„Helikoptergeld: Zentralbanken als ‚Spender of Last Resort‘?“

Ich lese gerade das Buch „Between Debt and the Devil – Money, Credit, and Fixing Global Finance“ von Adair Turner. Er ist bekanntlich einer der Verfechter der Idee, dass die Zentralbanken mittels „Helikopter-Geld“ gegen Deflation, Nachfrageschwäche und Überschuldung vorgehen sollen. Er fordert für Letzteres die Annullierung der Staatsschulden, die die Notenbanken halten.

Hier ein interessanter Vergleich der Sichtweisen von William White und Adair Turner: Monetarisierung: Rettung oder Desaster?

Das ist das zunehmend wahrscheinliche Szenario, wenngleich es offen ist, ob die EZB (zu) spät auf diesen Zug aufspringt, wie gestern Nachmittag hier diskutiert.

Bevor ich mit dem Buch durch bin, hier Auszüge aus einer Besprechung in der ÖKONOMENSTIMME, die sehr deutlich die Grenzen aufzeigt, die in der ökonomischen Diskussion bestehen. Es beginnt mit dem fehlenden Fokus auf das zentrale Problem: die Überschuldung, nicht nur von Staaten.

  • „In seinem jüngsten Buch ‚Between Debt and the Devil – Money, Credit, and Fixing Global Finance‘ stellt Adair Turner die Frage in den Raum, ob die Zentralbanken mit dem Mandat versehen werden sollten, durch direktes Gelddrucken (‚Helikopter-Geld‘) Konjunkturstimuli zu finanzieren, um eine befürchtete Deflation zu vermeiden. (…) so geht es bei dieser neuen Form geldpolitischer Maßnahmen darum, dass die Zentralbanken mittels der Druckerpresse direkt fiskalische Konjunkturmaßnahmen finanzieren.“ – bto: um die säkulare Stagnation zu überwinden. Ich denke aber, es geht um die Entwertung/Bereinigung von untragbaren Schuldenlasten.
  • „So hat Turner sicher Recht, dass die Krisen, beginnend mit der Blase, die sich Anfang der 90er in Japan entlud, von ihrem inneren Mechanismus her Krisen übermäßigen Kreditwachstums, begleitet von Fehlinvestitionen und einer lockeren Kreditvergabe der Banken, waren, die dann über neue Finanzierungsformen, wie z. B. die Bündelung unterschiedlicher Kreditqualitäten zu Subprime-Anleihen, verstärkt wurden.“ – bto: Das sehe ich genauso.
  • „Was in Turners Betrachtung kaum berücksichtigt wird, ist die Geldpolitik, die, beginnend mit der Bank of Japan, Liquidität im Überfluss über die Märkte ergoss und ergießt als Mittel der Krisenbekämpfung, und die ihre Fortsetzung – besser: Verstärkung – in der Fed und später in der EZB mit deren ‚quantitativen Lockerung‘ fand.“ – bto: Ohne das aktive Mittun der Zentralbanken, hätte es auch nicht funktioniert. So konnten die Akteure in der Sicherheit agieren, immer „gerettet“ zu werden.
  • „Turner (…) will die Einschränkung der Giralgeldschöpfung, die Verteuerung der Kreditvergabe durch Besteuerung und die Entwicklung von Anleihenhybriden vor allem bei Immobilienkrediten, die von ihrem Risikoprofil her Eigenkapitalcharakter haben. Insgesamt soll dadurch eine Verteuerung der Kreditschöpfung erreicht werden.“ – bto: Das ist doch sehr sinnvoll.
  • „Sein Hauptanliegen ist jedoch die Finanzierung staatlicher Konjunkturprogramme mit ‚Helikopter-Geld, also dem direkten Drucken von Zentralbankgeld, ohne dass daraus weitere öffentliche Schulden entstehen. (…)  Turner sieht zwar das Risiko, dass das Drucken von Geld zu einer unerwünscht starken Inflation führen kann, aber solange es nur um ‚small amounts‘ (‚geringe Mengen‘) an Helikoptergeld gehe, scheinen für ihn die positiven Folgen größer zu sein (S. 219). Was aber passiert mit dem Vertrauen in die Geldwertstabilität und den Inflationserwartungen, wenn dieser Geist tatsächlich aus der Flasche gelassen wird? Ist wirklich zu erwarten, dass die Inflationserwartungen davon unbeeinflusst bleiben oder sich im Idealfall nur im Rahmen der stabilitätspolitisch erwünschten Preisveränderungsraten bewegen?“ – bto: Das ist die einzige relevante Frage. Ich denke immer mehr, dass die Masse der Menschen es nicht merkt. Bleibt die Frage, was die Vermögenden machen.
  • „Hatte er in seinen dem Buch vorhergehenden Aufsätzen noch die Forderung aufgestellt, das Aufkaufen und Stilllegen von Staatsanleihen durch die Zentralbank ein einmaliger Vorgang zum Schuldenabbau bleiben müsse, dem glaubwürdige Grenzen (welche?) gesetzt werden sollten, um Fehlanreize für die Politik und damit Wiederholungen zu vermeiden, so tritt diese Forderung im hier betrachteten Fall der direkten Finanzierung von Konjunkturpaketen stillschweigend in den Hintergrund, da er von einer kontinuierlichen Budgetfinanzierung mittels Helikoptergeld spricht.“ – bto: Den ersten Punkt des Schuldenabbaus über die Notenbankbilanz finde ich in der Tat überlegenswert. Setzt allerdings voraus, dass das Problem als solches erkannt ist. Wenn es um die direkte Staatsfinanzierung geht, so ist das theoretisch kein Problem, erfolgt es doch jetzt über den Umweg der Banken. Es kann aber leichter zu Missbrauch führen, das stimmt. Eventuell doch Vollgeld?

„Die Vorstöße in Richtung monetär finanzierter Ausgabenprogramme zur Konjunkturförderung sind dabei nur ein Aspekt einer tiefergehenden Debatte. Sie müssen im Kontext mit den Gedanken, die bestehenden Staatsschulden selbst zu monetisieren, gesehen werden (…). Der Geist ist aus der Flasche. Was jetzt fehlt ist eine Debatte um die Risiken und Nebenwirkungen dieser Politikansätze.“ – bto: und über die Alternativen!! Denn wenn wir nichts tun, bleibt die Eiszeit – oder Schuldenschnitte, Pleiten und Vermögensabgaben. Bitte wählen Sie!

ÖKONOMENSTIMME: „Helikoptergeld: Zentralbanken als ‚Spender of Last Resort‘?“, 23. November 2015