.
  • Merkel war die perfekte Kanzlerin für ein Land, das davon träumte, das Ende der Geschichte erreicht zu haben. Die zentrale These von Knauß. In dieser Illusion verschmelzen Gegenwart und Zukunft zu einem Amalgam – und das Politische wird scheinbar überflüssig.
  • Merkel war die passende Kanzlerin für ein müdes Land, das nichts mehr von politischen Problemen, also von Entscheidungen zwischen alternativen Wegen, wissen wollte.
  • Merkel hat perfektioniert, was nach 1990 fast alle westlichen Staaten prägte: unpolitische Politik. Es gibt in ihrer Laufbahn kein konstantes Ziel, nichts, wofür sie unzweifelhaft steht. Sie hat kein „Projekt“, kein Ziel, um das es bei der Macht geht.
  • Persönlicher Machterhalt ist das einzige Ziel. Oder in der Sprache des Ökonomen: die Maximierung des Marktanteils an Stimmen. Positionen und Interessen konsequent vertreten, sie gegen Widerstand durchsetzen und dafür die eigene Macht aufs Spiel setzen – das ist Merkel fremd. Sie will die Macht, weiß mit ihr aber nichts anzufangen.
  • Dazu wurden Positionen geräumt, einfach weil es gerade opportun war, um Stimmen zu bekommen oder Koalitionsoptionen zu eröffnen. (Energiewende, Grenzöffnung, …). Jüngstes Beispiel die Idee, kurz vor der Hessen-Wahl die Luftgrenzwerte mal so eben anzuheben.
  • Merkels Methode war der Ausverkauf von politischem Kapital, also von Werten und Positionen ihrer Partei, von Interessen des Landes und der Bürger, für die die Regierenden Verantwortung tragen.
  • Die Kosten für diese Politik des Machterhalts sind erheblich – wie auch ich in meinem Buch zeige –, wir alle müssen für diese Politik bezahlen. Doch das Land glaubte (zu) lange, sich Frau Merkel leisten zu können.
  • Doch der Traum vom Ende der Geschichte ist ausgeträumt. In der Welt, in Europa und auch innerhalb Deutschlands sind fundamentale Gegensätze und damit politische Konflikte herangewachsen, die ein fortgesetztes Dahindämmern zwischen Alternativlosigkeit und Diskursverweigerung nicht zulassen.
  • Je näher die Bedrohungen infolge des Zerfalls alter Ordnungen und der Auflösung bisheriger Selbstverständlichkeiten den Bürgern kommen, desto weniger wird sie der Wohlfühl- Politikersatz zufriedenstellen, den Merkel und andere Meister der Macht boten.
  • Es wird nicht mehr genügen, immer gigantischerer Geldbeträge einzusammeln und zu verteilen. Was die Bürger in Deutschland vom Staat zunehmend erwarten, ist die Befriedigung des ältesten politischen Bedürfnisses: Schutz ihrer Interessen.
  • Oder, um es in meinen Worten zu sagen: Wenn die Illusion des reichen Landes platzt, wird es ungemütlich. Dann geht das mit der unpolitischen Politik nicht mehr.
  • Die bald unvermeidlichen Einschränkungen werden zu schockierenden Enttäuschungen von Erwartungen und harten Verteilungskonflikten führen – in einem Staat und einer Gesellschaft, die auf beides nicht vorbereitet sind.
  • Jede neue politische Bewegung und jede Erneuerung der CDU und der anderen etablierten Parteien, die für die Zeit nach Merkel und nach der Großen Koalition gerüstet sein will, muss daher vor allem eins tun: glaubwürdige Angebote schaffen für das wachsende Bedürfnis der Bürger nach Schutz ihrer materiellen Versorgung und kulturellen Güter, ihrer Lebensgrundlagen in der Natur und ihrer bürgerlichen Freiheitsrechte.
  • Damit sind wir auch in Deutschland am Ende des Märchens vom Ende der Geschichte. Die Zukunft wird deutlich politischer, leidenschaftlicher, kontroverser.
  • Und das ist gut so: im Interesse der Bewahrung der freien, offenen Gesellschaft und der Demokratie.
  • Wenn nicht, werden wir eine Abkehr vieler Menschen vom Verfassungsstaat erleben. Das wäre die schlimmste Spätfolge der langen und insgesamt verhängnisvollen Kanzlerschaft Angela Merkels.

Soweit meine Charakterisierung des lesenswerten Buches von Ferdinand Knauß.

