Epochal deflationary crisis – ECB QE wirkungslos – Griechenland Startschuss für die Lösung?

In Davos haben Larry Summers, Ray Dalio und Christine Lagarde über die Weltwirtschaft diskutiert. Dabei ist die Analyse gut. Die Lösungsideen hingegen nicht immer.

Larry Summers trug wiederum seine Idee der säkularen Stagnation vor. Demnach droht der Weltwirtschaft eine lange Phase geringen Wachstums mit deflationären Tendenzen. Die USA als letzte verbliebene Zugmaschine der Welt wären bereits im Jahr sieben ihres Aufschwungs (bto: der allerdings anämisch ist!) und deshalb droht eine Rezession. Niemand, auch nicht IWF und US-Finanzministerium hätten jemals eine Rezession vorhergesehen. Beim nächsten Mal dürfte es ähnlich sein. Damit droht eine weltweite Deflation und Stagnation. Angesichts der weiterhin hohen Arbeitslosigkeit der 25 bis 54 Jahre alten Männer in den USA und der bevorstehenden technologischen Revolution, bei der immer mehr Maschinen den Menschen ersetzen, droht demnach eine deflationäre Spirale. Mit Blick auf Europa stellt er fest, dass QE nicht schadet aber auch nichts nutzt. Wichtiger sei eine Abkehr von der deutschen Sparpolitik und großangelegte Investitionsprogramme. (bto: Eine Forderung, die Summers seit Jahren vorträgt. Was er in seiner Analyse mit keinem Wort erwähnt, sind die bestehenden Schuldenlasten).

Christine Lagarde zeigte sich demzufolge besorgt ob Summers Prognosen: “Wenn die USA nicht mehr der Motor sind, haben wir keinen mehr. Ich hoffe, sie täuschen sich.” Danach betonte Sie, dass der IWF in den USA eine Zinserhöhung zur Mitte des Jahres erwartet, früher als die Mehrheit der Beobachter. (bto: womit wiederum bewiesen wäre, dass Summers Recht hat: der IWF sieht es wieder nicht voraus. Ich persönlich sehe keine Zinserhöhung in 2015 in den USA.)

Mit Ray Dalio kam ein echter Fachmann zu Wort, der mit seiner Sicht der Dinge immerhin zu einem der erfolgreichsten Hedgefond-Manager der Geschichte wurde (und dessen “How the Economic Machine Works” höchst sehenswert ist!). Er sieht den “Central Bank Supercycle” immer tieferer Zinsen und immer höherer Schulden am Ende. Der Transmissionsmechanismus der Geldpolitik funktioniert nicht mehr und wir befinden uns in einem deflationären Umfeld. Erschwerend kommt hinzu, dass wir wie Anfang der 1980er Jahre einen steigenden Dollar haben, was zu Druck bei jenen führt, die sich in Dollar verschuldet haben (bto: vor allem in Asien). Doch im Unterschied zu damals, können wir die Zinsen nicht mehr weiter senken. Die Zentralbanken werden beim Abschwung machtlos sein. Und der Abschwung wird kommen. Für Europa fordert er den “Helikopter-Drop” weil QE nicht mehr wirkt (bto: da bin ich bekanntlich bei ihm).

Fazit: es sieht nach einer globalen Abschwächung mit deutlich deflationären Tendenzen aus. Der IWF sieht es nicht bzw. darf es im Unterschied zu den anderen nicht laut sagen.

The Telegraph: Larry Summers warns of epochal deflationary crisis if Fed tightens too soon, 22. Januar 2015

