Best of BTO 2022: Deutschlands nied­rige Schulden-Zinsen sind kein unver­dientes Privileg

Dieser Beitrag erschien im Oktober 2022 bei bto:

Es ist sicher nicht schön, in einer Gruppe, zu der man gern gehört, Buhmann zu sein. So erging es Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), als ihm beim EU-Gipfel in Prag mit Blick auf den 200-Milliarden-Euro-Abwehrschirm der Bundesregierung „unsolidarisches Verhalten“ vorgeworfen wurde.

Der Vorwurf ist unbegründet. Denn die Zahlungen verteilen sich über zwei Jahre und sind angesichts der Größe der deutschen Volkswirtschaft nicht unangemessen. Andere Staaten, allen voran Frankreich, haben bereits früher im Volumen vergleichbare Maßnahmen ergriffen.

Letztlich ist die Kritik nur ein vorgeschobenes Argument, um das eigentliche Ziel einer Transfer- und Schuldenunion zu erreichen. Scholz, dessen SPD dieses Ziel teilt, scheint wie schon als Finanzminister bereit zu sein, gemeinsamen EU-Schulden zuzustimmen, auch wenn dies offiziell noch dementiert wird. Allein auf das Gerücht hin stiegen die Zinsen deutscher Staatsanleihen, während die von Italien sanken.

Einige Ökonomen sehen in der Schuldenunion das Aufgeben eines „unverdienten Privilegs“ Deutschlands. Das angebliche „Privileg“ liegt in den niedrigeren Zinsen, die Deutschland auf seine Staatsschulden bezahlen muss. Der Zinsvorteil des Staates schlägt auf die ganze Volkswirtschaft durch und ist durchaus erheblich.

Verlieren wir diesen Vorteil, indem wir in eine Schuldenunion eintreten, müssen alle Schuldner in Deutschland mehr für den Schuldendienst bezahlen. Ein Anstieg um einen Prozentpunkt wäre denkbar, was immerhin einer Mehrbelastung von rund 65 Milliarden Euro pro Jahr entspricht. Im Gegenzug würden die Zinsen vor allem in Italien sinken.

Das verdeutlicht, dass es sich um eine weitere Form des Transfers zwischen den Euro-Ländern handelt, neben schon eingeführten offenen und verdeckten Transfers wie durch den Wiederaufbaufonds oder das Wirken der Europäischen Zentralbank.

Aber ist dieser Vorteil tatsächlich unverdient? Deutschland ist die stärkste Volkswirtschaft Europas mit der geringsten Staatsverschuldung und zahlt deshalb weniger Zinsen als andere. Das ist nicht unverdient. Man könnte argumentieren, dass Sorgen um die Stabilität des Euros und die Tragfähigkeit von Schulden in anderen Mitgliedsländern eine Kapitalflucht nach Deutschland begünstigen, die die deutschen Zinsen zusätzlich drückt. Doch auch dies ist nicht unverdient, sondern Ergebnis einer besseren Politik.

Angesichts der demografischen Entwicklung, der energiepreisbedingten Deindustrialisierung und der Neigung der Politik, Krisensymptome mit Schuldenmilliarden zu kaschieren, statt die Ursachen zu bekämpfen, droht Deutschland ohnehin der Verlust des Privilegs. Es schon vorher freiwillig zu opfern beschleunigt lediglich den Niedergang, ohne die Probleme des Euros auch nur ansatzweise zu lösen.

 handelsblatt.com: “Deutschlands niedrige Schulden-Zinsen sind kein unverdientes Privileg”, vom 14.10.2022

Kommentare (28) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. foxxly
    foxxly sagte:

    …….. gedanken zu der verschuldung:
    wenn soviel geld gedruckt wird, wie die wirtschaftsleistung hoch, dann wäre dieses verhältnis ausgeglichen ( vielleicht sollte die geldmenge geringfügig höher sein etwa 0.5 bis 1 %?).

    die frage ist, wie kommt das neue geld in den umlauf?
    klar sagen die kenner, natürlich durch die kredite.

    ABER, genau damit fangen unsere probleme mit dem wachstumszwang an und in dem es nie genug ist.

    das geld in der höhe der wertschöpfung sollte also zins- und tilgungsfrei in den umlauf gelangen. damit wäre unsere arbeitsleistung kein kredit und verschuldung mehr.

    wie könnte dies geschehen?
    die unternehmen schöpfen kredite, soweit klar.