Herr Knauß hat umgekehrt auch einige Worte zu meinem Märchenbuch gesagt:

“Märchenerzähler richten sich nicht an mündige, aufgeklärte Bürger, sondern an unmündige Kinder. Und sie haben oft eine pädagogische Absicht, eine Moral von der Geschichte. ‘Wir als reiches/starkes Land’, so werden oft politische Forderungen an die Deutschen eingeleitet, die mit ‘Solidarität’ oder ‘können uns das doch leisten’ weitergehen.

Stelters Buch will Schluss machen mit dem Märchen. Es ist ein aufklärerisches Buch im Wortsinn: Es verschafft einen ‘klaren’ Blick auf die ökonomische Lage Deutschlands, und zwar sowohl des Staates als auch der privaten Haushalte und der Unternehmen. Es ist ein Buch, das grundlegende politische Holzwege als solche benennt und Richtungsänderungen einfordert.

Die größte Illusion zerstört Stelter gleich zu Anfang: Die Deutschen verdienen zwar im internationalen und europäischen Vergleich gut, weil sie ein ansehnliches Bruttoinlandsprodukt pro Kopf erwirtschaften. ABER: Nur wer nicht zwischen Fleiß- und Bestandsgrößen unterscheiden kann, glaubt, dass dies Reichtum bedeute. Blickt man auf die Bestandsgröße, also die Vermögen, zeigt sich: Die deutschen Privathaushalte haben im Schnitt deutlich weniger auf der hohen Kante als die Bürger der Länder, für deren Staatsschulden sie bürgen: Das Medianvermögen der deutschen Privathaushalte sind rund 60 000 Euro (bto: korrigiert, hier fehlte zunächst eine Null. Ganz so schlimm ist es dann doch nicht), gegenüber 159 000 in Spanien, 146 000 in Italien, 113 in Frankreich, ja selbst die griechischen Privathaushalte liegen hier mit 65 000 vor Deutschland.

Unser Wohlstand ist daher im Falle einer großen Krise, wenn die Einkommen wegbrechen, besonders verletzlich. Die Deutschen verdienen gut und Sparen auch (Sparquote zehn Prozent), dennoch bilden sie weniger Vermögen. Wie kann das sein?  

Stelters Antwort: einerseits Nachwirkung unserer Geschichte. Kriege, vor allem verlorene und derart desaströse, wie sie unsere Vorfahren führten, vernichten Vermögen.

Dazu kommt aber: Der deutsche Staat bürdet den Einkommensbeziehern enorme Belastungen auf. Die Abgabenlast liegt mit über 49 Prozent weit über dem OECD-Schnitt von 36 Prozent. Den meisten Deutschen bleibt da einfach wenig Spielraum zur Geldanlage.

Und vor allem: Das Geld, das sie anlegen, legen die meisten Deutschen schlecht verzinst, renditeschwach an, in Lebensversicherungen, Staatsanleihen, Sparbuch.

Nun könnte man sagen: Was soll’s, solange die deutsche Konjunktur brummt und die Einkommen so hoch bleiben. Sind wir nicht Exportweltmeister? Ist das nicht ein Beweis unserer ökonomischen Stärke?

Stelter sieht das eher als Teil des Problems, denn diese und die anderen Säulen des deutschen Erfolgs sind ausgesprochen einsturzgefährdet.

Unsere guten Einkommen beruhen auf

  • Erfolg im Außenhandel, der abhängig vom Ausland macht;
  • alten Industrien wie Auto, Chemie, Anlagenbau. Vor allem die Autoindustrie steht vor einem existenzbedrohenden technologischen Umbruch. In neuen Industrien, Digitalwirtschaft ist Deutschland schwach.

Die Erfolgsfaktoren der Exportindustrie sind ausgesprochen unnachhaltig und nicht eigener Verdienst:

  • niedrige Zinsen
  • schwacher Euro (im Vergleich zu einer imaginären D-Mark)
  • fehlende Möglichkeit der Südländer, abzuwerten
  • verschuldungsgetriebener Nachfrageboom, v. a. aus China

Unter der Oberfläche des von diesen äußeren Faktoren getriebenen Booms vollzieht sich in Deutschland ein schleichender Verlust an Wettbewerbsfähigkeit:

  • Es wird zu wenig im Inland investiert.
  • Das Bildungsniveau der Bevölkerung schwindet.
  • Der technische Fortschritt also Produktivität wächst nur langsam.

Zugleich und mit diesen Entwicklungen verwoben, vollzieht sich die demografische Entwicklung, die alle entwickelten Volkswirtschaften betrifft, aber Deutschland in besonders starker Weise.

Die deutsche Politik hat zwei Antworten darauf zu bieten:

  • Zuwanderung: als Ersatz für schwindende Arbeitskraft
  • Europäische (Währungs-)Union: als lukrative Absatzmärkte

Beide Antworten jedoch, so Stelters besorgniserregende Erkenntnis, tragen in der Art und Weise, wie sie praktiziert werden, nicht zur Festigung des Wohlstands bei, sondern verschärfen noch die Fehlentwicklungen.

