„Wird es Italien schaffen?“

Nachdem ich mich aus dem Fenster gelehnt habe und mit Italien den wirklichen Austrittskandidaten aus der Eurozone definierte, hier ein paar Fakten zur Lage im Land:

  • „Es ist vielmehr ein anderes südeuropäisches Land, das die Macht hat, den Zug zum Entgleisen zu bringen: Italien. Seit fünfzehn Jahren kommt die Wirtschaft kaum vom Fleck. Die staatliche Verschuldung hat mehr als 130 % des Bruttoinlandprodukts erreicht. Die offizielle Arbeitslosenrate bleibt seit Jahren deutlich über 10 %.“ – bto: eben.
  • „Gleichzeitig hat das Land die zwölftgrösste Volkswirtschaft der Welt und liegt an dritter Stelle, was den absoluten Umfang der Staatsschulden anbelangt – hinter den USA und Japan und knapp vor Deutschland und Frankreich. Im Vergleich zu Griechenland ist Italien ein ökonomischer Gigant.“
  • „… was die Lösung grundlegender Probleme betrifft, hat Italien in den vergangenen Jahren kaum Fortschritte erreicht. Eben haben mehrere italienische Wirtschaftshistoriker in der Zeitschrift ‚Enterprise & Society‘ die ökonomische Entwicklung seit Gründung des modernen Nationalstaats im Jahr 1861 gemeinsam untersucht und dabei aufgezeigt, wie hoch die Wachstumsbarrieren sind.“
  • „Das wohl wichtigste Ergebnis der Studien ist der Nachweis, dass Italiens Wirtschaft schon immer unter mangelnder Innovationskraft gelitten hat. In bestimmten historischen Phasen war diese Schwäche weniger akzentuiert als heute, weil es einfach war, ausländische Technologie zu implementieren.“
  • „Es gelang nie, eine breite industrielle Basis in den neuen Branchen, die auf Forschung und Entwicklung beruhen, zu errichten. Die grossen italienischen Unternehmen, die alle Welt kennt – etwa Fiat oder Pirelli – sind Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Die Unternehmenslandschaft wird seit Jahrzehnten dominiert von kleinen und mittelgrossen Einheiten, die kaum Geld haben, um eine Forschungsabteilung zu betreiben.“ – bto: … immer noch besser als Portugal und Griechenland!
  • „Das schwache Wachstum hat zu einem Exodus gut qualifizierter junger Arbeitskräfte geführt, was die Kosten der Überalterung, die in Italien besonders akut sind, verschärft. Die Schwerfälligkeit der Bürokratie, die Blockierungsmacht der Anwälte und die organisierte Kriminalität sind weitere Hindernisse, die einer innovationsfreundlichen Politik im Wege stehen.“ – bto: Auch in den anderen Krisenländern wandert die gut qualifizierte Jugend ab.
  • „Nimmt man die wirtschaftshistorischen Studien ernst, besteht wenig Hoffnung auf eine Trendwende. So ist es wahrscheinlicher, dass der europäischen Währungsunion dasselbe passieren wird wie der italienischen Währungsunion nach den Einigungskriegen: Südeuropa verwandelt sich in einen grossen Mezzogiorno, der sich langsam leert, weil die Arbeitswilligen ihr Glück im Norden oder in Übersee suchen. Die einzigen florierenden Wirtschaftszweige werden der Tourismus und die Landwirtschaft sein, während die Industrie weitgehend verschwunden ist.“ – bto: Glauben wir allen Ernstes, dass das die italienische Politik zulassen wird? Bevor es dazu kommt, treten die aus.

→ FINANZ und WIRTSCHAFT: „Wird es Italien schaffen?“, 21. August 2015

Kommentare (3) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Karl
    Karl sagte:

    Freiwilliger Austritt Italiens aus dem Euro? Das Beispiel Griechenland zeigt, dass das nicht realistisch ist. Die Leute klammern sich an den Euro wie an einen Bissen Brot. Das wird in Italien bestimmt nicht anders sein. Das Eurosystem wird sich zunehmend wie ein System kommunizierender Röhren verhalten: Die noch bessergestellten Staaten werden so weit runtergezogen, bis sie auf dem Süd-Niveau angekommen sind. Gefragt werden WIR da freilich nicht.

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