Arzt: Coronavirus ein elementarer gesamtgesellschaftlicher Schock

Heute Morgen habe ich in meinem Beitrag die Zuschrift eines Arztes veröffentlicht. Daraufhin meldete sich der Mediziner mit einem weiteren Kommentar, ausdrücklich mit der Genehmigung, ihn zu veröffentlichen. Was ich hiermit tue: (Hervorhebungen von mir):

Sehr geehrter Herr Stelter,

vielen Dank. Ich habe mir immer viele Gedanken um die Probleme der Finanzwirtschaft gemacht – jetzt sind diese Sorgen ganz nach hinten getreten. Wir erleben – so glaube ich zumindest – einen elementaren gesamtgesellschaftlichen Schock, der allerdings nicht wie ein Blitz über uns gekommen ist, sondern sich langsam schleichend entwickelt.

Durch Zufall habe ich das Ende der Pressekonferenz von Herrn Spahn im WELT-Mitschnitt gesehen zur Frage fehlender Schutzausrüstung. Das war eine Bankrotterklärung. Diese Passage wurde so gut wie nicht von der Presse aufgenommen.

Mittlerweile muss ich aber auch anerkennen, dass die Bevölkerung in Panik geriete, würde man Sie aufklären.

Wir in unserer Praxis haben den Eindruck, dass neben Schutzkleidung und verschiedenen Antibiotika auch die Händedesinfektionsmittel rationiert wurden. Zumindest verzögern sich die Lieferungen oder werden nur in Teilen geliefert.

Als Ökonom sind Sie geschult, mit großen Zahlen zu rechnen. Die Gesamtsterblichkeit soll bei zwei Prozent für die gesamte Bevölkerung liegen. Aber Kinder, Junge (Frauen) sind deutlich weniger gefährdet, dagegen liegt für mich als 57-jähriger Mann das Risiko, an der Infektion zu sterben, bei etwa zwei Prozent. Ein nicht ganz geringes Risiko – zumindest für meine Psyche.

Alte Menschen über 70 haben ein Risiko von etwa 15 Prozent – denken Sie an alle Pflegeheime.

Konkret möchte ich Ihnen den Worst Case in meiner kleinen Welt ausmalen:

Ich bin Partner einer überörtlichen medizinischen Berufsausübungsgemeinschaft mit etwa 45 Mitarbeitern und 6 Eigentümern. Da wir keinen wirksamen Schutz haben, werden sich alle 6 Ärzte und alle medizinischen Angestellte anstecken. Bei o. g. Sterbewahrscheinlichkeit wird also einer in unserer Firma in den nächsten Wochen sterben.

Aus meiner Sicht haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Nur müssten wir nicht nur ökonomisch in den Winterschlaf, sondern gesamtgesellschaftlich – erhebliche Reduktion aller Sozialkontakte für die nächsten 14 Tage entsprechend dem Konzept von Südkorea.

Mein persönlicher Eindruck ist, dass unsere Kanzlerin möglicherweise “die Schlafwandler” gelesen hat, aber leider umsonst. Sonst würde man jetzt, wo vielleicht noch nicht alles ganz zu spät ist, zu drastischen Maßnahmen greifen.

Wir sollten endlich von unserem hohen “deutschen Ross” runterkommen. Wir sind wohl auch – und das könnte bald sprichwörtlich werden – in Bezug auf das Katastrophenmanagement der “kranke Mann” Europas.

    bto: Ich kann das inhaltlich nicht beurteilen. Allerdings ist unstrittig, dass wir in Deutschland mit einem Szenario von 24 Millionen Infizierten (30 Prozent der Bevölkerung) und dann mindestens 240.000 Toten vor einem erheblichen Problem stehen. Hoffen wir, dass es eine unberechtigte Sorge ist.