Varoufakis’ sozialistische Lösung für die Eurokrise

Schon vor Monaten habe ich die linke Agenda für Europa beschrieben. Umverteilung und Schulden statt Reformen und solidem Wirtschaften. Kurzfristig stimmt das auch, nur langfristig vergrößert es unsere ohnehin erheblichen Probleme weiter. Hier äußert sich Yanis Varoufakis im Interview mit der FINANZ und WIRTSCHAFT. Es ist immer gut zu wissen, was angestrebt wird und vermutlich auch kommen wird, gegeben die Kurzsichtigkeit der deutschen Politik und der Machtinstinkte der anderen Länder, allen voran Frankreich und Italien.

  • Kommt es zum Schuldenschnitt für Griechenland? „Wohl kaum, das würde ja bedeuten, dass Schäuble und Merkel ihrer Wählerschaft beichten müssten, dass sie belogen wurde und die Darlehen an Athen nicht vollständig zurückgezahlt werden. Sie müssten eingestehen, dass schon das erste Hilfsprogramm 2010 ein kapitaler Fehler war und es nur beschlossen wurde, um deutsche und französische Banken zu retten.“ – bto: Da bin ich zu 100 Prozent bei Varoufakis, was die politische Lage betrifft. Gerettet wurden vor allem französische Banken, die zudem im Unterschied zu den Deutschen ihr Geld auch abzogen. Forderungen französischer Banken wurden vom deutschen Steuerzahler übernommen. Muss man sich auf der Zunge zergehen lassen!
  • „Wir sind seit 2009 in einer Dauerkrise. Griechenland erholt sich nicht, solange sich Europa nicht zusammenrauft und einen Weg aus der eigenen Krise findet. Bis jetzt herrscht in Brüssel und den Hauptstädten diesbezüglich aber noch eine komplette Verweigerungshaltung.“ – bto: nein. Ich denke, es fehlt immer noch am grundlegenden Verständnis für die Krise.
  • Zu Griechenland: „Es braucht eine Umschuldung, ein weniger ehrgeiziges Haushaltsziel, eine Bad  Bank für die faulen Kredite und einen geordneten, fairen Verkauf der staatlichen Aktiva. Dann kann man den öffentlichen Sektor reformieren.“ – bto: Das gilt für alle Krisenländer inklusive Frankreich und Italien. Reformen könnten auch wir gut gebrauchen.
  • „Wenn man in einem deflationären Entschuldungsprozess steckt, ist es sehr schwierig, ein Land zu reformieren. Wenn die Leute hungern, kümmern sie sich nicht um die Steuerrechnung. Strukturreformen sind nur möglich, wenn die Wirtschaft expandiert, das sieht nun selbst der IWF so.“ – bto: ich auch.
  • Es stimmt, dass die Geldpolitik der EZB mit Negativzinsen in einer Sparnation wie Deutschland mehr Schaden anrichtet als hilft und dadurch den Ultranationalisten in die Hände spielt. Negativzinsen können zudem unbeabsichtigte destruktive Folgen für die Gesamtnachfrage haben, wenn die Leute um ihre Ersparnisse fürchten und den Konsum weiter zurückfahren. Es stimmt zudem auch, dass in einem Umfeld sehr tiefer Zinsen das Potenzial für zukünftige Volatilität viel höher ist.“
  • … ich muss Mario Draghi verteidigen, denn die tiefen und negativen Zinsen sind ein Symptom der europäischen Malaise und nicht die Ursache.“ – bto: RICHTIG!
