Die große Angst vor der Geldflut

Malte Fischer berichtet von einer Tagung der Vollgeld-Befürworter in Berlin. Eine sehr gute Zusammenfassung der Argumente für eine Reform des Geldsystems. Wer sich mit dem Thema bisher nicht beschäftigt hat, findet hier einen sehr gut verständlichen Einstieg. Fischer betont seine Präferenz für Währungswettbewerb, die ich sehr gut nachvollziehen kann, da Zweifel an der Unabhängigkeit der Zentralbank berechtigt sind. Dennoch bleibt zu hoffen, dass sich eine Änderung in dieser Richtung ergibt.

  • “Wie lange kann es noch gut gehen, dass Banken und Zentralbanken mit utopisch klingenden Geldsummen um sich werfen? Welchen Schaden richtet ein System an, in dem Notenbanken und Geschäftsbanken quasi auf Knopfdruck Geld in die Welt schießen, das anschließend die Preise von Aktien, Immobilien und Waren in die Höhe treibt?”
  • “In der Schweiz steht in einer Woche eine Initiative zur Abstimmung, die diesem Unwohlsein erstmals eine Stimme geben wird. Die Goldinitiative will die Schweizerische Nationalbank (SNB) verpflichten, mindestens 20 Prozent ihrer Reserven in Gold zu halten – und nie wieder Gold zu verkaufen.”
  • “Für das globale Währungssystem wäre das eine Zäsur. Eine der wichtigsten Notenbanken der Welt verlöre ihre Flexibilität, ihr geldpolitischer Aktionsradius wäre eingeschränkt. Zum ersten Mal seit dem Zusammenbruch des Währungssystems von Bretton Woods 1971 rückte Gold wieder in das Zentrum der Geldpolitik.”
  • “Schon zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts analysierte Mises, wie das fraktionale Reservesystem den Banken im Zusammenspiel mit den Zentralbanken die unlimitierte Ausweitung von Geld und Kredit erlaubt – und so zur Ursache von schweren Rezessionen, Bankenkrisen und ungerechtfertigten Umverteilungen von Einkommen und Vermögen geworden ist.”
  • “Weil die umlaufenden Banknoten nur zum Teil durch Gold gedeckt waren (Teilreservesystem), waren die Banken anfällig für Krisen. Gerieten sie in Schwierigkeiten und bemerkten die Kunden, dass die Banknoten nur zum Teil gedeckt waren, setzte ein Run auf die Goldreserven ein, der viele Banken am Ende in die Pleite trieb.”
  • “Auch das heutige moderne Geldwesen arbeitete nach dem Teilreserveprinzip. Allerdings werden die Reserven nicht mehr in Gold, sondern in Zentralbankgeld gehalten. In der Praxis sieht das so aus: Vergibt eine Bank einen Kredit, entsteht auf der Aktivseite ihrer Bilanz eine Forderung gegen den Kunden. Auf der Passivseite wird der Betrag dem Kundenkonto gutgeschrieben.”
  • “Dass die Regierungen dieses System nicht infrage stellen, liegt daran, dass sie zu dessen Hauptprofiteuren zählen. Die von Zentral- und Geschäftsbanken gemeinsam betriebene Kreditschöpfung aus dem Nichts erlaubt es den Regierungen, Kriege zu finanzieren, den Wohlfahrtsstaat aufzublähen, Beamtenheere zu alimentieren und üppige Wahlgeschenke zu verteilen.”
  • “Angesichts der desaströsen Wirkungen, die das Teilreserve- Bankensystem entfaltet, suchten Ökonomen schon in den Dreißigerjahren nach Wegen, die Geschäftsbanken zu bändigen. 1933 legten die in Chicago lehrenden Ökonomen Frank Knight, Henry Simons und Aaron Director einen als Chicago-Plan bekannt gewordenen Entwurf für ein neues Bankensystem vor. Auf diesen Plänen baute der Ökonom Irving Fisher seinen berühmt gewordenen Vorschlag eines 100-Prozent-Geldes auf. Um die „perverse Elastizität des Kreditgeschäfts“ (Henry Simons) zu beenden, sollten die Banken für ihre Sichteinlagen Reserven in gleicher Höhe bei der staatlichen Zentralbank unterhalten. Dadurch hätte die oberste Währungsbehörde die vollständige Kontrolle über die Kredit- und Geldschöpfung der Banken.”
  • “Weil staatliche Zentralbanken nie wirklich unabhängig sind und dazu neigen, die Wünsche der Politiker zu bedienen, forderten Mises und Rothbard, die Zentralbanken abzuschaffen und alle Banknoten und Sichteinlagen zu 100 Prozent mit Gold zu decken. Die Kredit- und Geldschöpfung aus dem Nichts wäre mit einem Schlag beendet, die Geldmenge legte nur noch so stark zu wie die geförderte Goldmenge. Bank-Runs sowie destruktive Boom-Bust-Zyklen gehörten der Vergangenheit an, und die Schuldenexzesse von Staat und Bürgern wären gestoppt.”
  • “Währungswettbewerb und Abschaffung der Zentralbanken – für die Vertreter der Monetative sind das keine Optionen. Sie sehen das Problem des Geldwesens nicht bei der Zentralbank, sondern allein bei den Banken. Daher wollen sie wie die Ökonomen der Österreichischen Schule das Teilreservesystem abschaffen. Die Macht der staatlichen Zentralbank soll hingegen ausgebaut werden.”
  • “Auch Hubers Plan zur Geldreform hat es in sich. Er sieht vor, die staatliche Zentralbank zu einer unabhängigen vierten Gewalt im Staat aufzubauen. Als „Monetative“ träte sie neben die Exekutive, Legislative und die Judikative. Die staatliche Zentralbank hat dann das ausschließliche Recht, neues Geld in Umlauf zu bringen. Bisher gilt das nur für das Bargeld, in Zukunft auch für die Sichteinlagen bei Banken. Dabei könnte das Geld auf zwei Wegen bei den Bürgern landen. Zum einen könnte die Zentralbank dem Staat einen zinslosen ewigen Kredit gewähren und ihm den Geldbetrag auf dessen Konto bei der Zentralbank gutschreiben. Die Regierung finanziert mit dem Geld dann ihre laufenden Ausgaben, sie tilgt Schulden oder senkt die Steuern. Via Banküberweisung landet das Geld schließlich auf den Sichteinlagenkonten der Bürger und Unternehmen. Alternativ wäre es denkbar, dass die Zentralbank jedem Bürger schlicht Geld schenkt, diese „Bürgerdividende“ landete dann direkt auf dessen Girokonto.”

Fazit: “Wollen die Banken Kredite vergeben, müssen sie Sparer finden, die bereit sind, ihnen Geld zu leihen, das die Zentralbank zuvor in die Wirtschaft gepumpt hat. Auf diese Weise werden die Banken – ebenso wie in einem reinen Goldstandard – wieder zu dem, was sie einmal waren: reine Depotverwalter und Vermittler zwischen Sparern und Investoren. Es entstünde ein neuer Nukleus für eine gesunde Finanzwirtschaft.”

