Wahl vorbei – Krise noch lange nicht

Die Frage, ob die Politik des neuen US-Präsidenten geeignet ist, die ökonomische Eiszeit zu überwinden, wird noch lange offen bleiben. Deshalb ist es gut, sich nochmal an die Fakten zu erinnern: die unbewältigte Krise, die ungebremste Verschuldung, die verfehlte Politik der letzten Jahre. Zunächst berichtet die FT von einem Beitrag von Brad DeLong zu den Ursachen der schwachen Erholung:

  • “DeLong has now taken a deep dive into (…) diagnoses of the disappointing post-crisis recovery, which doubles as a succinct typology of four principal competing explanations.”
  • “They are: A Bernanke global savings-glut. A Krugman-Blanchard return to ‘depression economics’. A Rogoffian-Minskyite crisis of overleverage and debt overhang. A Summers secular-stagnation chronic crisis.” – bto: eine gute Zusammenfassung der derzeitigen Diskussion.
  • “As long as we remain in the down-phase of the debt supercycle, even low interest rates do little to encourage the investment spending needed to drive the economy to full employment.” – bto: was wir gerade beobachten!
  • “A key mechanism by which debt overhangs are a drag on economic growth is surely that they debilitate the normal sources of aggregate demand, and, conversely, increase the share of income people desire to save rather than spend.” bto: so simpel und so zutreffend
  • “So a debt overhang could well be the ultimate cause, or at least a big contributor, in either of the other three diagnoses.” bto: Das sehe ich genauso, es ist der Kern allen Übels. Alles andere sind Beschreibungen von Symptomen.
  • “A debt overhang (…) obviously reduces demand and increases desired net savings directly as people divert larger income shares from spending to debt service (…) but a debt overhang can also harm the responsiveness of economies to the standard public policy levers to boost demand.”
  • “Looser monetary policy may have a stunted effect if a fall in the cost of credit simply encourages people to reduce debts faster — that may shorten the length of the deflationary period but not its drag on growth while it persists.” bto: Genau das beobachten wir. Schlimmer noch, es gibt keine Bereinigung, siehe Japan.
  • “What is beyond dispute is that as public debt stocks become higher, the arithmetical effect of a given interest rate on the sustainability of debt becomes more severe (…) many more countries have moved towards the danger zone where their real interest rate exceeds the economy’s growth rate, so that even a balanced budget leads to an ever increasing debt burden.” – bto: siehe Italien!
  • “(…) clearly, debt overhangs play an important role even in the alternative accounts. If they are not going away, nor is the need to figure out how to deal with them.” bto: Und um die Beantwortung dieser Frage drücken sich die Politiker.

Deshalb stimmt auch die Analyse des Lesern von bto wohlbekannten William White, ehemals Chefvolkswirt der BIZ. Erneut seine Warnungen in einem Gespräch mit der FINANZ und WIRTSCHAFT:

  • Wir sind immer noch mitten in der Krise, und es wird schlimmer werden. Das sagte William White, ehemaliger Chefökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), am Donnerstag an einem Seminar der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Luzern.”
  • Wenn die Krise dereinst ende, würden die Zentralbanken für alles verantwortlich gemacht – weil sie den Eindruck vermittelt hatten, dass sie die Probleme bewältigen können. White folgert: Die Unabhängigkeit der Zentralbanken wird aufgehoben.
  • Die Wirtschaft sei nämlich keine Maschine, sondern ein komplexes, anpassungsfähiges System, so wie viele Systeme in der Natur und der Gesellschaft. In einem solchen System gibt es kein Gleichgewicht, ausser den Tod.
  • Schon seit 1987 seien die Zentralbanken jeder Krise mit tieferen Zinsen und Liquiditätsspritzen begegnet. (…) Nun nehme die Unsicherheit zu, denn die immer expansiveren und abenteuerlicheren Massnahmen der Zentralbanken riechen nach Panik, sagt White. Zudem könne es nur eine gewisse Zeit lang funktionieren, dass künftige Nachfrage dank günstigen Krediten auf heute vorgezogen wird. Und die bereits bestehenden Schulden hielten die Konsumenten zurück.”
  • “Die Idee, dass mit tieferen Zinsen weniger gespart und mehr konsumiert wird, hat keine theoretische Grundlage. (…) Dazu kämen weitere Probleme, etwa die Schwierigkeit der Banken, im Tiefzinsumfeld Geld zu verdienen, die durch die expansive Geldpolitik aufgeblähten Preise von Vermögenswerten, die durch die tiefen Zinsen ermöglichten schlechten Investitionen und die weltweit insgesamt nach wie vor zunehmende Verschuldung.”
  • White folgert: Wir sind auf einem schlechten Pfad und haben mehr Probleme als 2007.

bto: Bekanntlich teile ich diese Sicht zu 100 Prozent. Deshalb wird trotz meines Optimismus, dass Trump in der Tat etwas ändern könnte keine verlust- und schmerzfreie Lösung geben. Es ist nur die Frage, wie Verluste und Schmerzen verteilt werden.

→ FT (Anmeldung erforderlich): “More musings on debt”, 4. November 2016

→ FINANZ und WIRTSCHAFT: “Wir haben mehr Probleme als 2007”, 4. November 2016