„Wo Europas Schwachstelle liegt“

Eine saubere Analyse in der SZ. Bekanntlich denke ich, dass der Frieden in der Eurozone nur bis zur nächsten Rezession hält. Und das kann angesichts der chinesischen Politik nicht mehr weit sein, siehe Kommentar von gestern. Auch meine These, dass Italien die Eurozone beendet, findet weithin Zuspruch. Dabei macht die Eurozone einen entscheidenden Fehler. Sie hofft, durch Nachfrage aus anderen Regionen die Probleme nachhaltig zu bewältigen. In einer überschuldeten Welt, in der alle das Gleiche versuchen, geht das aber nicht!

Doch nun zu Mark Blyth in der SZ:

  • „Griechenland ist als einziger Euro-Staat bankrott und wird auch für absehbare Zeit von der Europäischen Union gepflegt werden müssen. Aber der Rest der Euro-Zone erholt sich gerade – und zwar auch deshalb, weil die Europäische Zentralbank mit ihrer Geldpolitik massiv eingreift und damit die Austeritätspolitik de facto beendet hat. Daher scheint die Zukunft des Euro, jedenfalls auf mittlere Sicht, gesichert zu sein.“ – bto: Ich würde zustimmen, allerdings die Schuldendynamik in Italien, Spanien, Portugal und Frankreich auch außer Kontrolle sehen. Zudem vernachlässigt auch Blyth wie fast alle Volkswirte die erhebliche private Verschuldung!!
  • „Und so kommt nun, in der Krise, ein Europa zum Vorschein, in dem die Trennlinie nicht zwischen dem Norden und dem Süden verläuft. Diese Trennlinie verläuft zwischen jenen Ländern, die dauerhaft Leistungsbilanzüberschüsse erzielen können – und jenen, die das nicht können; zwischen jenen Staaten, die vom Euro profitieren – und jenen, die das nicht können, weil ihnen eine eigene Währung fehlt. Diesen Ländern bleibt nur die Möglichkeit, schmerzvolle Einschnitte vorzunehmen – oder den Ausgang aus der Währungsunion zu suchen.“ – bto: richtig. Wobei ich den Nutzen einer Währungsunion für die „Nutznießer“ bezweifle, die auf Kredit Waren liefern, die dann nicht bezahlt werden.
  • „Die Zukunft des Euro hängt auf lange Sicht davon ab, ob die Mitgliedsstaaten in der Lage sind, im weltweiten Wettbewerb auf den Exportmärkten mit den Amerikaner und Asiaten mitzuhalten. In solch einer Welt spielt die Binnennachfrage nur die zweite Geige. Die asiatischen Länder werden immer produktiver, und die Amerikaner dominieren nach wie vor den oberen Bereich der Wertschöpfungskette. Deshalb hängt der Wohlstand des vom Export getriebenen Europas davon ab, fortwährend die Qualität seiner Produkte zu verbessern, ohne dass die Preise steigen.“ – bto: Und deshalb killt China vielleicht den Euro und vor allem: Da wir nicht in Bildung und Innovation investieren, wird das nicht funktionieren!!!
  • „in einer vom Export getriebenen Volkswirtschaft braucht man jemanden anders, der die Wirtschaft in Gang bringt, während man selber darauf achtet, die Preise und Löhne unter Kontrolle zu halten. Wenn man stattdessen einfach die Löhne und Preise erhöht, würde dies die Exporte bloß teurer machen.“ – bto: Auch dies stimmt. Weshalb die Argumentation von Flassbeck – siehe meine Kritik daran – völlig blödsinnig ist.
  • „Aber wie ergeht es den Ländern, die nicht in der Lage sind, diesem Wachstumsmodell zu folgen? Italien ist ein besonders interessantes Beispiel. Das Land wächst seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr, aber es nutzt nun die Zulieferer in Osteuropa – und weist heute einen Leistungsbilanzüberschuss auf. Die Portugiesen haben unter der Austeritätspolitik ihrer Regierung gelitten; aber das Leistungsbilanzminus von sieben Prozent hat sich in ein Plus von einem Prozent verwandelt. Es gibt jedoch zwei Ausreißer. Der eine ist Frankreich, das früher mehr exportiert als importiert hat. Nun weist das Land ein doppeltes Minus auf: In seinem Staatshaushalt klafft ein Defizit von vier Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung und in der Handelsbilanz von einem Prozent.“ – bto: Ich bleibe dabei. Italien hält es nicht durch. Frankreich würde es politisch versuchen.
  • „Große Volkswirtschaften werden sich in einem exportorientierten Europa schwertun, wenn ihre Wirtschaft durch die Binnennachfrage getrieben ist und sie einen starken Sozialstaat haben. Diesen Staaten bleiben nur zwei Möglichkeiten: Entweder verstoßen sie gegen Haushaltsregeln oder sie werten intern ab, senken also Löhne und Preise, um wettzumachen, dass sie extern nicht abwerten können, weil sie ja keine eigene Währung mehr haben. Diese Länder sind die neuen ‚Schwachstellen‘ der Euro-Zone. Für sie wird es über kurz oder lang verlockend sein, aus dem Euro auszusteigen.“ – bto: Außer wir finanzieren das Defizit … Und darauf laufen die Forderungen der Franzosen ja hinaus.
  • „Zwar schaffen es Länder wie Portugal und Spanien, Überschüsse zu erzielen, aber nur, weil ihre Binnennachfrage zusammengebrochen ist. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in diesen Ländern ist es fraglich, ob diese Politik auf Dauer durchzuhalten ist.“ – bto: richtig!
  • „Die Anleiherenditen in Europa werden für lange Zeit negativ bleiben. Erinnert sich noch jemand an Ben Bernankes ‚Savings Glut‘, an die Flut von Ersparnissen? Mit dieser Theorie hat der frühere US-Notenbankchef vor der Krise die Niedrigzinsen erklärt. Demnach haben die Asiaten mit ihren Handelsüberschüssen einen Überschuss an Ersparnissen erzeugt, und auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten haben sie mit ihrem Geld die globalen Zinssätze gedrückt. Wenn die Euro-Zone so weitermacht wie bisher, wird sie zum Asien von morgen.“ – bto: praktisch undenkbar.
  • „Dieses neue System mag zwar auf lokaler Ebene robust sein, global betrachtet ist es aber fragil. Es beruht darauf, dass alle anderen nicht mehr sparen, als sie investieren. Dieses neue Europa ist ein Trittbrettfahrer, der davon profitiert, dass andere Geld ausgeben. Damit aber liegt auch das Schicksal der europäischen Wirtschaft in fremden Händen.“ – bto: Und die werden es nicht akzeptieren!

Fazit: Der Euro steht vor erheblichen Risiken. Italien bleibt das schwächste Glied.

→ SZ: „Wo Europas Schwachstelle liegt“, 15. August 2015