„The Coming China Crisis“

Nach dem größten Kurssturz seit acht Jahren setzt sich die Talfahrt an Chinas Börsen fort. Der Composite Index in Schanghai eröffnete am Dienstag mit einem Minus von vier Prozent. Der Component Index in Shenzhen verlor zu Handelsbeginn ebenfalls rund vier Prozent. Wie hier immer wieder kommentiert, droht sich etwas für China und die Welt Bedrohliches zusammenzubrauen. Der Aktiencrash ist, wie ich vor zwei Wochen bei mm kommentiert habe, mehr als nur ein finanzielles Ereignis. Heute und morgen deshalb ein „China Special“ mit einer Auswahl der besten Beiträge der letzten Monate. Dieser erschien bereits im April 2015. Höchst aktuell! 

Ein Leser hat mich auf diesen Beitrag zu China hingewiesen (und zugleich die Highlights zusammengefasst!). bto hat verschiedentlich auf die Probleme hingewiesen, die aus dem enormen Kreditwachstum Chinas resultieren können. Eine Meinung, die zunehmend Verbreitung findet, so auch hier:

  • Ein rascher Anstieg der privaten Verschuldung war die Ursache der japanischen Krise von 1991 und jener der USA und Europas seit 2008. China könnte der nächste Kandidat sein.
  • Die Mainstream-Volkswirtschaft vernachlässigt Privatschulden. (bto: eine Erfahrung, die ich auch gemacht habe. Die meisten Volkswirte sind überrascht, wenn ich die Zahlen zeige!) Folge: Sie sind von der Krise überrascht und empfehlen die falsche Medizin. Hohe private Verschuldung verursacht Krisen und dämpft danach das Wirtschaftswachstum. (Richtig: Davor ist es zu hoch, danach fehlt das Doping und das Wachstum ist durch Deleveraging gedrückt.) Die Volkswirte denken, die Schulden sind egal, weil es zu jedem Schuldner auch einen Gläubiger gibt, weshalb es netto null ist (bto: weshalb auch Piketty nur auf eine Seite schaut). Dabei sind die Gläubiger tendenziell Institutionen und Vermögende und die Schuldner haben eher mittlere Einkommen, weshalb es für das Wirtschaftswachstum so wichtig ist.
  • Die USA sollten aus den Problemen Chinas (und Europas, würde ich ergänzen) und die privaten Schulden reduzieren. Diese sind immer noch auf einem hohen Niveau. Kommt es zu einer weiteren Rezession, werden diese Schulden die Wirtschaft drücken.
  • Ein Schuldenschnitt sollte ernsthaft als Option betrachtet werden, zum Beispiel über eine Abschreibung der Hypothekenforderungen über 30 Jahre. ‒ bto erinnert an meinen Schuldentilgungsfonds für Europa.
  • Der Kreditboom in China hat zu massiven Überkapazitäten bei Immobilien, Stahl, Eisen und vielen anderen Gütern geführt. Zwei bis drei Billionen US-Dollar an Krediten dürften wertlos sein (zur Erinnerung: in Europa drei bis fünf Billionen Euro).
  • Da das Wachstum vor allem auf Investitionen beruht, wachsen die Überkapazitäten weiter an.
  • Damit fällt die Wachstumsmaschine der Weltwirtschaft bald weg, die offene Frage ist nur, wie das geschehen wird. Dabei ist eine Finanzkrise sehr wahrscheinlich.
  • Der Kreditboom führt zu erheblichen Fehlinvestitionen und damit Verlusten für die Kreditgeber. So betrugen die Verluste der US-Banken in der Krise 2007 immerhin 2,5 Billionen US-Dollar ‒ bei einem Eigenkapital von 1,5 Billionen.
  • Die Kredite an dem chinesischen Unternehmenssektor sind höher als die in den USA, obwohl die US-Wirtschaft um 82 Prozent größer ist. Es dürfte die größte Anhäufung fauler Schulden in der Geschichte sein.
  • Die Lösung muss Überkapazitäten und Überschuldung zugleich lösen. Dafür bedarf es Zeit und Geld. Zeit, um in die Kapazitäten hineinzuwachsen (so das überhaupt geht angesichts der Demografie!) und Kapital, um die Banken und Kreditgeber zu rekapitalisieren. Die Frage ist: Was kann die chinesische Regierung tun?
  • Mit Staatsgarantien und Rekapitalisierungen dürfte es China gelingen, eine akute Finanzkrise zu verhindern. Aber das Problem der Fehlinvestitionen ist damit nicht gelöst. Das Wachstum dürfte deutlich zurückgehen und vermutlich auf Jahre hinaus gering bleiben (auch angesichts der Demografie!)
  • Nicht ohne Auswirkungen für den Rest der Welt: 1) Verluste auf Krediten nach China, 2) weniger Exporte nach China, 3) geringere Preise für Rohstoffe, 4) Abwertungsdruck auf die eigene Währung, falls die chinesische Währung abwertet (und das wird sie und damit den deflationären Druck in der Welt erhöhen).
  • Besser wäre jedoch, wenn China die Schulden rasch und entschieden restrukturieren und die Endschuldner entsprechend entlasten würde.
  • Europa und Japan stagnieren, die USA erholen sich langsam und China ist der Hauptgrund für Sorge. Der Abschwung wird erhebliche Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben.

