„Corporate surpluses are contributing to the savings glut“

Martin Wolf bedauert erneut ein bekanntes Thema: Wir investieren nicht. Die Unternehmen als Sektor machen genau das, was sie nicht machen sollen. Sie sparen. Kein neues Thema für bto:

→ Warum investieren wir nicht?

→ Weshalb Abenomics scheitert (eben weil die japanischen Unternehmen sparen, statt zu investieren oder die Löhne zu erhöhen)

Nun also ein weiterer Blick auf die Fakten:

  • Zunächst zur Erinnerung: Unternehmen stehen für 50 Prozent bis zu zwei Drittel aller Investitionen.  – bto: Glücklicherweise, wir sind ja keine Staatswirtschaft. Wobei die Staaten ebenfalls zu wenig investieren, zumindest wir in Deutschland.
  • Dazu nutzen die Unternehmen die Ersparnisse der privaten Haushalte aber auch ihre einbehaltenen Gewinne. Zwischen 40 Prozent (Frankreich) und 100 Prozent (Japan) der gesamtwirtschaftlichen Ersparnisse kommt aus dem Unternehmenssektor.bto: Das zeigt eindrücklich die schwache Wirtschaftslage in Frankreich und das Problem in Japan!
  • Verbrauchen die Unternehmen diese Mittel nicht, müssen entweder der Staat (siehe Japan) oder die privaten Haushalte ein Defizit machen oder es entstehen Handelsüberschüsse, weil das Geld ins Ausland exportiert wird (Deutschland). – bto: so weit, so richtig.
  • Überall, außer in Frankreich, ist dies der Fall. In Japan erzielen die Unternehmen einen Ersparnisüberhang von eindrücklichen acht Prozent des BIP.

Quelle: Financial Times

  • Dabei liegt dies nicht an der Krise. Von einzelnen Jahren abgesehen, haben die Unternehmenssektoren auch in den Jahren zuvor gespart. Dabei treffen zwei Punkte zusammen: Rekordprofite mit geringen Investitionen. – bto: Das wiederum zeigt, es genügt nicht, dass Unternehmen viel Gewinn machen, damit sie investieren.
  • Zwei Folgen ergeben sich daraus: Zum einen spricht es nicht für hohe Wachstumsraten in der Zukunft, weil wenige Investitionen entsprechend wenig Wachstumspotenzial schaffen. Zum anderen entziehen die Unternehmen so der Gesamtwirtschaft Nachfrage.
  • Warum wird nicht investiert? Wolf nennt drei Gründe: 1. Alternde Gesellschaften wachsen weniger, deshalb lohnt es sich, weniger zu investieren. 2. Globalisierung führt dazu, dass woanders investiert wird, nicht mehr in den Industrieländern. 3. Der technologische Fortschritt macht Investitionen billiger – zum Beispiel in IT. (Wobei ich da anmerken würde, dass bei sinkenden Kosten für alle irgendwann auch die Preise sinken sollten und damit die Margen. Dass dies nicht passiert, deutet eher darauf hin, dass die Märkte nicht mehr richtig funktionieren. Meine Überlegungen zu den Ursachen habe ich ja in dem oben verlinkten Artikel dargelegt.) Technologie macht den Unternehmen eher Angst.
  • Deshalb sollte man die Besteuerung ändern: Ausschüttungen und Investitionen begünstigen, damit das Geld rauskommt. Leuchtet ein und ist auch nicht neu.

Wolf schließt richtig: Solange die Unternehmen nicht das Geld ausgeben, werden Staaten Defizite machen müssen (so gesehen braucht es das französische Defizit übrigens nicht). Der Grenzertrag auf den übrigen Ersparnissen bleibt zudem gering. Niedrige Realzinsen und hohe Aktienkurse sind die unweigerliche Konsequenz.

→ FT (Anmeldung erforderlich): „Corporate surpluses are contributing to the savings glut“, 17. November 2015

Kommentare (5) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Stefan Siewert
    Stefan Siewert sagte:

    Komplexe Phänomena ermöglichen unterschiedliche Sichtweisen. Das Konzept des in diesem Blog thematisierten Leontieff-Winters kann neben der monetären Sichtweise eine bestimmte Plausibilität nicht abgesprochen werden, auch wenn er in der Konsequenz nicht minder ratlos zurückläßt. Ein solcher Winter würde einen Wachstumszyklus von mehreren Jahrzehnten abschließen. Die letzte große globale institutionelle Anpassung nahm vor 65 Jahren mit der “Stunde Null” Fahrt auf, vor 250 Jahren begann die industrielle Revolution. Seither treffen viele Phänomene zusammen: der Anteil der Industriebeschäftigung sinkt in den einstelligen Bereich von der Gesamtbeschäftigung, die Schlüsselindustrien von vor 100 Jahren (Schwerindustrie, kapital- und energieintensive Produktion) ist mit 50 % der globalen Kapazitäten in einem Entwicklungsland konzentriert. Industrie 4.0 deutet den Weg in die volkswirtschaftliche Nische, wie die Landwirtschaft, deren Produktion weiterhin zunimmt, die aber für die Dynamik einer Gesellschaft nicht die Schlagzeilen bestimmt. Die “der-Gewinner-nimmt-alles” Märkte sind von Ausnahmeerscheinungen zu einem systembestimmenden Moment geworden. Zwar ist der Kapitalbedarf ungleich geringer und die Kompensation für Risikobereitschaft ist exponential höher als früher, nur: keiner kennt die neuen Spielregeln. Und da man als rationeller Akteur nur kalkulierbare Wetten eingeht, hält man sich zurück und startet Aktienrückkaufprogramme. Unsicherheit, wie in vielen IMF-Publikationen betont, hält Investitionen zurück.

