The bond market’s dance over European debt will not last forever

Professor Barry Eichengreen mit einem Beitrag in der FT ‒ wiederum das Offensichtliche wiederholend. Europa bekommt die Schulden nicht in den Griff. Die Strategie, sich aus der Krise herauszusparen, funktioniert nicht. Er verweist auf drei Beispiele der jüngeren Geschichte, wo es Regierungen gelungen ist, längere Zeit sogenannte Primärüberschüsse zu erzielen. Also Haushaltsüberschüsse vor Zinszahlungen:

  • Norwegen seit 1995. Ursache waren die Rekordeinnahmen für Öl und Gas, die dazu genutzt wurden, einen Sovereign Wealth Fund zu befüllen.
  • Singapur seit 1990. Kleine Volkswirtschaft mit starker politischer Führung. Es konnte kommuniziert werden, dass es sich lohnt, für schlechte Zeiten eine Rücklage zu bilden. (bto: Und das absolute Wohlstandsniveau ist deutlich höher als in Europa, was die Akzeptanz zusätzlich erleichtert.)
  • Belgien seit 1995. Nur durch drastische Sparmaßnahmen konnte Belgien den Eintritt in den Euro schaffen. Verbunden wurden die Sparmaßnahmen mit tiefgreifenden Reformen. (bto: Und Belgien war alleine, heute versucht es fast die ganze Welt gleichzeitig.)
  • bto: Würde noch England nach den napoleonischen Kriegen ergänzen, wobei Piketty in den rund 100 Jahren Primärüberschuss den Grund dafür sieht, dass England das Empire nicht erhalten konnte. (bto: Bezweifle ich.)

Doch um bis 2030 zu tragbaren Schuldenständen von 60 Prozent des BIP zu kommen, müssten die Krisenländer Europas Primärüberschüsse von vier Prozent des BIP (Spanien), fünf Prozent (Irland, Italien, Portugal) und sieben Prozent (Griechenland) erzielen. Jedes Jahr bis 2030. Völlig illusorisch und vor allem politisch nicht durchsetzbar (bto: richtig).

Da auch Wachstum nicht erzwungen werden kann, die einfache Schlussfolgerung: Die Schulden müssen restrukturiert werden. Das ist auch richtig. Was Eichengreen jedoch wie alle anderen nicht sagt, ist:

  • Es sind nicht nur die Staats-, sondern auch die Privatschulden, die wir restrukturieren müssen.
  • Um wie viel es geht ‒ ich bleibe bei meinen drei bis fünf Billionen.
  • Wer welchen Anteil an den Verlusten trägt. (bto: Und da wird es nämlich ernst.)
  • Wie die Restrukturierung organisiert wird. (bto: Meine Vorschläge sind bekannt.)

FT (Anmeldung erforderlich): The bond market’s dance over European debt will not last forever, 17. November 2014

Kommentare (14) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Uwe
    Uwe sagte:

    Nach solcher Restrukturierung ist das Vertrauen dahin.
    Auf welcher Basis, die der Michel ebenso, wie Lieschen Müller, ihres
    Zeichens Schwäbische Hausfrau, versteht, soll sich dann ein Geldersatzsystem
    gründen? Bartern ist vorübergehend möglich in Verbindung mit Bezugsscheinen
    kann man eine gescheiterte Gesellschaft kurzzeitig verwalten.
    Es gibt Leute, die seit Jahren Gold- und Silbermünzen, auch Barren horten.
    Das kann´s aber auch nicht sein. Wie sieht also Ihr Neubeginn aus?
    Mit Bitcoin Bananen auf dem Wochenmarkt erstehen?

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    • Daniel Stelter
      Daniel Stelter sagte:

      Ich denke immer mehr, es könnte in der Tat ein Übergang zu Vollgeld sein, wie auf diesen Seiten mehrfach diskutiert. Die Umstellung hilft bei der Bewältigung des Schuldenproblems und könnte die Grundlage für eine Begrenzung des Kreditwachstums und damit eine Wiederholung der Krise sein. Danke für Ihr Interesse. Dst

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  2. Dieter Krause
    Dieter Krause sagte:

