Best of BTO 2022: Die Ineffizienz einer auf Erneuer­baren Energien basieren­den Energie­versorgung

Dieser Beitrag erschien im Januar 2022 bei bto:

Der Autor des heutigen Beitrags und mein Gesprächspartner in STELTERS PODCASTS am 16. Januar 2022 ist Professor Dr.-Ing. Gonde Dittmer. Gonde Dittmer studierte Elektrotechnik, promovierte in Mathematik und arbeitet unter anderem an der Fachhochschule Kiel (Regelungstechnik, elektrische Antriebe). Von 2008 bis 2019 leitete er Seminare zur Studium-begleitenden Weiterbildung in der STUDIENSTIFTUNG BEGABTENFÖRDERUNG BERUFLICHE BILDUNG. Hier sein Gastbeitrag in Vorbereitung auf den Podcast:

Die Ankündigungen der Politik

Politiker verkünden in festem Ton, dass sie die Erneuerbaren Energien (EE) massiv und mit großem Nachdruck ausbauen wollen.

Das hört sich sehr entschlossen an.

Was „massiv und mit großem Nachdruck“ bedeutet, wird nicht gesagt.

In Hunderten von umfangreichen Veröffentlichungen und Aussagen über die Energiewende wird in der Regel nicht erwähnt, dass Wandlung und Aufbereitung von scheinbar Erneuerbaren Energien in nutzbare Energien vergleichsweise ineffizient sind.

Politiker konzentrieren sich auf die sichtbaren Teile der Energiewende (Wandler und Netze) und blenden die dazwischen liegende Technik aus.

Die Ursachen der Ineffizienz

Um das Problem der Ineffizienz erkennen zu können, muss man etwas tiefer in die Materie einsteigen.

Von den Erneuerbaren Energieträgern wie Wasserkraft, Erdwärme, Gezeiten, Wind und Sonne sind für die quantitativen Anforderungen der Menschheit an die Energieversorgung im Wesentlichen nur Wind und Sonne verwertbar.

Die in diesen Energieträgern enthaltenen Energien werden durch Wandler (z. B. Windenergieanlagen, Photovoltaik) z. B. in elektrischen Strom gewandelt, durch technische Einrichtungen aufbereitet und zu den Verbrauchern geleitet. Der technische Aufwand für die Aufbereitung ist deutlich höher als der für die Wandlung.

Die Energieträger Wind und Sonne werden durch zwei Eigenschaften charakterisiert:

  1. Die Leistungsdichten, d. h. die von den Energieträgern Wind und Sonne transportierten Leistungen pro Fläche, sind relativ gering.
  2. Die Energieträger Wind und Sonne sind volatil, d. h. Erneuerbare Energie lässt sich nur gewinnen, wenn der Wind weht und/oder die Sonne scheint.

Leider kann man diese physikalischen Tatsachen auch durch noch so viel Forschung und Entwicklung nicht verändern. Sie haben zur Folge, dass alle technischen Komponenten des emissionsfreien Energieversorgungssystems nur im unteren Teilleistungsbereich arbeiten.

Beim Vergleich von Erneuerbarer mit fossiler Energie wird nicht wahrgenommen, dass die Prozesse Wandlung, Verdichtung und zeitliche Verstetigung bei den fossilen Energieträgern kostenlos mitgeliefert werden und bei Erneuerbaren Energieträgern erst aufwendig hergestellt werden müssen.

Technische Systemelemente

Die von Wind und Sonne gelieferten geringen Leistungsdichten erfordern daher

  • Wandler gigantischer Ausmaße, die die Windenergie in elektrische Energie wandeln;
  • große Umformer, um den elektrischen Strom von Gleich- in Wechselstrom (und umgekehrt) zu wandeln, und Filter, um die dabei entstehenden Blindleistungen zu reduzieren;
  • Regelsysteme, um Spannungen mit konstanter Amplitude und Frequenz herzustellen;
  • riesige Speicher, um die gewandelte Energie für Regelung, für sogenannte Dunkelflauten und für den Ausgleich zwischen windarmen- und windreichen Monaten bereitzuhalten;
  • deutschlandweite Übertragungsnetze, um die Energie zu den Verbrauchern und Speichern zu transportieren;
  • eine Ladeinfrastruktur mit -zig Millionen Ladestationen;
  • riesige Flächen.

    Alle diese technischen Einrichtungen werden durchschnittlich nur im unteren Teillastbereich (etwa 20 %) genutzt.

    Speicher

    Für eine qualitativ hochwertige Versorgung mit elektrischer Leistung sind Speicher von zentraler Bedeutung. Für die Gewährleistung der Stabilität des Stromsystems benötigt man zum Puffern Kurzzeitspeicher (Momentanreserve). Für das zeitliche Verschieben von Energie (über Stunden, Tage und Wochen) benötigt man Speicher zum Wälzen von Energie. Langzeitspeicher ermöglichen den saisonalen Ausgleich. Die Ernte in den einzelnen Monaten kann sich um einen Faktor von bis zu 4 unterscheiden.