    NUN, die notenbanken sollten diese kreditmenge durch neudruck ersetzen.
    dieses geld sollten jährlich pro kopf ohne zins und tilgungslast an die bürger ausbezahlt werden.

    DAMIT würde ein gleichgwicht zwischen konsumenten und unternehmen herrschen.
    auch ein wachstumszwang würde eliminiert sein.

    das prinzip von angebot und nachfrage bzw. wettbewerb, wäre weiter gegeben.

    übergangsweise, käme eine gesamte wirtschaft in genossenschaftsform, dem neuen system, nahe.

    Antworten
  2. Alexander
    Alexander sagte:

    “20 Jahre konsumtiver Wirtschaftspolitik (Ära Merkel ff.) enden mit der deutschen Krankheit (vgl. Schröder /Hartz),
    d.h. Herzproblemen aufgrund von politisch gegriffenen Klimazielen aus Brüssel.”
    (sinngemäß H.W.Sinn, Dez. 2022)

    Ohne Exortgeschäftsmodell erledigte sich das deutsche Privileg günstigerer Kreditzinsen im Sommer 2022,
    BRD Handelsbilanz -95%, EU negativ.

    Am Ende der politischen Lügen bleibt das reale Scheitern,
    gestorben wird schon.

    Läuft.

    Antworten
  3. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    >Buhmann zu sein. So erging es Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), als ihm beim EU-Gipfel in Prag mit Blick auf den 200-Milliarden-Euro-Abwehrschirm der Bundesregierung „unsolidarisches Verhalten“ vorgeworfen wurde. Der Vorwurf ist unbegründet. Denn die Zahlungen verteilen sich über zwei Jahre und sind angesichts der Größe der deutschen Volkswirtschaft nicht unangemessen. Andere Staaten, allen voran Frankreich, haben bereits früher im Volumen vergleichbare Maßnahmen ergriffen.>

    Der Satz, dass der Vorwurf unbegründet ist, ist FALSCH.

    Er ist falsch, weil die Größe der deutschen Volkswirtschaft NICHT maßgebend dafür ist, ob der 200-Milliarden-Euro-Abwehrschirm der Bundesregierung „unsolidarisches Verhalten“ den ANDEREN gegenüber ist.

    Er IST es, weil zumindest mit dem Teil der 200 Milliarden Euro, die für den Einkauf von Energie ausgegeben werden, die PREISE für Energie dadurch STEIGEN und somit andere Länder mehr für Energie zahlen müssen als sie ohne diese deutsche Einkaufspolitik zahlen müssten.

    Ob die deutsche Einkaufspolitik dennoch GERECHTFERTIGT ist aus ANDEREN Gründen, ist ein anderes Thema.

    >Einige Ökonomen sehen in der Schuldenunion das Aufgeben eines „unverdienten Privilegs“ Deutschlands. Das angebliche „Privileg“ liegt in den niedrigeren Zinsen, die Deutschland auf seine Staatsschulden bezahlen muss. Der Zinsvorteil des Staates schlägt auf die ganze Volkswirtschaft durch und ist durchaus erheblich. … Aber ist dieser Vorteil tatsächlich unverdient? Deutschland ist die stärkste Volkswirtschaft Europas mit der geringsten Staatsverschuldung und zahlt deshalb weniger Zinsen als andere. Das ist nicht unverdient.>

    RICHTIG – das angebliche „Privileg“ ist NICHT unverdient, weil wir durch UNSER Wirtschaften und dem HANDEL mit anderen mit die GERINGSTE Staatsverschuldung haben und DAHER von niedrigen Zinsen für die Staatsschulden profitieren.

    Die ganz einfache Frag ist nun:

    Was wollen wir?

    Wollen wir UNS weiterhin zu niedrigen Zinsen VERSCHULDEN können (was allerdings u. a. auch eine binnenwirtschaftlich andere Wirtschafts- und Sozialpolitik verlangen würde) und uns daher einer Transferunion verweigern

    ODER

    Wollen wir weiterhin in der Lage sein, so wie bisher HANDEL mit einigermaßen intakten Ländern der EU zu treiben und daher bereit sein, sie mit einer Transferunion zu stabilisieren (da sie nach Lage der Dinge nicht anders zu stabilisieren sind)?

