Der Ruf nach einem Euro-Austritt Italiens wird immer lauter

Schon vor einigen Wochen habe ich an dieser Stelle auf die zunehmende Euroskepsis in Italien geschaut und dabei aus einer italienischen Zeitung zitiert:

  → Italien zahlt die Zeche für das deutsch-französische Machtkartell

Die FT greift die Stimmung in Italien erneut auf und berichtet über eine auch zunehmend akademisch getragene Diskussion. Ich denke zwar, dass 2017 ein durchaus gutes Jahr für die Wirtschaft in der Eurozone werden könnte, doch wird dies nichts an dem grundlegenden Problem ändern. Die Eurozone wird zunehmend als Maschinerie der Wohlstandsvernichtung gesehen werden.

Doch nun zur italienischen Debatte:

  • “Alberto Bagnai, a professor at Pescara university with a blog called Goofynomics, this week made a typically provocative demand: that there should be a controlled end to the euro. Undoing the euro will be costly, though less costly than its alternative, which is protracted stagnation of the European and hence the world economy, and the growing risk of a major financial collapse, he wrote.” – bto: Ich teile die Ansicht, dass der Euro so nicht wird funktionieren können.
  • I’ve been saying this stuff for seven years, and little by little it’s becoming mainstream, he says. Italy is wounded and the hegemonic powers — France and Germany — are buying it up piece by piece. This operation is almost colonial.– bto: Diese Argumentation hatte der Herausgeber der wirtschaftsnahen Onlinezeitung Il Sole 24 ORE ebenfalls gebracht, wie in dem oben genannten Beitrag zitiert.
  • “Most Italian economists, government officials and business executives have been staunch advocates of the euro. The public also remains in favour: opinion polls suggest most support remaining in the single currency despite growing reservations about the EU in general.” – bto: Das wiederum hat damit zu tun, dass die Italiener sehr wohl wissen, dass a) die italienische Politik erhebliche Mitschuld an der Wirtschaftskrise trägt, b) in der Vergangenheit hohe Inflation herrschte und c) es immer besser ist, wenn die Provinzen (also wir …) für alles bezahlen.
  • “All the same (…) debate over Italy’s future in the currency bloc and a possible Italexit gathering pace at what euro supporters fear is an alarming pace. (…) the new frenzy was triggered in January when Mediobanca, the investment bank, published a report that analysed the impact of departure to Italy’s public finances (…) concluded that while an inexpensive exit could have been engineered in recent years, that window had closed because of the changing structure of Italian debt.” – bto: Hatten wir auch schon, hier der Link:  → Italien – die Zeit wird knapp
  • “On the political front, the euro is rising to the top of the agenda. Both the populist Five Star Movement, which leads opinion polls in Italy, and the far-right Northern League have floated an exit from the single currency, while Silvio Berlusconi’s centre-right Forza Italia, which is fourth in the polls, has proposed a new parallel currency.” – bto: also was auch Marine Le Pen vorgeschlagen hat.
  • “Those advocating that Italy leave the euro seize on the broad public disappointment with the economic damage inflicted by a long recession and a sluggish recovery, arguing that only a return to monetary sovereignty will allow Italy to free itself from the budgetary and regulatory constraints set by the EU and the European Central Bank. (…) an Italian exit is no longer an untouchable subject.” – bto: Und in der nächsten Rezession kommt es noch prominenter auf die Agenda.
  • “What is now an extremely low probability event may turn into a self-fulfilling prophecy, even before any political shift actually happens, says Lorenzo Codogno, a former chief economist at Italy’s finance ministry now with research firm LC Macro Advisers in London. In my view, the probability of Italexit remains low — less than 5 per cent — but is rising. – bto: Die Spannungen bauen sich auf. Irgendwann werden sie sich entladen, weil es eindeutig nicht ewig so weitergehen kann.

 → FT (Anmeldung erforderlich): “Italian debate on merits of ditching euro grows louder”, 16. März 2017

Kommentare (10) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Marion Draghi
    Marion Draghi sagte:

    Es wurde ja schon häufiger über die Einführung einer Parallelwährung in Griechenland sinniert. Was spricht eigentlich gegen den Euro als Parallelwährung zu den nationalen Währungen? Würde man mit dieser Art von Rückschritt zu einer Form von ECU nicht viele Vorteile (z.B. kostenlose grenzüberschreitende Zahlungen) übernehmen und gleichzeitig einige Nachteile ausmerzen?
    Damit würde der Euro wohl wieder zu einer Art Recheneinheit oder Settlementwährung zurückentwickelt werden, man könnte jedoch immer noch Finanzprodukte o.Ä. in Euro notieren.

    Es handelt sich um ein reines Gedankenspiel, ich würde mich aber um Kommentare freuen.