    Ineffizienz verdeutlicht am Beispiel von Windenergieanlagen

    Man kann diese Zusammenhänge z. B. an den Windenergieanlagen deutlich machen:

    Eine Windenergieanlage (Wandler) wird durch ihre Nennleistung gekennzeichnet. Das ist die abgegebene Leistung im Volllastbetrieb (Windstärke 7 bis 8 Bft = Beaufortskala/Maßeinheit für Windstärke). Die knapp dreißigtausend Windenergiewandler an Land in Deutschland haben eine Ausbeute von durchschnittlich ca. 20 % ihrer Nennleistung. Das bedeutet, dass wir fünf Wandler errichten müssen, um im Mittel die Nennleistung eines einzigen Wandlers zu erhalten. Das gilt gleichermaßen für alle anderen erforderlichen Einrichtungen.

    Diese niedrige Ausbeute liegt u. a. daran, dass die gewandelte Leistung der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit folgt. Das bedeutet, dass die Leistung bei halbierter Windgeschwindigkeit um den Faktor 8 sinkt.

    Die Folge ist, dass die Errichtung und der Betrieb eines emissionsfreien Energieversorgungssystems große Mengen an Ressourcen wie Geld, Material, Energie und Fläche benötigen. Etwa 30 % der von einem solchen System gelieferten Energie muss für den Eigenbedarf (Unterhalt, Betrieb, Reparatur, Erneuerung, Recycling etc.) aufgewendet werden. D. h. es muss ca. 40 % mehr Energie (d. h. Faktor 1,4) gewandelt werden, als an die Verbraucher geliefert wird.

    Von unserem jetzigen Gesamtenergiebedarf sind etwa 20 % elektrische Energie. 80 % werden überwiegend für Wärme und Mobilität verwendet.

    Erforderliche Anzahl von Wandlern

    Um einen Überblick zu gewinnen, wird angenommen, dass der gesamte Energiebedarf mit Windenergieanlagen gewandelt werden soll.

    Wegen des schlechten Wirkungsgrades der Nutzung von Erneuerbarer Energie müssten die Wandler eines zukünftigen Systems etwa siebenmal (5 x 1,4) so viel elektrische Energie liefern wie alle heutigen Kraftwerke zusammen.

    • Der heutige Gesamtenergiebedarf beträgt ca. 2560 TWh/Jahr, davon sind ca. 560 TWh/Jahr elektrische Energie. Der maximale Leistungsbedarf liegt zurzeit bei ca. 80 GW. Davon liefern die knapp 30.000 Windenergieanlagen an Land ca. 100 TWh/Jahr. Damit kann man die Gesamtzahl der erforderlichen Anlagen überschlagen: (2560 TWh x 1,4)/(100 TWh) = 36.

    Die Anzahl der Windenergieanlagen müsste also um den Faktor 36 auf ca. 1,1 Mio. Wandler erhöht werden. Diese Wandler würden bei Windstille und geringer Windstärke null und bei Starkwind maximal 2000 GW liefern. Das ist etwa 25-mal so viel wie alle heutigen Kraftwerke im Maximum liefern. Würde man pro Wandler eine Fläche von 250 m x 500 m zugrunde legen, würde ohne Rücksicht auf Siedlungen 80 % der Agrarfläche Deutschlands benötigt zuzüglich der Fläche für Netze und alle anderen technischen Einrichtungen.

    Vervollständigung der Rechnung

    Leider ist diese Rechnung nicht vollständig. Es fehlen noch bedeutende Einflüsse:

    1. Die heutigen Windenergieanlagen stehen zu fast 50 % im Norden und zu fast 40 % in der Mitte Deutschlands. Je mehr Anlagen aufgestellt werden, desto schlechtere Standorte müssen akzeptiert werden. Während die Ausbeute der Wandler in Schleswig-Holstein an der Küste bis zu 30 % beträgt, sind es im Süden nur 10 %.
    2. Die Windenergiewandler entnehmen die von ihnen gelieferte Energie dem Wind. Entgegen landläufiger Meinung fehlt diese Energie dann dem Wind und wird nicht erneuert. Dadurch sinkt die mittlere Ausbeute großflächiger Windparks. Zusätzlich entstehen Wirbel, die nicht zur Leistungsgewinnung beitragen.
    3. Die Energieernten schwanken von Jahr zu Jahr um +/- 15 %. Die Auslegung muss für den Worst Case erfolgen.
    4. Ein Teil der Wandler (ca. 5 %) muss jeweils erneuert werden und steht daher vorübergehend nicht zur Energiegewinnung zur Verfügung.
    5. Energiespeicher haben einen endlichen Wirkungsgrad. Nach Aussagen vieler Experten soll Wasserstoff als Energiespeicher zukünftig eine große Rolle spielen. Da die Wirkungsgrade bei der Umwandlung (Strom-Wasserstoff-Strom) noch sehr niedrig sind, müsste dafür deutlich mehr elektrische Energie verfügbar sein.

