Nach Währungs- nun Wirtschaftskrieg?

Immer noch hält sich das Gerücht, dass die G7 in Shanghai einen Waffenstillstand im Währungskrieg vereinbart haben: Die US-Fed tut nichts, um den Dollar zu stärken, die EZB und Japan hören auf, die eigenen Währungen zu schwächen. Die Chinesen müssen nicht in den Abwertungswettlauf einsteigen, weil die Abschwächung des Dollars wegen der Bindung auch zu einer Abschwächung des Yuan führt. Alles gut also, könnte man denken. Falsch.

Wie vielerorts – auch bei bto – immer wieder beschrieben, leidet China unter erheblichen Überkapazitäten hoch verschuldeter Firmen, die im verzweifelten Versuch, Liquidität zu beschaffen zu fast jedem Preis verkaufen und so Deflation in die Welt exportieren. Schon ohne Abschwächung des Yuan führt dies zu erhöhtem Wettbewerbsdruck in der Welt. Die europäischen Stahlhersteller können ein Lied davon singen.

Kein Wunder also, dass das europäische Parlament mit überwältigender Mehrheit dagegen gestimmt hat, China den Status einer „Marktwirtschaft“ zuzubilligen. Die Folge einer Anerkennung als Marktwirtschaft wäre erheblich. So wäre es viel schwieriger, gegen China wegen Dumping vorzugehen. Gerade mit Blick auf die aktuelle Krise der Stahlindustrie wird von europäischer Seite kritisiert, die Chinesen würden deutlich unter Gestehungskosten in Europa anbieten. In vielen Bereichen werden zudem versteckte staatliche Subventionen vermutet, so bei Transportkosten und Steuern.

Dabei beschreibt die FINANZ und WIRTSCHAFT sehr gut, wie sehr die Chinesen gezwungen sind, diesen Weg zu gehen, wollen sie eine Pleitewelle der eigenen Industrie verhindern:

  • „Das Land sitzt nun auf riesigen Überkapazitäten. Allein die brachliegende Kapazität in den chinesischen Stahlwerken ist grösser als der gesamte Stahlausstoss aller Hersteller in den USA, Japan und Europa zusammen.“
  • „Niemand, weder in China noch im Rest der Welt, kann all den Stahl, den Zement, das Aluminium, das Flachglas oder all die Containerschiffe absorbieren, die China herstellt.”
  • „Die Unternehmen sind hoch verschuldet. Ihre Einnahmen brechen ein, was zur Folge hat, dass sie ihre Schulden nicht mehr oder nur noch mit Mühe bedienen können. (…) Die chinesischen Unternehmen zählen punkto Verschuldung aktuell sogar zur Weltspitze:

Quelle: FuW

„In jeder freien Marktwirtschaft würde jetzt eine Konkurswelle einsetzen. (…) In China werden die überschuldeten Unternehmen, um die es hier geht, vom Staat kontrolliert. Die Banken, die ihnen Kredite gewährt haben, werden ebenfalls vom Staat kontrolliert. Da ist es einfach für einen lokalen Parteiboss, der Bank seiner Region den Befehl zu geben, den Zombie-Unternehmen weitere Kredite zu geben. (..) Faule Kredite werden mit immer noch mehr neuen Krediten zugedeckt. Die Verschuldung der Unternehmen wächst (Quelle: CLSA):

Quelle: FuW

  • Als im letzten November der Stahlhersteller Sinosteel unter umgerechnet 16 Milliarden US-Dollar Schulden zusammenbrach, wurde er nicht geschlossen, sondern weitergeführt mit neuen Mitteln. So verschwinden die Kapazitäten natürlich nicht aus dem Markt.
  • „Werden auch in China früher oder später die brutalen Gesetze der Marktschwerkraft einsetzen? Werden überschuldete, nicht mehr lebensfähige Unternehmen zusammenbrechen und den Bankensektor in die Tiefe reissen?
    Oder gehorcht China eigenen Gesetzen und kann die staatliche Kommandostruktur der Kommunistischen Partei die Gesetze der Schwerkraft aushebeln?“

bto: Es steht außer Zweifel, dass die chinesische Führung zu allererst an die eigenen Interessen denkt. Deshalb kann sie wenig Rücksicht auf die anderen Regionen der Welt nehmen, die selber schuld an der Misere sind, in der sie stecken: Schuldenwirtschaft, wohin man blickt. Der Export von Deflation beginnt erst. Studien sehen in diesem Fall 3,5 Millionen Arbeitsplätze in Europa als gefährdet an, darunter alle 350.000 Arbeitsplätze in der Stahlindustrie.