  • Es gibt drei Probleme, die miteinander verbunden sind. (…) Der neutrale Zins, der Ersparnisse und Investitionen ins Gleichgewicht bringt, müsste heute noch tiefer liegen. Zweitens erschwert der hohe Leistungsbilanzüberschuss der Eurozone die Abwertungspolitik der EZB, und drittens nimmt die Geldmenge trotz der wachsenden Notenbankbilanz nicht zu.“ – bto: Das mit dem neutralen Zins ist Larry Summer und sein „Ersparnisüberhang“, bekanntlich in einer Welt der Geldschöpfung durch Banken nicht überzeugend. Handelsüberschuss ist ein Thema, exportiert aber die Krise in die Welt und damit noch schlimmer. Keine wachsende Geldmenge bedeutet nichts anderes als weniger neue Schulden. Die sind aber Folge der schon gegebenen hohen Verschuldung!
  • Als Ganzes sparen die Europäer viel mehr, als sie investieren. Das gilt sowohl für den Privatsektor als auch für die Staaten, die wegen des Stabilitätspakts die Defizite reduzieren müssen. Solange sich daran nichts ändert, bleiben die Überschüsse bestehen, und der Euro bleibt unter Aufwertungsdruck. Draghi muss noch mehr Wertschriften kaufen, um die deflationären Kräfte zu bändigen.“ – bto: siehe dazu: Der Irrsinn der Doppel-Null. Da bin ich auch bei Herrn V. Das mit der Deflation kann man sicherlich nicht so alleine erklären und zudem haben wir sie ja noch nicht.
  • Statt das Geld für Anleihen von Staaten wie Deutschland und für verbriefte Hypotheken zu verschwenden, sollte die Zentralbank den Fokus allein auf Anleihen der Europäischen Investitionsbank EIB richten. Erst bräuchte die EIB aber vom Europarat grünes Licht für ein Investitionsprogramm im Umfang von etwa 5 bis 6% des BIP. Dazu begibt sie Anleihen. Die EZB sorgt mit der Bereitschaft, diese zu erwerben, für tiefe Zinsen. So würde ein Investitionsprozess angestossen.“ – bto: Das ist Helikopter-Geld!
  • Man müsste dazu die Verbindlichkeiten aller Eurostaaten in gute und schlechte Schulden unterteilen. Die guten oder legalen Schulden sind der Teil, der unter der Maastrichter Grenze von 60% des BIP liegt, darüber ist der schlechte Teil. Die EZB hilft den Ländern nur bei den guten Schulden. Sie druckt dazu nicht einfach Geld, sondern begibt eigene Anleihen im Auftrag des Staates. Die Zinsen dieser EZB-Bonds wären tiefer, die Zinslast der Staaten würde sinken. Diese Lösung ist sogar kompatibel mit der EZB-Charta.“ – bto: Da frage ich mich natürlich, welche weitere Zinssenkung sich V. hier verspricht! Das kann doch nichts an der Malaise ändern, in der wir stecken. Letztlich sind das Eurobonds via EZB. Richtig wäre eine Annullierung der 60 Prozent über die EZB-Bilanz.
  • „Denn auf dem schlechten Teil der Schulden würde das Zinsniveau von den Marktkräften bestimmt, wodurch die Staaten diszipliniert würden.“ – bto: absolut illusorisch. Die gewichteten Zinsen Italiens wären dann höher als heute. Damit wäre der Konkurs besiegelt. Niemals würden die Staaten einem solchen Vorgehen zustimmen.
  • „Die Bankenunion ist noch nicht vollständig. Rom hat weniger Spielraum, eine Bank zu retten, als Berlin. Deshalb braucht es die Möglichkeit, dass im Konkursfall die Bank unter EU-Recht fällt und die EZB mit eigenen Leuten das Insolvenzverfahren abwickelt.“ – btoKlartext: Erst wenn Berlin für die italienischen Banken bezahlt, ist alles gut. Oder, wenn die EZB alle durchfinanziert!

Vieles, was V. sagt, ist richtig. Die Lösung ist ebenfalls in weiten Teilen nicht falsch. Was er aber nicht sagt: Wer trägt die Kosten, wie hoch sind sie und vor allem, was tun wir perspektivisch, um den Wohlstand in Europa zu erhalten?

→ FINANZ und WIRTSCHAFT: „Negativzins ist Symptom, nicht Ursache“, 15. April 2016