    Ich schlage vor, dass DIEJENIGEN, die diese Frage bezüglich der einen oder anderen Variante zu beantworten VORGEBEN, ihren Taschenrechner bemühen und uns ihre VORTEILSVERSION für Deutschland vorrechnen.

    Antworten
    • Beobachter
      Beobachter sagte:

      Es geht nicht nur um den Taschenrechner und den Vorteil. Es geht auch um ein grundsätzliches Staatsverständnis. Sie haben sich im vorherigen Transferunions-Thread massiv gegen nationalistisches Denken ausgesprochen. Ich bin für den Nationalstaat und das Europa der Vaterländer. Für Schengen und Zollfreiheit braucht man keine EU und keinen Euro. Aber ich warte gerne auch auf die Beiträge mit dem Taschenrechner.

      Antworten
      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Beobachter

        >Sie haben sich im vorherigen Transferunions-Thread massiv gegen nationalistisches Denken ausgesprochen.>

        Warum muss ich bei Ihnen immer wieder gegen eine Wand reden?

        Ich habe mich NICHT dagegen ausgesprochen.

        Ich habe mich gegen jedes Denken, i. e. gegen JEDES politisches WOLLEN, das SEINE Revidierbarkeit AUSSCHLIESST, ausgesprochen.

        Das betrifft auch ein politisches Wollen, dass UNBEDINGT an Euro und die EU festhalten WILL.

        Daher ist es für mich völlig legitim, dass SIE für den Nationalstaat und ein Europa der Vaterländer sein können und eine Partei wählen, die DIES Ihrem Wunsch entsprechend WILL.

        Bedingung dafür ist jedoch, dass Sie und diese Partei sich dazu BEKENNEN bzw. ohne JEDEN Zweifel ERKENNEN lassen, dass sie problemlos abgewählt werden KANN, wenn die Mehrheit der Wähler den Nationalstaat und ein Europa der Vaterländer NICHT MEHR WILL.

        Das ist ein, wenn nicht sogar das ENTSCHEIDENDE Kriterium dafür, dass man am demokratischen VERFAHREN politischer WILLENSBILDUNG festhalten will.

        Was Höcke sonst noch alles sagt – er bekennt sich nicht nur NICHT dazu, sondern lässt deutlich erkennen, dass er dieses Demokratieverständnis – mit Parolen „wie Deutschland zurückholen“ – als UNVERBINDLICH für SICH hält.

        Denn in Demokratien wird NICHTS zurückgeholt, sondern allenfalls etwas Gegebenes ANDERS gestaltet und zwar: potentiell IMMER WIEDER anders gestaltet.

      • Beobachter
        Beobachter sagte:

        Ich verstehe überhaupt nicht, warum die Europäer nach Brüssel starren und von dort die Erlösung erwarten. Brüssel ist ein unkontrollierbarer Sumpf, die Selbstkontrollmechanismen sind eine Fassade. Ich empfehle Zerohedge:
        https://www.zerohedge.com/geopolitical/bribe-back-better-how-qatar-can-buy-eu-officials-fun-profit-without-police

        Warum gibt es eigentlich keine Bestrebungen einer politischen und Finanz/Währungsunion zwischen Thailand, Malaysia, Singapur, oder Vietnam, Kombodscha, Laos? Was machen die falsch?

      • Beobachter
        Beobachter sagte:

        @Tischer: letzter Beitrag von mir hierzu:
        Sie hier zum nationalistischen Denken “Ich habe mich NICHT dagegen ausgesprochen.”
        Im anderen Thread: “Es sind die BEZÜGE zum kompromisslos NATIONALISTISCHEN, die in den REDEN von Höcke zu finden sind, die meine Auffassung begründen.”

        Muss man nicht verstehen.

      • Stoertebekker
        Stoertebekker sagte:

        @Beobachter

        Der Gedanke eines politisch vereinten Europa kam nach einer langen Folge von Kriegen. Von Menschen in mehreren Ländern, die persönlich massiv darunter gelitten haben. Körperlich und mental. (Meine Großmutter konnte und wollte 1995 immer noch nicht über die Erlebnisse mit der Roten Armee reden.)

        Diesen Menschen ist im Anschluss an WKII erstmal nix Schlaueres eingefallen, als das, wohin wir uns jetzt entwickelt haben. Wer was Besseres weiß, möge vortreten.

