Flüchtlingskrise kostet locker eine Billion

Von Anfang an habe ich vor Schönrechnerei mit Blick auf die Flüchtlingskrise gewarnt. Wer anderen Menschen hilft, teilt seinen Wohlstand mit ihnen. Das ist völlig normal und wir sollten auch nichts anderes erwarten. Dabei müssen wir uns allerdings über zwei Dinge im Klaren sein:

  • Wie hoch ist die Gesamtbelastung durch die Flüchtlinge?
  • Sind wir dauerhaft in der Lage und bereit, diese Kosten zu tragen?

Die Beantwortung dieser Fragen wird uns allerdings konsequent schwer gemacht, weil uns die Kosten nur zum Teil präsentiert werden und zudem die Hoffnung eines künftigen Nutzens dagegengestellt wird. Damit soll bezweckt werden, dass wir uns bezüglich der Kosten keine Sorge machen. Nach dem Motto, keine Sorge, wir schaffen das locker und in Wirklichkeit sind wir sogar die Nutznießer. Weitere Folge davon: Wir stellen die zweite Frage gar nicht mehr, weil doch schon die Antwort auf die erste Entwarnung gibt.

Ich bleibe dabei: Das ist fatal, weil es die Grundlage für massive Enttäuschung, Verteilungskonflikte und Radikalisierung legt.

Die Welt berichtet von einer weiteren Studie zur Kostenabschätzung der Flüchtlinge. Ich finde es immer wieder faszinierend, wie da große Studien der Institute erarbeitet werden, die bei ehrlicher Betrachtung über meine kleine Betrachtung nicht hinausgehen:

Flüchtlingsmatrix

Nun also das Institut für Weltwirtschaft in Kiel: zunächst die Flüchtlingsmenge und darauf basierend die jährlichen Kosten:

 

DWO_WI_Flüchtlingskosten_fb_1 Kopie.jpg

Man sieht, bei insgesamt rund fünf Millionen Flüchtlingen liegen die Kosten demnach bei 55 Milliarden Euro pro Jahr. Dabei rechnet das IfW mit rund 13.000 Euro pro Kopf, also deutlich weniger als ich, wobei ich mit Vollkosten arbeite und nicht mit Grenzkosten. Schließlich nutzen die Flüchtlinge auch Infrastruktur, Verwaltung etc. In meinem Szenario müssten von den fünf Millionen Flüchtlingen rund eine Million arbeiten und dabei 20.000 Euro pro Jahr verdienen, damit die Nettokosten bei rund 55 Milliarden pro Jahr liegen.

DIE WELT dazu:

  • Eine neue Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) stellt alle bisherigen Berechnungen zu den Kosten der Flüchtlingskrise in den Schatten: Sollte der Flüchtlingsstrom anhalten, werden sich die Kosten für die Versorgung der Flüchtlinge langfristig auf bis zu 55 Milliarden Euro pro Jahr belaufen, rechnet das IfW vor.“ – bto: Das stimmt nicht. Zum einen war ich höher und zum anderen hat auch Raffelhüschen hat  vorsichtig 900 Milliarden geschätzt.
  • Demgegenüber steht eine umstrittene Berechnung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Darin rechnet DIW-Präsident Marcel Fratzscher vor, dass sich ein Flüchtling nach etwa sieben Jahren für den deutschen Steuerzahler ‚rechnet‘.“ – bto: Naja, die Welt kennt meine detaillierte Kritik der DIW-„Studie“. Da ist „umstritten“ eine zu nette Umschreibung. Aber was sollen sie machen? DIE WELT hat es ja mit der SZ am aggressivsten vermarktet …
  • Allerdings halten die IfW-Forscher selbst den Riesenbetrag von 55 Milliarden Euro im Verhältnis zur Wirtschaftskraft Deutschlands für “beherrschbar”. Selbst in diesem teuersten Szenario blieben die Kosten unter zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) Deutschlands.bto: Da bleibt mir dann echt die Spucke weg! Das sind über eine Generation Kosten von 1.815 Milliarden Euro. Wir haben aber noch ein paar andere Probleme: Eurokrise = eine Billion plus x, ungedeckte Rentenversprechen etc. = sechs Billionen plus x, verlotterte Infrastruktur = eine Billion … Da kann man doch nur warnen und nicht so tun, als könnten wir uns alles leisten!
  • Zur Senkung der Flüchtlingskosten empfiehlt das IfW höhere Ausgaben für eine schnelle Integration in den Arbeitsmarkt. Konkret fordern die Forscher 1000 Euro mehr pro Flüchtling jährlich.“ – bto: 1.000 Euro!!! Normale Schulbildung kostet 7.000 Euro pro Jahr. Was will man mit den 1.000 Euro machen? Sprachkurse für Putzfrauen? Das ist doch ein Witz. Wir müssen richtig investieren, doch dann handelt es sich eben nicht mehr um 55, sondern eher um 75 Milliarden pro Jahr. Und man muss sich fragen, ob diese Investition sich letztlich wirklich lohnt.

