„We need to relearn the arts of war and grand strategy“

Niall Ferguson ist ein herausragender Denker und Schreiber. Sein Buch „Der Aufstieg des Geldes“ ist nicht nur sehr lesenswert, auch die Verfilmung in einer Serie der BBC hat mir sehr gut gefallen. In diesem Kommentar der BBC zieht er ein trauriges Fazit: Der Westen hat die Friedensdividende der Zeit nach dem Fall der Mauer verprasst, ohne vorzusorgen. Stimmt. Die Kernaussagen:

  • Der Kalte Krieg war gar nicht so kalt. Alleine in den 1970er-Jahren sind bei staatlichen, militärischen Konflikten mehr als zwei Millionen Menschen gestorben. In den ersten zehn Jahren dieses Jahrhunderts nur 270.000. Vietnam war ein weitaus tödlicherer Krieg als der Irakkrieg (47,424 US Tote vs. 3,527). – bto: Es könnte sein, dass es bei der Zivilbevölkerung anders aussieht.
  • Für den Rückgang werden verschiedene Ursachen angenommen: a) Es gibt einen zivilisatorischen Fortschritt (naja). b) das Verbreiten von Demokratie und Supra-Nationalen- Organisationen (vielleicht); c) weniger Junge wegen des Geburtenrückgangs (halte ich für das beste Argument); d) Technologischer Fortschritt macht Kriege unattraktiv (hm) . e) gute Anführer der Atommächte (Ich bin generell skeptisch, was Politiker betrifft.); f) Die brutalsten Ideologien (Faschismus und Kommunismus) wurden besiegt.
  • Gibt es also jetzt den ewigen Frieden? Zumindest was die Daten betrifft, spricht viel dafür, dass es sich um eine statistische Illusion handelt.
  • Allerdings kann man die hoffnungsfrohen Punkte auch so in Frage stellen: Die Politiker dürften schlechter sein, als jene der 1980er-Jahre. Weltweit gibt es keinen Mangel an jungen Männern, die Technologie der Massenvernichtung (Atombombe) ist, wenn überhaupt, heute breiter verteilt als je zuvor.
  • Am gefährlichsten ist eine neue Ideologie, der politische Islam. Dieser dürfte für den Westen mindestens eine so große Herausforderung sein wie Kommunismus und Faschismus. Auf jeden Fall trägt er die Hauptverantwortung für die Zunahme an Kriegen und Terrorismus seit dem Jahr 2010.
  • Der Krieg ist zurück und der größte Teil ist „Heiliger Krieg“. Die Zahl der Toten hat sich seit 2010 vervierfacht. Waren im Jahr 2000 noch 35 Prozent der Toten in bewaffneten Konflikten Muslime, so waren es 2014 79 Prozent. Dabei ist ein großer Teil des Konfliktes zwischen Muslimen. Das ist kein Zufall.
  • Alles spricht dafür, dass sich diese Konflikte in den kommenden Jahren verschärfen werden.
  • Die kurze Zeit des Friedens kommt zu ihrem Ende. Der Westen hat zwar Fehler gemacht – die Intervention im Irak und die Nicht-Intervention in Syrien – aber das erklärt die Rückkehr des Krieges nur teilweise.
  • Wichtiger dürfte eine Kombination aus höherer ökonomischer Volatilität, einem „youth bulge“ (also vielen jungen Männern), neuen Technologien und einer starken Verbreitung tödlicher Ideologie sein.
  • Der Westen hatte eine Friedensdividende: “We blew it in a two-decade party of consumption, leverage and speculation. First came the financial hangover; now comes the geopolitical reckoning. Dealing with it will mean relearning the arts of grand strategy and war.

Diesen Artikel sollten unsere Politikerinnen und Politiker in Berlin lesen. Denn dann wüssten sie, dass wir unsere Asyl- und Einwanderungspolitik reformieren müssen. Sie kann und wird keinen Bestand haben in direkter Nachbarschaft eines inhärent kriegerischen Gebietes.

→ FT (Anmeldung erforderlich): „We need to relearn the arts of war and grand strategy“, 25. September 2015