WiWo: Die große Angst vor der Geldflut, 24. November 2014

Kommentare (11) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. thewisemansfear
    thewisemansfear sagte:

    “Fazit: “Wollen die Banken Kredite vergeben, müssen sie Sparer finden, die bereit sind, ihnen Geld zu leihen, das die Zentralbank zuvor in die Wirtschaft gepumpt hat.”
    Ernsthaft? Wie dieses “pumpen” der ZB funktioniert, wüsste ich gerne mal im Detail. Das liegt aktuell außerhalb der Fähigkeiten einer ZB, außer sie beteiligt sich als Wirtschaftsakteur. Sie wissen schon, getrennte Geldkreisläufe usw… Woher soll die allmächtige? ZB wissen, wo sie wie viel pumpen muss?

    Fazit: Das “Pumpen” der ZB ist ein Märchen, ohne konkrete Nachfrage der Wirtschaftsteilnehmer kommt kein Geld in die Welt. Kein Geschäftsbanken-Giralgeld und auch kein Zentralbankgeld.

    Antworten
      • Dieter Krause
        Dieter Krause sagte:

        Die Banken brauchen dafür kein Sparergeld! Das ist der alte Mythos.
        Die produzieren es einfach mit der Kreditvergabe, abzüglich von ein paar Mindestreserven bei der EZB! – Aber sie sind momentan zu hoch verschuldet und müssen außerdem höhere EK-Puffer anlegen. Geht am besten durch Bialnzverkürzung. Neue Kredite würden die Bilanz aber wieder verlängern oder? – Die EZB kann momentan wohl nur noch über Kreditlenkung Wirkung erzielen. So wie es früher – also vor 1980 – auch die Bundesbank gemacht hat. Sehr erfolgreich übrigens!

  2. Dieter Krause
    Dieter Krause sagte:

    Keynes argumentiert gegen den Goldstandard und die geplante Deflation

    Zuerst eine ganz grundsätzliche Aussage zu den Schriften von Keynes, von denen dem Publikum vor allem die „Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“ bekannt ist: Keynes hat sich in seiner „Allgemeinen Theorie“ nicht mehr zu den Ursachen der Großen Depression geäußert; sie ist deshalb nur eine Streitschrift für eine expansive Geld- und Finanzpolitik in den Zeiten einer Depression geworden und keine Hilfe zum Verständnis der Zusammenhänge und Hintergründe von Geldpolitik und Konjunkturverläufen.

    In seinen Schriften bis zur Weltwirtschaftskrise hat Keynes vor der Deflationspolitik deutlich gewarnt und damit auch die Deflationspolitik für die Krise verantwortlich gemacht. Diese Schriften, die wir vor allem in dem Band Essays in Persuasion gesammelt finden, sind daher wesentlich wichtiger als die Allgemeine Theorie und werden aus genau diesem Grund von den Professoren vor ihren Studenten und von den Massenmedien vor deren Publikum kaum erwähnt.

    Die Essays enthalten den Kampf von Keynes gegen den Goldstandard und die Deflationspolitik, die entscheidende Auseinandersetzung der 20er Jahre, ob die Währung gegen das Gold abgewertet wird oder die Löhne und Preise mit einer deflationären Depression niedergebrochen werden. Nachfolgend immer zuerst meine Übersetzung und darunter das originale Zitat mit der Quellenangabe.

    Keynes war der Auffassung, dass die Währung ohne Goldstandard mit Vernunft reguliert werden könne, dass es also weder eine Rückkehr zum Goldstandard, noch zum Niveau der Löhne und Preise der Vorkriegszeit geben müsse und dürfe:

    Wahrhaftig, der Goldstandard ist schon ein barbarisches Relikt. Wir alle, vom Gouverneur der Bank von England abwärts, sind nun in erster Linie interessiert an der Erhaltung der Stabilität von Wirtschaft, Preisen und Beschäftigung und wollen diese nicht, wenn wir die Wahl treffen müssen, vorsätzlich dem abgenutzten Dogma opfern, das seinen Wert einmal bei £3:17:10½ die Unze hatte. Fürsprecher des veralteten Standards erkennen nicht, wie entfernt er nun vom Geist und den Erfordernissen der Zeit ist. Ein regulierter, nichtmetallischer Standard hat sich unbemerkt durchgesetzt. Er existiert.

    In truth, the gold standard is already a barbarous relic. All of us, from the Governor of the Bank of England downwards, are now primarily interested in preserving the stability of business, prices, and employment, and are not likely, when the choice is forced on us, deliberately to sacrifice these to the outworn dogma, which had its value once, of £3:17:10½ per ounce. Advocates of the ancient standard do not observe how remote it now is from the spirit and the requirements of the age. A regulated non-metallic standard has slipped in unnoticed. It exists.

    Keynes, »Alternative Aims in Monetary Policy« (1923), Essays, S. 208.

    Der Goldstandard hatte seit fast einem Jahrhundert für ein nur wenig schwankendes Preisniveau in England gesorgt und damit für eine Klasse von Rentiers, die von ihrem angelegten Geld sicher vor Inflation und ohne Risiko von den Zinsen leben konnten. Bis es durch den Weltkrieg zu einem enormen Preisanstieg kam, der aber mit der Großen Depression wieder korrigiert wurde. Der Essay stammt aus dem Jahr 1923, für die gesammelten Essays konnte Keynes das Preisniveau des Jahres 1931 ergänzen, das wieder dem von 1844, 1881 und 1914 entsprach; jedenfalls bis zum Ausscheiden Englands aus dem Goldstandard im September 1931, was zu einer Abwertung des Pfundes und wieder steigenden Preisen führte.

    Annähernd das gleiche Preisniveau herrschte in den Jahren 1826, 1841, 1855, 1862, 1867 und 1915. Die Preise waren auch gleich in den Jahren 1844, 1881 und 1914. [Und wieder, wie man jetzt ergänzen kann, in 1931!] Wenn wir die letzten Jahre auf einem Index mit 100 ansetzen, dann werden wir für den Zeitraum von fast einem Jahrhundert zwischen 1826 bis zum Kriegsausbruch die höchste Abweichung in jeder Richtung mit 30 Punkten finden, der Index steigt nie über 130 und fällt nie unter 70.

    Approximately the same level of price ruled in or about the years 1826, 1841, 1855, 1862, 1867, 1871, and 1915. Prices were also level in the years 1844, 1881, and 1914. [And again, it is now possible to add, in 1931.] If we call the index number of these latter years 100, we find that, for the period of close to an century from 1826 to the outbreak of war, the maximum fluctuation in either direction was 30 points, the index number never rising above 130 and never falling below 70.

