Migration: The drain from Spain

Die Bedeutung der demographischen Entwicklung für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes wird immer noch unterschätzt. Ein einfacher Vergleich soll das verdeutlichen. Wer ist ein besserer Schuldner: der deutsche Staat mit Schulden von ungefähr 80 Prozent des BIP und einem fast ausgeglichenen Haushalt oder die USA mit Staatsschulden von rund 100 Prozent des BIP und weiterhin bestehenden Defiziten von rund  fünf Prozent des BIP?

Spontane Antwort: Deutschland. Doch wenn man dann hinzufügt, dass Deutschland in den kommenden 40 Jahren rund 20 Millionen Einwohner verliert, während die USA weiterhin – vor allem dank Zuwanderung – ein Bevölkerungswachstum ausweisen, kommt man ins Zweifeln. Mehr Menschen werden tendenziell eher mit Schulden umgehen können, als weniger Menschen. Die USA wären somit der relativ bessere Schuldner.

Angesichts der ungedeckten Verbindlichkeiten für Renten, Pensionen und Gesundheitsleistungen einer alternden Gesellschaft sind natürlich beide hoffnungslos überschuldet. Zur Erinnerung: Die ungedeckten Versprechen wurden schon 2009 für Deutschland auf rund 350 Prozent und die USA auf 450 Prozent des BIP geschätzt.

Im angefügten Artikel beschäftigt sich die FT mit den Folgen der demographischen Entwicklung für Spanien und wirft ein dramatisches Bild:

  • Mehr als zehn Jahre lang hat Spanien einen Boom erlebt, getragen von einer wahren Migrationswelle. In einigen Jahren zogen mehr als 800.000 Menschen nach Spanien.
  • Die gut laufende spanische Wirtschaft (dank billigen Geldes der EZB würde ich ergänzen) hat Arbeitsplätze vor allem im Bausektor geschaffen.
  • Die Zuwanderer haben mit ihrer Nachfrage wiederum zum Boom beigetragen.
  • Dabei beruhte das Wachstum auf mehr Menschen, nicht auf besserer Produktivität.
  • Seit Ausbruch der Krise hat sich dieser Trend umgekehrt. Die Einwanderer kehren dem Land wieder den Rücken. Alleine in den letzten zwei Jahren haben 400.000 Spanien wieder verlassen.
  • In den nächsten zehn Jahren wird Spaniens Bevölkerung um fünf Prozent (2,7 Millionen Menschen) schrumpfen.
  • Dies belastet zusätzlich den Immobilienmarkt. Die Zahl leerstehender Wohnungen wird auf 600.000 geschätzt. Schrumpft die Bevölkerung, vergrößert sich das Überangebot an Wohnraum.
  • Erschwerend kommt hinzu, dass gerade auch die gut ausgebildeten Spanier das Land verlassen, weil sie keine Perspektive mehr sehen. Dies sind schlechte Nachrichten für die künftige Produktivität und damit das Wirtschaftswachstum.
  • Das Rentensystem steht damit vor dem Kollaps. Setzt sich der derzeitige Trend fort, werden in 40 Jahren 1,6 Erwerbstätige für einen Rentner aufkommen müssen. Untragbar. (Hier zeigt sich der Zusammenhang besonders deutlich. Im Jahre 2009 wurden die ungedeckten Verbindlichkeiten Spaniens auf nur 200 Prozent des BIP geschätzt. Bei schrumpfender Bevölkerung verschlechtern sich diese Relationen deutlich.)
  • Spanien versucht mit Reformen und Anreizen zur Einwanderung (zum Beispiel für Nachfahren der 1942 vertriebenen jüdischen Bevölkerung) gegenzusteuern.

Es gibt kein Beispiel für ein prosperierendes Land mit schrumpfender Bevölkerung. Es gibt erst recht kein Beispiel für ein Land mit schrumpfender Bevölkerung, welches in der Lage ist, seine Schulden zu bedienen.

Spanien ist bei weitem nicht das einzige Land, wo diese Diagnose zutrifft. Es gilt für die meisten Länder Europas. Auch für Deutschland, wenngleich uns die derzeitige Zuwanderung und vordergründig gute Wirtschaftslage in falscher Sicherheit wiegt.

FT (Anmeldung erforderlich): Migration: The drain from Spain, 20. Februar 2014