„Geld aus dem Hubschrauber“

Wie ernst es mit dem Helikopter-Geld wird, sieht man schon daran, dass es immer mehr Eingang findet in die Diskussion der Medien, die gemeinhin als sehr skeptisch diesem Thema gegenüber sind. So in einem Beitrag auf dem Wirtschaftsblog der F.A.Z.:

  • Als Gedankenexperiment hat das Helikopter-Geld natürlich Charme. Erstens erscheint es auf den ersten Blick irgendwie gerecht, wie eine Art einmaliges bedingungsloses Grundeinkommen von der Zentralbank. Zweitens umgeht es die Banken, die normalerweise dafür zuständig sind, die Geldpolitik an die Leute, die Firmen und die Wirtschaft weiterzugeben. (…) Drittens umgeht man auch den Staat, der derzeit ebenfalls dafür genutzt wird, Geldpolitik zu machen. (…) macht nicht das, was die Notenbanker wollten: Geld ausgeben …” – bto: Ja, einen gewissen Charme hat es tatsächlich.
  • Wenn man nur das Geld direkt an die Leute geben könnte, so die Idee, dann würden sie es schon ausgeben, dadurch die Wirtschaft ankurbeln, Inflation und Löhne treiben, für Dynamik sorgen. (…) Jüngst sang das Loblied des Helikopter-Gelds unter anderem Adair Turner, ehemaliger Chef der britischen Finanzregulierungsbehörde FSA …” – bto: wie hier mehrmals besprochen.
  • Doch “kann die Zentralbank den normalen Europäern nicht direkt Geld überweisen. (…). Sie braucht deshalb stattdessen einen Mittler. Das sind wieder: entweder die Banken oder der Staat”.
  • “… viele Bürger besitzen mehrere Konten, manche gar keins oder nur im Ausland: Wie soll man da garantieren, dass jeder nur einmal Geld bekommt? Über den Staat geht es besser, denn er hat einen genauen Überblick über seine Bürger.” – bto: O. k., das ist ein berechtigter Punkt.
  • Die Notenbank gibt der Regierung Geld, und die wiederum verteilt es an die Bürger. Das kann man sich in Form von Steuererleichterungen vorstellen oder auch ganz simpel als Scheck, den jeder Bürger vom Staat bekommt. (…) Man müsste also eigentlich nur den Kauf von Staatsanleihen ergänzen durch ein großes staatliches Konjunkturprogramm mittels Schecks an Haushalte – und schon wäre man bei dem, was manche Helikopter-Geld nennen.” – bto: Genau, das klingt doch machbar.
  • In Wirklichkeit ist das also gar keine neuartige Geldpolitik, sondern einfach eine Kollaboration von Zentralbank und Politik. Oder genauer: der Traum der Notenbanker, dass sie auch bestimmen können, was die Regierungen tun.” – bto: Das ist ja mal eine Volte der F.A.Z. Ich dachte immer, es wäre umgekehrt. Ich denke, es ist falsch, da die Regierungen die Schuldenkrise nicht lösen, bleibt es bei Draghi hängen.
  • Die aus historischen Gründen stets hoch gehaltene Unabhängigkeit wäre sofort verloren, und es stellte sich die berechtigte Frage: Werden die Bürger ihrem Geld noch vertrauen, wenn sie wissen, dass die Herrscher über das Geld ihre eigenen Prinzipien über Bord werfen? Der Verdacht lautet: Nein. Sie werden Angst bekommen, dass Staat und Notenbanken so eng miteinander kuscheln, dass sich bei nächster Gelegenheit der Staat einfach sein Geld selbst druckt, wenn er es braucht – egal ob das geldpolitisch Sinn ergibt.” – bto: O. k., jetzt ist die F.A.Z. wieder im Film und bringt das eigentliche Argument, nämlich, dass die Politik dann einen ungebremsten Zugang zur Notenpresse hätte, mit den bekannten Gefahren für Vertrauen in Geld und Geldwert. Dem kann ich bekanntlich viel abgewinnen!
  • Die Idee ist, dass die Bürger das Geld, das sie bekommen, erstens wirklich sofort ausgeben und es zweitens auch noch sinnvoller tun als der Staat oder die Banken. Leider lautet die Erfahrung, dass beides nicht unbedingt passiert. Die Millionen Amerikaner, die in der Finanzkrise im Jahr 2008 Schecks vom Staat bekamen, gaben davon viel weniger aus als erwartet: nur etwa ein Drittel, den Rest sparten sie. Besser sah es aus, als sie im Jahr 2001 erstmals 600 Dollar bekamen. Damals gaben die Amerikaner mehr als die Hälfte davon aus. Sprich: Wenn die Menschen verunsichert sind, dann sparen sie auch geschenktes Geld.” – bto: Oder sie flüchten aus dem Geld.

Dann das Fazit: “Abgesehen davon, muss man sich natürlich immer die Frage stellen, ob es der Wirtschaft derzeit wirklich so schlecht geht, dass man ein solches Konjunkturprogramm empfehlen würde. Für Deutschland gilt das sicher nicht.” – bto: Dies deutet auf ein sehr gelungenes Verdrängen der Realitäten hin. Nur weil wir dank Exporten und Schuldenorgien im Ausland in einer Wohlstandsillusion sind, denken wir, es gäbe kein Problem.

O. k., Resümee: Wenn wir die Helikopter nicht starten lassen – was ich auch mit Bauschmerzen sehe –, wie lösen wir dann das Problem der immer größer werdenden Überschuldung? Und wie befreien wir die Krisenländer aus der Dauerstagnation? Wer sagt, was er nicht will, muss auch sagen, was er will.

F.A.Z., Fazit – Das Wirtschaftsblog: “Geld aus dem Hubschrauber”, 9. März 2016