    Die Folge wäre, dass die Anzahl der Wandler so groß würde, dass die gesamte Agrarfläche Deutschlands in einen Industriepark verwandelt und dennoch nicht ausreichen würde.

    Anpassung des Energiebedarfs an das Angebot von volatiler Erneuerbarer Energie

    Kluge Menschen schlagen vor, den Energiebedarf dem volatilen Energieangebot anzupassen. Jeder Mensch versteht, dass man damit z. B. einen Kühlschrank nicht betreiben kann. Dafür würden selbst fünf parallele Kühlschränke nicht ausreichen.

    Allerdings könnte eine Fabrik, die Güter unter Einsatz von Energie herstellt, an das Angebot angepasst werden, indem man fünf solcher Fabriken parallel bereitstellt. Von denen sind nur selten alle fünf gleichzeitig aktiv, häufig keine und im Mittel nur eine einzige.

    Dabei muss jede der fünf Fabriken über ausreichendes Personal verfügen, das auch nur im Mittel zu 20 % ausgelastet ist.

    Ein solches System würde die Ineffizienz lediglich zu den Energienutzern hin verlagern.

    Die Anpassung würde dagegen z. B. für Waschmaschinen funktionieren, die im Mittel nicht ausgelastet sind. Die bessere Lösung wäre aber, eine Waschmaschine von mehreren Familien gemeinsam zu nutzen.

    Ressourceneinsatz

    Ein solches emissionsfreies Energieversorgungssystem würde für seinen Aufbau und Betrieb einige Milliarden Tonnen hochwertiger Materialien erfordern, z. B. Stahl, Aluminium, Kupfer, Tantal, Chrom, Grafit, Lithium, Vanadium, Kobalt, seltene Erden, Beton etc. Die Kosten lägen bei einem Mehrfachen des gesamten Geldvermögens aller Deutschen. Material ist ein Synonym für Energie.

    Es ist also nicht zu erwarten, dass ein solches System jemals hergestellt werden könnte. Es ist die Frage, wie weit wir den heutigen Weg noch gehen müssen, bis wir diese Unmöglichkeit erkennen werden.

    All das ist offensichtlich gemeint, wenn Politiker davon sprechen, „massiv und mit großem Nachdruck“ Erneuerbare Energien ausbauen zu wollen.

    Bei der Wandlung der Sonnenenergie gelten entsprechende Zusammenhänge. Die Sonnenscheindauer in Deutschland liegt bei 1300 – 1900 h im Jahr (ca. 15 ‒ 22 % der Jahreszeit). Die Ausbeute beträgt ca. 10 %.

    Import von Überschussenergie aus dem Ausland

    Die deutsche Planung geht von der Annahme aus, in Zukunft große Mengen an elektrischer Energie – auch in Form von Wasserstoff – von den Nachbarn beziehen zu können.

    Alle unsere Nachbarn stehen genau wie Deutschland vor der Aufgabe, mindestens mehr als 80 % ihres jetzigen fossilen Energiebedarfs durch neue, emissionsfreie Kraftwerke ersetzen zu müssen. Es ist nicht zu erkennen, wie sie zukünftig überhaupt Überschüsse an uns liefern könnten. Das Gegenteil ist realistischer.

    Beispiel Elektromobilität

    Heutige Autos werden im Mittel nur 3 % ihrer Lebenszeit genutzt, erfordern aber eine gigantische Infrastruktur, die ständig erweitert wird und dennoch nie reicht.

    Solange wir noch Elektroenergie aus fossilen Energieträgern gewinnen, stellt jedes neue E-Auto, das in den Verkehr gebracht wird, einen zusätzlichen Verbraucher von elektrischer Energie dar. Da sich durch die Inbetriebnahme des E-Autos die Menge an emissionsfreier Energie nicht erhöht, muss sie unvermeidbar aus zusätzlichen fossilen Energieträgern gewandelt werden.

    Dann verursacht ein Elektromobil unvermeidbar mehr als die doppelte CO2-Emission im Vergleich zu einem fossil betriebenen Auto.

    Denn Erneuerbare Energie kann nicht zweimal verwendet werden: einmal zum Ersatz von fossiler Energie und dann noch einmal für den Antrieb eines E-Autos. Für den Nachweis der Emissionsfreiheit von E-Autos wird häufig unterstellt, die Ladung der Batterien erfolge mit volatiler Energie aus Wandlern (d. h. Laden bzw. Fahren nur bei Wind oder Sonne) oder mit Energie mit dem gegenwärtigen Strom-Mix. Dabei wird nicht bedacht, dass E-Autos selbst den für die Rechnung unterstellten Strom-Mix verändern.