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  2. Thorsten Schuppenhauer
    Thorsten Schuppenhauer sagte:

    der Euro wird zum Glück bald der Vergangenheit angehören. Er hat viel Leid über Europa gebracht und leider wird er noch viel mehr Leid über Europa bringen, bevor endlich wieder die Vernunft in Europa einzieht. Wer weiß was das Ende des Euro für die EU als Ganzes bedeuten wird ? Zurück zu den Anfängen ? Warum nicht ?

    Herr Schulz und Frau Merkel werden es jedenfalls nicht richten, sondern den Karren nur noch tiefer in den Graben führen.

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  3. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    >Der Ruf nach einem Euro-Austritt Italiens wird immer lauter>

    Offensichtlich ist das nicht der Fall, wenn richtig sein soll:

    „Most Italian economists, government officials and business executives have been staunch advocates of the euro. The public also remains in favour: opinion polls suggest most support remaining in the single currency despite growing reservations about the EU in general.“

    Was immer lauter wird bzw., wächst, ist das PROBLEMBEWUSSTSEIN bezüglich EU und Eurozone.

    Verbleiben wollen und wachsendes Problembewusstsein – wie bringt man das zusammen?

    > bto: Das wiederum hat damit zu tun, dass die Italiener sehr wohl wissen, dass a) die italienische Politik erhebliche Mitschuld an der Wirtschaftskrise trägt, b) in der Vergangenheit hohe Inflation herrschte und c) es immer besser ist, wenn die Provinzen (also wir …) für alles bezahlen.

    Der Rückblick ist nicht die Erklärung, auch nicht die Abwägung darüber, wer am besten die Rechnung beim Verbleib bezahlt.

    Die Erklärung ist m. A. n:

    Der Austritt ist nach Einschätzung der Betroffenen, also hier der italienischen Bürger, TEURER als ein Verbleiben (natürlich auch, weil und solange beim Verbleiben jemand Rechnungen bezahlt bzw. dafür sorgt, dass sie bezahlbar bleibt – siehe EZB).

    Die Einschätzung der KOSTEN eines Austritts kann sich ändern und sie wird sich ändern.

    Das wird dann der Fall sein, wenn es – und da liegt bto. richtig – zu einer längeren und nachhaltigen Rezession kommt.

    Was die wiederum auslöst, ist unerheblich. Denn nicht deren ursächliche Zuordnung entscheidet über den Austritt – das sind akademische Debatten für die Menschen.

    Ihre BEFINDLICHKEIT entscheidet.

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    • Michael Stöcker
      Michael Stöcker sagte:

      „Ihre BEFINDLICHKEIT entscheidet.“

      So ist es. Von daher hat Gabriel auch etwas für die Befindlichkeit getan: http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/gabriel-vergleicht-agenda-2020-mit-griechenlands-schuldenkrise-14938111.html. Worte allein werden da allerdings nicht reichen. Wenn die LB-Defizitländer im Euro bleiben wollen, dann sollten sie sich schnellsten mit der Einführung lokaler Komplementärwährungen befassen und/oder sich für ein zentralbankfinanziertes Bürgergeld einsetzen. Ansonsten werden die Befindlichkeiten in Verzweiflung umschlagen. Und das ist dann die Stunde der Rattenfänger.

      LG Michael Stöcker

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    • Ralph Klages
      Ralph Klages sagte:

      Diesen Aspekt mit der BEFINDLICHKEIT finde ich gut. Es erklärt sich dadurch auch die eher passive bis lethargische Haltung breiter Bevölkerungsschichten angesichts dem Grunde nach bedrohlichen und existenzgefährdenden wirtschaftlichen Rohdaten. Im individuellen Abgleich mit “der aktuellen Lage” werden Bedenken -und seien sich noch so fundiert – nach hinten gestellt, wobei nicht unbedingt vergessen.
      Gleichermaßen steht die erlebte “Befindlichkeit” auch im Zentrum vom Manipulationsanstrengungen durch Politiker (Schulz!), Medien und soziale Agenten (z.B. besagter Hr. Fratzscher), die durch Mittel der Suggestion, Illusion oder schlichtweg Narrative beeinflusst werden (sollen). Aber richtig ist: An der Wahlurne entscheidet die jeweilige Befindlichkeit.

      Antworten
      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        Manipulationsanstrenungen:

        Sie führen meine Gedanken folgerichtig weiter.

        Weil die Befindlichkeit der Menschen letztlich SUBJEKTIVE Einschätzung ist, kann erfolgsversprechend daran gearbeitet werden.

        Das geschieht u. a. durch AUSBLENDUNG der OECD- und FT-Grafiken zur Ungleichheit, die hier im anderen Thread dargelegt werden.

