Best of BTO 2022: Italien kann sich nur selbst helfen

Dieser Beitrag erschien im September 2022 bei bto:

Vor zehn Jahren haben Analysten der Bank of America in der Studie „Game Theory and Euro Breakup Risk Premium” die Optionen für den Verbleib Italiens im Euro durchgerechnet.

Das Ergebnis war eindeutig: Aus deutscher Sicht ist ein Verbleib Italiens zu bevorzugen, vor allem mit Blick auf die Sicherung der Absatzmärkte. Aus italienischer Sicht hingegen wäre es am besten, zunächst Transfers zu erhalten und danach auszusteigen.

Wie damals erwartet, hat sich Deutschland mit Blick auf den Euro und Italien dafür entschieden, alles zu tun, was erforderlich ist, um den Euro zu erhalten. Manche Kritiker betonen zwar, dass es nicht genug sei. Wir hätten früher und großzügiger in eine Schulden- und Transferunion einsteigen sollen, und die EZB sollte noch deutlicher zugunsten der Südländer intervenieren.

Das Ergebnis ist dennoch eindeutig. Aus dem Wiederaufbaufonds der EU, der vor allem von Deutschland getragen wird, bekommt Italien 191 Milliarden Euro. Die EZB interveniert immer einseitiger zugunsten Italiens, allein im Juni und Juli kaufte die Notenbank für 10 Milliarden italienische Staatsanleihen, während der Bestand an deutschen Anleihen sank. Zugleich stiegen die Target2-Verbindlichkeiten des Landes im Rahmen des EZB-Verbundes auf 640 Milliarden, mehr als doppelt so viel wie 2012. Auch hier ist Deutschland der Hauptgläubiger.

Für Italien eine erfreuliche Entwicklung. Direkt und indirekt erfolgen deutliche Transfers. Der Druck durch eigene Reformen und Maßnahmen die Probleme des Landes zu lösen, bleibt gering. Dabei ist Italien mit einer Verschuldung von Staat, Unternehmen und Privathaushalten von 276 Prozent des BIP eines der am geringsten verschuldeten Euroländer und die Privathaushalte verfügen je nach Quelle über ähnlich hohe oder deutlich mehr Vermögen als die deutschen.

Ein Schuldenproblem hat nur der italienische Staat und er könnte dieses problemlos lösen. Bei Privatvermögen von rund 9800 Milliarden Euro würde bereits eine Vermögensabgabe von zehn Prozent – wie sie bei uns unsinniger Weise von einigen Politikern gefordert wird –, den Schuldenstand Italiens um ein Drittel reduzieren und eine Abgabe von 15 Prozent gar halbieren. Damit lägen beide Werte weit unter dem Lastenausgleich von 50 Prozent, der hierzulande nach dem Zweiten Weltkrieg erhoben wurde. Umsetzen ließe sich dies leicht über Zwangshypotheken mit langer Laufzeit, was auch die jährliche Belastung in Grenzen hielte.

Im Unterschied zu Deutschland ist das kein Thema, mit dem man in Italien auf Wählerfang geht. Wozu auch. So erklärte ein italienischer Topmanager im Gespräch mit mir: „Warum sollten wir das tun, solange die Provinzen zahlen?“ Höchste Zeit würde ich sagen, Italien daran zu erinnern, dass es sich nur selbst helfen kann.

* Game Theory and Euro Breakup Risk Premium”, Bank of America Merrill Lynch “FX and Rates Report”, 10. Juli 2012

handelsblatt.com: “Italien könnte sich selbst helfen, wenn es keine Transfers bekäme“, vom 24.09.2022