Theoretisch richtig: “Schwache Banken sollten aus dem Markt ausscheiden”

In einem Interview in WiWo.de erklärt die Wirtschaftsweise Isabel Schnabel, “warum die EZB zu spät eingreift und Regierungen auch mal eine Bankpleite akzeptieren sollten”. Theoretisch alles richtig! Da wird innerhalb des Systems argumentiert, ohne zu erkennen, dass das System als Ganzes a) pleite ist, b) neu geordnet werden muss:

  • Das Problem der italienischen Banken mit Not leidenden Krediten ist seit Langem bekannt. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ja bereits in der umfassenden Bankenprüfung 2014 offengelegt, wie viele faule Kredite in den Bilanzen stehen.” bto: richtig. Doch warum hat man nichts gemacht? Eben, weil es um eine Umverteilung nicht nur innerhalb eines Landes, sondern zwischen den Ländern geht.
  • Die Krise wird zum Teil heraufbeschworen, um eine staatliche Intervention im Bankensystem trotz der neuen Abwicklungsregeln möglich zu machen. Derzeit würde ich nicht von einer akuten Bankenpanik sprechen.” bto: Das sehe ich anders. Kommt es zu einer Beteiligung der Gläubiger (die natürlich inhaltlich richtig ist!), wird niemand in Europa mehr Banken Geld leihen und das geht angesichts der faktischen Lage der Banken nicht. 
  • Der Verzicht auf eine Beteiligung der Gläubiger wäre fatal. Wir dürfen die geschaffenen Regeln nicht gleich beim ersten Anwendungsfall kippen. Die italienischen Kleinanleger könnten nachgelagert kompensiert werden, wenn dies für notwendig erachtet wird. Das sollte man aber von der Entscheidung über einen Bail-in trennen.” bto: Auch das ist richtig, doch auch nur innerhalb des Systems.
  • Die Niedrigzinsphase frisst sich langsam in das Bankensystem hinein und die Banken werden immer weniger profitabel. Für neu vergebene Kredite bekommen sie trotz langer Laufzeiten kaum noch Zinsen, und eine Senkung der Einlagenzinsen unter null ist schwierig. Die längeren Zinsbindungen erhöhen gleichzeitig die Risiken für die Banken.” bto: Ja, und damit werden die kranken Banken noch kränker.
  • Gleichzeitig wird ein Ausstieg aus der lockeren Zinspolitik für die EZB immer schwieriger, weil dieser den Banken sehr schaden würde. Sie müssten dann selbst höhere Zinsen zahlen, während sie für ihre langfristig vergebenen Kredite weiterhin kaum Zinsen bekämen.” bto: Damit ist die Geldpolitik ziemlich am Ende der Sackgasse angekommen.
  • Das Hauptproblem der Deutschen Bank ist das geringe Eigenkapital, was gerade bei einer systemrelevanten Bank problematisch ist. Gleichzeitig ist es derzeit aber sehr schwierig, frisches Kapital aufzunehmen, wie auch die Aktienkurse der Banken zeigen.”   bto: Natürlich gibt niemand Geld an Banken, die damit bestenfalls Löcher stopfen. Das ist ein Problem. 

Professor Schnabel hat so recht, mit dem was sie sagt. Leider passt, was sie sagt, nicht in die Welt von Euro, EU und völliger Überschuldung. Besser und realistischer ist da Mark Dittli in der FINANZ und WIRTSCHAFT:

