Die Politik der EZB aus Sicht der Friedrich-Ebert-Stiftung

Nun, wo es tatsächlich denkbar erscheint, dass die SPD den nächsten Kanzler stellt, lohnt es sich genauer anzusehen, wie denn dieser „geprägt“ wäre. Ich persönlich denke übrigens, dass wir mit Blick auf die Wohlstandsvernichtung in Deutschland nur eine (verstärkte) Fortsetzung der letzten zwölf Jahre bekommen. So oder so. Denn bei den entscheidenden Themen Migrationsdruck und Euro/Finanzkrise ist hier kein Unterschied (in positiver in Hinsicht) zu sehen.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung e. V. (FES) hat ein ausführliches Paper zur Rolle der EZB in der Eurokrise veröffentlicht. Eine Betrachtung über die Jahre. Daraus ein paar Highlights, damit wir wissen, wie gedacht wird in der Partei:

Zunächst zu den Target2-Salden:

  • „(…) die TARGET2-Salden (…) zeigen erneut die alten Ungleichgewichte an. Deutschland gilt weiterhin als sicherer Hafen, wobei die Überschussreserven zurzeit mit –0,40 Prozent verzinst werden. Obgleich der neue Anstieg heute nicht mit der Panik von 2011 bis 2012 vergleichbar ist, ist die große TARGET2-Gläubigerposition auch ein Indikator der Verwundbarkeit Deutschlands durch die ungelöste Krise im Euroraum.“ – bto: klare Aussage. Die FES sieht das Erpressungspotenzial. Womit auch nicht mehr gesagt werden kann, was da kommen wird, wäre wirklich eine Überraschung.
  • „Solange der Euro Bestand hat und die Krise letztlich überwunden wird, sind die heutigen Salden bedeutungslos. Wenn der Euro zerbricht, dann können daraus allerdings Verluste für die Deutsche Bundesbank (und damit für Deutschland) entstehen, wenn nämlich Schuldnerländer beim Austritt bzw. bei der Auflösung der Währungsunion ihre Auslandsschulden nicht (voll) bedienen. Das wäre allerdings recht wahrscheinlich.“ – bto: Auch das ist klar. Die sich daraus ergebende politische Schlussfolgerung fehlt allerdings. Denn wie es zu einem Szenario kommen soll, in dem die Krise „überwunden“ ist, bleibt letztlich völlig offen.
  • „In diesem Zusammenhang lässt sich ein für Deutschland kritisches Euro-Trilemma identifizieren. Demzufolge kann Deutschland nicht alle drei der folgenden Dinge erzielen: ewige Exportüberschüsse, eine Währungsunion, die keine Transfer- und Haftungsunion ist, und eine unabhängige Zentralbank, die sich nicht die Finger schmutzig macht. – bto: vollkommen richtig! Aber die Schlussfolgerung fehlt auch hier, denn was wäre die richtige Antwort?
  • „So kam insbesondere die Bilanz der EZB experimentell zum Einsatz, die zwischen Schuldnern und Gläubigern vermittelt.“ – bto: Auch das stimmt natürlich. Nur könnte es auch daran liegen, dass die anderen es eben nicht können und die Währungsunion nicht funktionieren kann. Doch auch dies erfordert eine Antwort.
  • „Wer heute in Deutschland von einem Strafzins für Sparer/-innen spricht, der sollte sich ein Bild von der Situation in Griechenland machen. Wer dann immer noch über eine Enteignung deutscher Sparer/-innen klagt, der verkennt, was bei Auflösung des Euros samt Bankrott der Schuldner passieren würde – eine gigantische Ex-post-Transferunion bei tiefer Rezession.“ – bto: Das habe ich auch immer kritisiert.

Dann zum Thema Schuldenrestrukturierung über die EZB-Bilanz:

