Schweden schottet sich ab – Cameron sieht Brexit wegen Flüchtlingspolitik

Heute Morgen haben wir die Qualifikation der Zuwanderer nochmals tiefer beleuchtet. Andere Länder, die sich bisher so großzügig wie wir gezeigt haben, ziehen nun die Notbremse. Man kann unser Sozialstaatsmodell nicht auf Dauer durchhalten. Ein früherer Kollege brachte es so auf den Punkt: Man darf Neukunden nicht besser behandeln als Altkunden – sonst gibt es Ärger.

Die NZZ berichtet:

  • „Schweden schottet sich ab. Um neu ankommende Flüchtlinge fernzuhalten, will Schweden künftig die Öresund-Brücke sperren können, um notfalls die einzige Landverbindung zu Zentraleuropa zu kappen. Es sind zu viele Flüchtlinge, musste die rot-grüne Regierung jüngst den Tränen nahe eingestehen.“ – bto: Auch Deutschland wird diesen Punkt erreichen.
  • „Schweden präsentiert nun einen 34-Punkte-Plan, um sich so unattraktiv wie möglich für Flüchtlinge zu machen: fast keine unbeschränkten Aufenthaltsbewilligungen mehr, strengerer Familiennachzug, gekürzte Sozialleistungen.“ – bto: Offensichtlich besteht doch ein Zusammenhang zwischen den Anreizen, die man setzt, und den Flüchtlingsströmen.
  • „Überraschend lange verlief die Zuwanderung recht reibungslos; Ausländerghettos bildeten sich trotzdem, etwa in den Vororten von Malmö oder Stockholm.“ – bto: Aus eigener Anschauung weiß ich, dass diese zwar besser aussehen als in Paris. So verschieden ist die Situation jedoch nicht.
  • „Dass diese radikale Kurskorrektur in der Asylpolitik ausgerechnet unter einer rot-grünen Regierung geschieht, bedeutet für die beiden Parteien einen Bruch mit ihren eigenen Wertvorstellungen und zeigt, wie stark der Flüchtlingsstrom die schwedische Parteienlandschaft verändert.“ – bto: Auch bei uns wird es eine solche Verschiebung in den kommenden Jahren geben.
  • Tabuisieren von Problemen hat die rechtsnationalistische Partei der Schwedendemokraten erstarken lassen, die diese thematische Lücke nun füllt. (…). In den vergangenen Monaten haben die Schwedendemokraten derart an Rückhalt gewonnen, dass 20 Prozent der Bürger hinter ihnen stehen und sie nun die drittgrößte Partei formen.“
  • „Eine ehrliche öffentliche Diskussion darüber, wie man den Spagat zwischen humanitärer Solidarität und den eigenen Aufnahmegrenzen bewältigen kann, gab es in Schweden – wie in vielen anderen europäischen Ländern – bisher nicht. Sie ist jedoch der Schlüssel zu einer nachhaltigen Asylpolitik.“ – bto: Das kann ich nur unterschreiben. Vor allem darf man nicht – wie bei uns – falsche Hoffnungen auf einen wirtschaftlichen Nutzen wecken.
  • „Dänemark verfolgt zwar seit je eine vergleichsweise restriktive Asylpolitik, doch auch Kopenhagen hat angesichts des jüngsten Flüchtlingsstroms die Gangart verschärft; man diskutiert etwa, ob Polizisten die Habseligkeiten ankommender Asylbewerber nach Wertsachen durchsuchen sollen, die einen Teil der Aufnahmekosten decken könnten.“ – bto: Ist das verwerflich? Wir prüfen doch bei den hiesigen Hartz-IV-Empfänger die Vermögensverhältnisse auch sehr gründlich.
  • „Dänemark, Finnland und Norwegen schalten in den Herkunftsländern Inserate, um über die jüngsten Verschärfungen im Asylwesen aufzuklären; etwa, dass sich die Wartezeiten für unbeschränkte Aufenthaltsbewilligungen von drei auf fünf Jahre erhöht haben. Die Botschaft ist eindeutig: Flüchtlinge, wir wollen euch nicht.“
  • „Eine der langfristig gravierendsten Folgen der jüngsten Flüchtlingskrise dürfte sein, dass sie das Modell des nordischen Wohlfahrtsstaats gefährdet. (…) Die Voraussetzung dafür, dass dieses Konzept aufgeht, ist jedoch eine vergleichsweise homogene Gesellschaft: also erstens, dass möglichst viele Bürger am Arbeitsmarkt aktiv sind und in die Sozialsysteme einzahlen; und zweitens, dass man dem Staat vertraut, tatsächlich zum Wohle aller zu handeln.“
  • „Es ist ein Paradoxon der schwedischen Politik, dass die Landesgrenzen bisher weit offen standen, der Arbeitsmarkt aber stark abgeschottet blieb. (…)In Schweden etwa dürfen Asylbewerber zwar theoretisch von Anfang an arbeiten, doch tatsächlich existieren enorme bürokratische Hürden, etwa bei der Anerkennung von Diplomen. Hinzu kommen die Sprachbarriere und die hohen Tiefstlöhne, die es unattraktiv machen, Niedrigqualifzierte einzustellen.“ – bto: Auch bei uns sind die Hürden sehr hoch. Erfordernisse einer hochindustrialisierten Gesellschaft mit Mindestlohn treffen auf Menschen geringer Qualifikation.
  • „Zahlreiche der nun ankommenden Flüchtlinge werden mehr aus dem Gemeinschaftstopf herausnehmen als einzahlen. Das schafft Unzufriedenheit, nicht nur in der einheimischen Bevölkerung. Auch bei den Zugewanderten schürt die Perspektivlosigkeit auf dem Arbeitsmarkt Frustration, die – wie das Beispiel Frankreichs zeigt – zum Nährboden für Radikalisierung werden kann.“

NZZ: „Zeitenwende in Bullerbü“, 8. Dezember 2015

Währenddessen betont der britische Premier die Folgen der Flüchtlingspolitik für die anstehende Abstimmung zur EU in Großbritannien. „I think with both the eurozone crisis and the migration crisis, the short term impact is for people to think, ‘oh Christ, push Europe away from me, it’s bringing me problems’“, sagte Cameron.

Wie von mir schon vor Wochen vermutet, führt die derzeitige Politik der Bundesregierung nicht nur zu einer zunehmenden Isolation Deutschlands in der EU, sondern auch zum Verlust des wohl wichtigsten Partners, den wir haben können. Denn ohne England rutscht die EU weiter Richtung Staatswirtschaft und Sozialismus, egal wer gerade regiert. Ob die „Frau des Jahres“ das bedacht hat?

→ The Telegraph: „David Cameron: Migrant crisis could force Brexit as voters say ‘get me out of here’“, 10. Dezember 2015