Führt mich zu meiner Eingangsaussage zurück: Wir täuschen uns aus falsch verstandener politischer Korrektheit bei Frage 1 und stellen deshalb Frage 2 gar nicht. Die Folgen werden uns auf Jahrzehnte hinaus beschäftigen und das politische Klima unseres Landes fundamental verändern. Ein Blick nach Frankreich genügt. 

Derweil mehren sich die Zeichen für den politischen Schaden, den die deutsche Politik in Europa anrichtet. England steuert immer deutlicher auf einen Brexit zu. Das ist, wie von mir regelmäßig geschrieben, aus deutscher Sicht ein Desaster. Nun werden die Stimmen lauter. In einem an Klarheit nicht zu überbietenden Kommentar im Telegraph wird deutlich gemacht, was die Engländer von Angela Merkels Politik halten: nichts.

„Ultimately, the capacity of a civilisation to resist those who hate it depends on its self-belief. In Europe, this was expressed in what was called Christendom, enriched by the ideas of the Enlightenment. The founders of the European Union wanted it to give Christendom modern democratic form, but this is now nearly invisible. The leader of the union’s largest Christian Democrat party, Angela Merkel, has let more than a million mainly Muslim immigrants into her country this year alone. The East German pastor’s daughter is surely a much nicer person than Donald J Trump, but I wonder if she is not doing more actual harm to the future of the West.“

→ Die Welt: „Flüchtlingskrise kostet bis zu 55 Milliarden Euro im Jahr“, 11. Dezember 2015

→ The Telegraph: „Angela Merkel is doing more damage to the future of the West than Donald Trump“, 11. Dezember 2015

 

Kommentare (8) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Ferdinand
    Ferdinand sagte:

    Einige Kommentatoren fragen sich hier wie es zu so unterschiedlichen Schaetzungen kommen kann, Es wird sogar suggeriert dass die Institute politische Vorgaben erhalten. Ich glaube nicht dass es solche Vorgaben braucht. Die verschiedenen Institute konkurrieren in Deutschland um Aufmerksamkeit und Gelder der oeffentlichen Hand. Jetzt kann man sich bei Fragen bei denen eine Partei eher in diese Richtung neigt und eine andere Partei eher in die andere Richtung sicherlich erlauben die ‘Wahrheit’ (bzw das was die eigenen Berechnungen wirklich zeigen) zu sagen. Aber wenn man weiss dass naechstes Jahr irgendwelche Foerderungsvertraege zur Verlaengerung anstehen oder irgendwelche wichtigen Auftraege neu zu vergeben sein werden, wer wird es sich dann antun gegen die EINHELLIGE Meinung aller im Bundestag vertretenen Parteien anzuforschen?? Ausserdem, wenn ein Institut seine Reputation einsetzt um in der momentanen Situation die Tatsache zu vertreten dass die Fluechtlinge uns selbst monetaer schon 75 Milliarden/pro Jahr kosten werden, der wird auch noch einen medialen Shitstorm auf sich ziehen. Alle Parteien wuerden Gegenexperten rausholen (mit der Aussicht auf irgendwelche lukrativen Beraterjob wuerden sich genuegend VWL-Professoren dafuer anbieten) und die Medien wuerden denen viel Raum geben um die vorgelegten Berechnungen ohne Widerspruchsmoeglichkeit ins laecherliche zu ziehen. Am Ende wuerde der Vorsitzende des Instituts mangelnder Serioesitaet bezichtigt die nur den Neonazis in die Hand spielt. Die logische Konsequenz waere Ruecktrittsforderungen an den Vorsitzenden des Instituts.