    Keynes, »Social Consequences of Changes in the Value of Money« (1923), Essays, S. 88f.

    Weil diese Stabilität der Kaufkraft des Pfundes für die Rentiers derart erfreulich war, gab es schon zu Kriegsende eine Mehrheit in den für die Geldpolitik maßgeblichen Kreisen, die Rückkehr zum Goldstandard zu den Vorkriegsparitäten möglichst bald umzusetzen.

    Es wird oft vorausgesetzt, dass die Wiederherstellung des Goldstandards, also die Einlösung jeder nationalen Währung zu einem festgelegten Verhältnis in Gold, in jedem Fall unser Ziel sein muss; und dass der wichtigste Streitpunkt der ist, ob für die nationalen Währungen der Vorkriegskurs zum Gold wieder hergestellt werden sollte oder ein den gegenwärtigen Verhältnissen entsprechend weit niedrigerer Kurs; in anderen Worten: die Wahl zwischen Preissenkung und Währungsabwertung.

    It is often assumed that the restoration of the gold standard, that is to say, of the convertibility of each national currency at a fixed rate in terms of gold, must be, in any case, our objective; and that the main question of controversy is whether national currencies should be restored to their pre-war gold value or to some lower value nearer to the present facts; in other words, the choice between Deflation and Devaluation.

    Keynes, »Alternative Aims in Monetary Policy« 1923, Essays, S. 186.

    Auch in Italien gab es Bestrebungen, die Kaufkraft der Lira wieder anzuheben und Keynes hat sich in diesem Essay über das mangelnde ökonomische Verständnis Mussolinis lustig gemacht:

    In Italien, wo gesunde ökonomische Ansichten viel Einfluss haben und das fast reif für eine Währungsreform sein könnte, hat Signor Mussolini gedroht, die Lira zu ihrem früheren Wert anzuheben. Zum Glück für den italienischen Steuerzahler und die italienische Wirtschaft hört die Lira nicht einmal auf einen Diktator und kann nicht mit Rizinusöl geschmiert werden. Aber so ein Geschwätz kann positive Reformen verzögern; freilich mag bezweifelt werden, ob so ein guter Politiker so eine Politik vorgeschlagen hätte, sogar aus Angeberei und im Überschwang, wenn er verstanden hätte, dass in anderen, doch angemessenen Worten es folgendermaßen lautet: »Meine Politik wird die Löhne halbieren, die Last der Staatsschulden verdoppeln und die Preise, die Sizilien für seine Exporte von Orangen und Zitronen erhalten kann, auf 50 Prozent reduzieren.«

    Wenn die Wiederherstellung der Vorkriegsparität vieler europäischer Währungen zum Gold weder wünschenswert noch möglich ist, welche Kräfte oder Argumente konnten diese unerwünschte Unmöglichkeit zur erklärten Politik der Mehrheit werden lassen? Die nachfolgenden sind die wichtigsten:

    1. Den Goldwert einer Landeswährung auf dem niedrigen Stand zu belassen, auf den der Krieg ihn gebracht hat, ist eine Ungerechtigkeit gegenüber der Rentiersklasse und den anderen, deren Einkommen in Geld festgesetzt ist, und praktisch ein Vertragsbruch; ihren Wert zurück zu gewinnen würde eine Ehrenschuld begleichen…

    2. Die Rückkehr einer Währung zu ihrem Vorkriegs-Goldkurs erhöht das finanzielle Ansehen eines Landes und fördert das zukünftige Vertrauen…

    3. Wenn der Goldkurs einer Landeswährung erhöht werden kann, werden die Arbeiter von niedrigeren Lebenshaltungskosten profitieren, ausländische Güter werden billiger zu erhalten sein und in Gold festgesetzte Auslandsschulden (wie gegenüber den Vereinigten Staaten) sind mit weniger Anstrengungen zu tilgen.

    In Italy, where sound economic views have much influence and which may be nearly ripe for currency reform, Signor Mussolini has threatened to raise the lira to its former value. Fortunately for the Italian taxpayer and Italian business, the lira does not listen even to a dictator and cannot be given castor oil. But such talk can postpone positive reform; though it may be doubted if so good a politician would have propounded such a policy, even in bravado and exuberance, if he had understood that, expressed in other but equivalent words, it was as follows: »My policy is to halve wages, double the burden of the National Debt, and to reduce by 50 per cent the prices which Sicily can get for her exports of oranges and lemons.«

    If the restoration of many European currencies to their pre-war parity with gold is neither desirable nor possible, what are the forces or the arguments which have established this undesirable impossibility as the avowed policy of most of them? The following are the most important:

    1. To leave the gold value of a country`s currency at the low level to which war has driven it is an injustice to the rentier class and the others whose income is fixed in terms of currency, and practically a breach of contract; whilst to restore its value would meet a debt of honour. …

    2. The restoration of a currency to its pre-war gold value enhances a country`s financial prestige and promotes future confidence. …

    3. If the gold value of a country`s currency can be increased, labour will profit by a reduced cost of living, foreign goods will be obtainable cheaper, and foreign debts fixed in terms of gold (e.g. to the United States) will be discharged with less effort.

    Keynes, »Alternative Aims in Monetary Policy« 1923, Essays, S. 190-194.

    Keynes versuchte, mit einer Abwägung zwischen Inflation und Deflation seine Leser gegen die Deflationspolitik einzunehmen:

    Wir sehen deshalb, dass steigende Preise wie fallende Preise ihre charakteristischen Nachteile haben. Die Inflation im ersten Fall bedeutet Ungerechtigkeit für Einzelne und Klassen, besonders für Rentiers, und ist daher schlecht für das Sparen. Die Deflation, die fallende Preise verursacht, bedeutet für die Arbeiter Verarmung und für die Wirtschaft eine Beschränkung der Produktion durch die führenden Unternehmer, in ihrem Bestreben, Verluste für sich zu vermeiden, und ist daher verheerend für die Beschäftigung…

    Daher ist Inflation ungerecht und Deflation ist unzweckmäßig. Von den beiden ist vermutlich Deflation, wenn wir eine Hyperinflation wie in Deutschland ausschließen, das größere Übel; denn es ist schlimmer, in einer verarmten Welt Arbeitslosigkeit zu verursachen, als den Rentier zu enttäuschen.

    We see, therefore, that rising prices and falling prices each have their characteristic disadvantage. The Inflation which causes the former means Injustice to individuals and to classes, – particularly to rentiers; and is therefore unfavourable to saving. The Deflation which causes falling prices means Impoverishment to labour and to enterprise by leading entrepreneurs to restrict production, in their endeavour to avoid loss to themselves; and is therefore disastrous to employment…

    Thus Inflation is unjust and Deflation is inexpedient. Of the two perhaps Deflation is, if we rule out exaggerated inflations such as that of Germany, the worse; because it is worse, in an impoverished world, to provoke unemployment than to disappoint the rentier.