    Was ist denn eigentlich IHR reeller Anteil am deutschen Volksvermögen? Den können Sie doch gar nicht wirklich bestimmen! Die Libertären, die gern eine Privatrechtsgesellschaft ohne Staat errichten würden, behaupten das immer – können es aber nicht wirklich. Im übrigen können Sie Ihren Anteil an den öffentlichen Gütern gar nicht vernünftig bewerten. Immerhin haben wir in Deutschland eine um den Faktor 100 geringere Mordrate als z.B. in Honduras (90 je 100.000 Einwohner – USA zum Vergleich 4,7; Deutschland 0,8). Steigert schon mal ein bisschen die Lebensqualität und das Vertrauen in den Nachbarn oder? – Sie werden im übrigen jetzt auch mit in die Haftung für die Banken-Bail-outs in der Euro-Zone genommen, wobei in Europa übrigens die Banken nicht too-big-to-fail sondern eher too-big-to-bail sein dürften! Den Unterschied dazu werden Sie in spätestens fünf Jahren sehen, wenn die Amerikaner wieder vernünftiges Wirtschaftswachstum haben werden und die Euro-Zone immer noch an der Deflationsgrenze herumkrebst. In den USA ist das Immobilienproblem bald behoben; in Spanien noch in fünf Jahren nicht! Hat auch mit den Unterschieden in der Haftung der Kreditnehmer un d Hausbesitzer zu tun (institutionelles Design). Natürlich ist das auch Politikversagen! Aber die Ökonomen haben noch viel stärker versagt. Die haben viele wichtige Fragen einfach übersehen. Deutschland kann mit China partiell konkurrieren – aber Griechenland? Und Portugal? Deren Texilindustrie ist doch schon in den 1990er Jahren kollabiert, weil die Chinesen das alles viel billiger herstellen konnten. Was haben die eigentlich mit den Euro-Gewinnen durch extrem niedrige Zinsen gemacht (was im übrigen eine Art Marshall-Plan für den EU-Süden war)? Im Konsum verfrühstückt (Griechenland, Spanien)! Jetzt können sie noch nicht mal ihre Währung abwerten, um das zumindest ein bisschen auszugleichen (die Chinesen betreiben natürlich auch im großen Maßstab Währungsdumping). Wird schwierig, aus dem Schlamassel herauszukommen – nur mit Austerity wird es aber eher noch schlimmer! Muss ein Mix sein. Können Sie bei Dr. Stelter gut nachlesen! Und hier wäre dann auch Deutschlands kluge Solidarität gefordert! Kluge, nicht dumme! Denn kluge Solidarität ist immer auch im Eigeninteresse (die Amerikaner nach 1945 in Deutschland – war ein gewaltiger Unterschied zu den Franzosen nach 1918)!

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    • Gregor_H
      Gregor_H sagte:

      Sie schreiben “Und hier wäre dann auch Deutschlands kluge Solidarität gefordert!”
      Können Sie kurz skizzieren wie Sie sich das vorstellen?
      Danke!

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      • Daniel Stelter
        Daniel Stelter sagte:

        Ja, dabei verweise ich gerne auf mein Paper “Fixing the Eurozone”. Darin schlage ich vor, die faulen Schulden von Staaten und Privaten auf europäischer Ebene zu poolen und über 20 Jahre abzubauen, mit festgesetzten Beiträgen je Land. Dabei müsste Griechenland, Portugal, Irland und Spanien geholfen werden, da diese niemals in der Lage sein werden die Schulden alleine abzubauen. Hier müssten die stärkeren Länder helfen. Dadurch stiege der Beitrag von Deutschland um bis zu 0,5 Prozent des BIP p. a. Italien und Frankreich müssten ihre Schuldenprobleme alleine lösen. Klug wäre es deshalb ‒ denke ich ‒ weil damit die Kritik von Deutschland wegkommen würde und wir uns auch selber helfen. Denn einfache Zahlungseistellungen würden bei uns zu noch größeren Verlusten führen. Das Paper finden sie unter Publikationen auf bto.

        Danke für Ihr Interesse,

        DSt

  3. Dieter Krause
    Dieter Krause sagte:

    Das Buch kenne ich – eine Bibel der Libertären: Die Welt als “Wille und Vorstellung” (das ist jetzt Schopenhauer) – nur haben manchmal die anderen eben andere Vorstellungen. Dann sollte man mit denen einfach mal reden und einen Kompromiß suchen als zu glauben, dass man immer recht hat oder? – Momentan lese ich übrigens Mark Blyth WIE EUROPA SICH KAPUTTSPART! Sollten Sie auch mal lesen…

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    • Hartmut G.
      Hartmut G. sagte:

      ist ja auch vollkommen in Ordnung, dass andere andere Vorstellungen haben. Das ist ja auch die Grundidee des Libertarismuses.
      Der entscheidene Punkt ist, ob man es zuläßt sich ausplündern zu lassen und da habe ich für mich halt das Kreuzchen bei NEIN gemacht.
      Der Keynsianer möchte aber für andere das Kreuzchen bei JA machen (sei es mit offenem Zwang oder im Verborgenen).

      Und Leute die das Wort “Kaputtsparen” in den Mund nehmen, meinen eigentlich immer das Geld&Dinge anderer Leute, wenn sie da auf zuviel Widerstand treffen (z.B. bei einer europäischen Transferunion oder höheren Steuern) dann wird eben auf Falschgelddrucken (z.B. Schuldenmonetarisierung&Ponzi-Sozialstaat) umgeschwenkt.

