„From Zirp, Nirp, QE, and helicopter money to a better monetary system“
Thomas Mayer vom Flossbach von Storch Research Institute wirft einen weiteren Blick auf das Helikopter-Geld. Dabei betrachtet er nicht nur die Wirkung, sondern auch die Frage, ob es der Einstieg sein könnte für einen Systemwechsel. Bekanntlich ist er ein Befürworter einer Variante des Vollgelds, die den privaten Geschäftsbanken die Möglichkeit nimmt, Geld zu produzieren. Schon im Oktober 2015 schrieb er in der F.A.S.: „Mit Helikopter-Geld ruinieren wir auch noch den Rest, was von unserem Geldsystem übrig ist. Richtig. Aber dadurch wird auch ein Neuanfang möglich. Giralgeld würde dann nicht mehr durch Kreditvergabe der Banken als privates Schuldgeld, sondern direkt vom Emittenten geschaffen. Würden wir dann noch den Wettbewerb der Emittenten um die Produktion des besten Geldes zulassen, hätte die Geldkrise einen Sinn. Und ein gutes Ende.“
Hier nun die ausführliche Erklärung, wie es funktioniert:
- Zunächst nochmals die Erklärung, was denn Helikopter-Geld ist: „The helicopter is a useful methaphor. In our present reality, however, it seems more plausible to use banks for the distribution of helicopter money. It is conceivable that the central bank pays reserve money into the accounts of public entities with the instruction to banks to create book money against it for the government. The latter could then distribute the money through its budget.“ – bto: klar. Letztlich geht es nur über den Staat.
- Zwar ist eine direkte Finanzierung von Staaten der EZB verboten. Dies gilt nicht für die Verteilung von Geld an die Bürger: „‚Helicopter drops‘ of money have not been included in the ECB’s statutes as an instrument of monetary policy. However, Article 20 of the statues says that ‚the Governing Council may, by a majority of two thirds of the votes cast, decide upon the use of such other operational methods of monetary control as it sees fit, respecting Article 2‘ (i. e., price stability).“
- Die Zuführung von Helikopter-Geld würde sich so in der Bilanz niederschlagen (nichts anders als eine Bilanzverlängerung); mehr Einlagen, aber auch mehr Verbindlichkeiten:
- Nun kommt es darauf an, was die Bürger mit dem Geld machen. Mayer rechnet mal 50/50 für Konsum und Schuldentilgung: „Suppose, people use half of the drop to spend and the other half to pay down their bank debt. When people return €500bn of helicopter deposits to cancel € 500 bn of credit they took out earlier, both credit and helicopter deposits decline by this amount. As a result, the balance sheet of the banking sector and with it the volume of total deposits declines by the same amount. This creates room for the central bank to drop another € 500 bn of helicopter money by paying reserve money to banks to fill up again the helicopter deposits of each resident. If again half of the drop were used to pay down debt, room for a further €250bn drop would be created that the central bank could now fill.“ Die Bilanz der Banken sähe nach der ersten Runde so aus:
- Jetzt kommt der Knüller durch den Übergang auf das Vollgeld-System: „Theoretically, the process can be repeated until the debt of non-banks is eliminated and bank credit to non-banks is replaced completely by reserve money on the asset side of banks. Thus, when people always use part of the helicopter drop to repay debt, credit to the non-bank sector would be replaced by central bank money as cover for deposits. This is what Irving Fisher in the 1930s called a ‚100 % Money‘ regime, also known as full reserve banking or ‚positive money‘. The debt relief triggered by the helicopter drops would itself most likely raise spending by the non-bank sector, leaving aside the other half assumed to be spent directly.“ – bto: Das wäre die „wundersame“ Schuldentilgung durch den Systemwechsel. Ein sehr eleganter Weg der Schuldentilgung. Meine Frage ist immer: Wäre das inflationär? Schließlich würde die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes vermutlich wieder steigen.
