Three myths about Greece’s enormous debt mountain

Mit 175 Prozent Staatschulden relativ zum BIP ist Griechenland überschuldet. Doch bevor daraus der Schluss gezogen wird, dass die Schulden wirklich zu hoch sind, muss man etwas genauer hinschauen. Dies tut der Telegraph in einem kleinen Beitrag:

Mythos 1: Sie können nie zurückzahlen. Das ist aber weniger eine Frage der Höhe als des Zeitpunkts, zu dem die Zahlungen fällig werden. Dank der verschiedenen Umschuldungsrunden liegt die durchschnittliche Laufzeit der Schulden bei 16,5 Jahren. Die letzte Zahlung ist erst 2054 fällig. Bis dahin kann noch viel passieren. (bto: Ist ja auch nichts anderes als ein Schuldenschnitt, nur für die Steuerzahler nicht so offensichtlich.)

Mythos 2: Griechenland leidet unter hohen Zinsen. In Wahrheit ist die Belastung der Griechen mit Zinsen in Höhe von 2,6 Prozent vom BIP geringer als in Spanien, Italien, Portugal und Irland.

Mythos 3: Griechenland kann sich nur durch Schuldenschnitt wieder erholen. Nicht nötig. Es genügt, den Primärüberschuss von derzeit 4,5 Prozent vom BIP zu senken. Also in der Tat mehr Staatsausgaben. (bto: Das sehe ich auch so, allerdings sollte Griechenland lieber investieren statt zu konsumieren.)

Dies alles ändert nichts an der Tatsache, dass die Schulden, die Griechenland hat, überwiegend dazu gedient haben, die ausländischen Geldgeber zu retten. Diese hätte man ernsthaft an den Kosten beteiligen sollen, da in der heutigen Welt auch die Kreditgeber eine Sorgfaltspflicht haben. Dies waren aber auch deutsche und französische Banken. Ich denke, Griechenlands Hauptprobleme bleiben Korruption, Misswirtschaft und ungerechte Besteuerung. Im Euro wird das Land nicht wettbewerbsfähig werden. Die Schulden sind eigentlich schon “geschnitten”, wenn man auf die tatsächliche Belastung schaut. Und der Euroraum als Ganzes versucht es auf die gleiche Weise. Tiefe oder negative Zinsen mit immer längeren Laufzeiten machen auch 200 Prozent Staatsschulden tragbar. Siehe Japan (allerdings kauft auch dies nur Zeit …)

The Telegraph: Three myths about Greece’s enormous debt mountain, 29. Januar 2015

Kommentare (7) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Cajus
    Cajus sagte:

    Das Problem liegt eben darin, dass Griechenland beständig mehr Geld ausgibt als es einnimmt. Der Schuldenstand war zum Zeitpunkt des Euro-Beitritts schon recht hoch und lag seinerzeit bereits über 100% des BIPs. Zu Ende 2013 wurden bereits ca. 175% des BIPs erreicht. Die Ursachen hierfür sind vielfach benannt (wurden auch von DS nochmals vorgenannt) und dürften somit auch weitgehend bekannt sein, was eine weitere Aufwärmung an dieser Stelle erspart.

    Es erscheint nicht nur äußerst zweifelhaft, ob Griechenland jemals dazu in der Lage sein wird, dermaßen große Überschüsse zu erwirtschaften, um den immensen Schuldenberg abzutragen, nein, das ist so gut wie ausgeschlossen. Die Gesten der Eurogruppe wie beispielsweise sehr niedrige Zinsen und recht ausgedehnt gestreckte Kreditlaufzeiten mögen entgegenkommend wirken, verlängern jedoch nur das griechische Siechtum, bis es in der gezeigten Aufführung dann doch letztlich zur fälligen Katharsis kommt. Griechenland ist so gut wie bankrott und im Prinzip wissen es alle Protagonisten. Es ist halt eine simple Regel, dass wenn man in endlicher Zeit mehr ausgibt als man einnimmt, die unweigerliche Pleite folgt.

