China – schlimmer als erwartet

Ist es nicht schön, dass China im Januar 520 Milliarden US-Dollar neue Schulden gemacht hat? Also, alle zusammen, Staat und Private. Ja, das ist es, denn damit ist klar, dass China es ernst meint mit der Stimulierung der Wirtschaft. Wir können damit hoffnungsfroh sein, dass es 2016 doch nicht zu einer Rezession kommt und das System noch eine Runde weitergetrieben wird.

Quelle: Zero Hedge

Dabei muss man wissen, dass es sich nicht um Kleingeld handelt, wie eine andere Abbildung zeigt. Demnach hat China in einem Monat mehr Schulden gemacht, als diese Länder insgesamt haben:

Quelle: Zero Hedge

Ja! Das liegt einfach nur an der Größe. Entscheidend ist aber, dass die Produktivität neuer Schulden immer mehr abnimmt. Das liegt daran, dass man sich der Kapazitätsgrenze nähert. Somit stimulieren die neuen Schulden die Wirtschaft nicht mehr, sondern sie dienen lediglich dazu, alte Verbindlichkeiten zu bedienen.

Dahinter steckt eine strukturell bedenkliche Entwicklung, auf die ich bereits am 15. September 2015 hingewiesen habe. Es lohnt sich, den damaligen Beitrag zu wiederholen, da nicht jeder von Ihnen ihn damals gesehen haben dürfte!

September 2015:

Der Chefvolkswirt der Citigroup, Willem Buiter, ist bekannt für seine provokanten Aussagen. Stichworte: „Gold die größte Blase aller Zeiten“ und die Unterstützung der Idee eines Bargeldverbotes. Dabei sind seine Analysen durchaus gut. Deshalb ist es interessant, dass er sich deutlich kritischer als der Mainstream zu den Auswirkungen der chinesischen Abschwächung auf die Weltwirtschaft äußert:

  • Mit 55 Prozent Wahrscheinlichkeit gerät die Weltwirtschaft in eine Rezession, die bis 2017 anhält.
  • Auslöser dafür ist die Abschwächung Chinas, die auf die anderen Schwellenländer ausstrahlt.
  • Der chinesische Schuldenboom und die Blasen bei Aktien und Immobilien „sind das klassische Rezept für Rezessionen“.
  • China wird nur noch mit vier Prozent wachsen, Brasilien, Russland und Südafrika stecken bereits in der Krise.
  • Andere Schwellenländer werden auch in die Rezession fallen, vor allem jene, die von Rohstoffen abhängig sind.
  • China wird zwar keinen Währungskrieg starten, die eigene Währung aber durchaus weiter schwächen. – bto: … und damit Deflation exportieren, wie oft diskutiert.
  • Diese schwächere Weltwirtschaft würde eine schwache Erholung in den USA und der Eurozone treffen – und die Notenbanken haben wenig Munition, vor allem weil einige „Politiker sehr skeptisch mit Blick auf weitere geldpolitische Maßnahmen sind“. – bto: Damit dürfte er vor allem Deutschland meinen.

Buiter bleibt sich dabei treu: Er fordert schon lange unkonventionelle Maßnahmen bis hin zum Helikopter-Geld.

Doch damit nicht genug! Zero Hedge berichtet sehr prominent von einer neuen Studie des Daiwa Institute of Research, der Forschungsabteilung von Daiwa Securities. Diese werfen einen tieferen Blick auf die chinesische Wirtschaft. Zunächst auch für Leser von bto nicht viel Neues. China hat sein Wirtschaftswachstum mit massiven schuldenfinanzierten Investitionen erkauft und dabei erhebliche Überkapazitäten geschaffen und Fehlinvestitionen getätigt. Die Anpassung wird schmerzhaft. Nun kommt aber die schlechte Nachricht: Es dürfte nicht bei einer Abkühlung auf ein Wirtschaftswachstum auf vier Prozent bleiben. Im Gegenteil, es droht, dass die Fehlinvestitionen die Wirtschaft in eine Stagnation treiben, verbunden mit erheblichen negativen Wirkungen für die Weltwirtschaft. Dieses Negativszenario ist für Daiwa der „Base Case“, also das wahrscheinlichste Szenario.