- Gewinner wären alle Schuldner inklusive des Staates. Verlierer die Notenbank, allerdings nur auf dem Papier: „The central bank would be a loser, but only in accounting terms. Since the helicopter money would be created by the ECB ‚out of nothing‘ without acquiring an asset, the money injection would have to be financed by a reduction of capital and reserves. The ECB has presently about € 444 bn in capital, general reserves, and revaluation reserves, which would turn into a negative position of € 656 bn to cover the € 1,000 bn of additional money.“ – bto: wobei die EZB die anderen Vermögensgegenstände einfach höher bewerten könnte und/oder die zukünftigen Geldschöpfungsgewinne aktivieren. So sähe die Bilanz der EZB dann aus:
- „Any other company would of course be bankrupt when its liabilities exceed its assets. But a central bank is different, because it does not have to repay its liabilities in the form of central bank money. Hence, it can operate with a negative equity position without much difficulty.“
- „The only risk is that people would lose faith in money that is not covered by claims on other assets. But as long as inflation is low, a loss of confidence is unlikely. In order to avoid the false comparison with a bankrupt company, the central bank could rename equity and reserves on the asset side to ‚good will‘, or it could classify it as future income from money issuance (seigniorage).“ – bto: Hier macht Mayer den Punkt. Die EZB kann bilanzieren wie sie will.
- Auf jeden Fall kommt es zu dem von Mayer gewünschten Systemwechsel: „When the central bank issues money on the basis of Good Will, it creates ‚reputation money‘, i.e., money no longer backed by credit but by the reputation of the central bank as an issuer of solid money. Hence, with the introduction of helicopter money the monetary system changes from a pure credit money system to a mixed system with credit and reputation money. The more helicopter money is issued the more is the character of money shifted towards reputation money.“
- Mayer führt dann noch aus, wie neue Wege der Gelderzeugung (Crypto-Money) den Wechsel beschleunigen könnten. Im Original nachlesen. Was jedoch wichtig ist, ist die Frage der „Kontrolle“ der Notenbanken, damit diese nicht zu viel neues Geld schaffen und so die Reputation verspielen. Hier setzt er auf Wettbewerb: „Competition among different issuers of reputation money would be the best, if not only, way to arrive at sound money. Users of money are interested in its ‚inner value‘, i. e., in its long-term purchasing power. Hence, issuers of reputation crypto money could compete for the best algorithm of money issuance for the stabilization of the ‚inner value‘ of their money.“
„To conclude, helicopter money is a double- edged sword. On the one hand, it could facilitate the change-over from our present credit money system to an alternative money system, in which money is no longer created as private debt but as an asset backed by the reputation of the issuer. (…) On the other hand, helicopter money could lead to a loss of confidence in the existing money and a money crisis, if it is used by inflation targeting central banks to force inflation higher. Most likely, we shall first have to pass through a money crisis on our way to a new and better monetary system.“
Hier der Link zum Dokument:
Ich schlage vor, dass alle Beteiligten über folgende Argumentation
nachdenken:
Diese Welt – egal in was für Teilausschnitten man sie auch immer betrachtet
“nur” das Finanzsystem, ein einzelnes Land die EG, “die Gesellschaft” –
besteht aus in sich verschachtelten Systemen.
Diese Systeme haben so viele Parameter, dass eine Berücksichtigung
ALLER Parameter unmöglich ist. Eine Vorhersage bis hinters Komma was
passieren wird ist nicht möglich.
Die “Systemwissenschaft” Kybernetik hat bestimmte Grundgesetze “wie
funktionieren Systeme” bzw. “unter welchen Randbedingungen haben
Systeme langfristige Lebensfähigkeit” herausgefunden.
Ob einem das nun gefällt oder nicht es sind komplexe Systeme. Der Ansatz
mit Systemen konsequent systemisch (= mit kybernetischen Methoden) zu
arbeiten ist keine Entscheidung zwischen diskussionswürdigen Alternativen
sondern eine Entscheidung ob man real vorhandene Randbedingungen
bewußt zur Kenntnis nimmt und in der Analyse und Planung berücksichtigt
oder nicht.
Um es mal ganz platt und plakativ auf den Punkt zu bringen:
Das systemische der vorhandenen Systeme nur teilweise zu berücksichtigen
wäre wie wenn man ein Flugzeug entwickeln wollte und in der
Entwicklungsarbeit zwar die Gravitation und Auftrieb berücksichtigt aber den
Luftwiderstand unberücksichtigt ließe.
Oder jemand wollte ein Schiff aus gewöhnlichem Papier und Pappe bauen
berücksichtigt dabei Gewicht, Reißfestigkeit und Biegefestigkeit würde die
geringe Wasserfestigkeit von Papier aber unberücksichtigt lassen.
Absurd und zum Scheitern verurteilt!
