1 – Zunächst zur Frage nach dem aktuellen Boom

Herr Bofinger betont den Boom am Arbeitsmarkt und beim Export. Ich verweise darauf, dass dieser Boom eine Scheinblüte ist. Beides ist übrigens kein Widerspruch, denn Herr Bofinger beschreibt, was wir alle sehen und schaue ich auf die Treiber, die hinter der Entwicklung stehen:

Richtig: Der Export boomt:

Abb. 1: Entwicklung der deutschen Exporte

Quelle: Bloomberg

Richtig: Die Arbeitslosigkeit ist gesunken:

Abb. 2: Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Deutschland

Quelle: Bloomberg

Dahinter stehen:

Billiges Geld der EZB: Die ungelöste Eurokrise zwingt die EZB zur Politik billigen Geldes. Dieses billige Geld führt zu einem Nachfrageboom in Deutschland, weil die Zinsen gerade für uns zu tief sind und zu einer Stabilisierung der Nachfrage in den anderen Euroländern, die deshalb weiterhin bei uns einkaufen:

Abb. 3: Entwicklung der Zinsen für Staatsanleihen im Euroraum

 

Quelle: Datastream

Schwacher Euro: Die tiefen Zinsen führen auch zu einer Schwächung des Außenwertes des Euro. Der Euro hat in den letzten Jahren deutlich an Kaufkraft verloren. Der effektive reale Wechselkurs liegt circa 15 Prozent tiefer gegenüber dem Beginn der Finanzkrise. Hinzu kommt, dass gerade für Deutschland der Euro deutlich schwächer ist, als es eine D-Mark wäre (siehe Abbildung 4). Gebunden an die kriselnden Wirtschaften im Euroraum profitiert die deutsche Exportwirtschaft deshalb von einem doppelten Effekt: der Bindung an die schwächeren Länder und der immer noch nicht bewältigten Eurokrise. Dies steht hinter dem deutlichen Anstieg der Exporte.

Abb. 4: Auf-/Abwertung bei Wiedereinführung von nationalen Währungen

Quelle: Bank of America

 

Lohnzurückhaltung: Nicht vergessen dürfen wir, dass auch die Lohnzurückhaltung der letzten Jahre dazu beitrug, die preisliche Wettbewerbsfähigkeit unserer Exportindustrie weiter zu steigern. Damit haben wir die Ungleichgewichte innerhalb der Eurozone verstärkt und uns zunehmend unbeliebt gemacht. Dies steht unter anderem hinter dem Argument, dass wir Deutsche zu wenig im Inland konsumieren und investieren. Damit bleibt nur der Export als Ausweg. Dieser Entzug von Kaufkraft aus dem Ausland wird allerdings zunehmend kritisch gesehen und führt zu entsprechenden Gegenreaktionen bis hin zum Protektionismus des Donald Trumps.

Abb. 5: Reallohnentwicklung in Deutschland

Quelle: Bloomberg

Steigende Verschuldung unserer Kunden: Ein weiterer wichtiger Grund für unseren Exporterfolg ist die Bereitschaft unserer Kunden im Ausland, sich weiter zu verschulden. Die Verschuldung liegt praktisch überall über dem Niveau von 2008. Wir sind übrigens einer der Hauptkreditgeber –, aber dazu kommen wir noch. Einer der wichtigsten Kunden ist mittlerweile die Volksrepublik China (Exporte 2008: 34 Mrd. Euro, 2018: 93 Mrd.). Genau dort sind aber die Schulden am deutlichsten gestiegen und selbst die größten Optimisten erkennen, dass die bisherige Politik der chinesischen Regierung, die Wirtschaft mit immer neuen kreditfinanzierten Programmen anzukurbeln, an ihre Grenzen stößt.

Abb. 6: Chinesisches Kreditwachstum

 

Quelle: Citi

Deshalb ist der Boom der letzten Jahre nicht nachhaltig. Er basiert auf Sonderfaktoren, die nicht andauern können. Am ehesten bleibt es bei tiefen Zinsen in Folge der ungelösten Euro- und Finanzkrise. Gibt es eine Abschwächung der Weltkonjunktur, trifft es den Exportweltmeister überproportional. So wie wir von der guten Konjunktur (getrieben von billigem Geld und steigenden Schulden) profitiert haben, so werden wir die Hauptleidtragenden eines Abschwungs sein.

Auch erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist, dass unser Exporterfolg auf Industrien basiert, die wir schon seit dem Kaiserreich erfolgreich betreiben. Diese stehen allerdings vor einem enormen Wandel – Stichwort Elektroautos, von dem nicht ausgemacht ist, dass unsere Unternehmen diesen bewältigen.