Denn: Nur Einwanderer mit hoher Qualifikation, also hohen Einkommen (und Abgaben), stützen Sozialsysteme und mehren Wohlstand. De facto wandern überdimensional schlecht qualifizierte Menschen zu, die die Sozialsysteme belasten. 

Und der Euro?

Zitat Stelter: ‘Der Euro ist ein Subventionsprogramm für die deutsche Export-Industrie, welches wir selber bezahlen.’ Und noch eins: ‘Wo immer man genauer hinblickt, muss man erkennen, dass der Euro zu einer Verringerung des deutschen Wohlstands und der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit geführt hat.’

Stelter glaubt nicht, dass diese Kombination von deutschen Exportüberschüssen und fehlender Möglichkeit zur Abwertung in Südeuropa auf Dauer bestehen kann.

Wenn man ein Fazit der Analyse von Stelter ziehen will, so lautet es: Wir (oder besser unsere politische Elite) macht uns was vor. Weder die privaten Haushalte noch der deutsche Staat sind reich. Die viel zitierte ‘schwarze Null’? Nicht Folge vernünftiger Sparanstrengungen, sondern niedriger Zinsen. Umso fataler ist es, dass die Politik dem Staat und den Bürgern enorme Zahlungsverpflichtungen aufbürdet, die in der offiziellen Schuldenstatistik nicht auftauchen (Pensionen zum Beispiel) und nicht nachhaltig zu tragen sein werden.

Stelter begnügt sich nicht damit, aufzuzeigen, was falsch läuft, oder wie es im Untertitel des Buches heißt: ‘Wie die Politik uns ruiniert’. Als Ökonom und Unternehmensberater schlägt er auch vor, wie es besser zu machen wäre.  ‘So sanieren wir Deutschland’ heißt entsprechend das vorletzte Kapitel.

Nicht weniger als einen wahrhaften Neustart’ hält Stelter für notwendig. Seinen Zweifel, ob das mit der aktuellen politischen Elite überhaupt möglich wäre, teile ich übrigens.

Aber ich finde es richtig, trotzdem politische Maßnahmen und Entscheidungen durchzudenken, die im aktuellen politischen Diskurs nicht laut debattiert werden – weil sie einen radikalen Bruch mit der bisherigen Linie bedeuten würden.

Vieles, was in diesem Kapitel steht, wird zwar durchaus in bedeutenden Teilen zumindest der wirtschaftsnahen Teile der Union und der FDP auf Zustimmung stoßen.  

Friedrich Merz, denke ich, würde nicht grundsätzlich widersprechen, wenn Stelter eine Neuausrichtung der Staatsausgaben ‘weg von Konsum … hin zu Investition’ fordert. Ein effizienterer Staat, Erneuerung der Infrastruktur, das Leistungsniveau an Schulen erhöhen, den ‘Akademisierungswahn’ beenden. Vielleicht findet demnächst in der Nach-Merkel-CDU auch Stelters Forderung nach einem strengeren, konsequent an den Erfordernissen des Arbeitsmarktes ausgerichteten Einwanderungsrechts Fürsprecher.

Anders sieht das vermutlich mit Stelters Euro-Pessimismus aus. Die Eurozone in ihrer jetzigen Form, so Stelter, wird selbst dann keine große Zukunft haben, wenn sich Deutschland den Forderungen nach ‘Solidarität’ ganz und gar beugt. Denn dadurch würde Deutschland bald völlig überfordert. Am Ende drohe dann dennoch der mehr oder weniger chaotische Zerfall.

Stelters Vorschlag für ein alternatives Rettungsszenario mittels eines gemeinsamen Schuldentilgungsfonds wäre ökonomisch sicher vernünftig. Allerdings, wie Stelter einräumt: Es erforderte großen politischen Mut. Schließlich müssten die Regierenden in Deutschland und Europa zunächst eingestehen, dass es in Europa zu viele Schulden gibt, die nicht mehr bezahlt werden können. Das käme dem Eingeständnis gleich, viele Jahre lang auf dem Holzweg gewandelt zu sein. Für Deutschlands Bürger bedeutete es, zu realisieren, dass man mitnichten wie jahrzehntelang behauptet, von der EU und dem Euro profitiert habe.

So viel Mut hat in den vergangenen Jahrzehnten kein regierender Politiker gezeigt.”

Vielen Dank an dieser Stelle nochmals an Ferdinand Knauß für die freundliche Vorstellung meines Buches und an den Verlag für die Organisation dieses Termins.