China viel gefährlicher als Griechenland

Vor einigen Wochen habe ich einen Beitrag von David Stockman kommentiert, der einen drastischen Vergleich gezogen hat: China sei das weitaus größere Problem als Griechenland. Recht hat er. Die Schuldenprobleme sind weitaus größer und drückender. Wir im Westen verlassen uns immer darauf, dass die Regierung in China nicht nur kompetenter ist als unsere Regierungen (was stimmen dürfte), sondern auch über mehr Mittel verfügt, eine Krise zu bekämpfen (was ebenfalls stimmen dürfte). Doch ob es genügt, im Ernstfall wirklich die Folgen des Platzens der Kreditblase aufzufangen, muss sich noch zeigen. Nicht alle sind so optimistisch. Doch eines muss klar sein. Selbst wenn die Optimisten recht bekommen, so wird der Preis der „Rettung“ der gleiche sein, wie bei uns: noch mehr Schulden. Ein weiterer Schritt in die Welt mit Null- bzw. Negativzins und immer höheren Schuldenbergen und Scheinvermögen.

Heute zunächst die Feststellung, dass das Nominalwachstum in China vermutlich deutlich tiefer liegt, als gemeinhin angenommen. Die Ursache ist die angenommene Deflationsrate. Liegt Letztere höher als offiziell berichtet, so wächst die Wirtschaft nominal weniger, und wie ich hier schon vor Jahren am Beispiel von Spanien geschrieben habe, ist Schuldnern das Realwachstum herzlich egal. Sie brauchen Nominalwachstum, um mit ihren Nominalschulden umzugehen!

Die FT berichtet: Das nominale Wachstum in China ist seit 2011 von 20 Prozent p. a. auf nur noch 5,8 Prozent gefallen. Inflationsbereinigt ist der Einbruch geringer, von 9,5 auf 7 Prozent pro Jahr. Dahinter steht ein deutlicher Rückgang der Inflation, und nun seit einiger Zeit – wie hier regelmäßig thematisiert – Deflation.

Chart: China year-on-year GDP growth

Für die Unternehmen wirkt sich das deutlich aus. Stiegen die Umsätze börsennotierter Firmen 2011 um 30 Prozent pro Jahr, fiel das Wachstum auf nur noch 0,7 Prozent im ersten Quartal 2015. Was im deutlichen Kontrast zur Entwicklung an der chinesischen Börse steht, die trotz der deutlichen Einbrüche in den letzten Tagen immer noch deutlich über dem Stand von vor einem Jahr notiert. Allerdings halten die Chinesen im Schnitt Aktien nur für vier Wochen, was unterstreicht, dass die Börse recht wenig mit den Ereignissen der Realwirtschaft gemein hat.

Die Analysten von Societe Generale sind besonders skeptisch, was den Ausblick für China betrifft. Sie verweisen auf die deutlich gestiegene Rate an Kreditausfällen, was zumindest eine Indikation gibt, dass die chinesische Regierung nicht wie erwartet in jeder Situation rettend zur Seite springt. Zwar wäre die verdeckte Verschuldung der Regionalregierungen, die auf rund 35 Prozent des BIP „handelbar“ –, aber es gibt Indikationen, dass die Zentralregierung eben nicht handelt.

Das Problem ist die Vernetzung aller Akteure. Die Regionalregierungen haben Kredite aufgenommen und diese an lokale Unternehmen aus allen Sektoren weitergegeben. Dass sie dies nicht mehr können, wirkt wie ein „Cash-Call“ im Kreditsystem. Ein wichtiger Finanzierungsanker fällt weg. Folge: Die faulen Kredite im System wachsen deutlich. Wie schon vor einiger Zeit hier erläutert, dürften diese Zahlen allerdings auch geschönt sein. Denn die Non-performing-Loans liegen deutlich unter dem Niveau der letzten Krise, während das Gesamtkreditvolumen deutlich darüber liegt. Da zeigt sich: China hat nicht nur Schuldenpolitik nach westlichem Vorbild betrieben, sondern auch gelernt, wie man die Probleme verdeckt, zum Beispiel indem Banken weiterhin so tun, als wäre alles paletti. Zombies in Europa, Zombies in China. Und da wundern sich die Experten, weshalb wir nicht wachsen!

→ FT (Anmeldung erforderlich): China deflation flatters GDP figures, 23. Juni 2015

→ Zero Hedge: “Critical” Debt “Domino Chain” Threatens To Destabilize China’s Financial System, SocGen Says, 26. Juni 2015