        Nationalstaaten haben in Europa IMMER WIEDER zu Krieg geführt. Und wir, die wir das Leid nicht persönlich erfahren haben, tendieren dazu, dies nicht in unseren Überlegungen zu berücksichtigen.

        In den angesprochenen asiatischen Ländern gibt es diese Serie an nationalstaatlichen Kriege nicht. Vielleicht spielt die Geografie eine Rolle, vielleicht die Religion, vielleicht eine weniger individualistische Kultur. 🤷‍♂️

        PS Ich frag ja immer wieder mal nach – wie soll eine bessere Welt denn aussehen??? Die alte kommt nicht wieder und war‘s ja auch nicht.

        Und die Bevölkerung grummelt immer nur aus der momentanen Gefühlslage heraus. LNG-Terminals, 2%-Ziele Bundeswehr, Zölle auf Importe unter Trump. Sie erinnern sich – alles rote Tücher. Knapp vier Jahre später – Regierungslinie.

        Wir brauchen für den großen politischen Rahmen lange Linien, die zunächst mal Kriege verhindern. Ein politisch vereintes Europa KÖNNTE (nicht kann) eine sein, die deutsche/ungarische/italienische/UK/F/…-Energiepolitik war es definitiv nicht.

      • Beobachter
        Beobachter sagte:

        @Stoertebekker: “Bessere Welt”
        Ich halte die EU in Ihrer heutigen Form für destruktiv und nicht reformierbar. Deswegen wäre ich für eine teilweise Rückabwicklung. Das mag nicht realistisch sein, wünschen kann man es sich ja trotzdem. Die vormalige Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) würde völlig ausreichen. Da widerspreche ich Ihrem “Die alte kommt nicht wieder und war‘s ja auch nicht. “

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Stoertebekker

        Oh je, Sie sind ja erschreckend naiv.

        “Der Gedanke eines politisch vereinten Europa kam nach einer langen Folge von Kriegen. Von Menschen in mehreren Ländern, die persönlich massiv darunter gelitten haben. Körperlich und mental. (Meine Großmutter konnte und wollte 1995 immer noch nicht über die Erlebnisse mit der Roten Armee reden.)”

        Schlimm. Aber glauben Sie, es ist so viel schlauer, jetzt mit einem, nennen wir es mal, Staatenbund namens “Europäische Union” einen Krieg gegen die Russen zu führen und dass das grundlegend andere Ergebnisse produzieren wird?

        “Nationalstaaten haben in Europa IMMER WIEDER zu Krieg geführt. Und wir, die wir das Leid nicht persönlich erfahren haben, tendieren dazu, dies nicht in unseren Überlegungen zu berücksichtigen.”

        EU-Propagandagesülze.

        Bevor die Nationalstaaten erfunden wurden, haben die Fürstentümer und Königreiche in Europa jahrhundertelang exakt das gleiche gemacht. Und davor die germanischen, keltischen, slawischen, etc. Stämme ebenso.

        Könnte es vielleicht sein, dass die konkrete Staatsform gar nicht der Auslöser dafür ist, dass Staaten beziehungsweise irgendwie organisierte Gruppen von Menschen gegeneinander Krieg führen?

        “In den angesprochenen asiatischen Ländern gibt es diese Serie an nationalstaatlichen Kriege nicht. Vielleicht spielt die Geografie eine Rolle, vielleicht die Religion, vielleicht eine weniger individualistische Kultur. ”

        So stellen Sie sich das in Ihrer naiven Weltsicht vielleicht gern vor, aber die echte Erklärung ist deutlich ernüchternder.

        *Nationalstaatliche* Kriege gab es dort kaum, weil der Nationalstaat eine europäische Erfindung der Neuzeit war und erst einmal dadurch nach Südostasien kam, dass die dort existierenden Königreiche zu *Kolonien* wurden. Deshalb gab es in der Region bis zur Unabhängigkeit dieser Staaten lang nur genau dann Krieg, wenn ihre Kolonialmächte gegeneinander Krieg führten, im 2. Weltkrieg wurde auch in Südostasien heftig gekämpft.

        Vorher haben die Thais, Kambodschaner, Burmesen, Vietnamesen, und so weiter genau so wie in Europa jahrhundertelang als Königreiche Krieg geführt – nur haben Sie vermutlich noch nie vorher davon gehört, was man auch verstehen kann, weil die Geschichte dieser Staaten vor der Kolonialzeit für Europäer ein echtes Nischenthema ist.

