3 – Ist Deutschland ein „reiches Land“? – Vermögen

Gut zu verdienen (= Flussgröße) bedeutet jedoch nicht automatisch, dass jemand ein großes Vermögen (= Bestandsgröße) besitzt. Letzteres sind die Rücklagen, über die wir verfügen, sei es für künftige größere Ausgaben oder die Altersversorgung.

Auf ein ganzes Land bezogen, müsste man davon ausgehen, dass sich gute Einkommen auf Dauer in entsprechenden Vermögenswerten niederschlagen. Aber das tun sie bei uns in Deutschland nicht. Da sind zunächst die Zahlen des französischen Reichtumsforschers Thomas Piketty, der mit umfangreichem Datenmaterial der Entwicklung von Volksvermögen über die Zeit nachgegangen ist. Demnach lag die Vermögensquote – also das Vermögen relativ zum Volkseinkommen im Jahre 2015:[1]

·     in Spanien bei 659 Prozent (2014),

·     in Frankreich bei 591 Prozent,

·     in Italien bei 587 Prozent,

·     in den Niederlanden bei 530 Prozent (2014),

·     in Griechenland bei 499 Prozent,

·     in Deutschland bei 446 Prozent.

Die Deutschen besitzen also im Durchschnitt weniger Vermögen als Italiener, Franzosen und Spanier, die im Rahmen der europäischen „Solidarität“ eine größere Anstrengung von uns verlangen und nur geringfügig mehr als die Griechen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) erhebt regelmäßig Daten zum Medianvermögen im Euroraum. Das Ergebnis deckt sich mit den Daten von Piketty und zeigt, dass wir Deutschen, obwohl wir viel verdienen, nur über ein geringes Vermögen verfügen:[2]

Abb. 7: Medianvermögen in der Eurozone

Quelle: EZB

Was zu der erstaunlichen Erkenntnis führt, dass wir zwar gut verdienen, aber daraus nichts machen. Die Ursachen sind vielfältig, von den Folgen der Kriege und der Teilung des Landes bis hin zur rekordhohen Abgabenbelastung und zum falschen Sparverhalten (Sparbuch, Lebensversicherung statt Aktien und Immobilien). Tatsache ist und bleibt aber, dass wir Deutsche zu den Ärmsten in der Eurozone gehören.

Professor Bofinger verweist darauf, dass es auch eine Folge der Verteilung ist, dass das Medianvermögen so deutlich tiefer liegt. Das ist sicherlich ein Grund, aber wie die Zahlen von Piketty (s. o.) zeigen, ändert das nichts an der Tatsache, dass das Vermögensniveau deutlich tiefer ist als in anderen Ländern.

Auch das Argument, wonach die Rentenansprüche in dieser Rechnung fehlen und wir deshalb schlechter wegkommen, verfängt nicht. Zum einen liegen unsere Rentenansprüche im unteren Mittelfeld, zum anderen sind sie das Versprechen zulasten künftiger Beitrags- und Steuerzahler und steigern unseren Wohlstand damit nicht.


[1]World Inequality Database, abrufbar unter: http://wid.world/data/.

[2]EZB: The Household Finance and Consumption Survey, abrufbar unter: https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/scpsps/ecbsp18.en.pdf.