    Keynes, »Social Consequences of Changes in the Value of Money« (1923), Essays, S. 102f.

    In seinem Essay zu den sozialen Konsequenzen der Änderungen des Geldwertes erläuterte Keynes, dass von einer Deflation nur die Klasse der Rentiers profitiert, während Arbeiter wie Händler, Fabrikanten, Investoren und Bauern die gewaltigen Nachteile hinnehmen müssen:

    Die grundsätzlichen Argumente gegen Deflation fallen unter zwei Gesichtspunkte.

    An erster Stelle ist Deflation unerwünscht, weil sie, was immer schädlich ist, eine Änderung der geltenden Kaufkraft bewirkt und in ungerechter Weise Reichtum umverteilt, sowohl bezüglich des Wirtschaftsgeschehens wie der sozialen Stabilität. Preissenkung, wie wir bereits gesehen haben, beinhaltet eine Übertragung von Reichtum vom Rest der Gesellschaft zur Klasse der Rentiers und zu allen Eigentümern von Ansprüchen auf Geld; gerade so, wie Inflation das Gegenteil bewirkt. Genauer gesagt beinhaltet sie eine Übertragung von allen Schuldnern, also von Händlern, Fabrikanten und Farmern, zu den Gläubigern, von den Aktiven zu den Inaktiven.

    Aber während das Auspressen der Steuerzahler zur Bereicherung der Rentiers das hauptsächlichste Ergebnis ist, haben wir eine weitere, viel gewaltsamere Störung in der Übergangszeit. Die Politik eines stetigen Anhebens der Kaufkraft der Währung eines Landes um beispielsweise 100 Prozent über ihre aktuelle Kaufkraft läuft für jeden Händler und Fabrikanten auf die Ankündigung hinaus, dass auf einige Zeit seine Waren und Rohstoffe stetig in seinem Bestand an Wert verlieren, und für jeden, der sein Geschäft mit geliehenem Geld finanziert, dass er früher oder später 100 Prozent seiner Verbindlichkeiten verliert (denn er muss real gerechnet doppelt so viel zurückzahlen, als er geliehen hat). Moderne Unternehmen, hauptsächlich mit geliehenem Geld ausgeführt, müssen durch einen derartigen Prozess fast unvermeidlich zum Stillstand kommen. Es wird im Interesse jedes Unternehmers sein, für die kommende Zeit sein Geschäft einzustellen, und eines jeden, der eine Investition plant, seine Aufträge so lange wie möglich aufzuschieben. Der Klügste wird derjenige sein, der seine Anlagen zu Geld macht, sich den Risiken und Anstrengungen jeder Aktivität entzieht und in ländlicher Abgeschiedenheit die versprochene stetige Wertsteigerung seines flüssigen Geldes abwartet. Die Erwartung einer vielleicht eintretenden Deflation ist schlimm genug; eine sichere Erwartung ist verheerend.

    The simple arguments against Deflation fall under two heads.

    In the first place, Deflation is not desirable, because it effects, what is always harmful, a change in the existing Standard of Value, and redistributes wealth in a manner injurious, at the same time, to business and to social stability. Deflation, as we have already seen, involves a transference of wealth from the rest of the community to the rentier class and to all holders of titles to money; just as Inflation involves the opposite. In particular it involves a transference from all borrowers, that is to say from traders, manufacturers, and farmers, to lenders, from the active to the inactive.

    But whilst the oppression of the taxpayer for the enrichment of the rentier is the chief lasting result, there is another, more violent, disturbance during the period of transition. The policy of gradually raising the value of a country`s money to (say) 100 per cent above its present value in terms of goods amounts to giving notice to every merchant and every manufacturer, that for some time to come his stock and his raw materials will steadily depreciate on his hands, and to every one who finances his business with borrowed money that he will, sooner or later, lose 100 per cent on his liabilities (since he will have to pay back in terms of commodities twice as much as he has borrowed). Modern business, being carried on largely with borrowed money, must necessarily be brought to a standstill by such a process. It will be to the interest of everyone in business to go out of business for the time being; and of everyone who is contemplating expenditure to postpone his orders so long as he can. The wise man will be he who turns his assets into cash, withdraws from the risks and the exertions of activity, and awaits in country retirement the steady appreciation promised him in the value of his cash. A probable expectation of Deflation is bad enough; a certain expectation is disastrous.

    Keynes, »Social Consequences of Changes in the Value of Money« (1923), Essays, S. 189f.

    In seinem Essay gegen die Rückkehr zum Goldstandard durch Churchill lässt Keynes seinen Ärger deutlich erkennen:

    Aber ich glaube, dass Mr. Churchills Experten auch die technischen Schwierigkeiten nicht verstanden und unterschätzten, eine allgemeine Senkung der internationalen Geldpreise zu bewirken. Wenn wir die Kaufkraft des Sterling um 10 Prozent erhöhen, übertragen wir etwa 1.000.000.000 Pfund in die Taschen der Rentiers aus den Taschen der übrigen von uns und wir erhöhen die reale Last der Staatsschulden um etwa 750.000.000 Pfund… Ich vermute, dass die Geister seiner Berater noch immer in der akademischen Phantasiewelt hausen, bevölkert von Wirtschaftsredakteuren der City of London, Mitgliedern von Cunliffe- und Währungs-Komitees und dergleichen mehr, in der die notwendigen Anpassungen »automatisch« auf eine »gesunde« Politik der Bank von England folgen.

    But I think that Mr. Churchill`s experts also misunderstood and underrated the technical difficulty of bringing about a general reduction of internal money values. When we raise the value of sterling by 10 per cent we transfer about £1,000,000,000 into the pockets of the rentiers out of the pockets of the rest of us, and we increase the real burden of the National Debt by some £750,000,000… I think that the minds of his advisers still dwelt in the imaginery academic world, peopled by City editors, members of Cunliffe and Currency Committees et hoc genus omne, where the necessary adjustments follow »automatically« from a »sound« policy by the Bank of England.

    Keynes, »The Economic Consequences of Mr. Churchill« (1925), Essays, S. 250f.

    Im Jahr 1925, dem Jahr der Rückkehr Englands zum Goldstandard, hat Keynes die Konsequenzen einer Deflationspolitik ganz drastisch geschildert, dass nämlich Krise und Massenarbeitslosigkeit die konkreten Mittel der Deflationspolitik sein werden:

    Die Bank von England ist gezwungen, den Kredit nach allen Spielregeln des Goldstandards zu beschränken. Sie handelt damit gewissenhaft und »gesund«. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass eine harte Krediteinschränkung – und niemand wird leugnen, dass die Bank das macht – notwendig die Verschärfung der Arbeitslosigkeit unter den gegenwärtigen Umständen dieses Landes beinhaltet. Was wir brauchen, um heute wieder zu Wohlstand zu kommen, ist eine großzügige Kreditpolitik. Wir wollen Geschäftsleute ermutigen, neue Unternehmen zu beginnen, nicht, wie wir es tun, sie abschrecken. Deflation senkt die Löhne nicht »automatisch«. Sie senkt sie durch die Verursachung von Arbeitslosigkeit. Die eigentliche Aufgabe von knappem Geld ist es, einen beginnenden Boom zu hemmen. Wehe denen, die sich durch ihre Überzeugung dazu verleiten lassen, es zur Verschärfung einer Depression zu benutzen.

