Draghi und Fratzscher in der Badewanne

Letzte Woche habe ich mich bereits mit der Badewannen-Theorie des billigen Geldes befasst. Nun hat sich auch Draghi als Anhänger dieser Theorie geoutet und Marcel Fratzscher ist – wie üblich – den Machthabern, in diesem Fall also Draghi beigesprungen. Auf Dauer dürfte das übrigens nicht funktionieren, ohne Blessuren am Image zu hinterlassen, sei nebenher angemerkt.

Die F.A.Z. berichtet von einer Rede Draghis auf der Jahresversammlung der Asiatischen Entwicklungsbank in Frankfurt (Redetext):

  • Darin hat Draghi erklärt, „dass eine globale Ersparnis-Schwemme die Hauptverantwortung für die extrem tiefen Zinsen trage. Niedrige Leitzinsen der Zentralbanken seien nicht das Problem, sondern nur ein Symptom. Das zugrundeliegende Problem sei der Sparüberschuss, der nicht komplett von Investitionen absorbiert werde. Das drücke die Zinsen“. – bto: Natürlich sind die Zinsen Symptom, aber nicht für zu viele Ersparnisse, sondern zu viele Schulden!
  • In der jüngsten Zeit habe sich das Problem verschärft. Explizit erwähnte er Deutschland. Die größte Volkswirtschaft des Euroraums habe seit fast einem Jahrzehnt einen Leistungsbilanzüberschuss von mehr als 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Ein Leistungsbilanzüberschuss liegt vor, wenn ein Land mehr exportiert als importiert; damit verbunden ist dann ein Kapitalexport.“ – bto: Bekanntlich sehe ich das sehr kritisch, weil wir so unseren Wohlstand verschenken, indem wir Ländern, die zu viele Schulden haben, noch Kredite geben!
  • Damit seien „nicht die EZB, sondern insbesondere der deutsche Leistungsbilanz- und Sparüberschuss die eigentliche Ursache der Niedrigzinsen“. – bto: Da ist sie, die Badewanne! O. k. und was ist mit der völligen Überschuldung des Euroraumes als Spiegelbild der Ersparnisse?

Die deutschen Ökonomen kritisieren natürlich, verschweigen aber den (Schulden-) Kern des Problems:

  • „Die EZB kann nicht ernsthaft behaupten, sie würde das Zinsniveau nicht beeinflussen, obwohl sie inzwischen einer der größten Käufer von Staatsanleihen ist“, sagte Kooths (vom IfW). Dies widerspreche auch früheren Erklärungen, dass sie die Zinsen bewusst tief setze, um Investitionen anzuregen. Die EZB manipuliere die Zinsen unter das gleichgewichtige Niveau.“ – bto: Ich schätze Kooths sehr, aber auch er müsste natürlich sagen, dass eine Pleitewelle die Folge höherer Zinsen wäre und was stattdessen zu tun ist. 
  • „Der Wirtschaftsweise Feld etwa sagte, im Leistungsbilanzüberschuss spiegele sich einerseits die starke Internationalisierung der deutschen Wirtschaft, die ihre Wertschöpfungsketten global vernetzt habe und viel im Ausland investiere.“ – bto: Ja, dennoch ist es natürlich nicht smart, sein Geld so schlecht anzulegen. 
  • IfW-Ökonom Kooths sagte, die EZB-Politik, die tendenziell zu einer Abwertung des Euros geführt habe, sei mitverantwortlich für den hohen Export- und Leistungsbilanzüberschuss. Außerdem sei es richtig und verständlich, dass eine alternde Gesellschaft viel spare und ihre Ersparnisse auch im Ausland anlege.“ – bto: Theoretisch ja, aber praktisch machen wir es halt nicht. Siehe Target2-Forderungen. 

Und dann kommt natürlich Herr Fratzscher: „‚Mario Draghi hat recht mit seiner Kritik an Deutschlands exzessivem Sparüberschuss. Deutschlands Sparüberschüsse und zu geringe Investitionen seien einer der wichtigsten Gründe für die niedrigen Zinsen.“ bto: also, rein in die Badewanne zu Draghi. 

Ich denke, diese Diskussion zeigt, weshalb wir uns in Deutschland am Ende so dumm anstellen. Richtig ist:

  • Die Exporte sind so stark, weil wir tolle Produkte haben aber auch weil der Euro schwach ist und wir die Löhne gedrückt haben.
  • Sparen für das Alter ist richtig doch muss man die Ersparnisse auch gut anlegen.
  • Die Zinsen sind tief, weil es viel Ersparnisse gibt doch diese sind auch nur das Symptom der zuvor völlig aus dem Ruder gelaufenen Verschuldung.
  • Die Nachfrage nach Geld ist gering, weil die Aussichten der Wirtschaft unsicher sind aber auch, weil viele schon zu viele Schulden haben.
  • Die Zinsen sind aber auch tief, weil die Notenbanken den Banken helfen, die Illusion aufrechtzuerhalten, die Forderungen wären noch werthaltig.

Es wird Zeit, dass die Ökonomen endlich über den Elefanten im Raum sprechen! Wie wir die Schulden loswerden. Alles andere ist nur Blabla.

F.A.Z.: „Deutsche Ökonomen verärgert über Draghis Niedrigzinserklärung“, 4. Mai 2016

Kommentare (3) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Daniel
    Daniel sagte:

    Die niedrigen Zinsen sind direkt Folge der hohen Schulden, jedoch sind diese doch wiederum direkte Folge der Sparpräferenz? Alleine Apple hortet > 200 Mrd. Dollar Cash und weiß nicht wo hin mit dem ganzen Geld … Wo ist mein Denkfehler?

    Antworten
  2. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    Einverstanden mit „Richtig ist“ bis auf diese Aussage:

    >Die Zinsen sind tief, weil es viel Ersparnisse gibt – doch diese sind auch nur das Symptom der zuvor völlig aus dem Ruder gelaufenen Verschuldung.>

    Vor der Verschuldung gab es auch zu viel Ersparnisse (Sättigung) und daraufhin waren die Investitionen zu gering, um auf dem bestehenden Zinsniveau neue Kredite zu schaffen bzw. die Ersparnisse vollständig zu absorbieren (was nicht gedeutet werden sollte, dass ich der loanable funds theory anhänge).

    Deshalb widerspreche ich „NUR das Symptom“ und würde statt dessen „AUCH ein Symptom“) sagen.

    Außerdem:

    Das demografiebedingte Alterssparen kommt hinzu, jedenfalls ist es AUCH eine sehr plausible Erklärung für den Sparüberhang.

    Übrigens:

    Was Draghi zur deutschen Ersparnisschwemme sagt und Fratzscher unterstreicht, heiß in der Konsequenz, dass wir unsere Wettbewerbsfähigkeit abbauen sollten.

    Das ist natürlich Unsinn.

    Wir müssen unsere Ersparnisse nur anders verwenden – investieren statt sie zu verleihen – und die anderen müssen wettbewerbsfähiger werden. Dann bauen sich unsere Ersparnisse auch ab.

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