STELTERS MAILBOX: Was ist Ihre Einschätzung zum Thema Gold?

Ich erhalte zahlreiche Zuschriften von bto-Usern, Lesern meiner Bücher oder Fernsehzuschauern. Viele ermuntern mich dazu, dieses Projekt weiter zu betreiben, weil es ihnen wichtig ist und weil sie meine offene und häufig gegen den Strich gebürstete Themenansprache schätzen. Natürlich gibt es auch Zuschriften, die eher kritisch sind. Ich kann aus Kapazitätsgründen leider nicht alle E-Mails beantworten, aber wie wäre es mit einer neuen Rubrik bei bto? „STELTERS MAILBOX“. Hier könnte ich Leserfragen beantworten, die nach meiner Einschätzung für ein breiteres Publikum interessant sind.

Ich finde, das käme auch der Philosophie von bto, ein Diskussionsforum zu sein, sehr entgegen. Darum mache ich es einfach mal und schaue mir das Feedback an. Wenn Sie, die Leser, es gut finden – und weitere Fragen schicken – dann kommt eine neue Folge von STELTERS MAILBOX immer donnerstags um 15:00 Uhr.

Und hier geht es schon los. Leser Johann schreibt:

“Sehr geehrter Dr. Stelter,

ich bin Österreicher und lese Ihren Blog seit ca. 2 Jahren regelmäßig, auch, weil ich denke, dass Sie einer der – wenigen – Ökonomen sind, die die Lage richtig einschätzen und ich Ihre nüchterne Analyse der Fakten sehr schätze.

Da ich kein Ökonom bin, sondern Techniker, verstehe ich zwar nicht alles, bin jedoch davon überzeugt, dass die Grundrichtung Ihrer Argumentation GOLD- richtig ist.

Dazu jetzt eine konkrete Frage:
Was ist Ihre Einschätzung zum Thema Gold? Ich akkumuliere Gold und auch Minenaktien seit mehreren Jahren.
Was halten Sie von Analysen wie bspw. jene von Matterhorn Assets, Hr. Egon von Greyerz?

Bspw. hier:

→ Greyerz – The Destruction Of The World Economy Will Unleash More Global Panic And Market Crashes

Der geht von einem exponentiell steigenden Goldkurs aus. Oder finden Sie Artikel dieser Art nur reißerisch bzw. schon ins “Esoterische” driftend?

Über eine Antwort, gerne auch via Blog, würde ich mich freuen.”

Die Antwort ist wie immer gar nicht so leicht. Ich würde sagen, es gibt verschiedene Fragen:

  1. Was halte ich von Kommentaren und Foren wie den oben verlinkten King World News?
  2. Wie stehe ich zu Gold als Investition zum Vermögenserhalt und als renditeträchtige Investition?
  3. Sehe ich einen deutlichen Aufschwung bei Gold?
  4. Welchen Anteil meines Vermögens sollte man in Gold halten?

Meine Sicht auf diese Fragen:

  1. Ich bin kein Freund von diesen Quellen. Andere Leser haben mich bereits kritisiert, wenn ich auf Zero Hedge verlinke, obwohl diese Seite von sehr angesehenen Investoren und Analysten gelesen wird. Auf bto verlinken würde ich deshalb diese Seiten nicht. Damit will ich nicht sagen, dass ich die Aussagen prinzipiell nicht teile. Was mich stört, ist, dass es oftmals mehr Behauptungen und Fakten sind und es an einer logisch stringenten Erläuterung mangelt, wie man bestimmte Empfehlungen und Aussagen ableitet. Hinzu kommen ein (manchmal) problematischer Stil und eine Tendenz zu Verschwörungstheorien. Von Letzteren halte ich gar nichts. Ich denke, es ist Inkompetenz oder Überzeugung das Richtige zu tun, nicht jedoch eine bewusste Absicht, zu schaden. Wir wissen doch alle, dass das Gutgemeinte oft das Schlimmste produziert.
  2. Hingegen bin ich ein großer Freund von Gold. Ich habe das immer wieder an dieser Stelle und meinen Kolumnen erläutert.

→ „Gold – Totgesagte leben länger“
→ Die Goldfrage
→ Gold als Alternative
→ Beim Margin-Call fällt auch Gold – aber dann…
→ Was tun mit dem Geld (12)? ‒ Wozu Gold?