    Die Zielrichtung der Politik geht dahin, die 50 Millionen fossil betriebenen Autos in Deutschland durch 50 Millionen Elektrofahrzeuge zu ersetzen. Dies stellt einschließlich des Aufbaus einer landesweiten Ladeinfrastruktur eine gewaltige Energieinvestition dar. Spätestens, wenn wir merken, dass nicht genügend emissionsfreier Strom für den Betrieb der E-Autos bereitgestellt werden kann, wird man einsehen müssen, dass es sich um eine gigantische Fehlinvestition gehandelt hat.

    Klüger wäre der unverzügliche und schrittweise Aufbau eines Individualverkehrssystems mit weniger als einem Zehntel an autonom fahrenden E-Fahrzeugen. Das würde schon jetzt viele Menschen davon überzeugen, auf ein eigenes Auto zu verzichten. Dann könnte schrittweise ein Großteil der ineffizienten Infrastruktur unseres heutigen Individualverkehrs rückgebaut werden.

    Kernenergie

    Jährlich sterben auf der Welt ca. 3 Millionen Menschen an den Folgen der Emissionen durch Kohlekraftwerke (Schwefeldioxid, Stickoxid, Feinstaub). Allein das ist Grund genug, möglichst schnell aus der Kohleverstromung auszusteigen. Nach einer amerikanischen Studie hat der Ausstieg aus der Kernenergie seit 2011 jährlich etwa 1100 Todesfälle in Deutschland zur Folge durch die dadurch erforderliche längere Nutzung von Kohlestrom.

    Jährlich sterben weltweit etwa 1,3 Millionen Menschen im Verkehr. Die Verkehrsmittel werden trotzdem nicht als unbeherrschbar betrachtet. Autonome Fahrzeuge könnten diese Zahl dramatisch verringern.

    Dämme von Stauseen stellen ein potenzielles Risiko für Tausende von Menschen dar.

    Der Materialeinsatz und der damit verbundene Energieeinsatz zur Lieferung einer KWh aus Erneuerbarer Energie beträgt etwa das Fünfzigfache im Vergleich zu einem Kernkraftwerk.

    Es ist daher nachvollziehbar, dass die Mehrzahl der Staaten eine Zukunft in der emissionsfreien Kernenergie sieht, zumal neue Entwicklungen eine drastische Verringerung von strahlenden Abfällen versprechen. Die Diskussion über Kernenergie wird in Deutschland nicht sachlich geführt. Wir können es uns gar nicht leisten, an der Entwicklung nicht teilzunehmen, wenn wir langfristig wettbewerbsfähig bleiben wollen.

    Resümee

    Aus der Sicht der Menschen ist die bisherige Energieversorgung mit fossilen Energieträgern ideal. Die darin gespeicherte Energie ist in beliebiger Menge in hoch verdichteter Form vorhanden. Der zu zahlende Preis dafür deckt lediglich Förderkosten und Gewinnerwartungen der Eigentümer der Energieträger. Diese ideale Situation hat es den Menschen ermöglicht, energetisch ineffiziente Systeme zu erschaffen, wie z. B. die Individualmobilität.

    Das geplante Energieversorgungssystem, das auch die energieintensive Verdichtung, Verstetigung und Lagerung von Energie einschließt (vom volatilen Wind zum Qualitätsstrom), erfordert gewaltige Investitionen an Ressourcen (Geld, Energie, Fläche), über die wir in dem gewünschten Umfang gar nicht verfügen.

    Zusätzlich werden wir gezwungen sein, unsere gesamte Infrastruktur an die neuen Formen der Energieträger (Strom, Wasserstoff, Wärme etc.) und ihrer stark reduzierten Verfügbarkeit anzupassen. Beispielsweise müssen Heizsysteme für Millionen Gebäude von Gas, Öl oder Kohle auf Elektrizität umgestellt werden. Das wird über viele Jahre große zusätzliche Energieinvestitionen erfordern. Wir können es uns daher nicht leisten, eine Technologie wie die Kernenergie auszuschließen.

    Der Gesellschaft fällt nichts anderes ein als die neue Energiewirtschaft 1:1 über die bestehenden und in den vergangenen Jahrhunderten entwickelten Systeme zu stülpen. Dieser Weg führt unvermeidlich in eine Sackgasse.

    Die Aufgabe der Energiewende darf nicht nur darin bestehen, fossile Energien durch sogenannte Erneuerbare Energien zu ersetzen, sondern den Energiebedarf der neuen Systeme drastisch und intelligent zu reduzieren.