Bad advice from Basel’s Jeremiah

Martin Wolf kommentiert in der FT den jüngsten Bericht der BIZ äußerst kritisch. Ganz im Unterschied zu meinem Kommentar bei MM Online sieht er nur die Möglichkeit der Fortsetzung der heutigen Politik – ergänzt um mehr Staatsschulden –, um die Krise zu bewältigen. Interessant. Doch schauen wir uns seine Argumentation im Detail an:

Ursachen der Krise:

Die BIZ fokussiert auf den Finanzzyklus, ein Konzept welches auf den Arbeiten des schwedischen Ökonomen Knut Wicksell basiert. Die Kernidee ist so simpel wie einleuchtend: Sind die Zinsen zu tief, führt dies zu einem Verschuldungsboom mit steigenden Vermögenswerten. Damit sind Schulden und Geld nicht unabhängig von der Wirtschaft, sondern werden durch diese generiert (klar, siehe auch Eigentumsökonomik zur Erklärung). Wenn der Boom der Verschuldung zum Ende kommt (und das muss er unweigerlich irgendwann einmal, weil Schulden trotz aller Bemühungen der Politik eben nicht dauerhaft schneller wachsen können wie das Einkommen), folgt die Krise. Die darauf folgende „Bilanzrezession“ (Richard Koo) zwingt die Schuldner, ihre Bilanzen in Ordnung zu bringen – sparen, zurückzahlen, pleite gehen. Im Schnitt laufen diese Zyklen – so die BIZ – über einen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren ab. Martin Wolf teilt diese Sicht, und auch ich kann es nur unterschreiben. Dies ist der Kern des Problems.

Lassen wir die BIZ direkt zu Wort kommen: „Die Finanzzyklen unterscheiden sich von den Konjunkturzyklen. Sie bilden die Dynamik der Wechselwirkungen ab, die finanzielle Auf- und Abschwünge auslösen – Wechselwirkungen zwischen den Bewertungen, dem geschätzten und dem tatsächlich eingegangenen Risiko sowie den jeweiligen Finanzierungsbedingungen. Finanzzyklen sind tendenziell deutlich länger als Konjunkturzyklen und lassen sich am besten durch eine Kombination aus Kreditaggregaten und Immobilienpreisen messen. Produktion und Finanzvariable können sich lange Zeit in unterschiedliche Richtungen entwickeln, doch wenn ein Finanzboom endet, stellt sich der Zusammenhang zwischen den beiden in der Regel umso stärker wieder her. In solchen Abschwüngen kommt es oft zu Bankenkrisen, die wiederum zumeist mit viel tieferen Rezessionen – Bilanzrezessionen – zusammenfallen als in einem durchschnittlichen Konjunkturzyklus üblich.“

Wo stehen wir heute?

Im Jahr sechs der Krise bleibt das Wachstum schwach, die Schulden steigen weiter und die Politik des billigen Geldes führt zu Exzessen an den Finanzmärkten. Die BIZ: „Eine hohe Verschuldung des privaten Sektors kann nachhaltiges Wirtschaftswachstum untergraben. In vielen Ländern, die gegenwärtig einen Finanzboom erleben, sind die privaten Haushalte und Unternehmen geschwächt, und es drohen schwerwiegende finanzielle und gesamtwirtschaftliche Anspannungen. Auch in den Ländern, die von der Krise am stärksten betroffen waren, sind die Schuldenstände des privaten Sektors im Vergleich zum BIP immer noch hoch, wodurch die privaten Haushalte und Unternehmen gegenüber einem Zinsanstieg anfällig sind. Diese Länder könnten sich in einer Schuldenfalle befinden: Eine Ankurbelung der Wirtschaft durch niedrige Zinssätze schafft Anreize für eine noch stärkere Verschuldung und verschärft schließlich das Problem, anstatt es zu lösen.” Ich würde „könnten“ streichen und schreiben: Diese Länder befinden sich in einer Schuldenfalle.
Auch diese Sicht auf den Zustand der Wirtschaft und die Nebenwirkungen auf den Finanzmärkten teilt Martin Wolf.

Was sollte getan werden?