Die Analysten schauen dabei auf den Kapitalkoeffizienten (realer Kapitalstock/reales BIP). Wie die Abbildung zeigt, ist dieser nach 2008 (nochmals) deutlich gestiegen, weil China mit einem groß angelegten Investitionsprogramm darauf reagiert hat. Der weitere Anstieg in den letzten Monaten deutet auf zunehmende Probleme und Überkapazitäten hin. Nimmt man den langjährigen Trend, so kommt man zu Überkapazitäten von 19,4 Billionen Yuan (3 Billionen US-Dollar), was 12 Prozent des gesamten Kapitalstocks entspricht. (Diese Zahl ist noch gering, verglichen mit den auf 6,8 Billionen US-Dollar geschätzten Fehlinvestitionen).

Der Überhang muss angebaut werden. Zwar kann die Regierung den Prozess etwas verlangsamen – aber nicht verhindern.

Daiwa berechnet dann die Wirkung auf das Wachstum der chinesischen Wirtschaft. Zunächst kommt die Erkenntnis, dass die Produktivität in den letzten Jahren nicht mehr gewachsen ist. Faktisch der gesamte Zuwachs an BIP kam direkt durch die Investitionen. Nachdem über dreißig Jahre die Faktorproduktivität (mehr Arbeiter, höhere Produktivität durch technologischen Fortschritt und Kapitalausstattung) um fünf Prozent pro Jahr gewachsen ist, lag das Wachstum in den letzten Jahren bei nur noch zwei Prozent.

Deshalb sieht Daiwa für China auch nur noch ein Potenzialwachstum von rund vier Prozent im Jahr. Verbunden mit der nötigen Anpassung bei den Investitionen kommen die Analysten dann zu ihrer Aussage, dass das tatsächliche Wachstum eher bei null liegen dürfte. Doch damit nicht genug. Sollten die Investitionen fallen und die Wirtschaft damit weniger wachsen, werden die Probleme mit faulen Schulden immer offensichtlicher und könnten die Wirtschaft in eine Abwärtsspirale drücken.

Mit fatalen Wirkungen für die Weltwirtschaft. Siehe Buiter oben. Allerdings mit einem Unterschied: Buiter erwartet eine milde Rezession in China und in der Welt. Daiwa ist deutlich skeptischer. Sollte Daiwa recht behalten, ist die Reaktion der Kapitalmärkte berechtigt. Denn dann dürfte es den Notenbanken schwerfallen, weiteres Schuldenwachstum zu inszenieren.

Eine These, die sich jetzt auch im Mainstream zunehmend findet.

→ The Telegraph: „China leading world towards global economic recession, warns Citi“, 9. September 2015

→ Zero Hedge: A Major Bank Just Made Global Financial ‚Meltdown‘ Its Base Case: ‚The Worst The World Has Ever Seen‘“, 12. September 2015

→ Zerohedge: China Created More Debt In January Than The GDP Of Norway, Austria Or The UAE, 15. Februar 2016

Kommentare (7) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. MT
    MT sagte:

    Und wie ergibt es sich dann – ob dieser wunderbaren Geldvermehrung -, daß im selben Januar die Exporte um mehr als 11%, die Importe um mehr als 18% eingebrochen sind?

    Antworten
    • Daniel Stelter
      Daniel Stelter sagte:

      Tja, entweder floss das Geld in andere Bereiche oder diente nur dazu vorhandene Verpflichtungen „zu bedienen“ … Exporte sind sicherlich mengenmäßig weniger eingebrochen als wertmäßig wegen der Deflation.

      Antworten
  2. Stefan Ludwig
    Stefan Ludwig sagte:

    Mir geht immer wieder ein bestimmer Kommentar von Jacque Fresco durch den Kopf.
    Während der “Great Deppresion” fragte sich Jacque Fresco Warum wurden die Arbeiter alle entlassen?
    Die Fabriken und Maschinen waren doch alle immer noch da!

    Bei einer ersten Betrachtung dieser Aussage mag einem diese naiv erscheinen. Motto “tja wenn der Fabrikant sich verspekuliert hat… – – – ist halt so wenn er pleite geht!

    Jetzt lieber Leser heben sie mal das hier bestehende Denkverbot (wenigstens gedanklich auf):
    Ja warum konnten die Arbeiter nicht wenigstens weiter Grundnahrungsmittel, Kleidung, Tische, Stühle und Betten etc. produzieren? Weil der Unternehmer seine Schulden nicht zurückzahlen kann?