      Antworten
  4. Dieter Krause
    Dieter Krause sagte:

    Sie sind bestimmt Workaholic UND exzessiver Konsumverweigerer oder? Nur wenn das alle so machen würden wie Sie – dann hätten wir Überschußproduktion und einen echten Nachfragemangel oder? Und am Ende dann DEFLATION und HUNGERTOD! Keine schönen Aussichten…

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    • Hartmut G.
      Hartmut G. sagte:

      “Nur wenn das alle so machen würden wie Sie – dann hätten wir Überschußproduktion und einen echten Nachfragemangel oder?”

      Tja, dann denken Sie mal scharf nach, was dann wäre….

      Dann wird die Arbeit in Investitionen (Arbeit in Effizienzsteigerung für die Zukunft) gelenkt und eben nicht in Konsum.

      Wenn der Arbeiter morgens aufsteht, dann gibt es drei Möglichkeiten:
      1.) garnix tun und seinen Nachbarn beklauen (oder mit Falschgeld (=uneinlösbare Versprechen für die Zukunft) bezahlen…).
      2.) Konsumgüter produzieren und diese mit seinem Nachbarn tauschen und noch vor Sonnenuntergang konsumieren, die enden dann vor Nachtruhe noch in der Toilette.
      3.) Etwas schaffen, was die Arbeit am morgigen Tage erleichtert.

      Der stolze Keynsianer schafft es meistens noch nichtmal bis 2.)
      mfG

      Antworten
    • Hartmut G.
      Hartmut G. sagte:

      Und wo Sie mich schon persönlich nach meiner Ausrichtung fragten: Ich war ein Workaholic und Konsumverweigerer, bis ich gemerkt habe, wie der Hase läuft.
      Habe alle Mitarbeiter entlassen und den Rest des Betriebs an einen Großkonzern verscherbelt, der läßt jetzt woanders produzieren. “Konsumverweigerer” bin ich im Herzen immer noch und für meine Verhältnisse mit kleinen Dingen glücklich, aber für so ein kaputtes System werde ich in meinem Leben keinen Finger mehr krumm machen oder mich aufopfern, wozu auch? Konsumiere ich lieber weiterhin genauso wenig, dafür aber brauche ich nie wieder arbeiten und mich nicht zu ärgern vera****t und ausgebeutet zu werden.

      Sie sollten mal Ayn Rand “Der Streik” lesen, vielleicht verstehen Sie’s dann.

      Antworten
  5. Hartmut G.
    Hartmut G. sagte:

    “Europa bekommt die Schulden nicht in den Griff.”

    Genauer müßte es doch wohl heißen, “Europa bekommt das SchuldenMACHEN nicht in den Griff”, oder?

    Wenn Sie dem zustimmen könnten, bitte begründen Sie, warum sich nach einer von Ihnen favorisierten “Schuldenrestruktuierung” irgend etwas an diesem Faktum ändern sollte.
    mfG

    P.S.
    IMHO das Gegenteil wird der Fall sein. Noch nie hat ein Konsumjunkie angefangen zu arbeiten, nur weil man ihm den Deckel erlassen hat, noch nie!!!

    Antworten
    • Daniel Stelter
      Daniel Stelter sagte:

      Kann ich nicht. Nach der letzten derartigen Krise gab es eine lange Phase mit vorsichtiger Kreditaufnahme. Natürlich bräuchten wir weitere Maßnahmen ‒ Vollgeld? ‒ welches Sie ablehnen, Währungswettbewerb, den andere ablehnen, … Schuldengrenzen, die durchgesetzt werden, … Nur wenn wir von Anfang an sagen, alles ist sinnlos, sollten wir alle unsere Zeit anders verwenden, als auf diesen Seiten um Lösungen zu ringen.

      Antworten
      • Hartmut G.
        Hartmut G. sagte:

        Ich habe Sie lediglich gebeten darzulegen, warum Sie glauben, dass sich das Problem des SchuldenMACHENS in irgendeiner Weise ändern würde. Und wenn jemand eine >1Billionen Enteignung bewirbt, denke ich, dass so eine Glaubhaftmachung oder Beweisführung der Effizienz einer solchen Maßnahme schon irgendwie erwartet werden kann. Nicht nur zu schreiben “um irgendeine Lösung muss man schließlich ringen” ist zu dünn.
        mfG

      • Daniel Stelter
        Daniel Stelter sagte:

        Tja, kann sein. Ich denke, Vollgeld ist ein Weg. Zusätzlich Kreditsteuerung, damit kein Sektor über 60 Prozent kommt. Ist aber alles nicht leicht. Was die eine Billion betrifft. Die ist ja schon verloren, nur merken wir es noch nicht. Ich nehme niemandem etwas weg, ich sage nur, der Kaiser ist nackt.

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