  • Die Abkürzung PADRES steht für ein Politically Acceptable Debt Restructuring in the Eurozone (auf Deutsch: politisch akzeptable Schuldenrestrukturierung in der Eurozone). (…) Das eigentlich Originelle am PADRES-Vorschlag ist nun, zu dieser angestrebten Schuldenrestrukturierung zwecks Schuldnerentlastung die Bilanz der EZB einzusetzen.“ – bto: Als solches keine neue Idee, findet faktisch ja schon statt.
  • „Die EZB würde also die Staatsanleihen kaufen und die Schuldner durch Umtausch in unverzinsliche Dauerschulden sofort entlasten. Um den Verdacht der monetären Finanzierung zu vermeiden, würde die EZB hierzu nicht Zentralbankgeld (Überschussreserven) schaffen, sondern verzinsliche eigene Schuldtitel emittieren; deren Verzinsung allemal niedriger als die Zinsen auf die alten nationalen Staatsschulden wäre.“ – bto: als würden die paar Prozentpunkte den großen Unterschied machen. Die EZB hat die Kosten doch schon massiv gesenkt. Da bin ich bei Adair Turner: Die Schulden müssen völlig verschwinden. Es muss offen und sichtbar weniger Schulden bringen.
  • Dieses Modell der Schuldenrestrukturierung betrifft die zukünftigen Zentralbankgewinne der EZB. Man erreicht das Kernziel, die schnelle Entlastung der Schuldner, im Tausch gegen niedrigere Zentralbankgewinne in der gesamten Zukunft.“ – bto: Ja, hätte man auch bei Abschreibung und Verlustvortrag. Insofern ist PADRES nichts anderes als eine Monetarisierung in besonderer Struktur.

Zum Thema Helikoptergeld:

  • „Skepsis zur hinreichenden Wirksamkeit der Geldpolitik, also günstigerer Finanzierungsbedingungen, ist (…) vor dem heutigen wirtschaftlichen Hintergrund wohl begründet. Die Suche nach alternativen Mitteln zur Stärkung der Nachfrage ist daher begrüßenswert.” – bto: was natürlich dem SPD-Programm entspricht, wonach mehr Staat und mehr Staatsausgaben die Lösung sind. Als einer der ersten, die Helikopter-Geld laut gefordert haben – 10.000 Euro für alle – sehe ich natürlich die Vorteile, aber auch die Nachteile.
  • Befürworter/-innen des Hubschraubergeldes scheinen zu befürchten, dass die politischen Behörden die Mittel der Fiskalpolitik (auch weiterhin) nicht angemessen einsetzen werden, und zwar entweder, weil sie sich ideologisch dagegen entscheiden oder weil sie sich rechtlich daran gehindert sehen. Die Zentralbank soll dann ihren Unabhängigkeitsstatus ausnutzen und anstelle der Politik expansive Fiskalpolitik durch die Hintertür durchsetzen, also politische Ideologie und/oder Recht aushebeln. Dass ein solches Verhalten im krassen Konflikt mit demokratischen Grundsätzen steht, ist nur allzu offensichtlich.“ – bto: Da ist sicherlich etwas dran.
  • „Verweigert die Politik eine der Wirtschaftslage angemessene expansive Fiskalpolitik, zwingt sie die Zentralbank einerseits zum maximalen Einsatz ihrer geldpolitischen Mittel, verdammt sie dabei aber andererseits, ihr Preisstabilitätsziel dennoch zu verfehlen. Ein Finanzminister, der trotz herrschender Massenarbeitslosigkeit und Nullinflation in der WWU von ewigen Haushaltsüberschüssen träumt, dabei aber die Negativzinspolitik der Zentralbank attackiert, lebt in einem Paralleluniversum.“ – bto: Da muss ich dem Autor recht geben. In Wahrheit ist es aber so, dass, wer sich einer echten Lösung der Krise durch Schuldenschnitt und Neuordnung der Eurozone verwehrt, nicht über die tiefen Zinsen klagen darf.

Sodann der Lösungsvorschlag für die Krise:

