Was tun mit dem Geld? (1) – Glauben Sie keinen Tipps

Der SPIEGEL hebt es diese Woche auf den Titel: Was tun mit dem Geld? Nun wird niemand ernsthaft eine überraschende Antwort erwarten. Wie es sich für ein Nachrichtenmagazin gehört, werden altbekannte Weisheiten mit ein paar exotischen Empfehlungen gemixt, um den Leser mit einer Mischung aus Spannung, Grauen und Nutzwert – bzw. was er dafürhalten soll – zu unterhalten. Kaum einer, der wirklich über nennenswertes Vermögen verfügt, dürfte nach der Lektüre besser als zuvor in der Lage sein, dieses sicher und ertragreich anzulegen, geschweige denn ohne Verluste durch die Krise zu bekommen. Die einzigen Gewinner stehen allerdings auch fest: Es sind die im Artikel porträtierten Experten, die mit noch mehr Anfragen konfrontiert werden, wie man denn sein Geld anlegen soll oder zumindest ihre Bücher besser verkaufen. Ich gönne es ihnen.

Bisher lag der Schwerpunkt dieser Seiten eindeutig auf der Beschreibung und Erklärung der Krise und dem Aufzeigen von Lösungsmöglichkeiten, um die Krise möglichst rasch und schadensminimierend zu beenden. Dies in der Hoffnung, durch ein möglichst sachliches, klares und auch pointiertes Schreiben, etwas zu bewegen: die Öffentlichkeit und die Politik aufzuklären und zu mobilisieren. Man mag dies für ein illusionäres Ziel halten. Ich denke aber, das zumindest zu versuchen, ist es wert. Denn entgegen dem Titel eines populären Buches, ist der Crash eben nicht die Lösung. Er ist das Desaster. Selbst die Autoren können ihn sich nicht ernsthaft wünschen. Zwar können sie dann – wie viele andere inklusiver meiner selbst – stolz sagen, sie hätten es vorher gewusst. Doch wird das in einem Umfeld massiver sozialer Verwerfungen und zwischenstaatlicher Konflikte niemanden mehr interessieren. Solche Bücher sind das Prinzip der SPIEGEL-Geschichte im Großen: Auflage statt Lösung.

Obwohl ich seit Jahren Unternehmen, Family Offices und Private bei der Entwicklung der eigenen Strategie zum Umgang mit der Krise berate, habe ich mich auf bto darauf beschränkt, gelegentlich interessante andere Quellen zu Kapitalmarktthemen zu verlinken. Nun denke ich, es ist an der Zeit, auch auf diesen Seiten mehr und regelmäßiger über meine Sicht auf das Thema „Vermögenssicherung und -mehrung“ zu schreiben. Dabei will ich versuchen, systematischer vorzugehen als andere Autoren, weniger dogmatisch und weniger auf ein einziges Szenario beschränkt. Wichtig ist mir dabei, über das Thema der Finanzkrise hinauszublicken. Gerade die demografische und technologische Entwicklung, sowie die ungebremste Globalisierung der Welt werden erheblichen Einfluss auf den Anlageerfolg in den kommenden Jahrzehnten haben.

Zugleich glaube ich an eine analytische Vorgehensweise. So habe ich 1999 bei der Boston Consulting Group (BCG) den Value Creators Report ins Leben gerufen. Darin habe ich mit meinen Kollegen aufgezeigt, welche Unternehmen am meisten Wert für die Aktionäre geschafft haben und vor allem erklärt, wie sie dies geschafft haben. Kennt man die Werthebel, kann man dies nicht nur rückblickend, sondern auch vorausschauend anwenden. Die WirtschaftsWoche hat von Anbeginn in jedem Jahr ausführlich über die Studie berichtet (mit Ausnahme von zwei Jahren immer als Titelgeschichte). Im Jahr 2000 habe ich basierend auf dieser Studie in der WirtschaftsWoche vor der völligen Überbewertung der Aktien gewarnt – gerade noch rechtzeitig vor dem größten Einbruch.

Doch abgesehen von solchen Sondersituationen kann es nur darum gehen, langfristig die richtigen Weichenstellungen vorzunehmen. Darum gebe ich nur einen Tipp: Glauben Sie keinen Tipps. Niemand kann ihnen mit Bestimmtheit sagen, wie die Krise weitergeht und auf welche Art sie zu einer Lösung findet – auch meine Zusammenfassung ist nur ein Versuch die Szenarien zu beschreiben.