        Haben Sie sich zum Beispiel schon mal gefragt, wieso die berühmten Ruinen von Angkor Wat in der Nähe von einer kambodschanischen Stadt stehen, die ausgerechnet “Siem Reap” heißt? Der Name bedeutet “Niederlage von Siam” – und die Siamesen [also Thais] und die Kambodschaner haben im Lauf ihrer Geschichte gleich mehrere Kriege gegeneinander geführt.

        “Wir brauchen für den großen politischen Rahmen lange Linien, die zunächst mal Kriege verhindern. Ein politisch vereintes Europa KÖNNTE (nicht kann) eine sein, die deutsche/ungarische/italienische/UK/F/…-Energiepolitik war es definitiv nicht.”

        Hahaha. Unsere deutsche Energiepolitik wird bald nicht einmal mehr Stromausfälle verhindern können.

        “PS Ich frag ja immer wieder mal nach – wie soll eine bessere Welt denn aussehen??? Die alte kommt nicht wieder und war‘s ja auch nicht.”

        Sie könnten ja damit anfangen, den Stellvertreterkrieg in der Ukraine auf dem Verhandlungsweg zu beenden, aber dafür müsste man natürlich mit dem bösen Putin reden und vermutlich eine neutrale und geschrumpfte Ukraine akzeptieren, was Ihnen sicher schwer fallen wird, so wie ich Sie einschätze.

      • Stoertebekker
        Stoertebekker sagte:

        @R Ott

        “Könnte es vielleicht sein, dass die konkrete Staatsform gar nicht der Auslöser dafür ist, dass Staaten beziehungsweise irgendwie organisierte Gruppen von Menschen gegeneinander Krieg führen?”

        Ja, selbstverständlich.

        Und trotzdem ist das kein Argument gegen einen erneuten Versuch, den Scheiß sein zu lassen. Als gemeinsames Europa – in den Anfängen durch Politiker/Herrschende/…, die teilweise WK I und WK II selbst miterlebt haben. Mit all den dazugehörigen persönlichen Neuanfängen im 10-20-Jahresrhythmus. (wobei sich erst die Bodenreform und ein paar Jahre später die enreuten Enteignungen unter sowjetischer Besatzung nahtlos in diesen Rhythmus einreihen)

        Es mag ja schlecht und zT auch nicht funktionieren. Es hat bisher aber Krieg verhindert und für mehr oder weniger alle Europäer vielleicht kleines Leid produziert, aber großes verhindert.

        (Und für mich persönlich und meine Vorstellungen von freier Lebensgestaltung war es ein gigantischer Gewinn gegenüber einem vorgeplanten Leben in irgendeiner staatlichen beruflichen Verwendung hinter Stacheldraht und Mauern. Nachdem ich in den 80ern zwangsweise in ner Kaserne glücklicherweise an größeren Unglücken vorbeigerutscht bin. Werde die Funksprüche in meiner Flottille ob der Breitseitendrohung der USS Iowa nie vergessen.)

        Im Übrigen halte ich beim daraus resultierenden Zustand ALLER westeuropäischen Armeen einen miltiärischen Konflikt untereinander von keiner Seite für führbar.

        Dass Europa dabei vergessen hat, sich als Ganzes zu schützen, ist ne andere Kanne Bier.

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Stoertebekker

        Ach so, Sie interessiert erstmal nur, ob EU-Staaten untereinander Krieg führen! Aber warum erwähnen Sie dann überhaupt die Russen, da ist die EU-“Innenpolitik” doch schon kompliziert genug.

        “Es mag ja schlecht und zT auch nicht funktionieren. Es hat bisher aber Krieg verhindert und für mehr oder weniger alle Europäer vielleicht kleines Leid produziert, aber großes verhindert.”

        Leider haben wir in der “Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien” gesehen, was passiert, wenn ein Staatenbund mit vielen verschiedenen Ethnien und gemeinsamer Währung letztendlich doch pleite geht und zerfällt. Dann gibt es schlimmstenfalls einen jahrelangen Bürgerkrieg.

        Probleme löst man nicht, indem man verschiedene Völker unter eine Regierung zwingt und dann gegen ihren Willen zwangsverwaltet. Das kann mit Glück auch unblutig enden, wie in der Tschechoslowakei, aber ein besonders tolles Patentrezept für friedliches Zusammenleben ist das nicht, auch wenn die EU sich gerne selbst damit bejubelt und das als ihren Erfolg reklamiert.

