“Profitiert Deutschland wirklich vom Euro?”

Im März 2015 habe ich einen viel beachteten Kommentar bei manager magazin online verfasst: → Zehn Gründe, weshalb wir die Verlierer des Euro sind . Nachdem die englische Version beim Globalist erschien, kam das ifo Institut auf mich zu und bat um einen Beitrag zu dem Thema für den ifo Schnelldienst. (Den bringe ich heute Nachmittag bei bto für jene, die ihn damals verpasst haben.)

Nun meldet sich der neue Chef des Instituts in einem Gastbeitrag in der F.A.Z. zu dem Thema zu Wort. Auch er sieht nicht den Nutzen, den Deutschland angeblich aus dem Euro ziehen soll. Schauen wir uns den Beitrag genauer an: 

  • „Ob man aus Sicht der ökonomischen Theorie erwarten kann, dass der Euro den Handel und die Investitionen wirklich befördert, ist nicht so klar, wie man angesichts des Optimismus der Euro-Enthusiasten meinen könnte.“ – bto: Das kann nicht verwundern. Sind die Enthusiasten doch Politiker und Lobbyisten der Exportindustrie.
  • „(…) aus Sicht des einzelnen Unternehmens (ist es) begrüßenswert, weil unwiderrufliche Wechselkurse wie eine kostenlose Vollversicherung gegen Wechselkursschwankungen wirken. (…) Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht (…) sind fixierte Wechselkurse eher kontraproduktiv. Marktpreise passen sich in vielen Fällen nicht schnell genug in alle Richtungen an – insbesondere Lohnsenkungen auf breiter Front sind nur selten zu beobachten.“ – bto: wie wir gerade sehen. Übrigens stellt sich die Frage, weshalb die Allgemeinheit die Kosten der Absicherung übernehmen soll.
  • „Gleiches gilt für die Zentralisierung der Geldpolitik, die unweigerlich damit einhergeht, dass für einige Mitgliedstaaten eine stabilitäts- und wachstumsorientierte Geldpolitik verfehlt.“ – bto: Am Anfang waren die Zinsen für Deutschland zu hoch und die heutigen Krisenländer zu tief. Jetzt dürfte es anders herum sein.
  • „Wenn der Euro tatsächlich den Handel und damit die internationale Arbeitsteilung innerhalb der Eurozone befördert, sollte sich dies in einer Steigerung der Marktanteile der Eurostaaten innerhalb der EU niederschlagen. Deutschlands Marktanteil bleibt über den gesamten Zeitraum nahezu stabil…“ – bto: Die großen Exportzuwächse waren auf den Weltmärkten vor allem dank des China-Booms.
  • „Unmittelbar wirksam wird der Wegfall des Wechselkursrisikos vor allem für Investitionen in Staaten, deren Währungen gegenüber der D-Mark häufig abgewertet worden sind. Für sie bedeutet der Euro eine glaubwürdige Selbstbindung an feste Wechselkurse zu Deutschland und zur Eurozone insgesamt. Der Rückgang der Zinsdifferenzen zu Deutschland gleich nach der Entscheidung, den Euro einzuführen, belegt den Wert dieser Glaubwürdigkeit. (…) Deutschland kann von diesem Effekt naturgemäß nicht profitieren.“ bto: nein. Der Euro hat nur einen einmaligen Verschuldungsboom in den anderen Ländern ermöglicht. Wo ist das der Nutzen, vor allem wenn wir die Gläubiger sind, die entsprechende Verluste realisieren werden.
  • „Der deutsche Anteil an den gesamten Bruttoinvestitionen in der EU liegt unterhalb des Niveaus der 1990er Jahre, hält sich aber ansonsten stabil. Deutlich zu erkennen ist der Investitionsboom in den Südländern. Diese Zahlen enthalten jedoch auch Investitionen in Immobilien, die nach dem Platzen der Blase vielfach abgeschrieben werden müssen.“ – bto: eben. Es gab eine Welle an unproduktiven Investitionen und Konsum auf Kredit.
  • „Betrachtet man die durchschnittlichen Wachstumsraten des BIP in konstanten Preisen seit der Euroeinführung, so ergibt sich ein ernüchterndes Bild. Bis auf Irland und Luxemburg landen die Euro-Gründerstaaten und Griechenland in dieser Zeit auf den letzten Plätzen, ergänzt durch Dänemark, dessen Währung stabil zum Euro gehalten wird.“ – bto: Der Euro hat Wachstum und Wohlstand gemindert, nicht erhöht.
  • „Deutschland landet auf dem fünftletzten Platz, hinter Frankreich und sogar hinter den Krisenstaaten Spanien und Irland. (…) Dass der Euro Deutschland (mehr als anderen Mitgliedstaaten) genutzt habe, lässt sich aber aus den Daten nicht herauslesen.“ – bto: überhaupt nicht. Dennoch erzählen das die Politiker und leiten daraus ab, wir sollten für die Krise bezahlen. Was für ein Wahnsinn.