  • “(…) es wäre falsch, das Thema bloss auf Italien einzugrenzen. Das gesamte Bankensystem in Europa wankt.” bto: Realschuldner sind überschuldet, was erwartet man dann anderes von den Banken. 
  • Die Antwort auf die Frage des Wieso ist an sich simpel: Europas Bankensystem ist unterkapitalisiert. Und damit nicht robust.” bto: Das stimmt. Aber diese Unterkapitalisierung geht eben mit der Überschuldung einher und muss gemeinsam betrachtet werden. 
  • “Wie kann es sein, dass Europas Grossbanken heute noch, mehr als sieben Jahre nach der schlimmsten Finanzkrise seit den 1930er-Jahren, unterkapitalisiert sind? Die Antwort liegt erstens in der Politik. Und zweitens im Verhalten der Banken.” bto: Es liegt aber auch an der fehlenden Bereinigung der Schulden in der Realwirtschaft (Stichwort Schuldentilgungsfonds) und dem Konstrukt des Euro, der die Probleme verstärkt. Auch dies ist Folge der falschen Politik.
  • In den USA wählte die Regierung einen radikalen Weg, um das Finanzsystem zu stärken: Sie pumpte 430 Milliarden Dollar in die zwanzig wichtigsten Geldhäuser des Landes. Diese Kapitalhilfe war für die einzelnen Banken nicht fakultativ; sie mussten sie annehmen. (…) Bereits im Sommer 2009 wiesen die systemrelevanten US-Grossbanken deutlich höhere Eigenkapitaldecken auf. Das System war robuster geworden. Das Vertrauen war wieder da.” bto: Und die Realschulden der USA liegen tiefer als bei uns und der Staat hat weitaus radikaler mit Schulden die Wirtschaft stabilisiert. 
  • Während die Amerikaner ihre Grossbanken zu höheren Eigenkapitalquoten zwangen, geschah in Europa also nichts.” Die Rettung Griechenlands war “im Kern keine Rettung für den griechischen Staat, sondern für die deutschen und französischen Banken, die mit riesigen Kreditguthaben in Griechenland auf dem Trockenen sassen.”  bto:  wie die Rettung Irlands … Natürlich findet hier ein einmaliges Theater statt. 
  • Als in den Jahren 2010 bis 2012 im Rahmen des Basler Ausschusses der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) das neue, härtere Bilanzregelwerk Basel III ausgearbeitet wurde, waren es die Delegationen Frankreichs und Deutschlands, die den Prozess bremsten und bei jeder Gelegenheit torpedierten ().”  bto:  wie auch bei der Einhaltung der Maastricht-Regeln …
  • Während all dieser Jahre verschlossen die Politiker in Europa die Augen vor der Tatsache, dass ihre eigenen Grossbanken zu schwach kapitalisiert sind und damit ein permanentes Systemrisiko darstellen.”  bto: und vor den Schulden der Realwirtschaft, dem Desaster des Euro, der Migrationskrise aus dem Nahen Osten und Afrika.
  • “Die Manager dieser Banken standen kaum unter Druck, ihre Bilanzen proaktiv zu stärken – im Gegenteil: Sie haben zwischen 2010 und 2015 mehrere Hundert Milliarden Euro in Form von Dividenden an ihre Aktionäre ausgeschüttet.”  bto:  Das hing auch damit zusammen, dass sie sonst die Illusion, alles wäre paletti, die die Politik sich so wünschte, gestört hätten. Aus meiner Beratungstätigkeit weiß ich, dass jene Bank, die als erstes die Notbremse zieht, am Kapitalmarkt gegenüber allen anderen Banken abgestraft wird.

“Und so sind wir heute wieder so weit. Europas Banken wanken. Aus eigenem Verschulden. Und wieder müssen sich die Finanzmärkte vor einem Kollaps des Bankensystems fürchten.”  bto:  Wir müssen einen Kollaps des Finanzsystems fürchten, weil wir überschuldet sind.

Wir brauchen einen Reset für die Schulden und eine Systemdiskussion: Vollgeld? Zerschlagen der Banken in kleinere Einheiten mit deutlich mehr Eigenkapital? Wir brauchen endlich eine fundamentale Diskussion.

→ WiWo.de: “Schwache Banken sollten aus dem Markt ausscheiden”, 15. Juli 2016

→ FINANZ und WIRTSCHAFT: “Was ist bloss mit Europas Banken los?”, 15. Juli 2016

Kommentare (2) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Ondoron
    Ondoron sagte:

    Ich bin sehr dafür, dass die europäischen Staaten jeweils ihren Staatsbankrott erklären. Auch Deutschland! Und dann eine Währungsreform aufräumt.
    Der Vorzug dieser Lösung wäre, dass die ganzen verantwortlichen Politiker ihrer Pensionsansprüche verlustig gingen; es wäre nur gerecht, wenn diese für ihre “politischen Projekte” mit entsetzlicher Altersarmut zur Rechenschaft gezogen würden. Das wäre das Mindeste!!

    Antworten
  2. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    Dr. Stelter, bin völlig Ihrer Meinung.

    Das SYSTEM hat das (nahe) ENDE des Verschuldungszyklus erreicht.

    Wenn man sich das klargemacht hat, sieht man, was in der VERGANGENHEIT falsch gelaufen ist:

    Die Notenbanken haben in den realwirtschaftlichen Problemen IMMER nur eine konjunkturelle Schwäche erkannt, die durch Kreditausweitung zu beheben sei. Sie haben NIE gesehen, dass sie dadurch den Kreditzyklus fortschreiben und schneller ans Ende treiben.

    Der Kreditzyklus kann nur durch eine INSOLVENZWELLE gleich einem Tsunami korrigiert und gestoppt werden. Das ist die notwendige Bedingung für einen Neuanfang.

    Daran wurde nicht einmal gedacht – verständlicherweise, denn das lag außerhalb jeder, auch theoretischen Erfassbarkeit. Da musste man sich etwaige Konsequenzen nicht einmal vor Augen führen.

    Wenn man sich klargemacht hat, dass das System nahe dem Ende des Verschuldungszyklus ist – und ich verstehe nicht, WIE man sich das NICHT klarmachen kann –, dann sieht man, was HEUTE falsch läuft:

    Heute erkennt man anders als vor, sagen wir 20 Jahren, die KOSTEN einer Tsunami-Insolvenzwelle.

    Es ist ein Dogma, dass es DIESE Kosten nicht geben darf.

    Deshalb wird INNERHALB des Systems auf Basis von KOSTENMINIMIERUNGSSTRATEGIEN nach der Lösung gesucht.

    Da kann natürlich keine zugegeben, dass sich das System INSGESAMT nicht verbessert, sondern lediglich der Verschuldungszyklus vorangetrieben wird.

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