        “Im Übrigen halte ich beim daraus resultierenden Zustand ALLER westeuropäischen Armeen einen miltiärischen Konflikt untereinander von keiner Seite für führbar.”

        Ja, der wäre mittlerweile auch ohne EU zwischen den EU-Staaten unrealistisch. Auch aus demographischen Gründen (Ü65er haben so wenig militärische Kampfkraft…) und weil die meisten Leute sich wohl schlicht weigern würden, für ihr Land zu kämpfen:

        Percentage of Europeans Who Are Willing To Fight A War For Their Country [Umfrage aus 2017]
        https://brilliantmaps.com/europe-fight-war/

      • Stoertebekker
        Stoertebekker sagte:

        @R Ott

        “Probleme löst man nicht, indem man verschiedene Völker unter eine Regierung zwingt und dann gegen ihren Willen zwangsverwaltet.”

        Das kann so sein. Der andere Weg funktioniert aber eben SICHER auch nicht, weil genau das passiert, was Putin und die Ukraine (oder auch schon wieder Serbien/Kosovo) machen – Nationalismus bis zur bewaffneten Auseinandersetzung.

        Neutralität ist ein komplett realitätsferner Wunschtraum. Selbst die Schweiz weiß, dass sie mit Europa untergehen würde, wenn hier wieder das Mittelalter einzieht.

        Mich ärgert, dass unsere Kinder, die viel europäischer/grenzübergreifender aufgewachsen sind und denken, gar keine Chance bekommen, das auszuprobieren. Weil die alten weißen Männer lieber Brexit, Grande nation, spanischen Sozialismus und und und spielen müssen…

      • Beobachter
        Beobachter sagte:

        “Mich ärgert, dass unsere Kinder, die viel europäischer/grenzübergreifender aufgewachsen sind und denken, gar keine Chance bekommen, das auszuprobieren. ”

        Falsche Gewichtung, Stoertebekker, für das alles braucht man keine EU, die m.E. derzeit mehr Unfrieden schafft, als positiv zu wirken.

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Stoertebekker

        “Mich ärgert, dass unsere Kinder, die viel europäischer/grenzübergreifender aufgewachsen sind und denken, gar keine Chance bekommen, das auszuprobieren.”

        Das können sie doch gerade! Die dürften sich aber bei ihren Reisen und Auslandsstationen fragen, wieso zum Beispiel in Italien gleichzeitig die Renteneintrittsalter und die Steuern niedriger sind als in Deutschland und sich darüber wundern, wie tragfähig so eine europäische Struktur, in die gleichzeitig immer größere Transferzahlungen gepumpt werden, dann ist.

        “Weil die alten weißen Männer lieber Brexit, Grande nation, spanischen Sozialismus und und und spielen müssen…”

        Vergessen Sie nicht “regelbasierte Weltordnung unter US-Hegemonie” – oder ist das zufällig Ihr Lieblingsspiel? ;)

        “Der andere Weg funktioniert aber eben SICHER auch nicht, weil genau das passiert, was Putin und die Ukraine (oder auch schon wieder Serbien/Kosovo) machen – Nationalismus bis zur bewaffneten Auseinandersetzung.”

        Nein, zu pauschal. Es funktioniert eben genau dann nicht, wenn kein anderer Weg des Interessenausgleichs oder der Kooperation gefunden wird.

        “Neutralität ist ein komplett realitätsferner Wunschtraum”

        Für die Ukraine hätte Neutralität schon funktioniert, das ist ein stabiles und kluges Modell für ein mittelgroßes Land, das genau an der Grenze der Einflusssphären zwischen zwei deutlich größeren Machtblöcken liegt. Wollte die EU allerdings nicht (oder durfte es auf Befehl aus Washington nicht wollen und hatte nicht die Kraft, einen eigenen Willen zu entwickeln…), sondern stattdessen ihren “grenzübergreifenden” Einflussraum immer weiter ausdehnen. Mit bekanntem Ergebnis.

      • Stoertebekker
        Stoertebekker sagte:

        @Beobachter @R Ott

        Sie nehmen aus meiner Sicht zu vieles als ohnehin gegeben an, was es mit anderen politischen Verhältnissen aber nicht wäre.

