Portugal widersteht griechischen Geistern

Meine skeptische Haltung zu Portugal ist wohlbekannt. Das Land ist überschuldet ‒ solange man davon ausgeht, dass die Zinsen nicht ewig bei null bleiben und zudem anerkennt, dass die Schulden weiter anwachsen. Auch wird das Land im Euro niemals wettbewerbsfähig werden. Dennoch gibt es in Portugal noch keine nennenswerte Strömung, die Sparpolitik aufzugeben und den Euro zu verlassen. Wieso dies so ist, erläutert die NZZ:

  • “Auch in Portugal geniesst Syriza Sympathie. Irgendeine Kraft, die das politische Panorama gründlich verändern könnte, ist aber nicht in Sicht, weder eine linke noch eine rechte. Damit unterscheidet sich Portugal auch von Italien, Frankreich oder Grossbritannien. Mit seiner Stabilität erscheint das Land als Gegenpol namentlich zu Griechenland.”
  • “Im Jahr 2011, ein Jahr nach Griechenland, erhielt auch Portugal einen Notkredit der externen Geldgeber-Troika von Europäischer Union, Europäischer Zentralbank sowie Währungsfonds und musste dafür ein hartes Anpassungsprogramm umsetzen. Im Mai 2014 schloss Portugal das Programm ab und erntete anfangs viel Lob von den Kreditgebern, die inzwischen aber nicht mehr gar so zufrieden sind, weil sie meinen, dass der Eifer zum Abbau des Staatsdefizits seitdem nachgelassen habe. Abhaken kann das Land die Krise also nicht.”
  • “In der Euro-Gruppe seien Portugal und Spanien «deutscher als Deutschland» gewesen, klagte der griechische Finanzminister, Varoufakis. Portugals Regierung bestreitet zwar, je auf besondere Härte gegenüber Athen gedrängt zu haben. Offenkundig ist aber, dass Zugeständnisse an Athen nachträglich die behauptete Unvermeidbarkeit mancher Opfer daheim infrage stellen könnten.”
  • “Das Staatsdefizit ist zwar deutlich gesunken, ist mit 4,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts aber immer noch zu hoch. An den Märkten finanziert sich das Land aber günstiger denn je, weitgehend dank dem Kurs der Europäischen Zentralbank. Und zum ersten Mal nach drei Jahren der Rezession ist die Wirtschaft 2014 leicht gewachsen, die Neuwagenverkäufe boomen sogar.”
  • “Auch in Portugal gab es in den letzten Jahren grosse Demonstrationen, die aber stets friedlich verliefen. Nicht nur Gewerkschaften riefen zum Protest auf. Im März 2011, noch ehe die «Empörten» in Madrid die Puerta del Sol besetzten, meldete sich die ‚geração à rasca‘, die ‚verlorene‘ junge Generation, in Lissabon mit einer über soziale Netze zusammengetrommelten Massendemonstration zu Wort. Ein jeder Marsch wirkte aber wie eine festliche Katharsis, die eher zur Besänftigung der Gemüter beitrug, als dass sie zur Schaffung der Basis für eine neue Kraft beigetragen hätte.”
  • “Die sprichwörtliche Friedfertigkeit der Portugiesen allein dürfte die Stabilität des Parteiensystems kaum erklären. Doch wenn Zeitungen fragen, warum es im Land keine Protestpartei wie Syriza oder Podemos gebe, haben weder Politiker noch Politologen griffige Antworten parat. Politische Marktlücken gäbe es durchaus, aber sie werden nicht von neuen Kräften gefüllt.”
  • “Nirgendwo sonst in Westeuropa gibt es eine so starke kommunistische Partei wie die in Portugal. Hier verschmähten die Kommunisten in den 1970er Jahren den Eurokommunismus, anders als in Frankreich, Italien oder Spanien. Insgesamt hat Portugals älteste Partei immer noch das Profil einer Oppositionskraft, etwa mit der Forderung, Portugal solle sich für den Abschied vom Euro vorbereiten. Dabei zeichnen sich ihre Bürgermeister auf lokaler Ebene durchaus durch Pragmatik und Kompetenz aus. Die Kommunisten wirken durchaus systemstabilisierend in einem Land, das die Reformvorgaben der Troika erfüllt.”

NZZ: Portugal widersteht griechischen Geistern, 21. April 2015