    Kurzum, die Verzerrungen bei den veroeffentlichten Berechnungen der Fluechtlingskosten und die dazugehoerigen Verzerrungen der Interpretation selbst der eh schon sehr moderaten Schaetzungen gehen alle auf das selbe Uebel zurueck: Deutschland hat keine Opposition. Und in einem Land das keine Opposition hat ist halt nun einmal alles moeglich fuer die Regierenden; vorauseilende freiwillige Gleichschaltung ist einfach eine logische Konsequenz. Natuerlich gibt es Leute die widersprechen (wir den Blog hier), aber es gibt keine politisch relevante Bewegung die dies tut. Die einzige Partei die glasklar fuer eine Begrenzung der Fluechtlingszahlen ist, ist die AfD. Aber diese Partei ist jung und damit organisatorisch und personell noch sehr schwach aufgestellt. Dass sich dies aendert ist nicht abzusehen. Jeder vernuenftige Mensch der sich dort engagiert riskiert dass er – und noch schlimmer – seine Kinder zu sozialen Parias werden. Weil wer mit den quasi-Neonazis paktiert wird so behandelt werden. Beispielhaft moege man sich einfach nur mal vorstellen was in grossen Unistaedten linke Studentenorganisationen mit Professoren machen wuerden die sich offen zur AfD bekennen. Wenn aber die Personaldecke bei der AfD weiterhin duenn bleibt, dann wird ihre Anziehungskraft sehr bescheiden bleiben. Es ist leicht vorauszusehen dass in den Wochen vor den naechsten Landtagswahlen die Medien ihre ganze Aufmerksamkeit den allerschlimmsten AfD-Schreihaelsen widmen werden. Die so Behandelten werden sich ploetzlich ganz wichtig fuehlen und werden den Medien genau das geben wonach sie gieren: uebelste Sprueche aus der Nazi- und Rassistenkiste. Diese werden dann landauf landab als Beweis fuer die Unwaehlbarkeit der AfD verbreitet. Viele Waehler die sich mit dem Gedanken getragen haben die AfD zu waehlen werden davon abgeschreckt werden. Diese werden vielleicht nicht zu den etablierten Parteien zurueckkehren sondern einfach gar nicht zur Wahl gehen. Aber am Ende hat das ja eh den gleichen Effekt wie eine neuerliche Stimmabgabe fuer die etablierten Parteien.

    Meines Erachtens ist die momentane politische Situation ein erschreckendes Beispiel dafuer zu welch absurden Auswuechsen ein durch Ausschlussdrohungen aufrecht erhaltenes Herdenverhalten fuehren kann. Jeder dem es – so wie mir selbst – nie so richtig einleuchten wollte wie die Nazis sich so einfach durchsetzen konnten nachdem sie 1933 noch nicht einmal 40% der Stimmen erhalten hatten, kann an der Wirkung der gegenwaertigen freiwilligen Gleichschaltung erahnen welche Wucht die gezielten Gleichschaltungsanstrengungen der Nazis entwickelt haben muessen.

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    • Björn Schneider
      Björn Schneider sagte:

      Das ist eine tolle Beschreibung der politischen Situation in Deutschland. Als 69er habe ich mich immer gefragt, wie das dritte Reich entstehen konnte. Die Leute müssten doch was gemerkt haben. Die Zeichen der Zeit verstanden haben.
      Und jetzt stecke ich selbst mittendrin. Meine Enkel werden mich fragen, warum ich denn nichts gemacht habe. Und ich werde zurückfragen: was hätte ich denn tun sollen.