    Franklin D. Roosevelt erklärte in seiner Antrittsrede 1933, also noch vier Jahre nach Beginn der großen Depression: “Die Kreditgeber bestimmten die Religion und als einzige Methode zur Lösung der Schuldenkrise schlagen sie noch mehr Schulden vor”. Das ist ein passender Vergleich und schlägt auch hier eine Brücke zur Gegenwart, wenn, wie es der US-Finanzminister Jack Lew aktuell tut, die neue Regierung in Athen dazu aufgerufen wird, mit seinen Geldgebern enger und besser zusammenzuarbeiten.

    Wenn Du entdeckst, dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab, so lautet eine alte indianische Weisheit. Die Kreditgeber Griechenlands erklären jedoch: “Kein Pferd kann so tot sein, dass man es nicht doch noch motivieren könnte.”

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    • Daniel Stelter
      Daniel Stelter sagte:

      Richtig. Man kann natürlich versuchen, über Null-Zins und Null-Tilgung den Endpunkt maximal hinauszuzögern und zugleich auf Inflation zu setzen. Dies ist aber nur eine andere Form der Pleite.

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  2. KRK
    KRK sagte:

    Sehr geehrter Herr Dr. Stelter,

    mit erschließt sich bislang nicht das immer wieder gehörte Argument, Griechenland könne seine Schulden nie zurückzahlen. Kommt es nicht nur darauf an, ob sie die Zinslast schultern können und bei Fälligkeit jeweils Anschlussfinanzierungen am Kapitalmarkt gefunden werden können?
    Auch z.B. Siemens wird seine Schulden nie zurückzahlen können, es sei denn, das Unternehmen wird liquidiert (und selbst dann dürfte aufgrund von Auslaufkosten etc. die Zahlungsunfähigkeit eintreten).
    So wie auch Betriebsmittelkrediten dauerhaft, ggf. revolvierend in Anspruch genommen werden müssen, kann m.E. auch ein Staat dauerhaft Kredite aufnehmen. Eine echte Tilgung ist dabei nie vorgesehen.
    Und natürlich wird auch Deutschland seine Kredite nie zurückzahlen, unabhängig von seiner Verschuldungsquote zum BIP.
    Hier wäre ich für einen kurzen Hinweis Ihrerseits dankbar.

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    • Daniel Stelter
      Daniel Stelter sagte:

      Vielen Dank für Ihre Anmerkung. Dies ist ja auch der Tenor des Beitrags, der genau darauf hinweist: späte Fälligkeiten (da hilft Inflation) und tiefe Zinslasten. Natürlich muss weder Siemens noch ein Staat alle Schulden zurückzahlen, beide können sie “rollen”. Allerdings geht das nur bis zu einer bestimmten Schuldenquote relativ zum Einkommen (EBITDA bei Unternehmen, also quasi Cash-Flow ‒ und Steuereinnahmen beim Staat). Liegt die Quote zu hoch, steigt das Risiko, dass es der Schuldner nicht mehr kann, und dann wird die Umschuldung teuerer oder gar unmöglich. Dann ist Pleite da. Unterschied Siemens zu Staat: Letzterer kann das Geld meist selber drucken, Siemens muss es am Markt verdienen. Nur wenn man nicht selber drucken kann ‒ wie im ursprünglich gedachten Euro ‒ macht der Staat offen Pleite. Sonst verdeckt über Geldentwertung.