    Nun die Staaten (ich meine damit alle Staaten) wollen das auch nicht. Ob viel oder wenig Schulden egal ob 50% des BIP oder 250% des BIP. Die Staatsschulden werden doch NIE zurückgezahlt. Die Staaten zahlen konkrete Kredite zurück und nehmen neue auf. Mit steigender Nettoneuverschuldung.
    Also immer weiter ansteigend.

    Was ist denn so abwegig an der Idee das Geld in seiner heutigen Form abzuschaffen? Wieso ist es absolut zwangsläufig das Zivilisationstrukturen erhalten und weiterentwickeln nur MIT einem Geldsystem geht?

    Sie mögen immer noch nicht mitdenken? Vielleicht hilft das berühmte Zitat das Thomas J. Watson IBM-Manager zugeschrieben wird “Ich glaube, dass es auf der Welt einen Bedarf von vielleicht fünf Computern geben wird”

    Werfen sie doch einmal alle wenns und abers über Bord und durchdenken sie den Grundgedanken bis sie auf ein Argument stoßen das ANDERS lautet als “werden die Mächtigen niemals zulassen”, “dafür gibt es keine Mehrheit” usw.

    Ich stelle das als ganz ernsthaft gemeinte Frage!
    Wieso ist es absolut zwangsläufig das Zivilisationstrukturen erhalten und weiterentwickeln nur MIT einem Geldsystem geht?
    Nennen sie mir sachliche Argumente die nicht aus dem oben beschriebenen Gebiet stammen.

    Innovationen die ja allerorten so viel beschworen werden entstehen durch freches freies neu denken.
    BEdenkenträger machen erst Sinn WENN man etwas neues entworfen HAT um die guten von den irrsinnigen Entwürfen zu trennen.

    So jetzt bin ich gespannt ob in diesem Leserkreis hier die Zeit reif ist das zu diskutieren.

    mit freundlichen Grüßen

    Stefan Ludwig

    Antworten
    • Paul Ziegler
      Paul Ziegler sagte:

      Ich denke, s.g. Hr. Ludwig, Sie haben hier die Entwicklung der Geldpolitik der letzten rd. 80 Jahre beschrieben. Begrenzungen der Geldmenge (ursprüngl. die Menge an Gold im Tresor) wurden sukzessive aufgehoben und Banken ermutigt, durch stets steigende Kreditvergabe oder Kapitalmarkttransaktionen die Wirtschaft (im weitesten Sinn) zu unterstützen.
      Die Folgen sehen wir jetzt. Enorme Verschuldungsniveaus und Vermögensblasen, sowie steigende Ungleichheit global und innerhalb der einzelnen Volkswirtschaften. Von der steigenden (Kredit-) Geldmenge profitieren naturgemäß jene, die näher an der Quelle des neuen Geldes sind, wie Banken, aber auch “gute Schuldner”, also Vermögende. Global gesehen profitieren die USA und “westl.” Industrienationen wegen der globalen Nachfrage nach ihrem Geld.
      MfG, Paul Ziegler

      Antworten
  3. UlliBaba
    UlliBaba sagte:

    Lieber Herr Stelter, lieber Mitkommentarist,

    möglicherweise ist mein Kommentar ja ein wenig off-topic, er bezieht sich aber auf den ersten Kommentar und stellt eine Alternativposition zur chinesischen Verschuldungsvariante innerhalb der EU dar.
    Ich bin ein großer Fan von Herrn Stöckers Citoyage, empfinde diese aber als zu “modern” im positiven Sinne und damit für zu gewöhnungsbedürftig.
    Deshalb wandele ich diese ab in einen “WelcomeVoucher” Vorschlag, Begrüßungsgeld gab es ja bereits einmal.
    Die EZB verteilt 5 Millionen Vouchers jährlich im Wert von je 50.000 €.
    Je einen Voucher erhalten zwei Bevölkerungsgruppen:
    Familien bei Geburt des zweiten oder dritten Kindes und qualifizierte Einwanderer.
    Familien müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllen: Bereits ein Kind, Eltern haben beide eine qualifizierte Berufsausbildung und sprechen die Sprache des Wohnsitzlandes, sind mindestens 22 Jahre alt. Dafür werden max. 4 Millionen Voucher jährlich genutzt.
    Einwanderer können in den ersten 5 Jahren ihres Aufenthalts ihre Steuern und Sozialabgaben über den Voucher abgelten. Dafür werden max. 1 Millionen Voucher genutzt.
    Um möglichen Mißverständnissen vorzukommen, es geht nicht um Staatsangehörigkeiten, sondern nur um Fähigkeiten, die jeder potentielle Voucherempfänger selbst erreichen kann.