        Die EU schafft Unfrieden, WEIL sie die bestimmende Kraft ist. Wäre sie nicht da, würde der Unfrieden auf andere Protagonisten gelenkt. Das Ausland. Können Sie doch live überall anschauen. Ukraine/Russland, Serbien/Kosovo, Armenien/Aserbaidshan, hier am Blog oft D/I oder D/F, AUCUS/China, UK/EU, Israel/Iran, Türkei/Syrien usw. usw. Politik braucht einen scapegoat. Und mit der EU in dieser Rolle fahren wir doch ziemlich gut.

        Bei europäischen Nationalstaaten ohne EU hätte jeder dieser Staaten Armee, ggfs Wehrpflicht, Grenztruppen usw. usw. Das kostet alles nen Haufen Geld, schlaue Köpfe (zumindest die Waffenproduktion), stabile strategische Beziehungen zu Partnerstaaten, Visaregeln inkl. Überwachung usw. usw.

        Da fehlen dann ne Menge Ressourcen für den eigenen Wohlstand, da fehlt – wichtigste Voraussetzung – die ungehinderte Mobilität zwischen den Staaten und damit der Abbau von Vorurteilen durch VIELE Menschen. Nur dann kann‘s friedlich werden. Nur dann.

        Und wenn Sie sich heute den quasi hindernislosen und massiven Erasmus-Austausch ansehen – das hilft enorm. Meine Tochter hat in Lodz mit Italienern, Spaniern, Portugiesen ein Auslandssemester gemacht und zu dieser Zeit ihre Studentenbude in D an ne Südkoreanerin vermietet.

        Später dann in Barcelona den Master mit Ungarn, Russen, Indern, Portugiesen, Chinesen, Paraguayern (nur direkte Kontakte in ihren Teams aufgeführt). Alle Beteiligten haben das als europäisches Studium gesehen, nicht als spanisches. Und es wurde in Englisch unterrichtet.

        Und dann schauen Sie sich an, wie sich UK gerade aus dem universitären Austausch verabschiedet. Das ist die falsche Richtung…

        PS Die jungen Italiener könnten – bei ausreichend Kontakten mit anderer Länder Jugendlichen – ja von innen heraus die Frage nach Transfers, Leistungsbereitschaft, gutem Staat usw. an ihre Alten stellen. Die Italiener und Spanier im Studium meiner Tochter wollten jedenfalls alle nicht in ihren Ländern arbeiten. Die zog‘s hin zu Ländern mit besseren Bedingungen.

  4. komol
    komol sagte:

    Es gibt nur wenige Ökonomen, die das behaupten, und wenn dann ist das unseriös, das ist klar. Was dahinter steht ist v.a. der Aufbau von Druck hin zur Schulden- und Transferunion, und das ist aber richtig. Denn es muss jetzt was passieren. Seit zehn Jahren passiert nix außer ein leichter untergründiger weil unaufhaltbarer Drift. Die Zeit ist gekommen sich zu entschreiden. Würden wir endlich in die Schulden- und Transferunion eintreten wäre das gut für alle, eben auch für uns, denn nichts ist so destruktiv für die ökonom. Entwicklung wie Zukunftsunsicherheit. Aber vllt. werden wir es erst tun, wenn wird genügend Bonität verloren haben, und das wird nicht mehr lange dauern. Auf jeden Fall läufts – es ist unaufhaltbar und unumkehrbar.

    Antworten
    • Richard Ott
      Richard Ott sagte:

      @komol

      “Würden wir endlich in die Schulden- und Transferunion eintreten wäre das gut für alle, eben auch für uns, denn nichts ist so destruktiv für die ökonom. Entwicklung wie Zukunftsunsicherheit.”

      Unterschreiben Sie auch freiwillig Bürgschaftserklärungen beziehungsweise Kreditverträge für sämtliche Ihrer entfernten Bekannten? Falls nicht, warum nicht, wenn Schuldenvergemeinschaftung doch angeblich so “gut für die wirtschaftliche Entwicklung” ist?

      Antworten
      • komol
        komol sagte:

        @ott

        Erstens: Von freiwillig hat keiner gesprochen. Aber sie müssen einsehen, wenn sie “verloren” haben. Sie müssen “verloren” produktiv umdeuten können und was gutes draus machen bzw. eben besseres für sich und alle daraus als wie es wäre, wenn sie die Situation versuchen unendlich offen halten zu wollen.