  • “Europas WWU muss hier dringend zur Normalität zurückfinden. Mit einem Euro-Schatzamt könnte das gelingen. Die Kernidee eines Euro-Schatzamts ist schlicht und einfach: Das Euro-Schatzamt wird die zukünftigen öffentlichen Investitionen der WWU als Pool vereinen und durch echte gemeinsame Anleihen finanzieren. Die Regierungen der Mitgliedsländer legen dazu das Anfangsvolumen sowie die jährliche Wachstumsrate der öffentlichen Investitionen im Euroraum in der Folgezeit fest. Ansonsten arbeitet das Euro-Schatzamt gemäß einer strikten Regel. Die Mitgliedstaaten bleiben derweil an alle bestehenden Regeln des aktuellen Euro-Fiskalregimes gebunden. Diese werden allerdings nur auf die laufenden öffentlichen Ausgaben angewendet, da die nationalen öffentlichen Investitionen nunmehr ein separates Investitionsbudget bilden, das durch gemeinsame Anleihen finanziert wird.“ – bto: Das wird auch eine Regierung unter Führung der SPD wollen. Also eine Schuldenunion mit dem Ziel mit staatlichen Investitionen die Eurozone zu retten. Dabei muss man allerdings wissen, dass damit weder die Überschuldung der Länder (nicht nur Staaten, sondern eben auch der Privaten) gelöst wird, noch das Problem der divergierenden Wettbewerbsfähigkeit. Es löst gar nichts, sondern wiederholt den Fehler der italienischen Währungsunion auf EU-Ebene. Und die Ärmsten der EU – die Deutschen – sollen das auch noch bezahlen! Siehe Vermögensstudien.
  • „Der Euro-Schatzamt-Plan (ESP) ist nicht einfach nur ein weiterer Eurobonds-Vorschlag. Es findet keine Vergemeinschaftung existierender („alter“) Staatsschulden statt. Für diese bleiben alleine die Mitgliedstaaten verantwortlich, und auch die No-Bail-out-Klausel bleibt weiterhin bestehen (bzw. wird wiederbelebt). Der ESP ist völlig auf die Zukunft gerichtet. Es geht um eine gemeinsame Schulden Finanzierung zukünftiger öffentlicher Investitionen, welche die Grundlage der gemeinsamen Zukunft der Euro-Schicksalsgemeinschaft bilden. Das kritische Neue an dem Vorschlag ist also die Art und Weise, wie er Ausgaben und Finanzierung öffentlicher Investitionen und konjunkturpolitischer Maßnahmen miteinander verbindet und dabei gleichzeitig das Euro-Regime in vielfacher Weise entscheidend stärkt.“ – bto: was im Klartext bedeutet, das Euro-Regime versucht zwei Probleme zu lösen: a) Zinsdifferenzen zwischen den Ländern (sind trotz des jüngsten Anstiegs dank EZB immer noch minim auf tiefem absoluten Niveau) und b) die ausgeschöpfte Verschuldungskapazität der Krisenländer zu umgehen. Damit führt es sehr wohl zur Sozialisierung, weil Bankrotteure mit mehr Schulden nicht gesünder werden.
  • „Durch die Verstetigung der öffentlichen Investitionen auf einem angemessenen Niveau würde der ESP einen entscheidenden Baustein dafür liefern, den Euro in eine Triebkraft für gemeinsamen Wohlstand statt gemeinsamer Verarmung zu verwandeln. Unter heutigen Bedingungen würde dabei selbst eine Rückkehr zur Normalität bei den öffentlichen Investitionsausgaben schon wie ein Konjunkturprogramm wirken. Natürlich könnte man für die ersten Jahre auch mehr vereinbaren.” – bto: angesichts der Gegenwinde für Wachstum völlig illusorisch (Schulden, Demografie, Produktivität).

Und dann kommt in einem Nebensatz, eher unverständlich, doch noch die Schuldensozialisierung:

  • „Für die Bankenunion, die den berüchtigten „Banken-Staat-Teufelskreis“ brechen sollte, ist das Euro-Schatzamt ebenfalls von entscheidender Bedeutung. Die derzeit in der Bankenunion vorgesehenen fiskalischen Auffangnetze sind unzureichend und bleiben weitgehend national. Die schnelle Liquidität der EZB mit einer finanzpolitischen Deckung durch das Euro-Schatzamt zu koppeln würde ein weitaus stärkeres Bollwerk gegen jede Bedrohung durch Finanzkrisen schaffen.“ – bto: Wie sonst soll man „finanzpolitische Deckung“ verstehen?

Fazit: unzureichende Ursachenanalyse und damit auch zu kurz gesprungen bei der Lösung. Es ist – zur Erinnerung – eine Krise durch:

  • zu hohe private Schulden,
  • damit verbunden insolventen Banken
  • und zum Teil zu hohen staatlichen Schulden,
  • die den Trend zu geringem Wachstum aus Demografie und Produktivität verstärken
  • und deshalb untragbar geworden sind,
  • während die Schuldenparty zu nicht innerhalb des Euro lösbaren Wettbewerbsunterschieden geführt hat.

Wer glaubt, die oben beschriebenen Probleme mit solchen Maßnahmen lösen zu können, ist meines Erachtens naiv.

FES: “DER VERSPÄTETE AKTIVISMUS DER EZB: ZWISCHEN HOFFNUNG UND VERZWEIFLUNG”, 2016