        Man könnte AUCH anhand dieser Daten über Veränderungen im Sozialsystem oder der Besteuerung etc. reden. Dies aber auf einer Basis, nach der bei uns zumindest im internationalen Vergleich keine himmelschreiende Ungerechtigkeit herrscht. Das ist aber schwierig, nicht effektiv in den Zeiten medialer Verkürzungen und daher keine erfolgsversprechende Strategie für den Machtgewinn.

        Hat man die Ausblendung geschafft – und nichts ist leichter als dies, auch Fratzscher ist das spielend leicht gelungen –, dann kann man voll an der Befindlichkeit der „hart arbeitenden Menschen im Lande, Polizist, Krankenschwester etc.“ arbeiten.

        Und wer will schon widersprechen, dass die hart arbeiten?

        Na also.

        So geht’s.

        In meinen Augen ist das alles andere als vertrauenserweckend hinsichtlich der STABILITÄT der politischen Landschaft. Mit dieser „Methodik“ politischer Mehrheitsbildung ist zu vieles möglich.

    • MFK
      MFK sagte:

      Tja, wenn man sein Geld für Schnaps und Frauen verschwendet wie die Südländer darf man sich nicht wundern (über die Bemerkung der moralisch überlegenen Nordländer). Befindlichkeiten herrschen auch im Norden. Der massendemokratische Wohlfahrtsstaat fordert überall seinen Tribut. Dabei haben doch die Guten die Wahlen in NL gewonnen.

      Antworten
  4. Michael Stöcker
    Michael Stöcker sagte:

    „Die Spannungen bauen sich auf. Irgendwann werden sie sich entladen, weil es eindeutig nicht ewig so weitergehen kann.“

    So ist es. Wer kein zentralistisches Europa möchte, der sollte sich mit dezentralen Lösungsansätzen auseinander setzten. Meinen Vorschlag zur Einführung eines niedrigen zentralbankfinanzierten Bürgergelds sollte eigentlich den meisten hier bekannt sein: https://zinsfehler.com/2016/09/25/ein-geldpolitisches-manifest-fuer-europa/.

    Ein weiterer Ansatz findet sich bei Lietaer, der nun schon seit bald 20 Jahren auf eine evolutorische Weiterentwicklung des hierarchischen Systems mit konkurrierenden Komplementärwährungen setzt. Die Schweiz hatte als Folge der Weltwirtschaftskrise 1934 das WIR-Geld eingeführt, das aktuell von ca. 45.000 KMU genutzt wird: https://www.wir.ch/bank/kmu/wir-als-kmu-werkzeug/. Es ist sogar mit einem eigenen Kürzel etabliert: Statt CHF eben CHW. Für Lietaer ist dies einer der zentralen Gründe für die wirtschaftliche Stabilität der Schweiz; eine These, die ich ebenfalls für sehr wahrscheinlich halte. Das Problem: Wir wissen und verstehen leider bis heute nicht, was Geld eigentlich ist. Auch in diesem Punkt stimme ich mit Lietaer zu 100 % überein: http://www.lietaer.com/birdseyeview/. Wer im Englischen nicht so sattelfest ist, der findet hier ein Interview mit Übersetzung: https://www.youtube.com/watch?v=lcVTdSrLLAk.

    LG Michael Stöcker

    Antworten
    • Christian Merkwirth
      Christian Merkwirth sagte:

      Lieber Herr Stöcker, ich würde noch einen Schritt weiter gehen und der Zentralbank direkte Investitionen in Bildungseinrichtungen (i.e. Hochschulen) und Infrastruktur erlauben, allerdings mit kritischer Überwachung der Verwendung der Gelder. In der Summe weniger als die Citoyage, aber definitiv zusätzlich zu dieser. Beides würde sich wunderbar ergänzen, evtl. auch eine Vereinfachung des Steuer und Sozialsystems erlauben. Im Endeffekt hängt die zukünftige Wertschöpfung ungemein stark von der Innovationsfähigkeit der Gesellschaft ab. Dazu bedarf es Bildung und auch der Sicherheit, im Falle eines Scheiterns persönlich nicht komplett mittellos auf der Strasse zu stehen.

      LG aus Rüschlikon,
      Christian Merkwirth

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      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        Vor allem darf man innovationsfreudige Menschen nicht damit bestrafen, dass man ihnen im Falle des wirtschaftlichen Erfolges den Gewinn wegsteuert.

        Nur eine geringe Anzahl von start ups überleben, so dass eine ordentliche Risikoprämie angebracht ist.

        Nicht mehr ganz taufrisch, dafür aber amtlich mit Tiefgang:

        http://doku.iab.de/kurzber/2009/kb1509.pdf

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