Die Kernnachricht ist: Gold schafft einen Kaufkrafterhalt über lange Frist – das berühmte Toga-Anzug-Beispiel. Es kann allerdings jahrzehntelang hinten liegen, weniger steigen als die allgemeine Inflation und nimmt nicht an der allgemeinen Wohlstandsentwicklung teil. Man muss heute weniger Stunden für einen Anzug arbeiten als früher für eine Toga. Gold ist ein Wertaufbewahrungsmittel außerhalb des Finanzsystems ohne jegliches Kontrahentenrisiko und deshalb als Portfoliobestandteil unerlässlich. Dies allerdings nur in physischer Form außerhalb des Systems gelagert. Was wiederum nicht risikofrei ist, würden sich im Ernstfall doch die mit den Waffen, das Gold einfach holen.

Wie wichtig Gold ist, zeigt auch ein Kommentar in der FINANCIAL TIMES (FT), der sich kritisch mit der Abneigung Warren Buffets gegenüber Gold auseinandersetzt:

  • „Legendary investor Warren Buffett’s much-quoted dismissal of the investment merits of gold is simple: the metal is “neither of much use nor procreative.” – bto: Er hat auch zu Recht angemerkt, wie widersinnig es ist, es aus der Erde zu holen mit viel Aufwand und danach wieder unter der Erde im Safe zu lagern. Leuchtet ein, und er hebt vor allem auf die fehlende produktive Verwendung ab, was der Unterschied zu Aktien ist.
  • „But the Oracle of Omaha has got this wrong. Gold is constantly offering useful insights, (…) Gold as an investment yields nothing and generates no cash flow, (…) it is only worth what other people are prepared to pay for it.” – bto: In der Panik übrigens fällt der Preis von Gold zunächst immer, weil es am leichtesten liquidierbar ist. Danach wird es gekauft aus der Suche nach Sicherheit.
  • “(…) gold is the original profitless unicorn, summoning billions from investors well before tech start-ups arrived on the scene. The obvious difference between tech enthusiasts and goldbugs is that few of the latter get excited about industry-disrupting platforms. On the contrary, they see gold as the ultimate anti-disrupteran insurance policy against asset price deflation.” – bto: Ja, es ist die Versicherung gegen den Kollaps aller Papierwerte, was nicht ausgeschlossen ist angesichts der Schulden-Vermögensblase, in der wir leben.
  • „(…) even if you have no intention of considering an allocation to gold, there is a value in keeping an eye on the price, as it can be an interesting signal amid the increasing noise of macroeconomic data. (…) central bank intervention and a much-changed regulatory landscape have increased the importance of  ‘non-fundamental’ investing — investment decisions that are not grounded in an analysis of the value of an asset based on business or economic fundamentals. The result is that, increasingly, decisions to buy or sell securities are based less on notions of value and more on unrelated functional needs.” – bto: eine umständliche Formulierung dafür, dass Gold ein guter Stressindikator ist.
  • “(…) the market structure that has arguably changed the least is gold. Given there was never a concept of fundamental value, and it was never bought and sold on that basis, its underlying price drivers have remained consistent. So, could it be that in today’s market, gold is a rare source of wisdom?” – bto: nach dem Motto: Wenn alle spinnen, dann nehmen wir am besten jenen, der schon immer gesponnen hat. Dennoch hat der Punkt etwas. Gold ist die natürliche Antwort, wenn es unsicher wird (abgesehen von dem Verkaufsdruck jener, die verkaufen müssen, weil sie dringend Liquidität brauchen).
  • “If so, it is a contrarian wisdom. Gold’s price action over the past decade has confounded the expectations of even its most devoted fans. In the years immediately after the financial crisis, many goldbugs geared up for a bull market that never arrived. Given the widespread use of quantitative easing globally and a sovereign crisis in Europe, it would be hard to imagine a more favourable environment for gold as an inflation hedge. Given the fragile financial system, dysfunctional politics and an apparent threat to fiat money, how did gold not catch a bid?” – bto: Das ist mein Punkt von vorhin. Auch Gold kann anders reagieren, einfach deshalb, weil die Akteure weiter blicken. Es ist eine Versicherung, dessen Preis davon abhängt, ob sie gebraucht wird. Braucht man sie nicht, fällt der Preis. Und nicht immer muss das falsch sein, ist es doch auch eine Frage des Zeitpunktes!
  • “(…) counter to conventional wisdom at the time, inflation did not pick up with quantitative easing. It collapsed.” – bto: Das hat mich damals auch gewundert. Aber ich muss zugestehen, dass der Goldmarkt damals richtig erkannt hat, dass wir im japanischen Szenario stecken. Keine Inflation und vor allem – vorerst! – kein Kontrahentenrisiko, dank Money for Nothing!
  • “Even when it is strengthening, the gold price is surprising. To the extent gold is an alternative store of value to the US dollar, it would be expected to move in the opposite direction to the currency. But recently it has been making material gains despite a strengthening dollar.” – bto: Deshalb erreicht Gold, u. a. in Euro gerechnet, neue Höchststände.
  • “What then is the message that gold prices are sending? There are two very different answers to this question. The first is that gold’s theoretical value — as an asset that yields nothing — should go up as the amount of negative-yielding assets increases. In this explanation, gold’s rising price is a sign that negative real rates will persist and the recession already priced into many asset classes will be more severe than consensus expectations.” – bto: Angesichts der weltweiten Überschuldung mit den erheblichen Nebenwirkungen würde ich diese Sicht auf jeden Fall ernst nehmen.
  • “The alternative explanation is equally plausible, but more important. It is that gold prices could signal a pick-up in inflation. (…) If gold proves correct this time in signalling higher inflation, investors take note, given the impact this would have on asset prices across markets. It has always been wise to listen to Mr Buffett. But given the seismic shift in market structure in recent years, gold may yet prove to be an indicator not only of “bandwagon” investor behaviour but broader economic expectations.” – bto: Nun wissen wir nicht, ob das Argument der Inflation stimmt oder jenes des deflationären Kollapses. Für beide Szenarien empfiehlt es sich, Gold im Portfolio zu haben.

