Demografie – Inflation oder Deflation als Folge alternder Gesellschaften?

Regelmäßige Besucher dieser Seiten wissen, dass ich neben den ausgewiesenen Schulden die ungedeckten Versprechen für eine alternde Gesellschaft für das größte Risiko für unseren Wohlstand ansehe. Das habe ich zusammengefasst in meinem Paper “Ending the Era of Ponzi Finance”, in dem ich aufzeige, welche potenziell verheerende Mischung sich aus Schulden, Alterung und Unterinvestition für die kommende Generation ergibt. Ein Ponzi-Schema endet bekanntlich dann, wenn mehr Leute aus- als einsteigen.

Doch wie wirkt die Alterung auf Inflation und Deflation? Bisher überwog klar die Ansicht, dass eine alternde Gesellschaft deflationär wirkt. Ausgangspunkt hierfür ist die Erfahrung in Japan, die Masaaki Shirakawa, Gouverneur der Bank of Japan 2012 in einem Paper mit dem Titel Demographic changes and macroeconomic performance — Japanese experiences zusammenfasste. Demnach ist eine Deflation die zwangsläufige Folge von einer alternden Gesellschaft, die weniger konsumiert. Folgerung: Die Geldpolitik muss aktiv gegenhalten, was in Japan seither im Rahmen von Abenomics der Fall ist ‒ wenngleich ohne viel Wirkung bisher.

Im August 2014 kam eine weitere Studie des IMF mit dem Titel Is Japan’s Population Aging Deflationary? zu einem ähnlichen Schluss, getrieben durch Lohnanpassungen, sinkende Preise für Vermögenswerte und Kapitalinvestments, sinkende Ersparnisse und eine Aufwertung der eigenen Währung durch die Repartierung von Auslandsanlagen. Auch hier die Forderung nach einer expansiven Geldpolitik.

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich kommt in einer neuen Studie zu einem ganz anderen Schluss: Can demography affect inflation and monetary policy? Dabei schauen die Forscher auf die Relation zwischen Erwerbsbevölkerung und abhängiger Bevölkerung (Kinder, Alte). Demnach hat die Weltwirtschaft in den letzten 30 Jahren von einem Höhepunkt des Anteils der erwerbstätigen Bevölkerung profitiert. “Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Anstieg der Erwerbsbevölkerung die Inflation um rund 4 Prozentpunkte in den letzten 40 Jahren gedrückt hat. Umgekehrt wird der Anstieg der Alten in den kommenden 40 Jahren die Inflationsraten um 4 Prozentpunkte nach oben drücken.” Ursache: Es gibt mehr Nachfrage nach Gütern, während zugleich weniger angeboten werden. Hier könnte man einwenden, dass dies in einer globalisierten Welt nicht der Fall sein muss, weil andere Regionen entsprechend Güter liefern können. Bei den nicht handelbaren Gütern ‒ zum Beispiel Pflege ‒ leuchtet es aber ein. Alterung ist also inflationär.

Die Studie der BIZ ist sehr robust, weil sie 22 Industrieländer über einen Zeitraum von 1955 bis 2010 umfasst und externe Effekte, wie zum Beispiel die Ölpreisentwicklung, bereinigt.

Fazit: Es sieht eher danach aus, dass eine alternde Gesellschaft steigende Preise für die Waren des täglichen Bedarfs und Dienstleistungen mit sich bringt (bedingt durch das geringere Warenangebot) und sinkende Preise für Vermögensstände wie Immobilien und Aktien, bedingt durch geringere Umsätze und Erträge und weniger Nachfrage. Dies hat auch erhebliche Auswirkungen auf die regionale Allokation der Ersparnisse, wie in Teil 7 meiner kleinen Serie besprochen.

FT (Anmeldung erforderlich): An ageing population as an excuse for a Japanese currency war, 27. März 2015