    Wir haben Peak-Welthandel, die dritte Demokratisierungswelle ist zurückgeworfen, Ungleichheit feiert Jahrhundertrekorde, politische Polarisierung und Fragmentierung bestimmen die Schlagzeilen, beispielhaft am US–amerikanischen Kongress und der Sichtweisen über die Aussichten der Wirtschaft im FED. Mehr als 4 000 Milliarden USD wurden in den Staats- und Nationenaufbau im Nahen Osten investiert, und das Ergebnis könnte nicht katastrophaler sein – ein zaghafter Hinweis, dass die dominierenden Ansichten und Annahmen nicht mehr vollständig den Realitäten vor Ort entsprechen, ungeachtet aller handwerklichen Fehler.

    Ist die absehbare Bereinigung der Schuldenkrise nur der sichtbare Teil des Eisberges? Vor mehr als 100 Jahren lag auch das Gespür in der Luft, dass Änderung notwendig sei. Niemand hatte aber vorausgeahnt, dass der Anpassungsprozess mehrere Jahrzehnte mit zwei Weltkriegen umfassen würde und erst im Ringen von zwei Supermächten einen stabilen, wenn auch fragilen Rahmen bekam, der den Wohlstand explodieren ließ und zum absoluten Sieg der einen Seite führte. Nicht jeder Vergleich ist sinnvoll, aber wenn Geschichte Lehren bereithält, dann sollten wir uns in Demut üben und es nicht a priori ausschließen, das sich unsere heutigen, scheinbar so fest gefügten Ansichten über Richtig und Falsch nicht doch steile Lernkurven durchlaufen könnten.

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    • Dieter Krause
      Dieter Krause sagte:

      Wahrscheinlich ist die menschliche Psyche für die Bewältigung solcher Komplexitäten wie gegenwärtig – und dann auch noch einigermaßen gerecht – nicht gemacht! Es brechen jetzt eben die Zeiten der Trumps & Co. in der Politik auch im Westen an: Die Präsidentschaft als Maximalbelohnung für den größten Narzisten und Sprücheklopfer (nach Aristoteles wohl Entartung der Demokratie zur Ochlokratrie)! Die Debatte um die militärisch eigentlich lächerliche Gangstertruppe IS im Westen spricht da auch Bände: Weltkrieg 3.0 (HANDELSBLATT)! Vor 1914 dachte man übrigens – sowohl in England als auch in Deutschland – dass die Vernetzung der Volkswirtschaften, die militärische Industrialisierung und die Kosten eines riesigen Materialkrieges eigentlich einen Krieg zwischen den großen europäischen Industrienationen ausschließen müßte. Es kam dann völlig anders, weil manche eben glaubten, sie können den Sieg von 1870/71 locker wiederholen (“Zu Weihnachten sind wir wieder zu Hause!”) und der Gegner würde dann auch, wie 1871, die Kosten den Krieges bezahlen (1871 die Franzosen mit 5 Mrd. Goldfrancs). Am Ende kam aber für die Deutschen Versailles oder? Die Österreicher haben damals, also 1914, wirklich auch noch Lanzenreiter ins Feld geschickt! Die menschliche Verrücktheit hat eben nach oben keine Grenze…

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  2. Michael Stöcker
    Michael Stöcker sagte:

    Dies sind die unausweichlichen Konsequenzen einer fehlerhaften Geldtheorie, die die monetäre Ersparnis an den Anfang einer Investitionskette stellt (Loanable Funds Theorie) und die durch den Steuersenkungswettbewerb auf die Spitze getrieben wurden. Aber auch Martin Wolf scheint immer noch in diesem Irrglauben verfangen zu sein wenn er schreibt: „Dazu nutzen die Unternehmen die Ersparnisse der privaten Haushalte…“

    Ich kann mich immer nur wiederholen: Die monetären Ersparnisse sind das Ergebnis der Kreditaufnahme, aber doch nicht deren Voraussetzung: https://zinsfehler.wordpress.com/2014/09/04/bankmythen/.

    Wann bekommen wir endlich die kopernikanische Wende im Geldsystemverständnis auf die Reihe???

    LG Michael Stöcker

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  3. Dieter Krause
    Dieter Krause sagte:

    Was machen wir denn dann bei Industrie 4.0 mit dessen hohen Freisetzungsraten von überflüssigen Arbeitskräften? Das ist doch eine soziale Bombe oder?
    Der Einsatz von Robotern und anderen Technologien wird in den kommenden Jahren Millionen von Arbeitskräften hierzulande überflüssig machen. Das ist das Ergebnis einer Berechnung der Volkswirte der Bank ING-Diba. Demnach bedroht die sich zunehmend beschleunigende Technologisierung mittel- und langfristig mehr als die Hälfte aller Arbeitsplätze in Deutschland. Von den 30,9 Millionen sozialversicherungspflichtig und geringfügig Beschäftigten, die in der Untersuchung berücksichtigt werden, würden demnach 18 Millionen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten durch Maschinen und Software ersetzt.
    http://www.welt.de/wirtschaft/article140401411/Maschinen-koennten-18-Millionen-Arbeitnehmer-verdraengen.html

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