        Zweitens: Sie dürfen Gesellschaften oder auch Staaten nicht mit Interaktionssystemen verwechseln. Das ist immer wieder ihr Kardinalfehler und jener der Ökonomen. Sie haben keine Ahnung von Emergenz, also beschränken sie sich auf das was sie können und versuchen sie nicht Sozialingenieur spielen zu wollen.

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @komol

        “Erstens: Von freiwillig hat keiner gesprochen.”

        Das liegt daran, dass Freiwilligkeit in diesem Kontext eine selbstverständliche Voraussetzung ist. Wissen Sie nicht, dass durch Nötigung zustande gekommene Haftungsübernahmeerklärungen von vorn herein nichtig sind?

        “Sie müssen ‘verloren’ produktiv umdeuten können und was gutes draus machen”

        Was soll da die konkret “produktive Umdeutung” mit dem “guten” Ergebnis sein? Wenn wir die Schulden vergemeinschaften, dann werden wir alle etwas später pleite gehen, und darüber hinaus noch alle gleichzeitig. Und in der Pleite hat die “Gemeinschaft”, die Sie so sehr herbeisehnen, dann ihre Geschäftsgrundlage verloren.

        Wenn Sie ein tausendprozentiger marxistischer Ideologe sind, dann freuen Sie sich vielleicht auch noch darüber und sehen schon die “revolutionäre Situation” kommen, die dann endlich die Gelegenheit für die Umsetzung des Wirklich Wahren Kommunismus schafft, aber falls dem so ist, dann sehe ich nur einen Verwirrten, der auch noch einen Bürgerkrieg herbeisehnt will ohne zu begreifen, auf was er sich da einlässt.

        “Sie haben keine Ahnung von Emergenz, also beschränken sie sich auf das was sie können und versuchen sie nicht Sozialingenieur spielen zu wollen.”

        Ich hab halt leider null Vertrauen in die Kompetenzen Ihrer Zunft als Sozialklempner, da hilft auch kein Gefasel von “Emergenz”.

    • Richard Ott
      Richard Ott sagte:

      @Doc Fischer

      Es ist schon eine beeindruckende politische Leistung, sich in einen Krieg hineinziehen zu lassen, an dem Deutschland überhaupt kein strategisches Interesse hat – und dann auch noch die Seite zu unterstützen, die absehbar verlieren wird.

      Aber das ganze hat auch etwas Positives: Es löst in den nächsten Jahren das Problem, dass Deutschland derzeit noch eine so viel bessere Bonität hat als seine Nachbarn.

      Darauf einen Pikachu-Dance von der Propagandakompanie-Hupfdohle:
      https://twitter.com/DefenceU/status/1599644738189070337#m
      [das ist wirklich der offizielle Account vom ukrainischen Verteidigungsministerium]

      Slava Ukraina!

      Antworten
  5. foxxly
    foxxly sagte:

    die wirtschaftlichen nachteile durch die demogrphische entwicklung ist ein denken von gestern!

    denken die protagonisten der zuwanderung nicht weiter?
    durch den wirtschaftlichen und finanziellen wachstumszwang ist ein exponentielles bevölkerungswachstum notwendig.

    wohin, wie weit wollen wir in D und EU etc. an einwohnern wachsen?
    wo ist die grenze?
    vielleicht wenn durch häusern und strassen, es kein grün mehr gibt; – dann machen wir alles im labor-hallen?

    es ist ein IRRSINN, dass wir ein bevölkerungswachstum für unseren wirtschaftlichen erfolg brauchen, zumal mit dem wachstum die wohlstandsverteilung zu geselschaftlichen verwerfungen führt.

    dieser, unser weg ist in eine sackgasse! wer denkt unsere entwicklung überhaupt weiter?

    Antworten
  6. Richard Ott
    Richard Ott sagte:

    bto: “Es ist sicher nicht schön, in einer Gruppe, zu der man gern gehört, Buhmann zu sein. So erging es Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), als ihm beim EU-Gipfel in Prag mit Blick auf den 200-Milliarden-Euro-Abwehrschirm der Bundesregierung „unsolidarisches Verhalten“ vorgeworfen wurde.”

    Lieber Buhmann sein als der Trottel, der sich irgendwelches Gesülze von “Solidarität” erzählen lässt und von allen anderen ” in einer Gruppe, zu der man gern gehört” ausgenutzt wird.

    Antworten

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