Helicopter Money is “a highly risky and perhaps even terminally risky policy”

Am letzten Freitag habe ich aus einem Artikel von William White in der FINANZ und WIRTSCHAFT zitiert. Heute reiche ich ein ziemlich ausführliches Interview mit ihm nach. Ich kann gar nicht genug betonen, wie sehr man auf das hören sollte, was er sagt. Die Highlights, nach Themen sortiert.

Zunächst die Zusammenfassung der Situation:

  1. Wir haben es mit einem globalen Problem zu tun. Nicht nur der Westen und nicht nur China sind überschuldet. – bto: Yes!
  2. Die Wirtschaft ist ein komplexes System. – bto: siehe seinen Kommentar vom Freitag. Wenn es irgendwo ein Problem gibt, gibt es überall ein Problem. Dazu sind wir heute viel zu sehr vernetzt. – bto: Also, das Problem von Ölexporteuren und China wird zu einem weltweiten Margin Call. Wobei, je höher der Leverage im System, desto fragiler.
  3. Potenzielle Krisenauslöser gibt es überall. China schwächt sich ab (und zwar deutlich mehr als offiziell zugegeben) und eine Transformation der Wirtschaft findet nicht statt. (bto: Das haben wir hier gezeigt, wenn man real schaut, hat der Dienstleistungssektor nicht gewonnen, es ist nur ein Preiseffekt.) Dann sind da die Probleme der Rohstoffexporteure von Brasilien, Russland bis hin zu den Ölregionen, wo die einbrechenden Staatseinnahmen zu politischen und sozialen Konflikten führen. Abenomics funktioniert ebenfalls nicht. Steigende Lebenshaltungskosten bei stagnierenden Einkommen müssen zu rückläufigen Konsumausgaben führen. Und in Europa ist die Liste der Probleme lang: Konflikt mit Russland, Flüchtlingskrise, Krise in der Peripherie, Überschuldung und keine funktionierenden Institutionen um mit den Problemen umzugehen. Selbst in den USA droht Rezession.

In der Tat kein rosiges Bild.

Dann seine Sicht auf die Kernthemen:

Zur Geldpolitik …

  • Wir haben es mit einem Schuldenproblem zu tun, letztlich mit dem Problem von Insolvenz. – bto: Wir sind pleite.
  • Darauf zu vertrauen, dass die Notenbanken das lösen können, ist völlig unangemessen. Die können Liquiditätsprobleme lösen, aber nicht Insolvenz. – bto: Na, ich denke, die Politiker hoffen auch auf Letzteres.
  • Das Problem der Insolvenz kann nur die Politik lösen. Aber das ist politisch und technisch schwer umzusetzen.
  • Dabei verliert die Geldpolitik immer mehr an Wirkungskraft, während die schlechten Nebenwirkungen immer offensichtlicher werden. Das wird uns am Ende Probleme bereiten. – bto: Das sehe ich genauso, wobei dies nicht bedeutet, dass es nicht weiter probiert wird.
  • Dabei führt diese extreme, unkonventionelle Politik dazu, dass der Eindruck von Panik entsteht, was eher verunsichert und dämpft, statt zu fördern. Dann geben die Leute weniger Geld aus, statt mehr.
  • Billiges Geld dient vor allem dazu, Ausgaben der Zukunft nach vorne zu ziehen. Aber irgendwann „tomorrow becomes today”. Die künftigen Ausgaben werden beschränkt, durch die Ausgaben, die schon getätigt wurden. Sichtbar in steigenden Schuldenständen.
  • Deshalb kann Geldpolitik immer nur eine relativ kurze Zeit funktionieren. Jetzt haben wir sieben Jahre extreme Geldpolitik, keine kurze Zeit.

Zu Negativzinsen …

  • Negativzinsen können unerwünschte Konsequenzen haben: Die Leute flüchten in Bargeld (bto: Deshalb will man es ja auch einschränken) und die Banken könnten gezwungen sein, die Zinsen auf Krediten zu erhöhen, um ihre Marge zu verteidigen. – bto: Entweder sie nehmen negative Zinsen auf Einlagen und/oder mehr für Kredite. Klar, dass beides eher dämpfend als belebend wirkt.
  • Weitere Gründe für weniger Konsum (statt mehr) sind: Sparer müsse mehr für das Alter zurücklegen, die Reichen profitieren mehr von der Politik, konsumieren aber weniger ihres Einkommens als die ärmeren Bevölkerungsschichten, die von den tiefen Zinsen getroffen werden.
  • Manager haben zudem ein starkes Incentive, statt zu investieren, Aktien auf Kredit zu kaufen. Damit steigern sie zwar den kurzfristigen Erfolg, wonach sie bezahlt werden, unterminieren aber die zukünftigen Wachstumsaussichten der Unternehmen und der Wirtschaft.
  • Sieht es so aus, als würden auch die USA in diese Richtung gehen.