Der Umbau- vorhandener Strukturen und Aufbau von neuen Strukturen die
konsequent die kybernetischen Gesetzmäßigkeiten berücksichtigen führt zu
Stabilität und langfristiger Lebensfähigkeit. Die Kybernetik liefert dazu keine
Patentlösungen. Die kann es gar nicht geben wegen der unendlichen
Verschiedenartigkeit der Teilsysteme. Die Kybernetik liefert Methoden und
Strategien wie man die jeweils passende Lösung findet. Die jeweilige
Lösung beinhaltet auch wie das jeweilige Teilsystem so gestaltet werden
kann, dass es sich der sich – mal schneller mal langsamer – aber ständig
ändernden Umwelt in die es eingebettet ist anpassen kann.
Kybernetik ist ein anspruchsvolles Wissenschaftsgebiet. Ich selbst bin weit
davon entfernt ein Experte in Kybernetik zu sein. Aber zu der oben
beschriebene elementare Erkenntnis ist – meine ich – jeder Mensch mit
normal ausgebildeter Intelligenz fähig.
Wer sich jetzt weiter mit Kybernetik auseinandersetzen will hier ein zwei links
die ich für interessant halte:
https://www.youtube.com/watch?v=-lde6NjPf_I
http://www.komplexitaetsfalle.com/die-presse-einf%C3%BChrung/
mit freundlichen Grüßen
Stefan Ludwig
Mayer denkt seinen Mechanismus zwar zu Ende, er denkt ihn jedoch BESCHRÄNKT zu Ende:
„Suppose, people use half of the drop to spend and the other half to pay down their bank debt”
Hier wird eine KONSTANTE angenommen, die bei RATIONALEM Verhalten keine ist.
Wenn die EZB die GESAMTE Verschuldung ELIMINIEREN will, dann verhält sich ein rationaler Helikoptergeld-Empfänger wie folgt:
Er VERSCHULDET sich so viel er kann, denn jedes neue Schuldverhältnis generiert neues Helikoptergeld.
Heißt:
Wenn das genug machen, d. h. hinreichend viele ihr Helikoptergeld als Sicherheit für noch mehr Schulden hinterlegen, mit denen sie vorhandene Assets kaufen – Sicherheit für den unvermeidlich inflationär wirkenden, weil nie endende Helikoptergel-Segen – kommt es zu HYPERINFLATION.
Mayer:
“Hence, with the introduction of helicopter money the monetary system changes from a pure credit money system to a mixed system with credit and reputation money. The more helicopter money is issued the more is the character of money shifted towards reputation money.“
Die erste Feststellung ist richtig.
Die zweite ist falsch – wer für eine Hyperinflation verantwortlich ist, kann kein Herausgeber von „reputation money“ sein.
Mayer ist einer, der sich selber in Frage gestellt hat und der auf der Suche nach machbaren Alternativen ist. Aber so richtig bis zu Ende gedacht scheint mir das Ganze noch nicht zu sein. Hatte seine Vorschläge vor zwei Tagen im Herdentrieb kommentiert: http://blog.zeit.de/herdentrieb/2016/04/05/mario-so-haben-wir-uns-das-mit-der-ezb-nicht-vorgestellt_9454?sort=asc&comments_page=12#comment-216792
LG Michael Stöcker
So oder so ähnlich könnte es funktionieren. Sie selbst haben aber in der WiWo letzte Woche Zweifel angemeldet, ob man das dann öfter so machen könnte. Und man liest auch heraus, dass die Frage des “danach” tendenziell unbeantwortet bleibt und inwieweit damit eine unbeabsichtigte Hyperinflation in Gang kommt. Auf jeden Fall wirft Helikoptergeld für die sich anschließenden Zeiträume neue Fragen auf. Tatsächlich wird sich an dem doch sehr heterogenen Stellenwert von Geld im Euroraum (stetige Inflationierung im Süden vs. Austeriät im Norden) wohl wenig ändern. Im Grunde wird auch die Konkurrenzfähigkeit des Südens nicht gebessert, eher die Leidensbereitschaft des Nordens, denn die Zinsen für Sparer werden bei Helikoptergeld nicht wirklich ansteigen.
Auf jeden Fall bewahrheitet sich der Spruch: “Es ist doch nur Geld”.
Nun denn. LG.
Hallo Herr Stelter,
das hört sich gar nicht so verkehrt an…warum sollte man nicht VORAB regeln, wofür die Bürger das Helikoptergeld prozentual ausgeben können (Konsum – Tilgung)… ich denke, das würden die Menschen mittragen und nicht als Gängelung verstehen (man MUSS ES IHNEN NUR VORAB RICHTIG ERKLÄREN von GLAUBWÜRDIGER SEITE ) sonst: http://www.geolitico.de/2016/04/22/19-belege-fuer-zerstoerten-wohlstand/. Viele Grüße, Nana Albert