Genau deshalb stimmt eine Aussage im dem SPIEGEL-Artikel sehr wohl: Man sollte möglichst diversifiziert anlegen, in einem breiten Portfolio mit entsprechender Anlagedisziplin. Alles andere ist in Wahrheit keine Geldanlage, sondern Spekulation. Und diese sollte man den Profis überlassen oder aber nur mit dem Teil des Vermögens machen, den man als „Spielgeld“ definiert und im schlechten Fall auch verlieren kann. Denn – so die Erfahrung über Jahrzehnte – den wenigsten gelingt es, den Markt zu schlagen.

Dies gilt besonders für exotische Anlageklassen wie Oldtimer, Kunst, Wein und die im Artikel genannten guten Whiskys und Streuobstwiesen. Klar, kann man machen. Doch gilt hier der Grundsatz: Was ist es noch wert, wenn es allein darum geht, Liquidität zu beschaffen? Sowohl im Szenario einer Deflation wie auch nach einer heftigen Inflation, selbst nach einer Vermögensabgabe, wird Geld das knappe Gut sein. Demzufolge werden alle Vermögenswerte relativ zu heute an Kaufkraft einbüßen und jene am (relativ) attraktivsten sein, die entweder einen direkten praktischen Nutzen haben oder aber unmittelbar beleihungsfähiges Eigenkapital darstellen (hierfür unbedingt die Serie zur Eigentumsökonomik lesen), um einen Neustart zu ermöglichen.

Kunst, Oldtimer, Uhren und alle anderen Sammlerstücke werden dann nicht an oberster Stelle der Attraktivitätsskala liegen. Was nicht sagen soll, dass es auf einen Zeithorizont von 25 Jahren und mehr kein gutes Investment zum Kapitalerhalt sein kann. Das kann es sehr wohl sein, aber es hilft nicht während der Krise und nicht in den ersten Jahren nach dem Neustart. Damit wird deutlich, dass so etwas nur eine Ergänzung in einem sehr großen Portfolio sein kann und kein Wundermittel.

Wein und Whisky haben den Vorteil, dass man sie bei guter Lagerung wenigstens selber trinken kann, vielleicht als Trost, sonst nichts vom Vermögen gerettet zu haben. Ohnehin basiert die Empfehlung in Whisky “zu investieren” auf der Analogie zur Entwicklung der Preise von Top-Weinen in den letzten Jahren. Diese haben sich aber vor allem wegen der Nachfrage aus China preislich so entwickelt. Wer auf Whisky setzt, muss demzufolge glauben, dass a) chinesische Konsumenten ähnlich wild auf Whisky werden wie auf Wein und b) die chinesische Wirtschaft sich weiterhin gut entwickelt. Erstes ist fraglich, Zweites – wie hier gezeigt – unwahrscheinlich.

Ein Weinkeller dürfte nur bei außergewöhnlicher Größe und Qualität ein adäquates beleihungsfähiges Kapital bei einem Neustart darstellen. Deutlich näher an Kunst als an wirklich produktivem Vermögen. Letzterem kommt die Streuobstwiese vermutlich am nächsten, aber auch hier geht es um einen langfristigen Vermögenserhalt, wobei ich wiederum an einen Zeithorizont von 25 Jahren und mehr denke.

Ich nehme an, es wird damit deutlich, woran ich bei dem Thema Geldanlage denke: an Risiko, an Ertrag, an Werthaltigkeit im Umfeld einer Krisensituation und an den langfristigen Kapitalerhalt. Die logische Folge ist eine Diversifikation in einem breiten Portfolio, in welches unbedingt

  • Liquidität
  • eine Krisenwährung
  • langfristig produktives Vermögen
  • potentiell beleihungsfähiges Eigenkapital

gehören und zusätzlich eine überregionale Allokation. Auf keinen Fall dürfen Sie nur um den eigenen Heimatort herum investieren. Wenig spricht dafür, dass Deutschland die attraktivste Wirtschaftsregion der nächsten Jahrzehnte ist. Stichworte: Demografie, Bildung, Infrastruktur, Energiewende und Kosten der Eurorettung (oder Auflösung).

Soviel zur Einstimmung.

Hier die Value Creators Studie aus dem Jahr 2000 für Freunde der Nostalgie. Demnächst werde ich alle seit 1999 online stellen.

VALUE CREATION_v9-2000