Hier übrigens das schockierende Bild, wie weit wir schon in Negativzinsen stecken:

 


Zum Heraussparen aus der Überschuldung …

  • White geht dann auf die Peripherie Europas ein. Er sieht ganz klar, dass man sich nicht aus der Überschuldung heraussparen kann, Beispiel: Griechenland.
  • Er weist auch darauf hin, dass eine Abwertung der eigenen Währung – was ja bei einem Euro-Austritt der Fall wäre – nicht unbedingt den Export belebt. – bto: wobei man sagen muss, dass im Fall von Japan, den White anspricht, besondere Umstände vorliegen. Die japanischen Unternehmen exportieren vor allem hochwertige Produkte, die man nicht über den Preis verkauft. Bei Tourismus und Agrarprodukten dürfte das anders sein.
  • Außerdem würden die Schuldner in massive Probleme geraten, weil sie die Euro noch schwerer verdienen könnten. – bto: stimmt. Aber die Forderungen sind doch ohnehin schon verloren!
  • Deshalb müsste Deutschland austreten, aber das ist politisch undenkbar und wäre die „Mutter aller Krisen. Es wären aber normalerweise immer die Gläubiger, die austreten. – bto: Ich denke, der Zerfall der Eurozone wird kommen, auch wenn es noch einige Zeit dauern wird und wir wären besser dran, es selbst zu tun. Kommt aber nicht.
  • Auch in Europa bräuchten wir einen geordneten Schuldenschnitt. – bto: genau.

Zum Helikopter-Geld:

  • Die Notenbank druckt Geld und der Staat gibt es aus – oder es wird den Bürgern direkt überwiesen. Das ist Helikopter-Geld.
  • Wenn diese Handlung von der Öffentlichkeit als Zeichen für außergewöhnliche Probleme der Regierung gesehen wird, können wir ein Zimbabwe-Szenario bekommen, mit Hyperinflation über Nacht.
  • Wenn es nicht dazu kommt: Die Menschen können den Scheck entweder dazu nutzen, um Schulden zu tilgen, zu sparen oder zu konsumieren. Je höher die Schulden, desto eher die Variante „Sparen“. – bto: Wenn es zu einer Reduktion der privaten Schulden führt, fände ich es gut. So habe ich bereits in meinem 10.000-Euro-für-jeden-Beitrag argumentiert.
  • Die Frage, so White, ist: „Was machen die Leute mit dem Geld?“ Die Antwort könnte sein: nichts. Deshalb könnte das Instrument weniger wirkungsvoll sein, als gehofft.
  • Wenn der Staat sich von der Notenbank finanzieren lässt, hängt es davon ab, welchen Anteil der Ausgaben die Notenbank finanziert. Sind die Schulden schon hoch und das laufende Defizit groß, wächst die Gefahr.
  • Die magische Nummer liegt laut Professor Bernholz bei 40 Prozent der Ausgaben. Sobald die Notenbank einen so hohen Anteil an der Finanzierung des Staates hat, droht die Hyperinflation. In Japan ist dies heute der Fall.
  • Es genügt ein kleiner Auslöser. Sollten Zweifel an den Staatsfinanzen aufkommen und die Zinsen steigen, sodass die Notenbank einspringen muss, drohen ein Währungsverfall und unkontrollierbare Inflation. Das ist ein „nichtlinearer“ Prozess. – bto: Klartext, es kippt schnell, plötzlich und drastisch.
  • Einige mögen glauben, dass Helikopter-Geld die Lösung unserer Schuldenprobleme ist. White sieht es als ein hochriskantes Manöver, welches für Länder mit finanziellen Schwierigkeiten fatal sein kann.

Etwas ratlos bleibe ich allerdings zurück. White hat einen klaren Blick auf die Lage. Aber auch er hat keine Lösung parat. Schuldenschnitte, wie von mir auch immer gefordert, hält er für richtig, aber nicht für durchführbar. Was dann? Bis wir die Antwort haben, geht es erst mal weiter wie bisher – in den Abgrund.

Dazu passt auch dieses Chart aus dem Wall Street Journal, welches bei Zero Hedge zu finden war. Was noch fehlt, ist die inhärent deflationäre Wirkung des billigen Geldes, weil es Fehlinvestitionen und Überkapazitäten schafft und erhält:

 

→ Zero Hedge: “Negative Rates Are Dangerous OECD Chair Warns Our Entire System Is Unstable“, 10. Februar 2016

→ Zero Hedge: “This Is The NIRP Doom Loop That Threatens To Wipeout Banks And The Global Economy”, 12. Februar 2016