    The Bank of England is compelled to curtail credit by all the rules of the gold standard game. It is acting conscientiously and »soundly« in doing so. But this does not alter the fact that to keep a tight hold on credit – and no one will deny that the Bank is doing that – necessarily involves intensifying unemployment in the present circumstances of this country. What we need to restore prosperity to-day is an easy credit policy. We want to encourage business men to enter on new enterprises, not, as we are doing, to discourage them. Deflation does not reduce wages »automatically«. It reduces them by causing unemployment. The proper object of dear money is to check an incipient boom. Woe to those whose faith leads them to use it to aggravate a depression.

    Keynes, »The Economic Consequences of Mr. Churchill« (1925), Essays, S. 259.

    Im Jahr 1925 fragt Keynes noch, ob die Öffentlichkeit eine brutale Krise zur Durchsetzung der Deflationsziele dulden wird, vor allem die vorsätzliche Erzeugung von Massenarbeitslosigkeit. Das war selbstverständlich nicht mehr so einfach durchsetzbar, wie einst noch nach dem Krieg gegen Napoleon. Daher dauerte der Beginn der Deflationspolitik noch bis 1929 und Keynes selbst wurde damals von der Krise überrascht und war zunächst an der Börse falsch investiert. Aber wie leicht das Publikum zu täuschen sein würde, hat er doch richtig geahnt:

    Die Frage ist, wie weit die öffentliche Meinung so eine Politik zulassen wird. Es würde der Regierung politisch unmöglich sein einzugestehen, dass sie vorsätzlich die Arbeitslosigkeit verschärft hat, sogar wenn die Mitglieder des Währungs-Komitees ihr ein Argument dafür liefern. Andererseits ist es möglich, dass eine Deflation ihre Folgen bewirkt, ohne bemerkt zu werden. Deflation, sobald sie einmal auch noch so gering beginnt, verstärkt sich fortschreitend. Sobald der Pessimismus allgemein die Geschäftswelt beherrscht, kann der daraus folgende stockende Geldumlauf die Deflation ein großes Stück weiter bringen, ohne dass die Bank den Zinssatz erhöhen oder die Einlagen [Deposits? Vermutlich meinte Keynes die eingeräumten Kredite] senken müsste. Und weil dem Publikum besondere Gründe immer eher einleuchten als logische Zusammenhänge, wird die Depression auf die ökonomischen Streitpunkte, die sie begleiten, zurückgeführt werden, auf den Dawes Plan, auf China, auf die unvermeidbaren Folgen des Großen Krieges, auf Zölle, auf hohe Steuern, auf alles in der Welt außer auf die grundsätzliche Geldpolitik, die das ganze Geschehen in Gang gesetzt hat.

    The question is how far public opinion will allow such a policy to go. It would be politically impossible for the Government to admit that it was deliberately intensifying unemployment, even though the members of the Currency Committee were to supply them with an argument for it. On the other hand, it is possible for Deflation to produce its effects without being recognized. Deflation, once started ever so little, is cumulative in its progress. If pessimism becomes generally prevalent in the business world, the slower circulation of money resulting from this can carry Deflation a long way further, without the Bank having either to raise the bank-rate or to reduce its deposits. And since the public always understands particular causes better than general causes, the depression will be attributet to the industrial disputes which will accompany it, to the Dawes Scheme, to China, to the inevitable consequences of the Great War, to tariffs, to high taxation, to anything in the world except the general monetary policy which had set the whole thing going.

    Keynes, »The Economic Consequences of Mr. Churchill« (1925), Essays, S. 263f.

    Keynes hat dann, als es so weit war, selbstverständlich schneller als die breite Öffentlichkeit das Ausmaß der geplanten Krise gesehen:

    Die Welt hat erst langsam verstanden, dass wir dieses Jahr im Schatten einer der größten ökonomischen Katastrophen der modernen Geschichte leben.

    The world has been slow to realize that we are living this year in the shadow of one of the greatest economic catastrophes of modern history.

    Keynes, »The Great Slump of 1930« (1930), Essays, S. 135.

    Keynes versuchte 1930 wieder, vor den Folgen der Deflation zu warnen. Wie weit er damit Erfolg hatte, lässt sich kaum beurteilen, aber seine Äußerungen und Artikel in der Presse sollen maßgeblich dazu geführt haben, dass der Bank von England schon 1931 das Gold ausging. Das war das Ende des Goldstandards und der Deflationspolitik für den Sterling-Block aus Großbritannien und mehreren sich der Abwertung des Sterling anschließenden Staaten bereits zum Jahresende 1931.

    Mehr noch, auch wenn wir vielleicht erfolgreich den Stand der Produktion wieder herstellen auf dem niedrigeren Niveau der Nominallöhne entsprechend (sagen wir) dem Preisniveau vor dem Krieg, wären unsere Probleme nicht gelöst. Denn seit 1914 wurde eine gewaltige Last von Schulden aufgenommen, sowohl national wie international, die in Geldsummen festgesetzt ist. Daher lässt jeder Fall der Preise diese Schuldenlast steigen, weil sie den Wert des Geldes steigen lässt, in dem sie festgelegt ist. Wenn wir beispielsweise auf das Niveau der Preise vor dem Krieg zurück kommen wollten, würden die britischen Staatsschulden um 40 Prozent höher als 1924 und doppelt so hoch als 1920 sein; der Young Plan würde weit schwerer auf Deutschland lasten als der Dawes-Plan, zu dem man sich darauf geeinigt hat, dass er nicht erfüllt werden konnte; die Verschuldung gegenüber den Vereinigten Staaten durch deren Verbündete im Großen Krieg würde 40-50 Prozent mehr an Gütern und Dienstleistungen entsprechen als zu dem Datum, als die Vereinbarungen getroffen wurden; die Verpflichtungen von Schuldnerstaaten wie denen von Südamerika und Australien würden unerfüllbar werden ohne eine Verringerung ihres Lebensstandards zum Wohl ihrer Kreditgeber; Landwirtschaft und Haushalte quer durch die Welt, die Hypotheken aufgenommen haben, würden sich als das Opfer ihrer Gläubiger erleben. In einer solchen Lage muss es zweifelhaft sein, ob die nötigen Anpassungen noch zur rechten Zeit vorgenommen werden können, um eine Serie von Bankrotten, Säumnissen bei der Zahlung und Zahlungsverweigerungen zu verhindern, welche die kapitalistische Ordnung bis auf ihre Grundmauern erschüttern würden. Dies würde ein fruchtbarer Boden für Agitation, Aufruhr und Revolution.

