Schöne neue Welt ohne Münzen und Noten?

Meine Meinung zum Bargeldverbot ist bekannt. Dient nur der Vorbereitung von Negativzinsen auf breiter Front ‒ im verzweifelten Bemühen, die “säkulare Stagnation” zu verhindern, und den Schuldenturm vor dem Einsturz zu bewahren.

Heute verweise ich auf den Beitrag eines wahren Experten, Peter Bernholz, emeritierter Professor an der Universität Basel. Er bringt den Kontext zum Thema Vermögenserhalt vorbildlich auf den Punkt:

  • “Da wird ernsthaft in London an einer Konferenz von Akademikern, Vertretern der Finanzbranche und von Zentralbanken über die Abschaffung oder Einschränkung des Gebrauchs von Banknoten diskutiert. Dieser Gedanke wurde zuerst vor einigen Jahren zur Diskussion gestellt durch Willem Buiter, den Chefökonomen der Citigroup, in unrühmlicher Nachfolge von Silvio Gesell.”
  • “Hintergrund der Debatte ist die Fixierung auf die Zinspolitik als einziges geldpolitisches Instrument der Zentralbanken. Sie soll derzeit angeblich besonders für die Europäische Zentralbank (EZB), wie zuvor für das Federal Reserve System (Fed), negative Zinsen erforderlich machen. Diese durchzusetzen, würde aber durch die Möglichkeit erschwert oder verhindert, grössere Beträge in Bargeld zu halten.”
  • “Zu diesen Nachteilen gehören:
    • die Möglichkeit staatlicher Stellen, die Handlungen aller Bürger, die mit Käufen, Verkäufen und Finanztransaktionen zu tun haben, zu überwachen;
    • die Möglichkeit, schon bei Verdacht alle Konten oder Zahlungen zu sperren;
    • die Verunmöglichung, einer untragbaren Steuerbelastung in autoritären, korrupten und despotischen Regimen auszuweichen;
    • die Enteignung von Sparern und Pensionskassen durch negative Zinsen;
    • die Fehlallokation von Ressourcen und Fehlinvestitionen aufgrund negativer Zinsen;
    • die Gefahr später platzender Blasen an Aktien- und Immobilienmärkten;
    • und schliesslich die Verminderung der Schuldnerbonität, da es sich bei Girokonten nur um Forderungen gegenüber Banken und nicht wie bei Banknoten gegenüber der SNB handelt. Hinzu kommt, dass neuerdings Giroguthaben auch zur Abdeckung von grossen Verlusten der Banken herangezogen werden sollen.” ‒ bto: Ziemlich viele würde ich sagen!
  • “Die falsche Zinspolitik begann schon nach dem Zusammenbruch der Internet-Blase im Jahr 2001 durch das Fed. (…) Eine andere Politik wäre im Sinn von Sir Walter Bagehots Vorschlägen gegenüber der Bank of England im 19. Jahrhundert durchaus möglich gewesen. Die Zentralbanken hätten den Banken unbegrenzte Kredite geben können – aber zu einem Strafzins und zu einer Bewertung der Aktiven zum Wert normaler Zeiten. Auf diese Weise hätte man leichtfertiges Handeln (Moral Hazard) und Blasen verhindern und trotzdem eine Illiquidität des Systems vermeiden können. Die Einführung von Negativzinsen wäre überflüssig gewesen.” ‒ bto: Das will aber kein Banker und kein Politiker. Es ist viel bequemer, Geld noch billiger zu machen. Zudem haben die Banken das Sagen in den Notenbanken.
  • “Es ist eine eherne Gesetzmässigkeit, dass die von Enteignung durch Hoch- und Hyperinflationen bedrohten Bürger in stabile Währungen fliehen. Sicher sind diese aber nur in Form von Banknoten. Es ist nicht ohne Grund, dass geschätzte 60% des Umlaufs amerikanischer Banknoten im Ausland stattfinden. Und es ist wohlbekannt, dass die Deutsche Mark während der serbischen Hyperinflation in den 1990er Jahren den Dinar fast völlig verdrängt hatte. Ähnliches geschah in anderen Hyperinflationen wie der deutschen der 1920er Jahre durch den Dollar und in Simbabwe 2008 durch den Dollar und den südafrikanischen Rand.”
  • “Man sage nicht, es handle sich dabei um seltene Fälle. Seit 1914 haben sich Dutzende von Hyperinflationen (mit Inflationsraten von über 50% je Monat) ereignet, ganz zu schweigen von den vielen anderen Hochinflationen. Die entwickelten und stabilen Länder würden eine schlimme Schuld auf sich laden, wenn sie den Bürgern solcher Länder die einzige Möglichkeit nehmen würden, sich der verheerenden Politik ihrer Regierungen zu entziehen.” ‒ bto: Wichtig ‒  wir haben einen enormen monetären Überhang. Verlieren wir Vertrauen in Geld ‒ siehe dazu auch meine wiederholten Kommentare ‒ springt die Umlaufgeschwindigkeit nach oben und dann haben wir ganz schnell sehr hohe Inflationsraten. Das System ist dahin gehend fragil.
  • “Schliesslich würde eine Beseitigung des Bargelds einen Grossteil der normalen Bürger, die nichts anderes tun, als das ihnen Gehörende wertbeständig zu erhalten und aufzubewahren, vermutlich in die Kriminalität treiben.” ‒ bto: weshalb ich geschrieben habe, dass man konsequenterweise auch gleich Gold verbieten muss.

Es wird wohl nicht so schnell kommen. Was das Problem für uns aber nicht löst. Die vielen Schulden müssen weg.

→ NZZ: Schöne neue Welt ohne Münzen und Noten?, 4. Juni 2015

Kommentar (1) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. rjmaris
    rjmaris sagte:

    Relevanter Beitrag in der aktuellen Bargelddiskussion. Ziemlich überzeugend. Würde Norbert Häring sicher auch gefallen ;)

    Eine Anmerkung anhand Ihrer “wir haben einen enormen monetären Überhang. Verlieren wir Vertrauen in Geld ‒ siehe dazu auch meine wiederholten Kommentare ‒ springt die Umlaufgeschwindigkeit nach oben und dann haben wir ganz schnell sehr hohe Inflationsraten.”

    Genau dies würde auch passieren, wenn jetzt Gesell konsequent “Anwendung” fände. Ich meine, seine Idee ist gut, aber kann nicht umgesetzt werden, wenn es bereits einen enormen monetären Überhang gibt. Genau die genannten Effekten würden sich einstellen. Gleichwohl wäre eine Zinsstrukturkurve, wie sie hier (http://www.inwo.de/ziele/stabile-waehrung-dank-durchhaltekosten) vorgestellt wird, anzustreben, weil so die Liquiditätsfalle durchbrochen werden kann. Kurz und bündig: die Policy muss so gestaltet werden, dass es zu einer allmählichen Verringerung der Geldbasis (ZGB und Buchgeld) kommt, bevor die vorgestellten Zinsstrukturkurve angewendet werden kann.

    Allgemein: die Verbindung zum Vermögenserhalt als Hintergrund der Bargelddiskussion entschließt sich mir (noch) nicht.

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