Ich denke, die USA sind nur relativ gesehen besser. Auch dort ist die Wirtschaft schwach. Damit sind 60 Prozent der Weltwirtschaft in der Krise und der größte Teil des Rests hängt davon ab. 2015 mag gut sein, eventuell auch noch 2016. Aber die Gesamtgemengelage ist ernst. Auf jeden Fall verspricht sie für lange Zeit großzügige Notenbanken.

→ Democracy Journal: „The Coming China Crisis“, Frühjahr 2015

Kommentare (4) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. MFK
    MFK sagte:

    Moin Herr Dr. Stelter,

    auch China wächst nicht linear, sondern wie alle emerging markets in Wellen. Viele Chinesen neigen zudem stark zu spekulativem Investments. Wer schon einmal in China war, weiß was ich meine. Die derzeitige Entwicklung des Aktienmarktes würde ich deshalb nicht überbewerten. Wichtig erscheint mir, dass man nun die gesunde Konsolidierung nicht dadurch verhindert, dass der Staat eingreift. Solide stark wachsende Unternehmen, ich denke da z.B. an Huawei u.a., werden auch weiterhin Kapital über die Börse bekommen. Aber der Mensch denkt halt linear. Ich erinnere mich an Artikel im Netz, welche noch vor wenigen Monaten den chinesischen Aktienmarkt angepriesen haben, jetzt ist auf einmal alles ganz schrecklich, dabei werden gerade nur Exzesse der Vergangenheit bereinigt. Dieses wird sich fortsetzen, gerade im Immobilienbereich. Langfristig bleibt China aber einer der wenigen Wachstumsmärkte.

    Beste Grüße
    MK

    Antworten
  2. MFK
    MFK sagte:

    Verstehe ich nicht. Der Shanghai Composite ist nach meiner Berechnung auf Jahressicht mit über 71% im Plus. Aber vielleicht stimmen ja meine Berechnungen nicht.

    Antworten
    • Daniel Stelter
      Daniel Stelter sagte:

      In dem Beitrag geht es ja nicht um den Aktienmarkt, sondern die fundamentale Entwicklung in China, welches vor erheblichen Schuldenproblemen steht. Die 71 Prozent plus will ich gar nicht bezweifeln. Es geht aber um die Realwirtschaft. Die Börse sollte dazu dienen die EK-Ausstattung der Firmen zu verbessern. Dies geht nun nicht mehr.

      LG

      DST

      Antworten
      • Dieter Krause
        Dieter Krause sagte:

        Ja damit, die hohen privaten Ersparnisse der Chinesen in die Aktienmärkte zu locken, um die EK-Basis der Firmen zu stärken, ist die KPoC jetzt krachend gescheitert! Mal sehen, wie sich der Schock langfristig auswirken wird. Wenn er konsolidierend wirkt, war es am Ende wohl in Ordnung.

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