    Moreover, even if we were to succeed eventually in re-establishing output at the lower level of money-wages appropriate to (say) the pre-war level of prices, our troubles would not be at an end. For since 1914 an immense burden of bonded debt, both national and international, has been contracted, which is fixed in terms of money. Thus every fall of prices increases the burden of this debt, because it increases the value of the money in which it is fixed. For example, if we were to settle down to the pre-war level of prices, the British National Debt would be nearly 40 per cent greater than it was in 1924 and double what it was in 1920; the Young Plan would weigh on Germany much more heavily than the Dawes Plan, which it was agreed she could not support; the indebtedness to the United States of her associates in the Great War would represent 40-50 per cent more goods and services than at the date when the settlements were made; the obligations of such debtor countries as those of South America and Australia would become insupportable without a reduction of their standard of life for the benefit of their creditors; agriculturists and householders throughout the world, who have borrowed on mortgage, would find themselves the victims of their creditors. In such a situation it must be doubtful whether the necessary adjustments could be made in time to prevent a series of bankruptcies, defaults, and repudiations which would shake the capitalist order to its foundations. Here would be a fertile soil for agitation, seditions, and revolution.

    Keynes, »The Great Slump of 1930« (1930), Essays, S. 138f.

    Keynes macht sofort die hohen Zinsen für die Krise verantwortlich und fordert 1930 Zinssenkungen:

    Keynes appellierte an die Zentralbanken, deren entschlossenes Handeln die Krise sofort beenden könnte (auch wenn das breite Publikum dies nicht ahnte und um die Zusammenhänge nicht wissen konnte):

    Aber niemand kann den ersten Schritt tun außer den Verantwortlichen der Zentralbanken der wichtigsten Gläubigerstaaten; noch kann irgendeine Zentralbank isoliert genug unternehmen. Entschlossenes Handeln durch die Federal Reserve Banks der Vereinigten Staaten, die Bank von Frankreich und die Bank von England würde mehr bewirken, als die meisten Bürger bereitwillig glauben werden, welche die Symptome oder häufigen Begleiterscheinungen mit der Krankheit selbst verwechseln.

    But no one can take the first step except the central banking authorities of the chief creditor countries; nor can any one Central Bank do enough acting in isolation. Resolute action by the Federal Reserve Banks of the United States, the Bank of France, and the Bank of England might do much more than most people, mistaking symptoms or aggravating circumstances for the disease itself, will readily beliefe.

    Keynes, »The Great Slump of 1930« (1930), Essays, S. 146.

    In seinem 1930 erschienenen Werk „Treatise on Money“, 1931 in Deutsch „Vom Gelde“, machte Keynes die Hochzinspolitik und nicht vorrangig den Börsencrash für die Weltwirtschaftskrise verantwortlich:

    Somit schreibe ich den Niedergang von 1930 in erster Linie den verheerenden Wirkungen der langen Periode teuren Geldes, die dem Zusammenbruch der Aktienmärkte voraufging, auf die Investitionstätigkeit zu und erst in zweiter Linie dem Zusammenbruch selbst. Nachdem jedoch der Zusammenbruch eingetreten war, verschärfte er die Lage besonders in den Vereinigten Staaten außerordentlich, indem er einen Abbau des Betriebskapitals verursachte. Außerdem förderte er die Entstehung einer Gewinndeflation noch auf zwei anderen Wegen, durch eine Entmutigung der Investitionstätigkeit und durch eine Ermutigung der Spartätigkeit.

    Keynes, Vom Gelde, Duncker und Humblot, Berlin 1983, S. 456

    In der ganzen Nachkriegszeit waren für Keynes die Zinsen zu hoch gewesen:

    Die auffallendste Veränderung der Investitionsfaktoren in der Nachkriegszeit, verglichen mit den Verhältnissen der Vorkriegszeit, ist in dem hohen Strand des Marktzinses zu erblicken. Sehr stark verallgemeinernd kann man sagen, dass der langfristige Zinssatz heute um 50% höher liegt als vor 20 Jahren.

    Keynes, a.a.O., S 602

    Seine Aussage widerspricht den Behauptungen der Neoliberalen, in den 1920er Jahren wären die Zinsen zu niedrig gewesen und hätten zu einer künstlich verstärkten Konjunktur geführt. Keynes forderte nach den ersten Verheerungen der deflationären Depression – die Preise für Massenware an landwirtschaftlichen Erzeugnissen von Weizen, Kaffee, Baumwolle, Seide und Rohstoffen wie Kupfer, Zinn, Kautschuk waren schon um ein Drittel gefallen, der Produktionsindex der USA war um 20% gefallen, in England, USA und Deutschland waren bereits 10 Millionen Arbeiter erwerbslos – die Senkung der Zinsen:

    Die Bank von England und das Bundesreserveamt könnten auf ihre Mitgliedsbanken einen Druck ausüben, um etwas zu erreichen, was diesen Banken, wenn sie alle gemeinsam handelten, zu ihrem privaten Nutzen gereichen würde, nämlich die Senkung des Zinssatzes, den sie Einlegern gewähren, auf einen sehr niedrigen Stand, sagen wir 1/2%. Gleichzeitig sollten diese beiden Institutionen in ihrer Diskontpolitik und in ihrer Offenen-Markt-Politik bis zum äußersten gehen, nachdem sie vorher übereingekommen sind, Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, daß Schwierigkeiten auf Grund internationaler Goldbewegungen eine solche Politik durchkreuzen. Das heißt, sie sollten sich zusammentun, um einen sehr niedrigen kurzfristigen Zinsfuß aufrechtzuerhalten und langfristige Effekten zu kaufen, entweder gegen eine Ausdehnung des Zentralbankgeldes oder gegen den Verkauf von kurzfristigen Effekten, bis der kurzfristige Markt gesättigt ist.

    Keynes, a.a.O. S. 609

    Im Oktober 1931, England und die Länder des Sterling-Blocks hatten im September 1931 den Goldstandard aufgegeben, schrieb Keynes im Vorwort zur 1932 erschienen deutschen Ausgabe, dass er ursprünglich beim Verfassen des Buches erwartet hatte, dass die Anhänger des Goldstandards eine vernünftige Politik betreiben würden:

    Aber ich schrieb auch (S. 534), daß “die Entwicklung ganz anders verlaufen kann. Die Freunde des Goldes werden sich äußerst klug und gemäßigt verhalten müssen, wenn sie eine Revolution vermeiden wollen”. Tatsächlich sind sie weit davon entfernt gewesen, sich klug oder gemäßigt zu verhalten, und jetzt stehen wir mitten in der Revolution. Bei der Niederschrift dieser Zeilen erscheint es fast als möglich, daß das ganze System der Goldwährung zusammenbricht.