  • „Sicher, es hätte ohne Euro noch schlimmer kommen können. (…) Bei Paul Krugman heißt es: „Deutschland glaubt, dass seine wirtschaftliche Gesundung die Frucht eigener Anstrengung war, aber in Wahrheit ist sie dem inflationären Boom im Rest Europas zu verdanken.“ Es ist richtig, dass die Inflation im Süden die relative Wettbewerbsfähigkeit verschoben hat. Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der Eurozone konnte sich auf diese Weise verbessern, ohne dass die deutschen Arbeitskosten tatsächlich nominal sinken mussten.“ – bto: Der Boom im Süden hat geholfen, doch hätte, wenn nicht Deutschland, der Rest der Welt entsprechend geliefert.
  • „Wenn man nun noch in Betracht zieht, dass die Inflation im Süden vor allem im nicht handelbaren Sektor stattfand, dessen Produkte per definitionem nicht mit deutschen Gütern konkurrieren, und die Importe aus dem Nicht-Euroraum deutlich höhere Wachstumsraten hatten als jene aus dem Euroraum, wird deutlich, dass Krugmans Argument nicht weit trägt.“ – bto: Das sehe ich nicht ganz so. Denn wenn die Inflation vor allem im nicht-handelbaren Sektor stattfindet, so strahlt sie dennoch aus. Zudem führen die steigenden Löhne zu mehr Nachfrage und mehr Importen.
  • „(…) Argument als die allgemeine Vermutung auf, es sei vorteilhaft, Teil einer schwachen Währungsunion zu sein. (…) dieses Argument (ignoriert), was zu den zentralen Erkenntnissen der Handelsökonomik gehört: die Einsicht nämlich, dass die Subventionierung von Exporten dem Exportland langfristig mehr schadet als nützt. Eine künstlich niedrig gehaltene Währung verteilt Einkommen um: von den Importeuren und den Verbrauchern zu den Exporteuren. Dass Deutschland davon profitieren soll, wenn es das reale Einkommen seiner Verbraucher zugunsten seiner exportierenden Unternehmen senkt, ist kaum zu begründen.“ – bto: Leider denke ich, wir machen genau das. Mit unserer einseitigen Ausrichtung auf den Export und die Überersparnis reduzieren wir unseren Wohlstand massiv! Schön, dass Fuest es hier anspricht, doch warum mahnt er dann keine Umkehr an?
  • „Das Institut für Wirtschaftsforschung Halle hat 2015 (…) den Gewinn für den deutschen Staat (aufgrund der tiefen Zinsen in Folge der Euro-Rettungspolitik der EZB, Anmerkung bto) auf 100 Milliarden Euro geschätzt. Diese Zahl beruht unter anderem auf der mutigen Annahme, dass Deutschland ohne den Euro Zinsen um die vier Prozent zahlen würde und damit unter den OECD-Ländern zu den Ländern mit den schlechtesten Finanzierungsbedingungen gehören würde (…) eine kühne Annahme.“ – bto: Das braucht man nicht weiter kommentieren, da in der Tat Blödsinn.
  • „Erstens haben fast alle Staaten, mit Ausnahme der Krisenstaaten, erhebliche Rückgänge in den Finanzierungskosten verzeichnet. Selbst Frankreich, das kein Triple-A-Rating mehr hat, zahlt nur wenige Basispunkte mehr als Deutschland. Ob es die exzessive weltweite Ersparnis („saving glut“), die säkulare Stagnation (die Abwesenheit lohnender Investitionsmöglichkeiten) oder der allgemeine Schuldenüberhang ist – die Zinsen sind weltweit auf einem Rekordniedrigniveau.“ – bto: Auch hier wäre es wünschenswert – gerade mit Blick auf die Rolle Deutschlands als Gläubiger, auf die Gefahren hinzuweisen, die sich daraus ergeben.
  • „Drittens ist Deutschland in der Gesamtheit aus Staat, Unternehmen und Privathaushalten international ein Nettogläubiger. Das heißt, der Zinsrückgang belastet Deutschland im Aggregat. (…) Die These, Deutschland habe wegen der niedrigen Zinsen auf deutsche Staatsanleihen von der Euro-Krise profitiert, ist also nicht haltbar.“ – bto: umso mehr die These, dass es dumm ist, in einer überschuldeten Welt Gläubiger zu sein!

„Fazit: Es gibt viele Gründe dafür, dass Deutschland sich für die Eurozone engagiert. Dass Deutschland zu den großen Gewinnern des Euros zählen würde und fairerweise – als Kompensation für die vermeintlichen Verlierer – diese Gewinne mit anderen Mitgliedstaaten teilen sollte, gehört nicht dazu.“ – bto: volle Zustimmung!

→ F.A.Z.: “Profitiert Deutschland wirklich vom Euro?”, 13. Februar 2017