Der Ruf nach den Helikoptern wird immer lauter

Da ist er wieder, der Ruf nach dem Helikopter. Während wir uns in Deutschland an der guten Konjunktur (noch!) erfreuen und die Flüchtlingsdebatte alles beherrscht und vernebelt, tickt die Schuldenuhr der Welt ungebremst weiter und mit ihr der verzweifelte Ruf nach „Rettung“. Und diese soll wieder einmal die Notenbank bringen. Dabei greift Wolfgang Münchau erneut meinen Vorschlag auf, jedem Bürger in der Eurozone von der EZB 10.000 Euro schenken zu lassen. Bei ihm allerdings in zwei Raten a 5.000 – nicht, dass dies besser wäre. Wenn schon, denn schon. (Wobei ich gar kein Copyright erheben will und kann. Die Idee stammt ja ursprünglich von Milton Friedman, ich war in der aktuellen Diskussion letztes Jahr nur einer der Ersten.)

Warum heute wieder diese Idee? Hier die Kernaussagen:

  • Die Bestandsaufnahme nach sechs Monaten QE ist mau. Die Inflationsrate ohne Öl, Nahrung und Schnaps dürfte um rund 0,3 Prozent höher liegen als ohne diese Maßnahme.
  • Ein großer Erfolg war die Befreiung der Bankbilanzen. Dies haben die Banken genutzt, um vor allem in Italien wieder großzügiger Kredite zu vergeben. – bto: naja. Ob steigende Kreditvergabe die Probleme langfristig löst? Kurzfristig ist es auf jeden Fall belebend.
  • Dazu muss QE aber nicht mehr fortgesetzt werden. Auch ohne QE dürfte die Kreditvergabe weiterhin wachsen. – bto: O. k., dann würde ich auch kein QE mehr machen …
  • Aber: Der Effekt auf Inflation und Konjunktur scheint zu verpuffen. Die globale Konjunktur kühlt sich ab und damit ist die Eurozone besonders anfällig. – bto: siehe meinen Kommentar „Killt China den Euro?“
  • Die EZB hat folglich zwei Optionen: a) das Programm aufzustocken, was aber nicht geht, weil die Staaten nicht mehr genug Schulden machen (!) oder b) die EZB schickt jedem Bürger einen Scheck über 5.000 Euro. Und wenn das nicht genügt, Inflation zu erzeugen, dann eben noch einen. – bto: und noch einen …

Münchau greift damit allerdings nur die Stimmung auf. In England hat der neu gewählte Anführer der Labour Party People`s QE gefordert. Also die Überweisung von Geld direkt an die Bürger. England ist ohnehin, was diese Themen betrifft, voran. Schon vor Jahren forderte man dort die Annullierung der Staatsschulden durch die BoE.

Ambrose Evans-Pritchard befürwortet bekanntlich beides. Hier seine Begründung für das Helikoptergeld:

  • Direkte Staatsfinanzierung durch die Notenbanken wird genau das sein, was die Welt braucht, wenn sie in die nächste Rezession schlittert, angesichts Nullzins und Überschuldung. – bto: Wie wäre es denn mit Schuldenschnitt??
  • Die Zustimmung von führenden Vertretern des Finanzsektors in London für diese Idee wächst.
  • Klassisches QE ist am Ende. Man kann die Zinsen nicht tiefer bekommen. – bto: genau, siehe Negativzins und Bargeldverbot.
  • Dass ausgerechnet von der Linken diese Idee kommt, überrascht auch nicht. Hatte doch die „Finanzelite“ von QE profitiert, während die Masse sparen musste. – bto: ein Argument, dem man sich nicht verschließen kann.
  • Die EZB macht es schon, weil sie direkt Anleihen der European Investment Bank kauft. Damit finanziert sie direkt Investitionen in Europa. – bto: Irland hat es bekanntlich auch gemacht.
  • Lord Tuner, der das schon lange fordert, sieht kein Problem, solange der Zugriff der Politik begrenzt bleibt. – bto: Er trägt diese These länger vor und erwartet es vor allem in Japan.
  • Der Vergleich mit Weimar passt nicht, weil es sich damals um keine funktionierende Demokratie gehandelt hat. Heute geht es um stabile Demokratien mit funktionierenden Strukturen, die eine deflationäre Krise bekämpfen. – bto: Die Frage ist, wie lange wir noch so stabil bleiben. Droht eine neue Rezession mit deflationären Prozessen, könnte das in einigen Ländern zu interessanten Wahlergebnissen führen. Frankreich?
  • Inflation ließe sich zudem leicht bekämpfen, weil die Notenbanken dann einfach nur die Wertpapiere verkaufen müssten, die sie schon halten. – bto: Aber Inflation ist doch erwünscht, also wird man eher später gegensteuern.
  • Um es besser verkaufen zu können, sollten wir es „Management des nominalen BIP“ nennen. – bto: unnötig. Das Volk merkt es ohnehin nicht. Gerade hier in Deutschland.

Wir sind am Ende der Schuldenparty und die Systemrettungsversuche werden immer aggressiver. Helikoptergeld ist ja nicht falsch. Aber letztlich auch nur eine Symptomkur. Trotzdem bin ich dafür angesichts der Alternativen. Vermutlich kommt es zu spät.

→ FT (Anmeldung erforderlich): „Money-making scheme must be made of stronger stuff“, 13. September 2015

→ The Telegraph: „Jeremy Corbyn’s QE for the people is exactly what the world may soon need“, 16. September 2015