      LG

      DSt

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  3. MFK
    MFK sagte:

    Zunächst einmal entstehen Schulden nicht aus dem Nichts. Schulden entstehen aus Kreditaufnahmen. Diese Zuflüsse aus der Kreditaufnahme sind in den Haushalt geflossen. Dass diese Kredite später umgeschuldet wurden ändert hieran nichts. Es war die freie Entscheidung einer gewählten griechischen Regierung, diese Kredite aufzunehmen. Hierzu verführt wurde sie wohl auch durch die niedrigen Zinsen, die Griechenland (damals) am Markt als EURO Mitglied zahlen musste. Wenn die neue Syriza Regierung meint hiermit nichts zu tun zu haben und diese Schulden als Nachfolgeregierung nicht honorieren muss, so ist dieses falsch. Es ist daher auch Polemik, wenn behauptet wird, die “Rettungsmaßnahmen” hätten lediglich den Zweck gehabt, gierige Kapitalisten schadlos zu halten und die Schulden hätten dazu gedient hätten diese “herauszuhauen”. Diese Betrachtung verkennt ganz eindeutig die Zahlungsströme. Am Anfang stand die Kreditaufnahme und diese Gelder hieraus sind in den Staatshaushalt geflossen. Profitiert haben hiervon auch keineswegs nur Oligarchen. Diese arbeiten bekanntlich nicht im öffentlichen Dienst oder in der Armee. Was dringend benötigt wird, ist ein Insolvenzrecht für Staaten. Dieses muss die Rechte der Schuldner schützen aber auch sicherstellen, dass Pleite-Länder nicht auf ewig in einer Schuldknechtschaft gefangen sind.

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  4. Alexander Naghi
    Alexander Naghi sagte:

    Hallo Herr Dr Stelter,

    da bin ich ganz bei Ihnen. An einem Schuldenschnitt kommt man nicht mehr vorbei bzw. dieser findet bereits schon statt. Den Schuldenschnitt sollte man jedoch mit einem Austritt Griechenlands aus der Eurozone verbinden; nur so kann das Land seine Wettbewerbsfähigkeit steigern und aus eigener Kraft aus der Misere langfristig rauskommen. In so einer Konstellation könnte das Land ohne große Vorbelastungen (Schulden) einen Neuanfang wagen und sich ein neues wirtschaftliches Fundament bauen (auch mit europäischer Hilfe). Die erste Phase wäre natürlich für das Land sehr schmerzhaft, jedoch langfristig wäre dies der richtige Weg. Griechenland ist wirtschaftlich noch nicht so weit, dass es eine gemeinsame Währung mit Deutschland haben kann.

    Schöne Grüße,
    ANaghi

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  5. Cajus
    Cajus sagte:

    Habe ähnliches im Sinn gehabt, als kürzlich einige Publikationen nochmals einen Blick auf die Modalitäten der griechischen Schuldentilgung freigaben. Wie Sie auch schreiben, drängt sich hier stark der Eindruck auf, dass die Griechen ihren Schuldenschnitt hiermit bereits aufgrund der sehr weiträumigen Tilgungsfristen schon bekommen haben. Desweiteren käme erleichternd hinzu, dass, wenn sich Hr. Draghi weiterhin so ins Zeug legt, steigende Inflationsraten die Schuldenlasten erheblich mindern könnten. Nominal käme es evtl. zu einer Rückzahlung, aber eine angepeilte Inflationsrate von 2% bedeutet eben eine Geldentwertung von über 30% innerhalb von 20 Jahren und über 50% innert 40 Jahren.

    Gemäß eines aktuellen SPON-Artikels muss Griechenland die Hilfskredite aus dem ersten Rettungspaket ja ohnehin erst zwischen den Jahren 2020 und 2041 abzahlen, die Zinsen wurden derart deutlich gesenkt, dass man diese durchaus als gering bezeichnen dürfte. Beim zweiten Griechenland-Paket muss Athen erst zwischen 2023 und 2057 Kredite tilgen, die Zinszahlungen wurden in 2012 um zehn Jahre aufgeschoben. Und an den Stellschrauben bzgl. der Laufzeiten für die Tilgung lässt sich bei Bedarf ja sicherlich auch noch drehen, gemäß des ehemaligen Smash-Hits “In the year 2525” von Zager & Evans.

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