Wirtschaftsfaktor Flüchtling – wie das DIW schönrechnet

Eigentlich wollte ich mich wieder meinem Kernthema auf diesen Seiten widmen und die Migrationsdiskussion nur noch gelegentlich ansprechen. Bekanntlich halte ich wenig von den Einlassungen der führenden Ökonomen, weil diese dazu neigen, das Thema zu beschönigen (David Folkerts-Landau, Marcel Fratzscher). Die Gefahr liegt aber darin, auf diese Weise den politischen Schaden zu vergrößern. Wird offensichtlich, wie groß die Kosten und wie gering der Nutzen wirklich ist, leistet dies dann der von niemandem (!) gewünschten Radikalisierung Vorschub. Wenn ich mich also kritisch mit den Beiträgen der Kollegen auseinandersetze, geschieht dies nicht um Ängste zu schüren oder aus fehlendem Mitleid mit den unzähligen Einzelschicksalen. Was mich nur ungemein ärgert und besorgt ist die Tatsache, dass – hier wiederhole ich mich – der Bevölkerung Geschichten erzählt werden, um die Willkommenskultur kurzfristig zu fördern. Dies aber zu einem erheblichen langfristigen Preis. Treten die Vorhersagen nicht ein – und das werden sie nicht – kippt die Stimmung. Die Integration wird sehr sehr teuer, wenn sie gelingen soll. Siehe noch mal meinen 10-Punkte-Plan. Dieses Geld wird per Definition woanders fehlen (Infrastruktur, keine Steuersenkung etc.) oder über Schulden finanziert. Die muss aber letztlich auch jemand bedienen!

Heute Morgen hatte ich Marcel Fratzscher kommentiert. Nun zeigt SPIEGEL ONLINE ein paar mehr Zahlen von dessen Berechnung und schreibt dazu: „DIW-Chef Marcel Fratzscher dagegen verweist auf die langfristigen Vorteile durch die aktuelle Zuwanderung. ‚Es ist zu erwarten, dass in fünf bis zehn Jahren die Flüchtlinge auch netto einen größeren Beitrag zur Wirtschaftsleistung in Deutschland beitragen werden, als sie an Leistungen erhalten‘, schreibt er im ‚Handelsblatt‘. Diese Erwartung spiegelt sich auch in den DIW-Berechnungen wider, die von eher positiven Annahmen ausgehen.“ – bto: Selbst SPIEGEL Online spricht von ‚eher positiven Annahmen‘! Schauen wir uns die mal genauer an:

 


Quelle: SPIEGEL ONLINE

Also, vergleichen wir die Annahmen des DIW mit meinen bescheidenen Überlegungen. Zunächst machen die Forscher natürlich ein etwas komplizierteres Modell, in dem sie über Zeit eine deutliche Verbesserung der Situation annehmen.

  1. 800.000 Zuwanderer in 2015 und 2016, danach bis 2020 nur 400.000 p. a. wobei von diesen 35 Prozent das Land wieder verlassen. – bto: Bis jetzt haben wir weder einen Anhaltspunkt, wie die Zahl zurückgehen soll, noch eine Ablehnung von 40 Prozent, die dann zu 88 Prozent umgesetzt wird. Dies setzt einen erheblichen Politikwandel in Deutschland voraus.
  2. Die Beschäftigungsquote steigt von 20 Prozent 2017 auf 70 Prozent nach zehn Jahren. 2027 sind also 70 Prozent der verbliebenen Flüchtlinge produktiv. – bto: Dies entspräche der Vorgabe in meiner kleinen Simulation, wonach wir mindestens bei 60 Prozent liegen müssen. Interessant ist nur, wie es zu diesem Anstieg kommen soll. Ist das die Wirkung der zunehmenden Ausbildung?
  3. Diese produktiven Flüchtlinge erarbeiten dann im Schnitt 67 Prozent des Wertes eines durchschnittlichen Arbeitnehmers. – bto: Nach Zahlen von 2014 entspricht das rund 42.000 Euro pro Jahr. Damit liegt das DIW gerade im gelben Bereich meiner Rechnung.
  4. Um doch noch positiv zu werden, wird dann angenommen, dass die Kosten je Flüchtling bei 12.000 Euro pro Jahr liegen und die Kosten auf 8.000 im Jahr sinken. – bto: Woher die 12.000 kommen, ist unklar und angesichts der enormen Investitionen, die zu tätigen sind, völlig illusorisch. Wie dann die Kosten auf 8.000 Euro sinken sollen, ist völlig unklar. Bereits Hartz IV geht in Richtung 6.000 Euro und das ist VOR den Kosten für Wohnen etc.

„Eher positive Annahmen“ ist da eine ziemliche Schönfärberei. In dieser Rechnung wurde an allen Hebeln gedreht, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. DER SPIEGEL zeigt im gleichen Artikel auch warum. Es liegt an der Qualifikation der Zuwanderer:


Quelle: DER SPIEGEL

Doch zurück zur Berechnung. Dank des kurzfristigen Nachfrageeffekts – der Staat kauft auf Kredit Container und gibt den Flüchtlingen Geld –, steigt das BIP. Damit ist aber unser Wohlstand nicht gewachsen, nur zur Erinnerung. Wir haben mehr konsumiert. Hätten wir die Brücken der deutschen Autobahnen mit dem Geld saniert, wäre das BIP auch gewachsen, aber nicht nur in diesem Jahr. Dies zur Erklärung. Nicht um zu kritisieren, dass wir unser Geld so ausgegeben. Es ist ein demokratischer Entscheid der Mehrheit, es so zu tun. (Ich betone das hier erneut, weil mir Zuschriften zeigen, dass alleine schon der Versuch einer nüchternen Rechnung von einigen Mitbürgern als rechtsradikales Gedankengut angesehen wird und damit habe ich nun wirklich nichts am Hut …). Der Staat hätte seinen Überschuss auch anders verwenden können bzw. neue Schulden auch. Das eine ist der Entscheid mehr Geld auszugeben, der andere wofür.

Dem zusätzlichen BIP stehen höheren Sozialkosten entgegen, sodass der Nettoeffekt in den ersten Jahren negativ ist. Das ist sicherlich eine realistische Annahmen des DIW. Allerdings sind die angenommenen Kosten vermutlich zu gering, vor allem, wenn man dann wie das DIW von einer erheblichen Zunahme der Beschäftigung und einer doch recht hohen durchschnittlichen Produktivität ausgeht.

Ab 2020 geht es dann laut DIW steil aufwärts. Cool. Dahinter stehen die heroischen Annahmen, die wir gesehen haben. Kosten sinken auf 8.000 pro Flüchtling und die Beschäftigungsquote steigt auf 70 Prozent mit 42.000 Euro pro Kopf. Was nicht mit den Kosten in den Jahren bis 2020 zusammenpasst. Wenn wir die Flüchtlinge so gut ausbilden wollen – und wir scheitern bekanntlich schon mit der Bildung der bereits hier wohnhaften Migranten – dann müssten wir signifikant mehr ausgeben. Das heißt: Das DIW unterschätzt systematisch die Kosten der Qualifikation und überschätzt Erwerbsquote und Einkommen. Mal abgesehen davon, dass die Migrantenzahlen deutlich höher liegen werden. Auch das kann man machen, nur dann passt die Rechnung eben nicht.

SPIEGEL ONLINE: „Arbeitsmarkt, Wohnungen, Finanzen: Wirtschaftsfaktor Flüchtling – was auf Deutschland zukommt“, 3. November 2015