3. Ich mache keine Prognosen über die kurz- und mittelfristige Preisentwicklung von Gold. Kann es sein, dass Gold vor einem Ausbruch steht? Ja. Kann es sein, dass es erneut an den wichtigen charttechnischen Hürden scheitert? Ja. Im Kern spielt es jedoch keine Rolle, weil wir Gold als Versicherung sehen und nicht als Spekulationsobjekt. Wenn man es als Letzteres betrachtet, so muss man meines Erachtens feststellen, dass es Gold in den letzten Wochen nicht gelungen ist, wichtige Hürden nach oben zu nehmen.

    Will man spekulieren, bieten sich sicherlich auch Minenaktien an. Diese haben in den letzten Jahren relativ zum Markt schlecht abgeschnitten und sich erst in den letzten zwölf Monaten erholt. Ich selber finde Minen interessant, weil sie a) immer noch die Möglichkeit haben, Effizienzreserven zu heben, b) eine Konsolidierung tendenziell die Margen stützen dürfte und sie c) im Zuge von Enteignungsmaßnahmen wie einem Verbot privaten Goldbesitzes – gab es bekanntlich sogar in den USA – vermutlich weiter operieren und man so einen indirekten Bezug zum Gold behalten kann.

    4. Gold ist eine Versicherung und sollte als solche betrachtet werden. Ich habe mich immer wieder dafür ausgesprochen, eine Teilung des Vermögens auf Gold, Immobilien, Aktien und Liquidität vorzunehmen und dies idealerweise mit einer globalen Streuung. Viele Investoren haben zu viel Immobilien, zu wenig Aktien, zu viel Liquidität (inklusive Anleihen) und zu wenig Gold. Außerdem besteht eine viel zu große Ausrichtung am Heimatmarkt. Besser wäre eine Aufteilung von 20 bis 25 Prozent je Anlageklasse. Wenn man Immobilien richtig rechnet (also inklusive der selbstgenutzten) dürfte eine Aufteilung in Richtung 35 Prozent Immobilien, 20 Prozent Gold, 25 Prozent Aktien und 20 Prozent Liquidität/Anleihen vernünftig sein. Taktisch kann man davon abweichen, zum Beispiel, wenn man einen Rückschlag an den Börsen vermutet. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass es nur den Wenigsten gelingt, den Markt richtig zu timen.

    Das führt mich zum Fazit: Ich bin für Gold, halte es aber für einen Fehler, wenn man sein ganzes Vermögen auf diese einzelne Assetklasse ausrichtet. Man sorgt für das Katastrophenszenario vor, partizipiert nicht an der Wertentwicklung anderer Vermögensgegenstände und muss zudem im Falle der Katastrophe damit rechnen, das Gold nicht einsetzen zu können (Verbote) oder Opfer von Kriminellen zu werden. Silber ist für die Zwecke des täglichen Bedarfs in einem solchen Szenario besser geeignet. Gold gehört als Beimischung unbedingt dazu, mehr aber auch nicht.

    → ft.com (Anmeldung erforderlich): “Why Buffett is wrong to dismiss the benefits of gold”, 2. Oktober 2019