Nun könnte man meinen, Europa hat die Dramatik der Lage erkannt. So zumindest die erste Reaktion auf die Abstimmung in Brüssel. Der sich da abzeichnende Protektionismus ist natürlich nicht gut für die weitere Bewältigung der Krise, da letztlich nur die USA, Japan, China und Europa gemeinsam eine Antwort für die Überschuldung finden können – die Aufwertung von Gold? Intensivieren sie hingegen den Kampf jeder gegen jeden, verschlimmert sich die Lage nur zusätzlich.

Doch wie es aussieht, hat die Politik in Brüssel das noch nicht erkannt. Wie Ambroise Evans-Pritchard berichtet, überlegt die Kommission, wie sie das Votum des Parlaments umgehen kann. „‚They are posturing‘, said Richard North, a trade expert. ‚The EU is sidestepping the old dinosaur trade deals and ceding trade authority to global institutions like the WTO. They are doing it invisibly and under the wire. They remain globalization enthusiasts.‘

Die Folge davon wäre fatal. Setzen die Chinesen tatsächlich auf die Exportlösung, dürfte das für die ohnehin schwächelnde europäische Wirtschaft ein deflationärer Schock sein. Und damit ein Todesstoß für Euro und EU. Die Eurogegner reiben sich schon die Hände!

FINANZ und WIRTSCHAFT: „The Walking Dead in China“, 13. Mai 2016

The Telegraph: „AEP: Euro-MPs fire thundering warning shot against China over trade terms“, 13. Mai 2016

Kommentare (3) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Nana Albert
    Nana Albert sagte:

    Hallo Herr Stelter,

    ich gehe davon aus, dass ich von meiner Mickerrente (€ 400,– / 20 Jahre Vollzeit, danach Familienarbeit) rein gar nichts mehr sehen werde…so, wie es auch den Rentnern in Amerika gehen wird:
    Renten können nicht bezahlt werden: US-Sicherungssystem vor der Insolvenz
    Deutsche Wirtschafts Nachrichten | Veröffentlicht: 23.05.16 00:36 Uhr

    Sehe ich das falsch? Viele Grüße, Nana Albert

    Antworten
  2. Katalin
    Katalin sagte:

    Hallo,

    Kommentar sollte hier stehen.

    China hat gut gelernt, von seinem Vorbild, hier;

    http://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/nachrichten/us-top-oekonom-deutschland-ist-ein-billiglohnland/9063064.html

    1. Erstens zahlt Deutschland seinen Arbeitnehmern keinen der Produktivität entsprechenden Lohn. Es bringt seine Beschäftigten um die Früchte ihrer Arbeit
    2. Zweitens investiert es nichts, weder im öffentlichen noch in den privaten Sektor
    3. Beides zusammen führe drittens dazu, dass „Deutschland als Billiglohnland konkurriert.
    4. Viertens zockt Deutschland andere Länder ab, weil seine Exporte durch den schwachen Euro subventioniert warden
    5. Und fünftens nimmt es anderen Ländern Marktanteile weg, indem es Deflation exportiert.“

    Fazit: Deutschlands Wirtschaftspolitik verursacht überall Probleme.

    Gruß

    Antworten
  3. Ralph Klages
    Ralph Klages sagte:

    “Setzen die Chinesen tatsächlich auf die Exportlösung, dürfte das für die ohnehin schwächelnde europäische Wirtschaft ein deflationärer Schock sein.” Ein erneuter Freifahrtschein für Draghi: Er kann dank China noch mehr Geld in die Märkte pumpen > die Euro-Verschuldung geht dann in die nächste Runde, die sehr lange andauern wird. Aber der Dollar? Und wie entwickelt sich dann Gold ?

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