Bleibt die Frage nach der EZB. Wird das beschriebene Programm etwas bringen? Leser von bto wissen, dass dem nicht so ist. Doch auch Volkswirte von Banken pflichten dem bei. Ein Freund schreibt mir aus Moskau und berichtet von einer Finanzkonferenz: “Ich war letzte Woche – noch vor der EZB-Sitzung – bei der Euromoney Osteuropa-Konferenz in Wien. Hier gab es ein interessantes Panel von Volkswirtschaftlern der Raiffeisen, Citi und einigen anderen. Das bevorstehende QE der EZB war natürlich ein wichtiges Thema. Die Panelisten versuchten zunächst sehr allgemein zu beschreiben, was für Auswirkungen dies wohl auf die Wirtschaftsaussichten haben würde, aber nach mehrmaligem hartnäckigem Nachfragen des Moderators und des Publikums ließen sie dann die Katze aus dem Sack: Weitere Nachfragesteigerung und damit Wachstumsanreize seien überhaupt nicht zu erwarten, und davon würde auch bei der EZB niemand ernsthaft ausgehen. Der Haupteffekt hingegen wird sein, den Schuldnern – insbesondere den Staaten – das Leben zu erleichtern. Letztendlich sehen sie das auch als eine Art von Schuldenschnitt, wenn bspw. die spanische Zentralbank spanische Staatsschulden kauft und die gezahlten Zinsen als ZB-Gewinn wieder an die Regierung zurücküberweist. Solange dieser Vorgang nicht zu Erhöhung der Staatsschulden führt – wie es nach Angaben dieser Volkswirte zur Zeit der Fall zu sein scheint – dann würde dies auch nicht zu einem Inflationsanstieg führen. Sollte dieses Instrument aber dauerhaft zur Ausweitung der Staatsschulden genutzt werden wäre eine galoppierende Inflation unvermeidlich.”

AEP zeigt sich erfreut über die Entscheidung der EZB. Er spricht von einem “spektakulären Triumph für Mario Draghi”. Dennoch kommt es mindestens drei Jahre zu spät. Allein die Tatsache, dass die EZB volle sechs Jahre nach Lehman zu dieser Maßnahme greifen muss, zeigt wie verfahren die Situation ist. Sie ist auch nicht so groß wie man auf den ersten Blick denkt. Die USA und England haben relativ zur Größe der Wirtschaft mehr als dreimal soviel Geld mobilisiert, weshalb es wohl nicht bei dem bisher angekündigten Volumen bleibt. Das Risiko bleibt für AEP politisch: die deutliche Ablehnung in Deutschland und die Tatsache, dass die EZB den Krisenländern nur ein bis zwei Jahre Zeit kauft. Das Problem lösen kann sie nicht.

→ The Telegraph: Mario Draghi’s QE blitz may save southern Europe, but at the risk of losing Germany, 22. Januar 2015

Doch wie wäre das Problem zu lösen? Es geht nur über einen geordneten Schuldenschnitt für die gesamte Eurozone, wie hier mehrfach dargelegt. Die Wahl in Griechenland wird genau dies zur Folge haben. Entweder freiwillig und geordnet oder aber erzwungen von den Krisenländern. George Magnus kommt zu dem einfachen wie richtigen Fazit. Geben die Gläubiger nach, werden als nächstes die anderen Schuldner auf der Matte stehen und ähnliches fordern. (Damit können nur Portugal, Spanien, Irland und Italien gemeint sein. Und wenn wir schon dabei sind, könnte auch Frankreich noch etwas Hilfe gebrauchen). Geben die Griechen auf, wird das Misstrauen zwischen dem Norden und dem Süden weiter zunehmen, mit erheblichen politischen Folgen (bto: übersetzt: Austritte).

→ FT (Anmeldung erforderlich): Who will blink now Syriza has won?, 26. Januar 2015

Das sieht auch Wolfgang Münchau in seinem Kommentar für Spiegel Online ähnlich: “Wir müssten Schulden abschreiben – das heißt als Verluste im Bundeshaushalt aufweisen. Wir müssten die Sparpolitik in eine Expansionspolitik ändern. Vor allem müssten wir zulassen, dass Griechenland indirekt eine Parallelwährung zum Euro einführt. Denn bei null Prozent Inflation gibt es keine Alternative zur Verbesserung von Griechenlands Wettbewerbsfähigkeit und zur Finanzierung von Syrizas Programm. Dass dann auch Portugal, Spanien und Italien auf ähnliche Ideen kommen, darf man annehmen.” – bto: und wie!

→ Spiegel Online: Merkel steht vor dem Scherbenhaufen ihrer Krisenpolitik, 26. Januar 2015

Darüber sollten wir uns nicht freuen. Denn wer glaubt, dass dies uns billiger kommt, der irrt.