Japanese Debt: still climbing

Japan dient nicht als Vorbild, sondern eher als Warnung, wie ich schon mehrmals dargelegt habe. Letztlich agiert die japanische Politik wie ein Autofahrer, der erkennt, dass der Wagen vor der Mauer nicht mehr zu stoppen ist – und deshalb Vollgas gibt in der Hoffnung, so die Mauer zu durchbrechen. Klappt selten.

Abenomics hat versucht, die Inflationsraten zu erhöhen, um damit die Deflation zu überwinden und das nominale Wirtschaftswachstum zu steigern. Die Hoffnung ist, dass so der Nenner (Wirtschaft) schneller wächst als der Zähler (Staatsschulden). Zum Teil gelingt es, und als erstes Ergebnis sind die Realzinsen in Japan zum ersten Mal seit Jahren wieder negativ. Die professionellen Investoren ziehen sich deshalb aus dem Markt für Staatsanleihen zurück, die Bank of Japan muss einen immer größeren Teil der Staatsschulden ankaufen – also faktisch den Staat finanzieren –,  und die Privatinvestoren werden mit aggressiver Werbung gelockt. So hat eine bei Männern beliebte Mädchenband für den Kauf von Staatsanleihen geworben, und aktuell läuft eine Kampagne mit einer bekannten Erotikdarstellerin. Dies vor dem Hintergrund sich ständig verschlechternder Fakten:

  • Die Staatsverschuldung liegt bei dem 24-fachen der Steuereinnahmen. Die Schulden liegen bei 80.000 US-Dollar pro Kopf der Bevölkerung. Auf Platz zwei liegt übrigens Irland mit 60.000 US-Dollar (soweit zum Thema Irland sei ein Beispiel für eine gelungene Sanierung).
  • Im laufenden Jahr wird Japan neue Staatsschulden im Volumen von 1, 78 Billionen US-Dollar begeben – was dem BIP von Indien entspricht.
  • Wesentlicher Treiber hinter der dramatischen Verschlechterung der Staatsfinanzen ist neben den Folgen der Spekulationsblase der 1980er-Jahre die schnell alternde Gesellschaft. Seit 1990 haben sich die Sozialausgaben fast verdreifacht und machen jetzt rund ein Drittel der Staatsausgaben aus.
  • Die Banken kaufen die neuen Staatsanleihen direkt vom Finanzministerium und reichen sie mit einem kleinen Gewinn sofort an die Notenbank weiter. So liegen von der am 6. Februar begebenen 30-jährigen Anleihe schon jetzt 90 Prozent bei der Bank of Japan.
  • 80 Pozent der Assets der Bank of Japan sind in Staatsanleihen gebunden mit einer durchschnittlichen Restlaufzeit von acht Jahren. Damit sind die Notenbank und der Staat faktisch untrennbar verbunden. Eine derart direkte Finanzierung des Staates durch die Notenbank gab es in letzter Zeit nur in Zimbabwe und in Irland.
  • Es gibt – allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz – keine Möglichkeit, die Staatsschulden in den Griff zu bekommen: Steuereinnahmen von 50 Billionen Yen stehen Schuldendienst von 23,3 Billionen und Sozialleistungen von 31 Billionen gegenüber. „Das ist nicht mehr beherrschbar. Jemand muss eine mutige Entscheidung treffen“ wird ein ehemaliger Notenbanker zitiert. Es ist klar, dass es so nicht mehr ewig weitergehen kann.

Unsere Politiker mögen sich in Sicherheit wiegen. Japan macht schließlich vor, wie man trotz einer alternden Bevölkerung den Sozialstaat aufrecht erhalten kann, in dem man immer mehr Schulden zu noch dazu rekordtiefen Zinsen macht. Diese Überzeugung mag hinter den sozialen Wohltaten der Bundesregierung liegen. Doch die Sicherheit trügt. Wir haben nicht den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft wie in Japan (schon gar nicht auf Ebene der Euroländer). Und wir können schon jetzt beobachten, wohin die Politik führt, wenn wir Japan betrachten. Wenn das japanische Schuldengebäude zusammenkracht, wird allen deutlich werden, dass die Fundamente auch hier schon wackelig sind.

FT (Anmeldung erforderlich): Japanese Debt: Still climbing, 25. März 2014