    Damit werden Neubürger begrüßt und es kann ein erheblicher, wenn auch überschaubarer Beitrag zum Binnenkonsum erreicht werden.
    Um eine stärkere Wirkung zu erreichen, könnte man ja die in den vergangenen Jahren geborenen und eingewanderten nachträglich berücksichtigen.

    Antworten
  4. Johannes
    Johannes sagte:

    Alles “Geld” hilft nicht – im Ergebnis steigt der deflationäre Druck “im Kessel”. Der Weg, der derzeit als Ausweg beschritten wird (QE in allen Varianten und Bezeichnungen), ist der falsche und leistet nur einen Beitrag zu Steigerung der Fallhöhe.

    Antworten
  5. Katalin
    Katalin sagte:

    Hallo,

    typisch zero hedge irgendwelche Zahlen, die im Prinzip rein gar nichts aussagen. Das haben Sie Herr Dr. Stelter in “Staatsschulden – wirklich so schlecht?” sehr gut erklärt.

    Kein Wunder, dass die Seite von vielen als nicht die beste Informationsquelle angesehen wird.

    zu William Buiter und Citi:
    “Mit 55 Prozent Wahrscheinlichkeit gerät die Weltwirtschaft in eine Rezession”

    Die Aussage kann jeder treffen, da sie im Prinzip sehr wenig aussagt. Ständig erstellen irgenwelche Experten Prognosen, manche im Wochentakt, kein Wunder das dann einer irgendwann Recht behält und dann später als Prophet bezeichnet wird. Die Krise muß kommen, dass weiß ich auch, denn es ist ein Naturgesetz.

    Die Fragen, die uns die ganzen Experten nicht beantworten wollen sind folgende:

    1. Warum gibt es so viele Schulden bzw. so viele Krisen in den letzten Jahren.
    2. Wenn es am Geldsystem liegt, wie kann es sein, dass es diese Krisen auch in den letzten 1000 Jahren gegeben hat, selbst in den Zeiten als es das Goldsystem noch gab.
    3. Was ware passiert wenn es die am meisten, auch hier kristiserte Institutionen nicht gegeben hätte, nämlich die ZBs. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, wenn das Ganze gar nichts mit der Nachfrageseite (VERTEILUNG – der Einkommen und des Vermögens) hat, sondern Angebotsbedingt ist (weiniger Marktregulierung, Kündigungschutz, weniger Staat), warum wächst BRD nurch durch Auslandsverschuldung (Keine Inflation, Investionsquote sinkt, Binnenachfrage schwach). BRD ist doch das Land das die ganzen Reformen durcheführt hat. (Angebotsseite)
    4. Wie soll den Wachstum erzeugt warden, wenn wie Sie Herr Dr. Stelter schreiben, es nur 3
    Möglichkeiten dafür gibt:
    1. Bevölkerungswachstum
    2. Produktivitätssteigerungen
    3. Ausland

    wenn;

    a. der Westen, dass Verteilungsproblem nicht angehen will, da die Vermögenden es durch gekaufen Politiker verhindern. (In den USA öffentlich und legal durch Parteispenden, in Europa durch schwarze Kassen)
    b. Die Bevölkerung schrumpft
    c. Die Produktivität sinkt, warum auch immer

    Das Geldsystem und die Verschuldung ständing zu kritiseren, ohne die hier angesprochenen grundsätzlichen Probleme zu erwähen ist ein bisschen zu einfach, denn wir hätten die selben Probleme auch unter einem anderem Geldsystem, nämlich;

    Vermögen und Schulden muß man immer im Zusammenhang betrachten, wobei einige Leute immer nur Gläubiger sein wollen, d.h. immer mehr Vermögen haben wollen ohne es aber zu brauchen oder zu verbrachen. Das ist das Grundproblem, diese Taatsache übt ständigen Druck auf das System aus und hat uns in die heutige Situation geführt. Denn insgesamt betrachtet, kann keiener von uns sparen, wenn sich andere nicht verschulden.

    Gruß

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