    Keynes, a.a.O. Vorwort S. VIII

    Keynes machte also ganz deutlich die Anhänger des Goldstandards für die Verheerungen der Weltwirtschaftskrise als Folge des unklugen und unmäßigen Verhaltens der maßgeblichen Kräfte des Finanzsystems verantwortlich.

    Im Jahr 1931 beschreibt Keynes in einer Radiosendung das ganze Elend der von dieser Deflationspolitik ausgelösten Not auf der Erde:

    In den drei wichtigsten Industriestaaten der Welt, Großbritannien, Deutschland und den Vereinigten Staaten, schätze ich, dass vermutlich 12.000.000 Industriearbeiter freigesetzt sind. Aber ich bin mir nicht sicher ob heute nicht noch mehr menschliches Elend in den großen landwirtschaftlichen Staaten herrscht – Kanada, Australien und Südamerika, wo sich Millionen kleiner Farmer ruiniert sehen durch den Fall der Preise für ihre Erzeugnisse, so dass ihre Erlöse nach der Ernte ihnen viel weniger einbringen, als sie die Feldfrüchte zu produzieren gekostet hat. Denn der Fall in den Preisen der großen Hauptprodukte der Welt wie Weizen, Wolle, Zucker, Baumwolle und natürlich noch vieler anderer Waren war einfach katastrophal. Die meisten dieser Preise sind nun unter ihrem Vorkriegsstand; jedoch die Kosten, wie wir alle wissen, bleiben weit über ihrem Vorkriegsstand. Vor einer oder zwei Wochen, so wurde berichtet, wurde Weizen in Liverpool zum niedrigsten Preis verkauft, der jemals aufgezeichnet wurde seit der Zeit von Charles II. vor über 250 Jahren. Wie ist es möglich für Farmer, unter solchen Bedingungen zu leben? Natürlich ist es unmöglich.

    In the three chief industrial countries of the world, Great Britain, Germany, and the United States, I estimate that probably 12,000,000 industrial workers stand idle. But I am not sure that there is not even more human misery to-day in the great agricultural countries of the world – Canada, Australia, and South America, where millions of small farmers see themselves ruined by the fall in the prices of their products, so that their receipts after harvest bring them in much less than the crops have cost them to produce. For the fall in the prices of the great staple products of the world such as wheat, wool, sugar, cotton, and indeed most other commodities has been simply catastrophic. Most of these prices are now below their pre-war level; yet costs, as we all know, remain far above their pre-war level. A week or two ago, it is said, wheat in Liverpool sold at the lowest price recorded since the reign of Charles II. More than 250 years ago. How is it possible for farmers to live in such conditions? Of course it is impossible.

    Keynes, »Saving and Spending« (Jan. 1931, A Broadcast Address), Essays, S. 148f.

    Gegen den inzwischen aufgekommenen Verdacht, dass die Große Depression die Folge einer Bankiersverschwörung sei, behauptete Keynes, dass die Bankiers blind und ihre Ökonomen Dummköpfe wären:

    Banken und Bankiers sind von Natur aus blind. Sie haben nicht gesehen, was sich ereignen würde. Einige von ihnen haben ihn sogar begrüßt, den Fall der Preise auf den Stand von vor dem Krieg, den sie in ihrer Unschuld als das gerechte und »natürliche« und unvermeidbare Niveau erachteten, um es so zu sagen, das Niveau der Preise, an das ihre Geister in ihren prägenden Jahren gewöhnt wurden. In den Vereinigten Staaten beschäftigen einige von ihnen sogenannte »Ökonomen«, die uns sogar noch heute erzählen, dass unsere Probleme aus der Tatsache folgen, dass die Preise einiger Güter und Dienste immer noch nicht weit genug gefallen wären, unbekümmert um den offensichtlichen Umstand, dass ihr Rezept, wenn es angewandt werden könnte, eine Gefahr für die Zahlungsfähigkeit ihres Instituts wäre.

    Banks and bankers are by nature blind. They have not seen, what was coming. Some of them have even welcomed the fall of prices towards what, in their innocence, they have deemed the just and »natural« and inevitable level of pre-war, that is to say, to the level of prices to which their minds became accustomed in their formative years. In the United States some of them employ so-called »economists« who tell us even to-day that our troubles are due to the fact that the prices of some commodities and some services have not yet fallen enough, regardless of what should be the obvious fact that their cure, if it could be realised, would be a menace to the solvency of their institution.

    (Keynes, »The Consequences to the Banks of the Collapse of Money Values« (Aug. 1931), Essays, S. 176).

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    • Hartmut G.
      Hartmut G. sagte:

      zur Argumentationslinie haben Sie null zu beigetragen, sowie Thema verfehlt, denn es ging um GoldRESERVE in der Bilanz einer ZB.

      Zudem ein Link auf diese fremden geistigen linken keynesianischen Ergüsse hätte es getan, statt Speicherplatz im wertvollen Blog von Herrn Stelter zu verschwenden.

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  3. Dieter Krause
    Dieter Krause sagte:

    “Ein Goldstandard besteht dann, wenn eine Notenbank einen festen Umtauschkurs ihrer Währung in Banknoten zu Gold garantiert und tatsächlich jederzeit zum Umtausch IN DER GESAMTEN MENGE IN DER LAGE UND BEREIT IST. Bei dem reinen Goldstandard entspricht die Geldmenge eines Landes dem Wert des monetär genutzten Goldbestandes eines Landes.” (Quelle: Wikipedia)
    Hier die Zahlen für M1, M2 und M3 in der Euro-Zone für 2014: September 2014 5.694 / 9.497 / 10.108 Mrd. Euro. Bedeutet dann: Drastische Aufwertung des Goldkurses (was nur die jetzigen Goldbesitzer und Goldminenbetreiber freuen dürfte) oder rabiate Deflation! Schon bei den möglichen Zukaufverpflichtungen der SNB – sollte die Goldinitiative nächsten Sonntag von der Schweizer Bevölkerung angenommen werden – dürfte der Goldpreis erst mal durch die Decke gehen! – Ein völlig durchgeknallter Vorschlag, der einzig die BISHERIGEN GOLDBESITZER reich machen würde! Keynes nannte übrigens den Goldstandard schon in den 1920er Jahren ein “barbarisches Relikt!” Sehr richtig. – Ihnen – als Privatinvestor – empfehle ich aber: Alles Gold, was Sie bekommen können, aufkaufen (auch durch Bankkrediten mit maximalem Hebel), dann eine Insel im Pazifik kaufen, dort großen Tresor in einen Berg hauen lassen – und dann Lobbyarbeit für die Wiedereinführung des Goldstandards betreiben! Wenn es klappt, lachen Sie über Bill Gates & Warren Buffet! Wenn nicht, sind Sie ruiniert. Viel Glück!