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  2. LG
    LG sagte:

    Lieber Herr Dr. Stelter,
    mal eine ganz einfache Frage an Sie, der Sie (BCG) ja mal unser Finanzministerium beraten haben: was ist das hohe Gut in den Augen unserer Politiker, das solche gigantischen Risiken inklusive Riss durch die Gesellschaft, Verlust an Demokratie und Meinungsfreiheit, Gesichtsverlust auf der Weltbühne und massiven Wählerschwund rechtfertigt?
    Zu den erwähnten Kosten kommen noch die Kosten des Vertrauensverlusts der Investoren in Deutschland, die ihr Geld lieber woanders inversieren, durch die eigene Bevölkerung, die ihr Geld diversifiziert = raus aus EU und die, die gleich ins Gold gehen. Das müsste doch den dümmsten Politiker nachdenklich machen, sollte man meinen
    …tut es offensichtlich nicht. Warum?

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    • HHE
      HHE sagte:

      Die Sanktionen gegen Russland wurden uns von den USA aufgedrückt. Wir sind nicht souverän, sagte schon Schäuble. Dann muss man sich nicht fragen, was unsere Politiker sich gedacht haben mögen …

      Antworten
      • LG
        LG sagte:

        naja, dass unser Bundeskanzlerin auf’s’ amerikanische Wort hört, haben wir ja schon häufig erlebt, andererseits hat sich unsere Regierung in der Eurokrise gegen die von Amerika favorisierte Geldpolitik entschieden, also auch da nicht konsequent.

  3. MFK
    MFK sagte:

    Wir täuschen uns bei der Frage der Kosten nicht. Im politischen Meinungsmanagement kommt es darauf an, die Ränder zu definieren, weil die Masse der Bevölkerung dazu neigt, innerhalb der angebotenen Bandbreite an Schätzungen zu mitteln und sich ihre Meinungsbildung zu diesem Mittel hin bewegt. D.h. extreme Kostenschätzungen werden aus diesem Grunde vom politischen Mainstream vermieden. Der Bevölkerung wird so nahe gelegt, das Ganze sei ohne nachteilige Folgen für sie noch zu finanzieren. Weiterhin wird auch das Spektrum der zulässigen Reaktion des Staates auf den Flüchtlingszustroms eingeschränkt und dies geschieht ganz einfach, wer gegen Zuwanderungen ist, ist Rechtsextrem. Das funktioniert in Deutschland immer noch sehr zuverlässig. Damit beschränkt man das zulässige Denken auf ein Spektrum, dessen Mitte vom politischen Mainstream gewünscht ist.
    Natürlich kann versuchen, hiergegen sachlich anzuargumentieren. Das ist aber schwierig, weil durch die Massenmedien dann wirtschaftlich begründete Ableitungen als Meinungen (und nicht als Fakten) hingestellt werden und diese dann in einen anderen Kontext gesetzt werden. Dieser neue Kontext ist dann in der Regel das Demographieproblem, i.e wir brauchen Zuwanderung um unseren Wohlstand zu sichern. Damit wird suggeriert, langfristig profitieren wir alle von den Flüchtlingen.

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  4. Ralph Klages
    Ralph Klages sagte:

    Tja, die Geschichte geht ja noch weiter: „Um Flüchtlinge sozial einzubinden, ist es wichtig, sich in ihre Perspektive gut einzufühlen“, sagte der Ökonom (gemeint Snower IfW-Präsident). „Gemeinsam etwas aufzubauen, würde einen gedanklichen Wandel hervorbringen.“ Schön gedacht – aber pure Zeitverschwendung und völlig unpraktisch. Man stelle sich einen Ökonom, zufällig ein Präsident des IfW, vor, der aus lauter Hilflosigkeit plötzlich zum Sozialpädagogen mutiert. Weil ihm wohl nichts Besseres einfällt. Auch daran -obwohl eher marginal- kann man ablesen, dass nur höchst unzureichend von unseren renomierten Instituten recherchiert wird > devote Abhängigkeiten ?
    Mit einer Billion kommt man jedenfalls schon sehr nah dran !

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  5. Karl F.
    Karl F. sagte:

    “Da kann man doch nur warnen und nicht so tun, als könnten wir uns alles leisten!”

    Können die vom IfW nicht besser? Haben die politische Vorgaben?
    Oder ist auch denen jetzt schon klar, dass man aus diesem Finanzdesaster nur mit einer Währungsreform mit horrender Vermögensumverteilung (z. B. über einen neuen Lastenausgleich) herauskommt. Wie nach dem Krieg eben, nur ohne Krieg.

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