Die BIZ fordert – wie ich in meinem Kommentar am Montag geschrieben habe – eine Abkehr von der kurzfristig orientierten Politik, fundamentale Reformen und implizit eine Schuldenrestrukturierung. Martin Wolf hält diese Sicht für „alttestamentarisch“. Diese würde zu schweren Verwerfungen führen und den von BIZ aus seiner Sicht unterschätzten Deflationsdruck verstärken. Im Ergebnis würden die Schulden relativ zum Einkommen dann noch schneller wachsen. Aus seiner Sicht sind die Vorschläge der BIZ:

  • Zweifelhaft: Die BIZ vernachlässige die Wirkung von globalen Ersparnisüberhängen (China, Deutschland sparen zu viel) und zunehmender Einkommenskonzentration, was zuviel Ersparnis und zu wenig Investitionen bewirkt. (Das ist Larry Summers säkulare Stagnation, sehe ich kritisch). Außerdem wären die USA nur durch die massiven staatlichen Ausgaben für den zweiten Weltkrieg wieder aus der großen Depression gekommen. Ohne Staatsschulden geht es also demnach nicht.
  • Weise: Die BIZ hat mit der Warnung recht, dass man Kreditbooms am besten verhindert, vor allem für jene Länder, die nicht ihre eigene Währung drucken können. (Diese Einschränkung verstehe ich mit Blick auf die Möglichkeit durch Gelddrucken die Schulden zu bezahlen, finde es aber einen sehr zweifelhaften Gedanken. Auch durch das Drucken von Geld wird Vermögen umverteilt. Besser wäre Kreditbooms immer zu beschränken.) Die BIZ hat auch recht mit der Kritik an den langsamen Fortschritten beim Schuldenabbau.
  • Dumm: Für Martin Wolf ist die Forderung nach einer Reduktion der Stützungsmaßnahmen (monetär und Staatsnachfrage) nur dumm. Die dadurch ausgelöste tiefe Krise mit fallenden Preisen würde die Schulden nur weiter anwachsen lassen. Es geht nur mit Keynes.

Ohnehin wird die Politik nicht der Forderung der BIZ folgen. Insofern braucht sich Martin Wolf keine Sorgen zu machen. Allerdings bleibt auch er die Antwort schuldig, wie es weiter gehen soll. Denn immer mehr Schulden wie in Japan kaufen nur Zeit, lösen das Problem aber nicht. Die BIZ hätte expliziter sagen müssen, dass es ohne Schuldenschnitte nicht geht. Und Wolf hätte dies auch tun müssen.

FT (Anmeldung erforderlich): Bad advice from Basel’s Jeremiah, 1. Juli 2014

Kommentare (4) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Uwe Isack
    Uwe Isack sagte:

    Wie spiegelt “Otto Normalverbraucher”, “Lieschen Müller”, die “Deutsche Hausfrau”
    oder auch der “Michel” die Erkenntnis, dass “ersiees” auf den Holzweg geführt wird?
    Sie ALLE merken, dass da Etwas nicht stimmt, wollen aber nicht mit Kritik auffallen,
    weil es ja noch immer gut gegangen ist.

    Gibt es diesbezüglich öffentlich zugängliches Research?

    Antworten
    • Daniel Stelter
      Daniel Stelter sagte:

      Spontan fallen mir dazu nur die üblichen Umfragen ein. Diese zeigen, dass die Deutschen der Rettung nicht trauen, aber Frau Merkel irgendwie schon. Überhaupt denken viele, es träfe nur die Vermögenden, was ein großer Irrtum ist. In Summe zeigt sich hier nur das schlechte Verständnis für Ökonomie, welches in Deutschland bis auf die höchsten Ebenen weit verbreitet ist. Wenn ich über entsprechende Studien stolpere, werde ich sie auf diesen Seiten aufnehmen.
      Vielen Dank für Ihr Interesse!

      DSt

      Antworten
  2. Dieter Krause
    Dieter Krause sagte:

    Martin Wolfs Argumentation in der FT scheint mir die Strategie der englischen Regierung in der Finanzkrise zu bestätigen, die seit 2008 von allen Zentralbanken mit das meiste Geld gedruckt hat (und wohl durch die Bank of England auch die prozentual meisten Staatsanleihen hat aufkaufen lassen). Die englische Regierung ist eben auch jetzt immer noch stark cityorientiert – der daraus folgende Maximalkeynesianismus ist nur der illegitime Bastard aus dieser manischen Ehe zwischen Banken und Regierung (politisch-monetärer Komplex). Ihre Industrie haben die Engländer in den letzten 40 Jahren leider verkommen lassen. Dass ihr Finanzsektor – im Vergleich zur restlichen Wirtschaft – schlicht zu groß sein könnte, kommt ihnen wahrscheinlich auch nicht in den Sinn, da die City mit ihrer Internationalität zumindest einen letzten Rest von Empire verströmt. Von daher kommen im übrigen auch einige ihrer starken Aggressionen gegen die EU, da den Engländern die neuen Finanzmarktregeln in der Euro-Zone (und der EU) schlicht viel zu weit gehen. – “Was gut ist für die City, ist auch gut für England!” Cameron sollte das einfach mal so deutlich sagen! Nur leider vergaben die englischen Banken in den letzten Jahren nur 15%(!) ihre Kredite für BIP-steigernde Investitionen in die Wirtschaft. Der Rest floss in den Immobilien- und vor allem den Finanzmarkt. Danke für die nationalen und globalen Asset-Bubbles, City of London!

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