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    • Gregor_H
      Gregor_H sagte:

      Warum so rabiat (“… völlig durchgeknallter Vorschlag …”) Herr Krause?
      Sie beschreiben a) eine drastische Aufwertung des Goldkurses oder b) eine rabiate Deflation als Auswirkungen der schweizer Initiative.
      Beide Alternativen sind m.E. keine schlechten: Wertet Gold drastisch auf, freuen sich alle, die ihr Erspartes schön diversifiziert angelegt haben. Und das sollte man ja so machen, wie uns immer wieder eingebleut wurde.
      Und gibt es eine kräftige Deflation, ja dann gewinnen meine ersparten Euros auch wieder mehr an Wert als heute. Mehr will ich doch gar nicht!

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  4. Dieter Krause
    Dieter Krause sagte:

    Der gesamte Goldbestand ALLER ZENTRALBANKEN betrug Ende 2013 gerade mal 31.900 t (ca. 20% allen jemals geförderten Goldes). Macht bei einem Preis pro Unze von ca. 1.200 Dollar gerade mal 1,25 Billionen Dollar! – Da müßte doch allein die EZB fast alle irdischen Goldbestände aufkaufen oder? – Ein neuer Goldstandard ist schlicht eine wirklich verrückte Idee. Selbst eine 20%-ige Golddeckung (wie von der Goldinitiative in der Schweiz vorgeschlagen) ist ein sehr, sehr dummer Vorschlag, da sie die SNB in ihrer Operationsfähigkeit auf den Devisennmärkten extrem stark einschränkt. – (Im Dezember 2012 hatte der Wert der Notenbank-Reserven noch 1.703 Milliarden Dollar betragen. Dann kam der Crash, und der Preis der Feinunze – 31,1 Gramm – sackte von fast 1700 auf 1200 Dollar. Auf alle Notenbanken bezogen entspricht das einem Wert-Einbruch von 457 Milliarden Dollar. Als erstes Institut hat nun die Schweizerische Nationalbank den ungefähren Schaden beziffert. Nach eigenen Angaben bescherte der Goldpreis-Verfall den Eidgenossen 2013 einen Verlust und rund neun Milliarden Franken oder umgerechnet 7,3 Milliarden Euro. Die Schweiz ist mit 1040 Tonnen die Nummer sechs der goldreichsten Nationen auf dem Globus.)

    Antworten
    • Hartmut G.
      Hartmut G. sagte:

      “Da müßte doch allein die EZB fast alle irdischen Goldbestände aufkaufen oder?”

      Nö. Denn wer sagt denn, dass die restlichen 120000t für 950€ zu haben sind?

      “Ein neuer Goldstandard ist schlicht eine wirklich verrückte Idee.”

      Wenn man es nicht verstanden hat, sicherlich. Denn die Leute assoziieren mit “Goldstandard” einen fixen definierten Preis von Gold, das Gegenteil beschrieb ich aber.
      Ihrem Post entnehme ich, dass ihr Verständnis von Preisfindung auf Märkten, Zentralbanken und Gold sowie den Geldaggregaten doch stark ausbaufähig ist.

      “Nach eigenen Angaben bescherte der Goldpreis-Verfall den Eidgenossen 2013 einen Verlust.”

      na, die werden sich erstmal umgucken, wenn die im Keller gestapelten Euros abgewertet werden, denn dann sitzen die nicht nur auf nicht realisierten Buchverlusten (wie die letzten drei Jahre mit Gold), sondern unmittelbaren sofort abzuschreibenden niemals wieder gut zu machenden Verlusten.
      Das dümmste was die Schweiz übrigens machen konnte war das “barbarische Relikt” zum Tiefstkurs unter Erpressung des IMF zu verkaufen. Lesen Sie mal Ferdinand Lipps “Goldwars”.

      “sehr, sehr dummer Vorschlag, da sie die SNB in ihrer Operationsfähigkeit auf den Devisennmärkten extrem stark einschränkt.”

      Man muss ja nicht alles, was der politische Mainstream einem vorgibt, dümmlich nachplappern. Wenn die SNB der Meinung ist, es sei gut für ihre Bürger deren Ersparnisse zu entwerten und die Einkäufe zu verteuern, dann kann sie das immer noch tun: SFr. gegen beliebige Devisen verkaufen (z.b. 1€=1,20SFr). Jedoch von diesen entgegen genommenen Devisen wieder 20% gegen Gold zu verkaufen. Keine Ahnung wie dann irgendwelche Dampfplauderer auf die Idee kommen, die Handlungsfähigkeit sei eingeschränkt.

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      • Daniel Stelter
        Daniel Stelter sagte:

        Demnächst Kommentar von mir zum CH-Gold. Nur ein Gedanke zu der Diskussion hier: Den Preis von Gold kann jede Notenbank beliebig festlegen. Denn sie kann unbegrenzt gegen bunte Zettel oder Nullen auf dem Bildschirm kaufen, was angeboten wird. 10.000 Euro? Why not? Gold war historisch ‒ also wenn sie Eigentumsökonomik folgen nur ein Ant-Fälschungsmittel. Solange Banken mit vollem Bankrott Risikokredite nur gegen gute Sicherheit an solide Schuldner, die tilgen wollen, geben, haben wir eigentlich kein Problem. Da Banken aber nicht mehr haften und die Grundsätze über Bord geworfen haben, sind wir auf der Suche nach dem Neuen. Kann Vollgeld mit einer (Gold)-Deckung sein.

  5. Hartmut G.
    Hartmut G. sagte:

    Besonders interessant fand ich den Absatz von Huerta de Soto: Die Zentralbank kauft Gold mit frisch gedruckter eigener Währung, um auf diese Weise zum einen Liquidität zu erschaffen, zum anderen den Weg zu einem Vollgeldsystem zu ermöglichen. Könnte bei der EZB Bilanz auch schon heutzutage durchgeführt werden, wie schon früher hier kurz andiskutiert.
    Gold nimmt damit den Referenzpunkt von Währungen ein, nicht die Deckung! Es balanciert somit den Liquiditätsengpässe und Liquiditätsüberschüsse zwischen den Währungssystemen aus. So hat es auch schon einmal Robert Zoellick von der Weltbank angesprochen. Sein einziges Problem damals war jedoch, dass Gold angeblich zu billig sei. Naja, da Gold unabhängig vom Rest der Welt ist, der Preis ist somit willkürlich, da ließe sich also einiges nach oben machen.
    Wenn alle Goldförderer nun plötzlich wie verrückt anfangen zu graben, ist das nicht wirklich ein Problem, bloß verzerrt das ganze natürlich etwas und mobilisiert unnötig Förderresourcen, die besser für andere Dinge zu Verfügung stünden.
    mfG

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